AW: [These] Fanboys moegen Powergamer nicht
@ Zornhau
Das ist Powergaming, wie ICH es verstehe.
Das ist eine sehr schwammige Formulierung.
Aber die EINZIGE, die etwas TAUGT.
Man kann nur über Powergamer reden, wenn man sich über den Begriff einig ist.
Ganz im Gegenteil. Man kann SEHR WOHL und SEHR AUSFÜHRLICH über Powergamer reden, auch wenn sich nicht einmal zwei der Redenden über diesen Begriff einig sind.
Dieser Thread zeigt doch, wie gut das geht.
Wobei GERADE aus solchen Threads wie diesem hier sehr DEUTLICH hervorgeht, was (für wen) Powergaming ALLES sein kann.
Man kann die mit Powergaming verbundene Emotionalität erst dann richtig verstehen, wenn man mal ziemlich unterschiedliche, aber (siehe diesen Thread) eigentlich IMMER hochgradig emotional geprägte Vorstellungen (auch implizierte) über Powergamer erfahren hat.
Powergaming hat nämlich eine Eigenschaft, die sogar völlig UNABHÄNGIG von der konkreten "Definition", die ein einzelner eventuell aufstellen mag, ist:
Es läßt KEINEN kalt!
Ob es das Gute Powergaming (tm) ist, welches vom Selbstverständnis der Praktizierenden die Formel 1 unter den Rollenspielen ist, oder ob es das Böse Powergaming (tm) ist, welches von den Gegnern unwillkommener als Pest und Lepra geheißen wird - es läßt keinen kalt. IMMER kochen - so oder so - die Emotionen hoch.
Powergaming polarisiert, weil es - vergleichbar mit dem Extreme Programming in der IT - eine Art des Extreme Roleplaying darstellt, bei der mit Superlativen, mit Extremen, mit dem Anschlag dessen, was das Rollenspiel hergibt, gespielt wird.
Doch bei den Superlativen wird dann die Wertung in die BEWERTUNG des Powergamings reingemischt und - aus offensichtlichen Gründen - auch mit Powergaming überhaupt nicht verwandte Bereiche (Betrügen, Regelbruch, usw.) in den Dunstkreis des Powergamings gerückt.
Um Powergaming als "gut" oder "schlecht" zu BEWERTEN ist dessen WIRKUNG auf den einzelnen Bewerter interessant. - Dieser Thread behauptet in seiner "These", daß Fanboys Powergamer nicht mögen. - Die Formulierung der "These" ist auf die PERSON des Powergamers bezogen, was ich so nicht nachvollziehen kann, da in einer Zu- oder Abneigung zu einer Person noch weit mehr als deren Spielverhalten und Umgang mit Regelwerken eine Rolle spielt. - Daher möchte ich mich auf die WIRKUNG des Powergamings als Spielverhalten (vor, während und nach) einer Spielsitzung beschränken.
VOR der Spielsitzung bereitet sich ein praktizierender Powergamer GUT auf das Spiel vor. Er erschafft Charaktere, die nach allen geltenden Regeln bombensicher vom Regelsystem gestützt funktionieren. Er erschafft Charaktere, die nach allen geltenden Regeln bombensicher vom Setting-Fluff möglich (d.h. nicht verboten) sind. Und er KENNT die Regeln. Sehr gut sogar.
Wie WIRKT das auf einen Spielleiter oder einen anderen Spieler? - Der Spielleiter hat ANGST, weil der Powergamer die Regeln BESSER kennen könnte, als er selbst. Er ist unsicher, wie er mit dem knallharten Rollenspiel an der Ideallinie umgehen soll. - Der andere Spieler, der kein Powergaming betreibt, fühlt sich vom Powergamer-Charakter überrollt, an die Wand gespielt, nicht in der Lage mit Regelsystemkenntnis-Souveränität und spielerischer Konsequenz-Härte gleichzuziehen. Er fühlt sich dadurch in den Schatten gestellt.
