Rollenspieltheorie Rollenspieltheorie richtig verstehen und anwenden

Jestocost

Tim Struck
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Keine Ahnung? Einfach mal die Fresse halten! - Dieter Nuhr

Ich würde gern die Diskussion, die im Folgenden Thread
http://blutschwerter.de/showthread.php?t=13832&highlight=rollenspieltheorie
begonnen hat, konstruktiv weiterführen.

Hier bei den Blutschwerten gibt es ja einige, die sich an dem gesamten Thema "Rollenspieltheorie" stören, aber ich denke, dass man da auch einfach entspannt rangehen kann.

Ich selbst habe ein bisserl Ahnung vom Thema, aber könnte auch nicht den aktuellen Forschungsstand auf "The Forge" (www.indie-rpgs.com) runterbeten.

Aber ich mag Kunsttheorie, ich mag Politiktheorie, ich mag Literaturtheorie und ich mag Filmtheorie. Da kann ein bisserl Rollenspieltheorie doch auch nicht schaden, oder?

Ich weiß auch, dass der Ansatz der Forgeianer sich daraus ergigt, dass sie dysfunktionales Rollenspiel entgegenwirken möchten, und dass sich die Theorien ziemlich gut für die Entwicklungen von Storygames (Dogs in the Vineyard, Primetime Adventures oder auch Inspectres) eignen, die ein wenig die Grenzen zwischen klassischem Rollenspiel und zielgerichtetem Erzählen überbrücken.

Und ich weiß, dass es mir als Spielleiter hilft, die Strukturen eines Spiels, die Möglichkeiten, die ein System unterstützt und die Dynamik oder Dramaturgie eines Spielabends mal zu durchleuchten, um zu schauen, wie man das Spielerlebnis noch verbessern kann. Und dazu braucht man Methodiken und Fachbegriffe...

Die wenigsten werden bestreiten, dass eine Einteilung von Spielern a la Robin D. Laws (Robin's Laws of Good Gamemastering) hilfreich sein kann, und dass es eine gute Idee ist, die Vorlieben der Spieler im Spiel zu beachten, damit sich keiner langweilt.

Aber was hat es jetzt mit Creative Agenda, dem Big Model und den verschiedenen Spielerrollen (Stances) genau auf sich? Und wie kann ich das für mich als Spieler oder Spielleiter nutzen?

Und stellt euch vor, wird würden hier auf komfortablen Sesseln sitzen, einen guten Drink in der Hand, vielleicht eine Zigarre schmauchend, und auf anspruchsvollen und zivilisiertem Niveau diskutieren. Wer darauf keine Lust hat, darf sich gerne nochmal das einführende Zitat zu Gemüte führen.

Meine Damen und Herren, die Diskussion ist eröffnet.
 
AW: Rollenspieltheorie richtig verstehen und anwenden

Die Vorteile hast du ja schon genannt. :) In meinen Augen gibt es den Nachteil, dass das Ganze etwas übertrieben wird. Man verwaltet nachher mehr die Verwaltung als das Thema an sich.

Um viele Begriffe wird auch zu viel Aufhebens gemacht. Viele Begriffe sind zwar neu. Eingesetzt wurden sie aber schon immer (Kicker, Bangs, Drama, Karma, Fortune, conflict resolution, task resolution).

Mir ist klar, dass man Begriffe braucht um Sachverhalte zu bezeichnen und das man gemeinsam genutzte Begriffe braucht, um übergreifend analysieren zu können.

Begriffe wie "Stakes" dagegen können weiter analysiert werden und im Spiel auf verschiedenen Arten unterstützt werden. Da sehe ich eher einen Bedarf zu theoretisieren, um ein Ergebnis zu bekommen und nicht des theoretisieren wegens.

