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Rollenspiel Rezension
Wer kann schon dem Charme von fechtenden verwegenen Helden widerstehen, die von Schiff zu Schiff springen und dabei ohne außer Atem zu kommen die besten Sprüche vom Stapel lassen?
Kurz S7S genannt, gibt Swashbucklers of the 7 Skies gleich mit dem Titel das Thema und Genre des Systems vor. Und die Rückseite verspricht in klaren kurzen Worten: Himmelsschiffe, Piraten, Musketiere, Fechten, Intrige, Mystizismus und Abenteuer.
Hat jemand noch keine Ahnung was das Swashbuckler-Genre genau ist? Glücklicherweise nimmt sich das Buch dem Genre auch genauer an, aber dazu später mehr. Es sei gerne noch mal gesagt: verwegene Abenteuer, Fechten, Romantik und Witz – denkt an die Musketiere, Piraten, Robin Hood oder auch an Sinbad. (Who’s bad? Sin-bad!)
Bevor ich zum Inhalt komme, erstmal noch etwas zur Verpackung. Das Buch kommt in einem ungewöhnlichen Format daher, weder ist es das klassische große Format (DinA4 bzw. das US-Pendant dazu) noch ist es das neuerdings recht beliebte Digest-Format. Es ist ein wenig größer als das Digest-Format, aber immer noch praktisch kompakt. Ehrlich gesagt, da die Schriftgröße und das helle schwarzweiße Layout recht großzügig sind, hätte es auch gut ins Digest-Format gepasst. Aber darüber kann man hinwegsehen und hat man die pdf-Version, kann man dankbar sein, denn zum Ausdrucken mit vier Seiten pro Blatt ist es gerade noch geeignet – für diejenigen die nicht so gerne am Monitor lesen.
Aber zurück zum Buch: als Erstauflage erschien eine limitierte Hardcover-Ausgabe. Ich durfte diese Ausgabe letztens auch in der Hand halten. Sehr schick. (Ja, und deshalb kann ich auch die Formatgröße beurteilen. ;oþ) Die jetzt erhältliche Ausgabe ist ein Softcover. Doch soweit ich informiert bin sind darin praktischerweise die Errata eingebaut.
Wie bereits erwähnt, ist die Schriftgröße mehr als angenehm, das Layout großzügig und die eher spärlich eingesetzten schwarzweißen Illustrationen sind von ganz unterschiedlicher Art und Qualität. Daran störe ich mich aber recht wenig und für mich ist es einfach ein großes Plus den Text im normalen Fließtext präsentiert zu bekommen und nicht in Spalten und schon gar nicht mit Dutzenden von eingesetzten extra Textfeldern, die aus dem Layout ausbrechen.
Kurzum, die Verpackung gefällt und hat mich sofort gereizt, das Werk auch zu lesen. Wer es bunter und vollgepackter mag, sieht darüber hoffentlich hinweg und beschäftigt sich dann mehr mit dem Inhalt.
Es gibt zwar keinen Index, aber die Inhaltsangabe ist sehr ausführlich und hilft einem somit durchaus beim Suchen und Finden.
Die ersten vier Kapitel beschäftigen sich mit dem Setting. Kapitel fünf und sechs handeln die Charaktererschaffung und die Regelmechanik ab. Geschickt wird hier übrigens zuerst eine Einführung in PDQ# gegeben, in der dem Spieler vor der Charaktererschaffung gezeigt wird, welche Optionen er hat und wofür sie nützlich sind. Danach wird nochmal auf die Würfelmechanik eingegangen. Im siebten Kapitel geht es ums Spielleiten und als Abschluss im letzten Kapitel wird ein besonderes Augenmerk auf das Genre des Swashbucklings gelegt.
Das Setting selbst, das schließlich mehr als ein drittel des Werks ausmacht, ist ein wenig ungewöhnlich. Für Liebhaber der klassischen Fantasy oder jemanden, der darauf beharrt, dass die Welt rund und um die Sonne kreisen muss, mag der Aufbau der Welt von S7S vielleicht zu skurril sein.