VOR der Spielsitzung haben also andere Spieler die BEFÜRCHTUNG, daß der Powergamer einen Charakter gebastelt hat, der ihren mit so-la-la Regelkenntnissen zusammengeschusterten Charakter an die Wand zu spielen und zu würfeln geeignet sein könnte. Und Spielleiter haben die BEFÜRCHTUNG, daß der Powergamer einen Charakter mit solcher Übermacht (trotz gleicher Vorgaben wie beim Nicht-Powergaming-Spieler!) erschaffen haben könnte, daß sie ihn nicht mehr unter Kontrolle haben.
Powergaming WIRKT daher negativ auf unsichere Spielleiter und Mitspieler, weil sie Kontrollverlust und Niederlage bei einer ANGENOMMENEN(!) Konkurrenz der SCs fürchten.
Es ist die nackte Angst, die Furcht, die Powergaming in den Gegnern auslöst. - Dabei wird VIEL aus bloßer VERMUTUNG, daß Powergaming zu einer KONKURRENZ mit anderen Spielern und dem Spielleiter führen KÖNNTE, von den Befürchtenden SELBST hochgespielt.
Ein Powergamer MUSS NICHT den Spielleiter zur Niederlage in Grund und Boden spielen und er MUSS NICHT die anderen Mitspieler an die Wand spielen und sich kraft seines übermächtigen Charakters JEDES Spotlight des Abenteuers holen! - Die Angst davor ist völlig unbegründet.
Der Powergamer bereitet sich VOR dem Spiel nur besser auf alles, was kommen mag, vor als andere (ja oft auch als der Spielleiter). Das führt dazu, daß der Powergamer das Spiel SEHR GUT kennt und richtig "eintauchen" kann in Setting, Regeln, und eben seinen Charakter. Er ist der Feinschmecker des Rollenspiels, der sich jede Regelanwendung, jedes Settingdetail, welches er für interessant und verwendbar für seinen Charakter hält, auf der Zunge zergehen läßt, statt nur blind in sich hineinzustopfen, was ihm gerade so vorgesetzt wird.
Auch ein Hobbykoch könnte "Angst" vor Power-Eatern haben, vor Feinschmeckern, die sein mit Liebe und mit Mühe zubereitetes Menü als zu geringe Herausforderung für ihre höchstsensibilisierten Gaumen empfinden könnten. - Aber ist das so?
Warum spricht man Powergamern die Fähigkeit ab, OHNE Konflikt oder gar Streit zu suchen, einfach mit den anderen Spielern und Spielleitern ZUSAMMENZUSPIELEN?
Aus Angst, die NUR in den Spielleitern und anderen Spielern SELBST liegt.
WÄHREND der Spielsitzung beherrscht der Powergamer die Regeln souverän. Er trägt AKTIV dazu bei, daß die gesamte SC-Gruppe, deren Spieler manche Regeln nicht so gut beherrschen, mit besserem GEMEINSAMEN Vorgehen einen GEMEINSAMEN Erfolg erringen, weil der Powergamer weiß, wie man jeden nach seinen Stärken optimal einsetzen kann, um die gestellten Probleme zu lösen. - Durch dieses Vorgehen bezieht der Powergamer JEDEN in der Spielgruppe mit in die Lösungsfindung ein. Letzlich ist es das Powergaming als METHODE, welche es auch einer nicht optimal auf jede Herausforderung ausgelegten Gruppe an SCs erlaubt, durch das "Ziehen aller spielerischen Register" doch noch Erfolg zu haben, doch noch zu überleben, doch noch das Problem zu lösen.
WÄHREND der Spielsitzung fühlt der Spielleiter nicht mehr mehrere einzelne Spieler als "Gegen-Spieler", sondern hat es bei auch nur einem Powergamer in der Runde mit einer SCHLAGKRÄFTIGEN Truppe zu tun. Mit einer Gemeinschaftswesenheit, die mehr ist, als nur die Summe der einzelnen Spieler. Daher fühlt der Spielleiter sich bisweilen als im Nachteil. Er hat zwar "the cast of millions" zur Verfügung, aber nur EINEN KOPF diese intelligent zu führen. Dagegen ist die Spielergruppe im gemeinsamen Powergaming eine vielköpfige Hydra, die jede noch so interessante Idee sofort mit ihren anderen Köpfen prüfen und dann durch die RICHTIGEN Charaktere umsetzen lassen kann. So gesehen hat es der Spielleiter schwerer einer Gruppe mit auch nur einem Powergamer spannende Abenteuer zu bieten, als bei einer Gruppe an egoistischen, unkritischen, unkreativen Bespaßungswilligen (dies nur als Extremfall zur Hebung der Kontrasthärte aufgeführt!).