Die Essenz des ganzen ist doch, dass man mal ins Nachdenken kommt und dadurch einige Dinge verbessert werden. Und da hat es auch schon einige Verbesserungen gegeben. Dass Hintergrund und System fest in einander greifen zum Beispiel. Dass Spielmachaniken die Spielweise beeinflussen. (Wie aber wirklich Dysfunktionalität (durch theoretische Betrachtung) in den Bereichen social contract und creative agenda beseitigt werden sollen, wird mir wohl ein Rätsel bleiben.

Ich für meinen Teil lasse daher gerne theoretisieren und schau mir das Ergebnis an. Und falls es mich anspricht theoretisiere ich mit. :)
 
AW: Rollenspieltheorie richtig verstehen und anwenden

Ich selbst habe ein bisserl Ahnung vom Thema, aber könnte auch nicht den aktuellen Forschungsstand auf "The Forge" (...) runterbeten.

Wer kann das schon? Und wenn es zwei machen, die glauben, es zu können, kriegst du zwei verschiedene Aussagen...

Man verwaltet nachher mehr die Verwaltung als das Thema an sich.

Das ist leider wahr. Da können und müssen wir noch viel besser, im Sinne von praktischer, werden.

Wie aber wirklich Dysfunktionalität (durch theoretische Betrachtung) in den Bereichen social contract und creative agenda beseitigt werden sollen, wird mir wohl ein Rätsel bleiben.

Na ja, theoretische Betrachtung beseitigt das Problem noch nicht. Aber sie ermöglicht es u.U., die Ursachen schneller und genauer zu identifizieren. Und vielleicht kann das Wissen um bestimmte Muster und Zusammenhänge helfen, die Ursachen zu beseitigen. Oder aber einzusehen, dass es keine Lösung gibt, und das Trauerspiel zu beenden.

Eigentlich hat die Forge-Theorie zwei ganz einfache Grundaussagen:

1) Beim Rollenspiel geht es um die Spieler, und nicht um die Charaktere. Rollenspiel kann nur stattfinden, wenn alle Beteiligten sich einig werden, wie die Spielrealität aussieht und was in ihr geschieht.

2) Die Chance, dass alle Spieler Spaß am Spiel haben, ist am Größten, wenn alle Spieler dieselben Ziele und Erwartungen haben. Stellt sicher, dass ihr auch wirklich alle dasselbe Spiel spielt.

Diese Aussagen erscheinen manchem banal. Doch ich wage zu behaupten, dass sehr viel Streit in sehr vielen Rollenspielrunden vermieden werden könnte, wenn alle Mitspieler diese Aussagen verstanden hätten.
 
AW: Rollenspieltheorie richtig verstehen und anwenden

1) Beim Rollenspiel geht es um die Spieler, und nicht um die Charaktere. Rollenspiel kann nur stattfinden, wenn alle Beteiligten sich einig werden, wie die Spielrealität aussieht und was in ihr geschieht.

2) Die Chance, dass alle Spieler Spaß am Spiel haben, ist am Größten, wenn alle Spieler dieselben Ziele und Erwartungen haben. Stellt sicher, dass ihr auch wirklich alle dasselbe Spiel spielt.
Ja. Aber genau für diese Grundaussagen zu Dysfunktionalität gibt es (bisher) keine Lösung.

Habe ich die falschen Leute oder Leute mit anderen Vorstellungen am Tisch, dann wird der Abend weniger gut, als er mit anderen Leuten hätte werden können.

Das ist nun einfach so.:koppzu:
 
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Zwei Aussagen? Habe ich auch... :D

Ich mag Rollenspieltheorie.

Rollenspieltheorie ist zu verkopft.

mfG
fps
 
AW: Rollenspieltheorie richtig verstehen und anwenden

Bemühen wir mal unsere Erfahrung, um Skars Einwand zu widerlegen: Interessanterweise geschieht es doch die meiste Zeit, dass sich auch Spieler mit unterschiedlichen Vorstellungen im Laufe mehrerer Spielsitzungen "zusammenraufen".

