AW: Pen & Paper-Rollenspiel am Ende (von Frank Heller)
Ich möchte hier mel meine Erfahrungen aus 5 Jahren mit, an und für LodlanD auswerten. Ich habe da ein wenig geschrieben, sehr viel lektoriert und viel Promotion gemacht.
Zuerst die Binsenweisheit: Das Ziel der Verlage ist der Absatz der eigenen Produkte gegen möglichst viel Geld. Je mehr verdient wird, desto bessere Zeichner können engagiert werden, desto größer ist der Messestand, desto mehr Support & Promotion sind möglich, etc.
Wenn das Geld nicht kommt, dann stellt sich die Frage nach der Einsatzbereitschaft: Was will man investieren? Was ist man bereit zu leisten, ohne dass es dafür Geld gibt? Was will man opfern? Worauf will man verzichten? Ist es das wert?
Erst einmal sollte klargestellt werden, dass es in Deutschaldn meiner Einschätzung nach höchsten fünf, vielleicht zehn Leute gibt, die von Rollenspielen leben können. Rollenspiele sind keine einträglichen Produkte. Wenn ein GRW €40,- kostet, dann entspricht das ungefähr dem Wert, den die gleiche runde Rollenspieler ausgegeben hätte, wenn sie ins Kino gegangen wäre! Dann wäre aber der Spaß nach zwei Stunden vorbei und das Bedürfnis anch dem nächsten Film schon geweckt. Ein Rollenspielbuch für €40,- liefert aber mindestens zehnmal so lange Spielspaß.
Darum ist es für Unternehmen wesentlich attraktiver einen Film zu machen, als ein Rollenspiel. Die gleiche Gruppe wird schneller ein zweites mal ins Kino gehen, als dass sie erneut Geld für ein Rollenspiel-Produkt ausgibt.
Auf einem Con einem Rollenspiel ein Rollenspiel zu verkaufen ist nicht so einfach, wie es sich anhört!
Der Rollenspieler ist eine extrem uneinheitliche Zielgruppe. Wen man einen LodlanD-Stand macht und mit vielen Leute redet, dann kommen folgende Ausreden, warum man eben kein LodlanD-Buch kauft:
1.) Meine Gruppe spielt nur [belibiebiges Mainstrem-Rollenspiel].
2.) Nicht noch ein anderes Rollenspiel.
3.) Dafür finde ich keine Runde.
zu 1.) Der potenzielle Kunde hat keinen Bock den SL zu machen und seinen Spielern, die sich endlich in Aventurien auskennen, eine neue Welt und ein neues System beizubringen!
zu 2.) Aus der Sicht vieler Rollenspieler gibt es für diesen kleinen Markt viel zu viele Produkte. Die meisten dieser Produkte sind auch gut, aber der Kuchen ist zu klein, als dass jeder ein Stück abbekommt. Wer aber rechnet mit Krümeln?
zu 3.) Hast Du schon gesucht? Nein!
Bei anderen deutschen Rollenspielen sieht das wahrscheinlich nicht anders aus. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Sigh Press oder Nackter Stahl einen einzigen Cent verdient haben oder dass irgendwer daraus ein nennenswertes Einkommen erzielt. Finanziell könnte man besser das Geld in eine kleine Programmierbude stecken und mit HTML-Homepages für kleine Handwerker mehr verdienen als mit Rollenspielen! Man braucht einfach Liebe zum Thema, Liebe zum Hobby und eine Menge Enthusiasmus um sich in ein solch abenteuerliches Wagnis zu stürzen. Das geht nicht mit kommerziellen Absichten!
Und eben diesen Enthusiasmus, diese Liebe zum Hobby, das ist es, was die kleinen Verlage von den großen Verlagen abhebt. Ich will keinem bei Pegasus oder Ulisses unterstellen, dass sie Rollenspiele nicht mögen, oder kein Herzblut investieren, aber ich denke, dass die kleinen Verlage Bücher publizieren, die sie auf dem Markt so sehr vermissen, das sie sie selber machen müssen (Bestes Beispiel: Nornis). Das Engagement der kleinen Herausgeber ist deren Triebfeder, die sie veröffentlichen lässt. Wenn als Treibfedern aber Umsatzziele, Marktanteile oder unbezahlte Rechnungen stehen, dann ist das nicht das gleiche.