Ich finde sie überzeugend, denn sie wird in den vier Kapiteln und darüber hinaus mit Leben erfüllt. Man kann sagen, dass in diesem Werk wirklich Details in Hülle und Fülle geboten werden, die es einem jeden Spielleiter möglich machen sollte eine lebendige, atmende Rollenspielwelt für die Spieler zu präsentieren ohne von zusätzlichen Quellenbänden abhängig zu sein. Das ist schon mal ein großes Plus für manche – aber Gerüchten zufolge gibt es Leute, die es vorziehen für ihr Spielsystem dauernd weiter Geld auszugeben.
Kurz zusammengefasst: die Welt existiert in einer Halbkugel. Man stelle sich eine Schneekugel vor. In der Mitte befindet sich der Himmel des Feuers, darum herum die anderen sechs Himmel, die es zu bereisen geht. Sie haben alle ihre Eigenheiten, ihre besondere Flora und Fauna – und sie befinden sich zueinander immer in der gleichen Anordnung, drehen sich aber gegen den Uhrzeigersinn. So erzeugen sie die Jahreszeiten auf den Inseln.
Die Wolkeninseln wiederum schweben auf verschiedenen Ebenen, bleiben aber bis auf eine Insel eigentlich am gleichen Fleck.
Ganz unten befindet sich das Blau, eine seltsame – wer hätte es geahnt – blaue Masse, in die alles Mögliche versinken kann, inklusive ganzen Inseln. Oder Dinge tauchen daraus auf.
Versteht sich nun woher nicht nur der Name 7 Skies kommt, sondern auch, warum Himmelsschiffe so eine wichtige Rolle einnehmen. Aber selbst für diejenigen, die die Weltmeere und ganz normale Schiffe nicht missen möchten: die Schiffe fliegen aufgrund von magischem Holz. Dieses funktioniert auf den Inseln aber nicht. Da sind Wasserlandungen am Rand der Inseln wohl nicht die einzige Art, aber vermutlich die einfachste.
Es ist schwierig diese Welt in wenigen Worten überzeugend zu beschreiben. Wer also noch nicht genug mit diesen Angaben anfangen kann oder einen besseren Eindruck gewinnen möchte, der kann sich bei Evil Hat Produktion die ersten zehn Seiten der Weltbeschreibung herunterladen.
Bevor ich aber endgültig vom Setting zu den Regeln wechsele, noch etwas zu den Ländern: es gibt viele Inseln, viele Möglichkeiten eigene Länder zu erschaffen. Aber fünf große Reiche sind gut ausgearbeitet. Diese sind sehr unterschiedliche Nationen, die für alle klassischen Anforderungen der Spieler etwas zu bieten vermögen. Und gleichzeitig je nach Wahl der Spieler auch bestimmte Arten von Spiel begünstigt – will man zum Beispiel lieber Romantik spielen (Barathi) oder soll es um Intrige (Colrona) gehen oder ist man tatsächlich einer der berüchtigten Piraten von Ilwuz.
Nun zu den Regeln. Bei S7S handelt es sich um ein Setting, das ein bereits vorhandenes System, nämlich PDQ benutzt. PDQ steht für Prose Descriptive Quality und ist ein „rules-light“-System, welches viel Wert auf die Beschreibung der Aktionen durch die Spieler selbst legt.
Für ein Swashbuckling-Rollenspiel also schon mal die besten Voraussetzungen. Denn wer will schon aufs Gelände klettern, sich mit einem lockeren Spruch die Rose zwischen die Kiefer klemmen um dann erstmal stundenlang im Regelwerk zu blättern und tausend Würfel zu werfen, bevor er wie eigentlich beabsichtigt einen lockerflockigen Abgang vor den Schergen des bösen Kardinals hinlegt, dabei auch noch seine Geliebte beeindruckend.
Um die Ansprüchen des Swashbuckler-Genres zu erfüllen hat man bzw. der Autor des Systems Chad Underkoffler PDQ angepasst und daraus PDQ# (PDQsharp) gemacht.