Durch laute Streits während des Spiels und leisere Diskussionen nach dem Spielabend kristallisiert sich doch ein gewisses Wissen über die verschiedenen Wünsche und Erwartungen heraus, da Rollenspiel ja in erster Linie eine gemeinsame soziale Aktivität ist.

Irgendwann habe ich als Spielleiter kapiert, dass ich mit meinen Spielern reden muss, um Probleme aus dem Weg zu räumen, die ich (oder andere Spieler) im Spiel mit ihren Charakteren gehabt habe.... Und das ist vielleicht eine banale, aber sehr hilfreiche Erkenntnis.

Und da ich immer Gruppen hatte, in denen divergierende Spielziele vorhanden waren, habe ich es gelernt, Gemeinsamkeiten und Verbindungen unter den Spielern aufzubauen, um so sicherzustelllen, dass jeder so ungefähr mit seinem Charakter das verwirklicht auf das er abfährt, ohne andere total auszubooten...

Das sind alles Sachen, die ich im Big Model einordnen kann. und ich denke einfach, dass der Ansatz, Rollenspiel als ein Ding zu sehen, dass aus vielen anderen Dingen besteht, echt helfen kann... Denn es gibt kaum ein Hobby, dass so unterschiedlich ausgelegt werden kann....
 
AW: Rollenspieltheorie richtig verstehen und anwenden

Die Schwierigkeit ist diese, dass ein soziales Problem mit Hilfe von theoretischen Werkzeugen gelöst werden soll.

Solange das Problem nur Aspekte des Spielablaufs betrifft, kann man da sicher geeignet intervenieren.
 
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Skar schrieb:
Habe ich die falschen Leute oder Leute mit anderen Vorstellungen am Tisch, dann wird der Abend weniger gut, als er mit anderen Leuten hätte werden können.

Na ja, ganz so trist sieht es dann auch wieder nicht aus. Ziele und Erwartungen sind ja nicht unveränderbar. Wenn ich als Spieler weiß, was mich erwartet, kann ich mich entweder entscheiden, nicht teilzunehmen, oder ich passe meine Ziele an. Dazu kann u.U. Theorie hilfreich sein, da sie mir ein Vokabular verleiht, das es mir ermöglicht, knapp und sinnvoll zu artikulieren, was ich eigentlich will.

Das zweite Standbein ist dann das auf der Theorie basierende, kohärente Spieldesign. In diesem Fall unterstützt das System ganz eng und gezielt bestimmte Spielziele und Erwartungen. Es setzt härtere und explizitere Grenzen, so dass klarer erkennbar ist, welches Verhalten im Rahmen des Spiels von den Beteiligten erwartet wird.

Der größere Nutzen von Theorie ist aber nicht so sehr, die Unterschiede zwischen den Spielvorlieben zu beseitigen. Dass es unterschiedliche Vorlieben gibt, ist ja nicht per se eine schlimme Sache, außer man findet wirklich niemanden, mit dem man auf einen gemeinsamen Nenner kommt.

Es ist aber nun so, dass es eine ganze Menge Konventionen gibt, die Rollenspiele(r) seit Ende der 70er mit sich rumschleppen. Viele dieser Konventionen werden völlig unreflektiert von Spiel zu Spiel und Runde zu Runde übernommen. Wenn man erst einmal die eigenen Erwartungen und Ziele klar identifiziert hat, dann kann man daran gehen, all diese Konventionen zu untersuchen und kritisch zu hinterfragen, ob sie einem eigentlich helfen oder ob sie einen eher behindern.

Das ist auch ein Bestandteil von kohärentem Spieldesign. Ob dabei am Ende ein völlig durchgeknalltes Spiel ohne SL und fast ohne Würfel wie Polaris rauskommt, oder ein komplexes, durch und durch klassisches System wie D&D 3.5, ist egal. Bei beiden Systemen sind die Regeln und Konventionen sorgfältig durchdacht und fördern eine ganz bestimmte Spielweise.