Ich habe in fünf Jahren Mitarbeit bei LodlanD nichts verdient, auf Cons war ich froh, wenn die Veräufe die Fahrtkosten eingebrachten haben und trotzdem würde ich mich wieder so engagieren, wenn es ein Rollespiel-Projekt gibt, dass mich so begeistert.
Bei LodlanD gibt es ein Abo-Model. Jeder Abo-Kunde kriegt sieben bis vierzehn Tage vor Erscheinen eines neuen Titels eine Mail, mit der Möglichkeit, sein Abo auszusetzen und diese Publikation zu überspringen. Wenn er darauf nicht reagiert, kriegt er automatisch das neueste Produkt (und hat es damit eher, als die Autoren ihre Belegexemplare, das nur am Rande...). Es ist aber nicht erlaubt, dem Abo-Kunden eine Vergünstigung dafür zu gewähren (Buchpreisbindung!!) oder das Abo mit einer Beigabe attraktiver zu machen. Rechtlich ausgeschlossen. Wir versenden versandkostenfrei und, wenn ich das richtig im Kopf habe, dann gewähren wir Skonto bei Abbuchungserlaubnis im Abo.
Wir haben niemals Abenteuerbücher verkauft. Wer ein gutes Abenteuer hat, kann es uns schicken, dass wird geprüft, erhält das LodlanD-Gütesiegel und wird dann auf unserer Homepage registrierten LodlanD-SLs (in jedem GRW ist ein Registrierungscode) zum kostenlosen Download angeboten. In allen LodlanD-Büchern sind hinten kurze Abenteuer enthalten, die die Neuheiten des jeweiligen Bands einführen und nutzbar machen.
LodlanD ist ein Rollenspiel, für das ein eigener Verlag gegründet wurde. Wir haben immens viel Herzblut, Arbeitszeit, Kreativität und Engagement investiert und ich bin immer noch der Meinung, dass es ein verdammt gutes Rollenspiel geworden ist, aber das interessiert heute nicht mehr.
Wenn Du verkaufen willst, dann brauchst Du: Zeichner mit dem Niveau von Larry Elmore, vom Start weg eine Fangemeinde (am besten irgendwie involviert), die aufkeimende Kritik gnadenlos wegbeisst, richtig kurze Hintergrundtexte (niemand liest mehr epische Beschreibungen vom Auenland), eine instinktiv verstehbare Hintergrundwelt (Allianz gegen Horde), schnelle Charakterprogression (Erfolgserlebnisse bei den Spielern!) und Werbung auf ALLEN Kanälen: Alle Computer-Spiel-Zeitschriften, alle Online-Shops, die Dich führen, alle auch nur vage assoziierten Communities, VIVA, MTV, Dschungelcamp, Big Brother ...
Du brauchst ein Handy-Game (im Jamba-Abo mit Deinen Folgeabenteuern), eine PC-Version mit MMORPG, eine Tabletop-Variante (Plastik!!), ein gutes CCG mit Yu-Gi-Oh- & Magic-Plug-In und Du musst auf allen aktuellen Konsolen erhältlich sein. Du musst überall sein, wo die Zielgruppe ist und es muss verdammt cool sein, Fan von Deinen Sachen zu sein. Du musst teuer sein, damit Du begehrt bleibst.
Ich sehe in den PC-RPG keine Konkurrenz, aber die Spieler werden verwöhnt. Die müssen nichts mehr vorab lesen, die Hintergrundwelt wird mit einem Intro-Video und vorgelesenen Rahmeninformationen umrissen, die Regeln kennt der Computer und es kann direkt losgehen. Ein SL aber, der sich mit einem neuen Rollenspiel vertraut macht, der braucht mehrere Stunden um sich selbst mit den Regeln und dem Hintergrund vertraut zu machen und dann muss er das auch noch seiner Runde beibringen.
