AW: Savage Worlds: Rippers
Glaswandler schrieb:
Monsterjagd bei Rippers ist eigentlich nicht zu vergleichen mit der Monsterjagd in Buffy. Klar, in beiden Fällen werden Monster gejagt, aber während Buffy den meisten Dämonen gewachsen ist, sind die Rippers häufig unterlegen und müssen (mindestens) sorgfälig arbeiten, um eine Chance gegen ein Monster zu haben. Sind schließlich bloß Menschen.
Genau darum geht es. - Es sind Menschen. Normale Menschen. Menschen, die Dinge erlebt haben, die in ihnen den Willen erweckt haben, endlich den Monstern, die die normale Welt der Menschen zerstören, die sie zu ihrer eigenen Perversion an Welt machen wollen, den Kampf anzusagen. Sie alle - die Kampfstarken, die Wissenden, die Verletzten, die Abgehärmten, die Rächer, die Heimzahler, die Märtyrer - sie sind der Menschheit letzte und einzige Verteidigung gegen Wesen, bei denen "böse" keine "Gesinnung" ist, sondern einfach die Essenz dessen, was sie sind, und die daraus folgenden, für das Überleben der Menschheit insgesamt schädlichen Handlungen. Sie SIND das Böse. Und sie gewinnen gerade! Und es gibt nur ein paar wenige Rippers, die so hart entschlossen sind, ihnen den Sieg so schwer zu machen, wie es einfache Sterbliche gegen unsterbliche Schrecken von jenseits der Zeit nur vermögen.
If it bleeds, you can kill it.
Glaswandler schrieb:
Und eben deshalb verstümmeln nicht wenige Rippers ihren Verstand, um den Monstern gewachsen zu sein - und ihnen dabei vielleicht näher zu kommen als ihnen lieb ist. Deshalb sind Rippers für mich oft eher tragische Figuren.
Die Tragik der Ripper, die sich mit Rippertech verändern lassen, ist sowohl regeltechnisch eingebaut als auch eine echte Herausforderung im Spielen eines solchen Charakters. Sie entfernen sich mit jedem Implantat selbst mehr und mehr von dem, was sie eigentlich schützen und bewahren wollen. Sie zahlen einen PREIS. Einen schrecklichen. Und dieser Preis WIRD dazu führen, daß sie irgendwann einmal von ihren Mitstreitern gejagt werden müssen, nämlich dann, wenn sie mit ihrem Willen und ihrem Festhalten an ihrer eigenen menschlichen Vernunft nicht mehr die ungestümen Dränge, das Locken der Blutlust, die selbstangetane Korruption ihres Körpers und Geistes im Zaume halten können. Dann sind sie selbst Monster. Und sie wissen es, daß es dazu kommen kann und wird.
Bei Rippers ist es daher IMMER eine schwere Entscheidung, ob jemand sich mit Rippertech verändern lassen will. Die "Nebenwirkungen" sind um einiges heftiger als z.B. die Augmentations bei Deadlands. - Sie zwingen den Charakter und sein Umfeld dazu stets um die Kontrolle zu ringen - ein wenig wie bei den Harrowed, nur daß ein Harrowed in Deadlands (meist) KEINE Wahl hatte, ob er zu einem unkontrollierbaren Sicherheitsrisiko für seine Freunde und Mitstreiter wird, während dies bei Rippers stets bewußt erfolgt.
Allein das Inszenieren einer Rippertech-Erweiterung, die Operation, die Schmerzen, das Blut (und alles ohne effektive Betäubung) ist in meinen Augen schon ein eigenes Szenario-Highlight.
Das ist nicht ein "boah, ich kauf mir sowas von die Werwolf-Krallen und laß sie mir gleich installieren". Das ist ziemlich blutiges Geschäft. - Allein die Idee, daß eine Rippers-Lodge z.B. eigene Zellen/Käfige für gefangene Kreaturen einrichten kann/soll, um deren "wirksame" Körperteile zu "ernten" macht klar, daß auch die Rippers - trotz ihres Kampfes gegen das wimmelnde Böse - nicht so rundheraus die Guten sind, bloß weil sie Monster bekämpfen. (Das ist z.B. bei Buffy - zumindest anfangs der Serie - anders: sie ist stets die Gute und darf das dann nämlich auch.)
Es geht ja gerade ein anderes Rollenspiel mit dem Untertitel "Ein Rollenspiel um Macht und Konsequenzen" hausieren. Genau das ist aber das Kernthema von Rippers: Macht (durch Magie, durch Glauben, durch Rippertech, durch sozialen Status), Machtausübende (keiner von denen wirklich unverwundbar, keiner wirklich überlegen, keiner wirklich bereit oder auch nur fähig die Konsequenzen ihrer Machtausübung zu tragen), und die Konsequenzen, die all dies in einem sich "möglichst normal wünschenden" viktorianischen Setting nachsichziehen wird. Die ständige Überlegung, welchen Preis man selbst zu zahlen bereit ist, um einen Unterschied zu machen, um die Welt (nach eigenen Vorstellungen) zu einer Besseren zu machen. Und dann damit zu leben. Mit seinen eigenen Entscheidungen, seinen Fehlern, seinen Gespenstern. - Bei Rippers hat man all das (und mehr).
Hinzu kommt, daß die unterschiedlichen Gesellschaften, Bünde, Logen etc. ihre eigene Agenda im gemeinsamen Ziel des Kampfes um die Nacht haben. Gleiches Ziel, aber welche Methode ist noch akzeptabel, welche ist (warum?) verwerflich? - Da stehen manche der Rippertech völlig ablehnend gegenüber, während andere die "Wissenschaftler" der Rippertech geradezu vergöttern. - Auch der Widerstand gegen die Kabale ist somit nicht eine geschlossene Front. Und daher haben auch die Gegenspieler der "dunkelen Seite" ihre Möglichkeiten Keile in die Rippers-Organisationen zu treiben, Teile-und-Herrsche-Pläne anzugehen und sich die Schwachstellen herauszupicken.
Klar, Dr. Jekyll und Dr. Frankenstein haben - im klassischen Buchinhalt - keine Rippertech-Vergangenheit. Bei Rippers jedoch schon.
Genau diese Gratwanderung mit Garantie irgendwann zu verlieren, aber vielleicht für einen guten Zweck, daß ist es, was Rippers vornehmlich von einem beliebigen anderen viktorianischen Setting unterscheidet.
Wenn man viktorianisch aufgestelltes Rollenspiel betreiben will, so gibt es jede Menge Möglichkeiten, die ohne jegliche Magie, ohne Übernatürliches, ohne die Alleinstellungsmerkmale von Rippers auskommen. Rippers ist eben viktorianisches Rollenspiel PLUS eine ganze Menge überzeugend (für mich) eingearbeitetes schräges Zusatzmaterial (Weird Science, Gadgeteers, Zigeunerflüche, spiritistische Medien, etc.). - Rippers ähnelt noch am ehesten den guten alten Ravenloft-Modulen (die ja auch die klassische Hammer-Horror-Stimmung eingefangen haben).
Und hier noch ein paar Links für die Hammer-Horror-Neulinge:
http://en.wikipedia.org/wiki/Hammer_Films
http://www.horrorseek.com/horror/hammercinema/hammercrypt.html
http://www.hammerfilms.com/