Andere Leute arbeiten mit Hausregeln, um ein System auf die gewünschte Spielweise anzupassen. Das ist mühseliger, aber es steckt dasselbe Prinzip dahinter. Man muss nicht die ganze Forge-Theorie gelesen haben, um das erfolgreich zu machen. Doch das theoretische Handwerkszeug hilft einem, gleich zielgerichtet an den richtigen Schrauben zu drehen.
 
AW: Rollenspieltheorie richtig verstehen und anwenden

Das zweite Standbein ist dann das auf der Theorie basierende, kohärente Spieldesign. In diesem Fall unterstützt das System ganz eng und gezielt bestimmte Spielziele und Erwartungen. Es setzt härtere und explizitere Grenzen, so dass klarer erkennbar ist, welches Verhalten im Rahmen des Spiels von den Beteiligten erwartet wird.
Ja. Das "das sollen die Regeln bringen" fehlt in vielen Rollenspielen. In erster Linie erfährt davon aber erstmal der SL. Für die creative agenda und den social contract ist aber nicht nur der SL zuständig...

Es ist aber nun so, dass es eine ganze Menge Konventionen gibt, die Rollenspiele(r) seit Ende der 70er mit sich rumschleppen. Viele dieser Konventionen werden völlig unreflektiert von Spiel zu Spiel und Runde zu Runde übernommen. Wenn man erst einmal die eigenen Erwartungen und Ziele klar identifiziert hat, dann kann man daran gehen, all diese Konventionen zu untersuchen und kritisch zu hinterfragen, ob sie einem eigentlich helfen oder ob sie einen eher behindern.
Ja, ein ganz wichtiger Punkt.

Ob die Evolution der Rollenspiele aber ganz und gar auf die Theorie zurückzuführen ist, ist noch nicht bewiesen. :opa: ;)

Ansonsten stimme ich dir zu.
 
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Lord Verminaard schrieb:
Es ist aber nun so, dass es eine ganze Menge Konventionen gibt, die Rollenspiele(r) seit Ende der 70er mit sich rumschleppen.

Wobei man sich allerdings auch auf den Standpunkt stellen könnte, dass diese Konventionen Rollenspiel erst ausmachen, und ihr Bruch nicht etwa in einer neuen Erscheinungsform des Rollenspiels, sondern in einer neuen Form Spiel mündet.

Weshalb sage ich das?

Weil ich es immer wieder erstaunlich finde, wie viel Energie (auch, gerade(?), von der "Theoretiker Fraktion") aufgewendet wird, um Konventionen anderer Genres auf das Rollenspiel zu übertragen, und wie wenig scheinbar versucht wird mit dem "Althergebrachten" zu arbeiten.

Natürlich ist "Das haben wir schon immer so gemacht!" nicht die beste Begründung für eine Handlungsweise. Aber "Das machen wir jetzt alles anders!" ist eben auch nicht unbedingt der Weg zum ewigen Seelenheil...

mfG
fps
 
AW: Rollenspieltheorie richtig verstehen und anwenden

Natürlich ist "Das haben wir schon immer so gemacht!" nicht die beste Begründung für eine Handlungsweise. Aber "Das machen wir jetzt alles anders!" ist eben auch nicht unbedingt der Weg zum ewigen Seelenheil...
Sehr richtig. (Zum Glück wurde auch D&D im Kontext genannt.)

Ich sage euch die Zukunft des Rollenspiels liegt auch weiterhin in ausführlichen Waffenlisten, Erfahrungspunkten und Würfeln begründet. ;)
 
AW: Rollenspieltheorie richtig verstehen und anwenden

Skar schrieb:
Ich sage euch die Zukunft des Rollenspiels liegt auch weiterhin in ausführlichen Waffenlisten, Erfahrungspunkten und Würfeln begründet. ;)
Japp, für Die Leute die so etwas gerne spielen, ist D&D ein vollkommen funktionierendes System! (Was ich auch sehr gerne spiele wenn mir danach ist! :))

Für andere ist es das eben nicht.