Dann kommt noch etwas dazu: Rollenspieler haben in der Regel begrenzte finanzielle Möglichkeiten. Das beduetet, dass sie es sich meistens gar nicht leisten können, ein Spiel "einfach mal zum probieren" mitzunehmen. Das finanzielle Risiko ist einfach zu hoch. Wenn es nicht gefällt, muss wieder 2 Monate gespart werden, bis das nächste Buch gekauft werden kann. Wer das einmal eraebt hat, der kauft kein zweites Mal ein Buch zu einem Rollenspiel, das er nicht kennt.
Herr der Ringe: Der Trend wurde so unglaublich fahrlässig verpennt, dass ich den Verantwortlichen heute noch Dinge antun könnte, die ich hier nicht näher ausführen werde...
Die Mutter aler Hintergrundwelten wird trendy und das Rollenspiel dazu geht den Bach runter. Wie kann das sein? Warum kostete das Buch fast €50,-? Warum war es nirgends in der Merchandise-Promo zu sehen? Warum hat die Werbung für das Rollenspiel nicht überall da stattgefunden, wo der Film lief und die anderen Merchandise-Produkte verkauft wurden? Warum wurde das RPG nicht anständig vermarktet? Warum liefen die Computerspiele recht anständig, das RPG aber nicht? Das HdR-RPG ist einsteigertauglich und enthält viele Seiten nützlicher Infos für Anfänger und SLs, die sich verbessern wollen.
Mythos Promorunde: Wer heute auf einem Con eine Demo-, Promo- oder Autorenrunde bei einem Rollenspiel-Stand spielt, der kauft das Spiel nicht sofort. Ein sehr kurioses Phänomen, dass ich aus persönlicher Beobachtung kennengelernt habe: Teilnehmer einer solchen Runde sind nach dem Ende der Runde voll des Lobes, suchen dann verzweifelt nach einer Ausrede, nicht kaufen zu müssen. Wenn man sie dann gehen lässt, kommen sie auf dem nächsten Con (oder demgleichen Con im nächsten Jahr) zum Stand und kaufen ohne weitere Nachfrage. Sehr seltsames Phänomen, offenbar muss das Erlebte erst einwirken, verarbeitet werden oder so, aber direkt nach den Runden haben wir fast nie etwas verkauft...
Mein Fazit: Wir brauchen einen Rollenspiel-Mainstream, der leidet derzeit unter DSA4 und dem Niedergang von Shadowrun. CoC konnte das mildern. WoW kostet uns massiv Spieler, da diese ihre Zeit lieber in Instanzen verbringen und P&P zusammen mit anderen Freizeitgestaltungen da zurückgefahren wird. Wenn der Mainstream wieder stärker ist (einsteigefreundliches DSA, Shadowrun wieder anständig aufgestellt und CoC als Horror-Marktführer) und diese Marken sich auch über die Szene hinaus mit einem positiven Image ausbreiten können, dann wird davon auch die Szene und die kleinen Verlage profitieren! Vor allem wirtschaftlich!
Kommerzielle Werbung (und Promotion) in öffentlichen Einrichtungen (städtische JZs) ist verboten! Außerdem ist da auch nicht die Zielgruppe. Die Leute da haben entweder noch nie ein Buch gelesen (und würden ein Rollenspiel gar nicht verstehen) oder würden sich mit sowas uncoolem niemals abgeben.
Regeln einhalten ist absolut uncool! Besser sind: Kulturzentren, Büchereien, Spiele-Läden (spielt mal in einem Spiele-Laden, der primär Brettspiele verkauft, ihr werdet erstaunt sein, wieviele Interessierte plötzlich um den Tisch stehen!). Und vor allem: Werbung online bei StudiVZ, SchülerVZ, wkw, etc.
PS: Ein Tipp für Rollenspiel-Einsteiger: Narnia Das Rollenspiel ist toll für Newbies ab 10-12 Jahren. Lasst Euch nicht vom Umfang (432 Seiten) abschrecken, das Buch hat recht wenig Text pro Seite, ist von einem Romanverlag. Wer einen Fan der Fantasy von C.S. Lewis in der Verwandtschaft hat, sollte das einfach mal veschenken. Das ist einsteigertauglich!