Wie man sich denken kann, geht es eben nicht um die haargenaue Abbildung der Realität. Spieler, die gerne für alles einen eigenen Wert haben und zwischen Attributen, Fähigkeiten und Talenten unterscheiden wollen, werden wohl auf ein Territorium stoßen, das manchen Leuten als schwammig vorkommt, während es andere in ihrer Phantasie beflügelt.
Man hat nämlich so genannte Fortes (im eigentlichen PDQ System als Qualities bezeichnet), die alles Mögliche sein können –Fähigkeiten, Attribute, Steckenpferde, Ausbildung, besondere Gegenstände und so weiter.
Sie beschreiben aber nie nur eine Sache, sondern werfen sozusagen einen Schatten, das Penumbra, auf alles Mögliche an Können und Wissen, das dazu passt. Hat man zum Beispiel Pirat als Forte, dann kann man wohl segeln, kennt sich generell mit Schiffen aus, kennt die Häfen, kennt andere Piraten, kennt Piratenmythen und weiß einiges über Kriminalität und das Entern von anderen Flugschiffen. Vom Fechten ganz zu schweigen.
Hier steckt ein bisschen die Crux jeden Systems, die in diese Richtung an Wertedefinition für die Charaktere gehen: man könnte zu eng oder zu breit gestalten. Im Großen und Ganzen wird es aber locker angegangen und es ist klar, das man keine Schwierigkeiten haben sollte in Absprache mit dem Spielleiter seine Fortes auch zu straffen oder auszutauschen, wenn sie nicht passen.
Dazu gibt es noch Foibles – das sind sozusagen die Nachteile. Oder eher gesagt die Schwäche des Charakters. Das Salz in der Suppe. Das, was einen Charakter vielleicht nicht fähig, aber interessant macht. Und spielt man den Foibles gerecht, dann verdient man sich Style Dice.
Und dann hätten wir noch Techniques, welche meist an Fortes hängen, aber nicht müssen.
Aus diesen wenigen Dingen baut man sich einen Charakter, der sicherlich fähig ist und mit dem man gut und gerne die Stereotypen des Genres erfüllen kann ohne Angst ums Versagen und damit totaler Blamage vor Erzfeind haben zu müssen.
Die kürzeste Zusammenfassung des Würfelsystems: man würfelt mit 2 oder 3W6 (letzteres nur bei Duellen – das sind die wirklich interessanten Auseinandersetzungen, diese können aber nicht nur physischer Natur sein) und muss damit über einen Schwierigkeitswert (die allseits beliebte Targetnumber) bzw. bei Duellen über das Ergebnis des Gegners kommen. So genannte Style Dice können einem hier den Würfelpool vergrößern (man darf letztlich auch nur zwei oder drei Würfel zählen, man darf sich aber aus dem gewürfelten Pool die höchsten aussuchen) oder einfach einen +1 Bonus hinzuzählen. Die Fortes und Techniques geben weitere Bonusoptionen wodurch auch höhere Schwierigkeitsgrade wie Master (13) und mehr zu schaffen sind.
Style Dice sind wie in anderen Systemen (Style bei Houses of the Blooded, Bennies bei Savage Worlds, Fate Points bei FATE) Belohnungen während der Spielsitzung, die nicht nur vom Spielleiter, sondern auch von den Mitspielern vergeben werden können. Da die Style Dice am Ende der Sitzung verfallen, und man mit ihnen auch noch selbst Details erschaffen kann, sind sie das Lebensblut des Systems. Denn ein Spieler der die Würfel nur hortet und nicht ausgibt, macht etwas falsch – und hat vermutlich wenig Spaß.
Die Charaktere, die man erschafft, sind wie schon erwähnt recht fähig. Dementsprechend geht es nicht unbedingt um das Steigern und Weiterentwickeln der Charakterwert. Wenn man gut genug ist, ist der stilvolle Einsatz und die sich daraus ergebenden Szenen Belohnung genug. Wenn man dennoch scheitert, dann gibt es Trainingspunkte. Mit diesen kann man seine Forte Ränge ausbauen, neue Fortes, Foibles oder Techniques kaufen, oder man bastelt sich etwas mit Alchimie oder einen Kolduncraft-Gegenstand.