Es ist das alte WoD-Dilemma:
Ich hab ein System dass mich für Min Maxing und Kämpfe belohnt.
Und ich hab Flavortexte und Setting die mich für das erzählen einer Geschichte um eine Verlorene Seele belohnen...

Wenn die Spiele rin verschiedene Richtungen rennen, wird da in 20 Jahren keine so gute Runde draus, wie sie hötte sein können, wenn sie alle "das selbe Spiel" gespielt hätten.
 
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blut_und_glas schrieb:
Rollenspieltheorie ist zu verkopft.

Ich ergänze um das Agroschim Theorem Nr. 2: "Jeder Rollenspieltheoretiker ist ein verkappter Akademiker." Will damit sagen, der Umberto Eco des Rollenspielens muss noch geboren werde.
 
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Wieso verkappt? Ich hab gleich zwei Staatsexamen... ;)

Das mit Umberto Eco musst du mir erklären, ich hab nie was von ihm gelesen.
 
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Eco ist Sprachwissenschaftler und ein guter Romanautor.
 
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Tja, in bezug auf das Schreiben von Rollenspielen würde ich persönlich behaupten, dass bereits verschiedene Theoretiker bewiesen haben, dass sie das richtig gut können.

Was das tatsächliche Spielen angeht... na ja, mit so vielen Theoretikern habe ich selbst noch nicht gespielt. Was die Kreativität und die Qualität der Darstellungen und Beschreibungen angeht, ist es bei Theoretikern wie bei anderen Rollenspielern auch: Manche können es besser, und manche schlechter.
 
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Lord Verminaard schrieb:
Tja, in bezug auf das Schreiben von Rollenspielen würde ich persönlich behaupten, dass bereits verschiedene Theoretiker bewiesen haben, dass sie das richtig gut können.

Dem Stimme ich erst zu wenn ich Dogs in the Vineyard gelesen habe und es meinen durch Brucato geprägten Ansprüchen genügt. So lange steht emine Behauptung leer im Raum und ja, ich bin mir der Tatsache bewusst das es nur eine Behauptung ist.
 
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Lord Verminaard schrieb:
Tja, in bezug auf das Schreiben von Rollenspielen würde ich persönlich behaupten, dass bereits verschiedene Theoretiker bewiesen haben, dass sie das richtig gut können.
Tja, in bezug auf das Schreiben von Rollenspielen würde ich persönlich behaupten, dass bereits verschiedene Theoretiker bewiesen haben, dass sie das TROTZDEM richtig gut können.

Und nur weil verschiedene (lies: wenige, erschütternd wenige, wenn man die horrende Masse selbsternannter Rollenspieltheorieexperten, welche spam-artig Foren mit von der Substanz losgelösten Wortblasen füllen, vergleicht mit den tatsächlich ein - wie auch immer qualitativ zu bewertendes - Rollenspiel produzierenden Autoren in Relation setzt) Theoretiker auch mal in der Lage sein mögen ein Rollenspiel zu produzieren, statt nur sich selbst, so ist dies miteinander gerade mal korreliert, aber eben nicht kausal bezogen. Auch mit schwerster "Theorieinsuffizienz" lassen sich nämlich beliebte (im Sinne von gekauft, gemocht, gespielt - im Unterschied zu gekauft, gelesen, verstaubt) Rollenspiele verfassen.

Gute Rollenspiele (WTMB...) werden nämlich auch von Skifahrern, Romanautoren, Comiczeichnern, US-Marines, Diplom-Chemikern, ... entwickelt.

Da gibt es keinerlei Kausalbezug, aufgrund dessen ein Skifahrer ein besseres oder schlechteres Rollenspiel produziert, als ein Rollenspieltheorieexperte.