Ein Spielleiter muß also bei einer Gruppe mit Powergaming WÄHREND der Spielsitzung darauf vorbereitet sein, BESSERE Abenteuer zu liefern. Er muß ein BESSERER Spielleiter sein. - Und da viele in treffender Selbsteinschätzung um ihre Grenzen ihrer Spielleitungsfähigkeiten wissen, haben sie Angst vor solchen Gruppen.
Die Mitspieler in einer Gruppe mit auch nur einem Powergamer werden STÄNDIG GEFORDERT ihr BESTES im Spiel zu geben. Sie werden vom Powergamer ständig getrieben sich zu engagieren, mit Regeln und Spielwelt auseinanderzusetzen und SELBST AKTIV zu werden. - Das behagt vielen Spielern nicht, die lieber ihren mindermächtigen Charakter gemütlich durch den stockenden Verkehr der Innenstadt steuern, statt mit dem Formel 1 Charakter den nächsten Bahnrekord zu brechen und alle Gruppen, die JEMALS dasselbe Abenteuer (falls es ein Fertigabenteuer ist) gespielt haben sollten, ALT aussehen zu lassen. Nicht jeder lebt gerne auf der Überholspur. Nicht jeder kann das Tempo und die Beanspruchung mithalten. - Daher haben die gemächlicheren, geruhsameren Mitspieler, die weder von den Regeln noch von der Spielwelt noch vom Abenteuer wirklich viel wissen wollen, regelrecht Angst vor dem anstrengenden Work-Out ihrer Rollenspiel-Muskeln, zu dem sie der Powergamer in der Runde mitreißen wird.
Warum haben Spielleiter und Mitspieler nur soviel Angst vor Powergamern in der Runde?
Weil Powergamer so spielen, wie sie es selbst gerne würden, aber nicht den Arsch hoch genug bekommen haben. Weil Powergaming ANSTRENGEND ist! Weil Powergaming ständige Maximalaufmerksamkeit von Spielleiter und Mitspielern erfordert. - Und vor allem: Weil Powergaming sie MITREISST, MITZIEHT auf die Überholspur, wo sie sich unsicher fühlen und ihnen die Härte der Konsequenzen unbehaglich ist.
NACH der Spielrunde arbeitet der Powergamer an seinem Charakter weiter. Die im Spiel geschaffenen Fakten, die erworbene Erfahrung, die Resourcen werden möglichst optimal verwaltet, um das ereignisreich und mühevoll Erspielte auch zu bewahren. Ein Powergamer spielt NICHT Ex-und-Hopp, er schmeißt das Erlebte NICHT auf den Müll des "Zu-Vergessen"-Stapels im Hirn, sondern er SPIELT WEITER!
Dem Spielleiter ist das bisweilen nicht recht, da der Powergamer ALLE in der Spielrunde geschaffenen FAKTEN in der Spielwelt als solche für sein Weiterspielen verwendet. Da aber manchem Spielleiter - gerade bei ad hoc Entscheidungen oder mangelnder Vertrautheit mit der Spielwelt - eher "peinliche" Faktenerzeugungen passieren können, ist der Powergamer derjenige, der diese Fehler und Unzulänglichkeiten des Spielleiters während der Spielrunde für die "Nachwelt" (mindestens bis zur nächsten Spielrunde) aufbewahrt und wieder ans Tageslicht zieht. Schlimmer noch: der Powergamer überlegt sich das weitere Vorgehen des Charakter AUFGRUND dieser peinlichen Fakten! - Spielleiter, die lieber zwischen den Spielrunden auf das "Vergessen" der Spieler hoffen, haben am Powergaming wenig Freude.