Auf die mystischen und magischen Aspekte (es gibt Alchimie, Gifts und was einem Magier wohl am nächsten kommt: die Koldun – aber auch den Glauben und die Kirche) oder gar den Luftschiffkampf, der derart gestaltet ist, dass jeder Spieler sich daran gewinnbringend beteiligen können sollte, gehe ich jetzt nicht weiter ein. Aber all das ist auch enthalten – und klingt wie beim Rest des Systems nach interessanten Optionen, guter Umsetzung und Spielspaß.
Im Kapitel über das Spielleiten bekommt man noch einige Tipps, die auch für erfahrene Spielleiter von Interesse sein sollten. Also auf keinen Fall ein Kapitel, das man auslassen sollte – schließlich sage es einem auch noch wie man ein Abenteuer für S7S vorbereiten kann und bietet einige fertige NSCs.
Und als letztes das erwähnte Kapitel, das sich mit dem Genre auseinandersetzt. Hier werden die typischen Elemente einer Swashbuckler-Geschichte erläutert und mit Zitaten aus Film und Literatur unterlegt. Dazu gibt es eine ausführliche Biblio- und Filmographie, sowie eine Liste mit allen Spielen, die die Entwicklung von S7S beeinflusst haben. Es ist auf jeden Fall ein Kapitel, das man nicht überlesen sollte. (Immerhin ist Der Hofnarr [The Court Jester] aufgeführt – wer diesen hervorragenden Film in seiner Liste aufführt, bekommt von mir jede Menge style dice!)
Aber ehrlich gesagt, man sollte keines der Kapitel auslassen.
Fazit:
Man sollte eigentlich das ganze Buch nicht auslassen!
Letzten Endes kann man die Spielbarkeit eines Systems wirklich nur durch eines bewerten: es selbst auszuprobieren. Und was S7S bei mir weckt, ist die Lust genau das zu tun.
Dementsprechend lege ich das System jedem ans Herz, dem das Genre an sich gefällt. Wem daran gelegen ist, Abenteuer zu erleben wie die Helden aus Piraten- und ähnlichen Filmen, der wird hiermit vermutlich ziemlich gut liegen. Wem dazu Systeme gefallen, die Rollenspiel direkt und während dem Spiel belohnt und nicht erst später über Erfahrungspunkte, der ist hier sicherlich ebenfalls richtig. Ich persönlich liebe diese Methode und habe bisher die Erfahrung gemacht, dass damit viel Interaktion und rasantes aber unterhaltsames Spiel innerhalb der Gruppe entsteht. Die Stilwürfel müssen fließen, könnte man sagen.
Ich erkannte Elemente, die ich schon an Houses of the Blooded oder Dogs in the Vineyard sehr schätze. Für den guten alten Tabletop-Rollenspieler ist es dann vermutlich nichts – aber ausprobieren schadet nie. Oder sich zumindest neue Ideen und Perspektiven anzuschauen auch nicht.
Ein Wermutstropfen vielleicht: für eine Gruppe blutiger Anfänger ist es eher schlecht geeignet, da eine Einführung in das grundsätzliche Thema, was ein Rollenspiel überhaupt ist, fehlt.
Was haben wir letztendlich hier: eine interessante, ungewöhnliche Welt, Regeln, die es einem ermöglichen das Swashbuckling-Genre zu erleben, guter Rat für Spielleiter und grundsätzlich die Liebe zum Genre. Wer kann da nein sagen?
Man kann übrigens neben den ersten Seiten der Weltenbeschreibung auch die PDQ#-Regeln kostenlos herunterladen – für diejenigen, die wirklich erstmal reinschnuppern möchten.
Huzzah!
Titel: Swashbucklers of the 7 Skies
Art: Grundregelwerk
Regeln: PDQ#
Sprache: englisch
Verlag: Evil Hat Productions
Publikationsjahr: 2009
Autor: Chad Underkoffler
Illustrationen: schwarzweiß
Umfang: 328 Seiten
Bindung: pdf oder Paperback (Hardcover limited first edition)
Preis: $30 (Druckausgabe), $15 (pdf)
Rezensent: Irene Strauß
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