Auch ein Argument in der Art "der Rollenspieltheorieexperte weiß wenigstens, was er tut, wenn er ein Rollenspiel verfaßt" zieht nicht, weil es korrekterweise heißen müßte "der Rollenspieltheorieexperte sollte wissen, was er tut, wenn er ein Rollenspiel verfaßt" - und dies ist eigentlich nur ein Sonderfall von "ein jeder Rollenspielautor sollte wissen, was er tut, wenn er ein Rollenspiel verfaßt". - Das "sollte" darin ist ein Wunsch, eine Möglichkeit, aber nicht wirklich notwendig um ein Rollenspiel zu schreiben. Man kann auch ganz intuitiv das Richtige tun, ganz gefühlsmäßig einen von den Käufern/Spielern als stimmungsvoll empfundenen Hintergrund schildern, ganz zufällig ein Regelsystem verwenden/entwickeln, welches auch noch zu diesem Hintergrund paßt, und - hoppla - man hat ein Rollenspiel. Vielleicht sogar ein "Gutes".

Rollenspieltheorie ist jedenfalls keine Garantie für Spielfreude, für Stimmung, für sonstige Qualitätskriterien im Rollenspiel.

Meine Meinung zu manchen auf The Forge Ideen aufbauend "konstruierten" Rollenspielen: sie sind so wie serielle 12-Ton-Musik - wer sie schreibt, der versteht die innere rational-ansprechende Schönheit, wer sie hört erlebt Krach und Un-Genuß. - Ja, da kann man schön den Elite-Joker aufdecken und sagen "die wahren, guten Rollenspiele versteht eben nicht jeder(-impliziert: Blöd-)mann". Solche schön narzistischen Anwandlungen kann man sich selbst als E-Mail schicken, aber sollte im Verbalverkehr mit anderen Rollenspielfreunden davon Abstand nehmen.

In diesem Sinne...
Lord Verminaard schrieb:
Wieso verkappt? Ich hab gleich zwei Staatsexamen...
Meiner ist nicht nur länger, dicker, haariger und größer, sondern auch noch härter als Deiner.
 
AW: Rollenspieltheorie richtig verstehen und anwenden

Oh Mann, da nehm ich mich schon mal selbst auf die Schippe und dann kommt es noch nicht mal an... :rolleyes:

Auf der Forge wird viel heiße Luft verblasen. Aber es wird auch konstruktiv gearbeitet. Von den Spielen, die bei der Forge am Ende rauskommen, habe ich bisher gelesen:

Primetime Adventures
Dogs in the Vineyard
Breaking the Ice
Polaris
The Shadow of Yesterday
Sorcerer sowie Sorcerer & Sword

PtA habe ich schon oft gespielt, Dogs auch, Polaris immerhin ein bisschen auf Skype und BtI im IRC. Außerdem habe ich, ohne es zu lesen, My Life with Master im IRC gespielt. Mit PtA und Dogs hatte ich sehr viel Spaß und werde sie auch weiterhin spielen. BtI war auch cool und ich will es unbedingt mal wieder zocken. Polaris hat noch nicht so richtig geklickt, aber ich hoffe, das übernächstes Wochenende zu ändern, wenn ich es endlich von Angesicht zu Angesicht spiele. MLwM war eigentlich nicht so mein Ding, aber wir hatten einen extrem coolen Bang, der für mich ein echtes Aha-Erlebnis war.

Ich habe auch schon eigene Spiele auf der Forge vorgestellt und mich davon überzeugt, wie dort im Indie Game Design Forum gearbeitet wird – gerade unter Zuhilfenahme der Theorie. Die „Ronnies“ waren da ebenfalls eine recht eindrucksvolle Demonstration. Ebenso habe ich die oben zitierten Spiele mit der Theorie verglichen und die auf der Forge diskutierten Ideen darin wiedergefunden. Mehr noch, die Spiele zu lesen und zu spielen hat mir viele Konzepte erst klar werden lassen.

Die Behauptung, es bestünde keine Kausalbeziehung zwischen der Theorie und dem Design, ist völlig aus der Luft gegriffen. Auf Dieter Nuhr sei verwiesen.
 
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