Die Mitspieler, die ihren Charakterbogen nach Spielrundenende zwischen die Übungsaufgaben und die Pizza-Service-Liste stecken und frühestens kurz NACH Beginn der nächsten Spielrunde wieder herauskramen, dann eine Stunde oder mehr überlegen müssen, was sie denn alles noch ihren SC lernen lassen könnten, oder überhaupt nicht mehr wissen, wo, wann, und mit wem ihre SCs zuletzt zusammen waren, ist der stets vorbereitete Powergamer unangenehm, weil er ihnen ihre eigene Schluderigkeit durch sein glanzvolles Beispiel nur umso stärker spürbar macht. Sie fühlen sich auch unter Druck gesetzt, wenn sie keine Vorstellung haben, was ihr SC lernen soll und sie das Spielgeschehen, die WERTVOLLE Spielzeit mit Quellenbandwälzen verbringen, um ihren nächsten Lernanstieg endlich auf dem Charakterbogen zu verewigen und dann vom Powergamer noch hören müssen, wie ineffizient und geradezu sinnlos diese Auswahl war. - Die Spieler dieser Couleur empfinden den "aufgeräumten" Powergamer als Belastung ihrer energielosen und schludrigen Art und Lebensweise.
Warum fühlen Spielleiter und Mitspieler sich nur von Powergamern so unter Druck gesetzt?
Weil Powergamer mit ihrer geradezu perfektionistischen Art JEDEN Fehler und JEDE Schludrigkeit allein aufgrund der Tatsache, daß sie diese Fehler und Schludrigkeiten als FAKTEN ERNST NEHMEN unter die Nase reiben. So ständig auf seine Schwächen aufmerksam gemacht zu werden, können manche nicht ertragen und haben daher Angst vor der Spielnachbereitung eines Powergamers.
Somit haben wir VOR, WÄHREND und NACH der Spielsitzung folgende Punkte gefunden:
VOR dem Spiel: Spielleiter und Mitspieler projizieren ihre eigenen Ängste vor Konflikt und Unzulänglichkeit in die Powergamer, die mit ihnen spielen wollen, ohne dafür jemals konkreten Anlaß bekommen zu haben.
WÄHREND des Spiels: Spielleiter und Mitspieler finden es anstrengend mit einem Powergamer zu spielen, weil er ihnen zu intensiv spielt, zuviel fordert bzw. nicht leicht zu fordern ist, und er letztlich den anderen zeigt, wie sie selbst gerne spielen würden, wenn sie etwas mehr Energie aufzuwenden in der Lage wären. Spielleiter und Mitspieler fühlen in Gegenwart von Powergamern in der Spielrunde ihre eigenen Unzulänglichkeiten viel stärker als ohne Powergamer, auch wenn effektiv MEHR ABENTEUERLICHES und MEHR GEMEINSAMES Spiel durch Powergaming erreicht wird.
NACH dem Spiel: Spielleiter und Mitspieler fühlen sich unter Druck gesetzt, weil Powergaming erschwert ihre Fehler und Unzulänglichkeiten unter den Teppich zu kehren und - wenn möglich - zu vergessen. Powergaming nimmt nämlich die erspielten Fakten ERNST. Und diese Verläßlichkeit, die ein Powergamer von einem Spielleiter und von seinen Mitspielern fordert, sind nicht alle zu leisten in der Lage.
Die Situation ist also die, daß Powergaming die ängstigt, anstrengt, gruppenbildend wirkt, Verläßlichkeit und Zuverlässigkeit einfordert.
Powergaming bringt Unzulänglichkeiten auf jeder Ebene des Spielens an den Tag (nicht nur in den Regelwerken oder Settingbeschreibungen - denn das würde ja nur die Autoren betreffen, und ob die sich ärgern, geht doch den meisten Rollenspielern am Arsch vorbei -
sondern gerade auch in Spielvorbereitung, Spieldurchführung und Spielnachbereitung, also dem eigentlichen SPIELEN).
Kein Wunder, daß bei solchen WIRKUNGEN so emotional über Powergaming von allen nur erdenklichen Seiten diskutiert wird!