AW: Rollenspieltheorie richtig verstehen und anwenden
roland.rpg schrieb:
Falls Maniac tatsächlich den Begriff der wissenschaftlichen Theorie in den Begriff der Rollenspieltheorie übeträgt, trifft er damit nicht das, was ich als Rollenspieltheorie bezeichne. Die meisten Rollenspieltheoretiker habe nicht den Anspruch wissenschaftlich zu arbeiten, sondern wollen in erster Linie Hilfestellung für die Praxis geben.
Das wird häufig genug zum Ausdruck gebracht.
Ich verwechsel hier den Begriff nicht, sondern ich greife ihn auf. Es war Jestocost, der implizit von einem Vergleich mit Literaturtheorie gesprochen hat. Für mich deutet das auf einen klaren wissenschaftlichen Anspruch hin. So wie die Rollenspieltheoretiker, die ich sehe, sich präsentieren, unterstreichen sie, dass sie ihren Theorien einen wissenschaftlichen Theoriebegriff zugrundelegen. Die Fachsprache, welche selbst für Teile der Rollenspielerszene nicht zu verstehen ist - sondern eben nur für die eingeweihten Theoretiker -, unterstreicht diesen Anspruch deutlich.
Ich kann meiner Oma in 1 Minute erklären was ein 3-3-4 System ist. Aber was Narrativismus ist, dass erfordert Zeit, Geduld und Beschäftigung mit dem Thema - vor allem da sich Narrativismus ja auch als Abgrenzung zu anderen Begriffen versteht, deren Bedeutungen ebenfalls erklärungsbedürftig sind.
Jeder Fußballfan weiß innerhalb von 2 Minuten, was ein 3-3-4 System ist. Selbst die Abseitsregeln können die meisten ziemlich schnell. Aber Rollenspieltheorie ist selbst für Fans des Spiels nicht unmittelbar nachvollziehbar. 3-3-4 System ist ein integraler Bestandteil der Fußballtaktik. Für Narrativismus gilt dasselbe in der Rollenspielerszene nicht. Man kann viele Jahre spielen und nie mit dem Begriff in Kontakt kommen.
Für mich deutet das deutlich auf eine Verwissenschaftlichung der Rollenspieltheorie hin, die gewissen Ansprüchen genügen will. Von daher ist die Verwendung eines wissenschaftlichen Theoriebegriffs nicht nur angebracht - sie scheint mir, für das mir vorliegende Selbstverständnis der, auch der hier anwesenden, Theoretiker, sogar die einzig richtige.
Zwar mag es der Kernanspruch der Rollenspieltheorie sein, Hilfestellungen zu geben, diesem Anspruch wird die Theorie aber meiner Ansicht nach nicht gerecht. Viel mehr erscheint es mir so, als hätte sich der Anspruch von der Wirklichkeit überholen lassen - in meinen Augen handelt es sich bei Rollenspieltheorie längst um den Versuch, eine wissenschaftliche Basis in das Spiel zu integrieren.
EDIT: Bevor jemand behauptet, Jestocost hätte Rollenspieltheorie nicht in eine Reihe mit wissenschaftliche theorien gestellt, hier das Zitat:
Jestocost schrieb:
Aber ich mag Kunsttheorie, ich mag Politiktheorie, ich mag Literaturtheorie und ich mag Filmtheorie. Da kann ein bisserl Rollenspieltheorie doch auch nicht schaden, oder?