AW: Pen & Paper-Rollenspiel am Ende (von Frank Heller)
GERADE beim Terraformer-Abo hat es sich doch gezeigt, daß der Verlag, die Autoren weder die zeitliche Zusage regelmäßiger Veröffentlichungen einhalten konnten, noch daß überhaupt genug Material für 20 Ausgaben vorhanden war.
Mich hat diese Idee, so reizvoll ich sie bei Dawning Star und dem Terraformer fand, maßlos enttäuscht.
Ein Abonnement-Modell MUSS pünktlich liefern, MUSS über die GESAMTE Abo-Zeit auch Inhalte liefern, und die Qualität der Inhalte MUSS stimmen.
Die hier von Skar geäußerte Idee "minderqualitative" Abenteuer den Kunden unterzujubeln halte ich für sehr, sehr schlecht. - Man kann so etwas bestenfalls als KOSTENLOSE Inhalte zum freien Download anbieten (auch wenn gerade die freien Downloads für Rollenspiele das Aushängeschild für Neu-Interessenten sind, und eigentlich sogar noch bessere Qualität und das Begeisterungsmoment aufweisen müssen, daß Neu-Interessenten auch zum Kauf der Produkte anregt).
Schlechte, oder auch nur nicht-gute Produkte gehören weder in ein Abonnement, noch als "Füller" in Abenteuer-Sammlungen oder als Dreingabe auf den Download-Haufen, sondern schlechte Produkte gehören in den MÜLL, in den Papierkorb, oder - bestenfalls - zum Ausschlachten in die "Ideen-Sammlungs-Box".
Zum Abenteuerangebot: Was ich gerade im letzten Jahr bemerkenswert fand, ist die ERFOLGREICHE Veröffentlichung zweier reiner Abenteuer-Bände, dünner, ca. 30-40 Seiten umfassender DRUCK-Ausgaben mit Deadlands:Reloaded bzw. Solomon Kane Abenteuern durch Pinnacle.
Pinnacle hat sein Erfolgsmodell für Savage Worlds durch die vielen PDF-Abenteuer und durch Baukasten-Publikationen vorangetrieben. Normalerweise gab es einzelne Abenteuer seit über 10 Jahren (also seit Deadlands Classic Zeiten) NICHT mehr, weil es sich nicht rechnete, weil die sich nicht ausreichend verkauft hatten. - Aber mit dem Erfolg von Savage Worlds, mit den offensichtlich mehr als nur guten Umsätzen, die Pinnacle über die PDF-Publikationsschiene gemacht hat, scheinen sich wohl solche Abenteuer-Bände doch wieder zu rechnen.
Savage Worlds hätte meines Erachtens genauso im Rauschen anderer generischer Regelssysteme untergehen können, wie dies englischsprachige oder inzwischen auch deutschsprachige "Generika" vormachen: NULL Unterstützungspublikationen, keine Abenteuer, keine Spielwelten. - Folge: Keiner (kaum jemand außerhalb des direkten Dunstkreises des Autors) SPIELT das Teil wirklich.
Pinnacle hat aber mit vielen für sich spielbaren Einzelabenteuern (Savage Tales) in PDF-Format, mit Kampagnenbänden (Evernight) und mit Settingbänden (inklusive Kampagne im Plot-Point-Modell, sowie vielen Einzelabenteuern und Abenteuergeneratoren) den Spielleitern MATERIAL zum Spielen geboten.
Ein Generikum, welches mit LEICHT zugänglichem, leicht fürs aktive Spiel erschließbarem Unterstützungsmaterial insbesondere in Form von Abenteuern unterfüttert wird, das hat erst eine Chance sich eine Spielerschaft zu erobern, die durch AKTIVES Spiel das Regelwerk und seine Settings propagiert.
Con-Präsenz - hierzulande nicht etwa gesponsort durch den Verlag, sondern von begeisterten, enthusiastischen Spielleitern, die mit Elan und nur für den "Lohn" ihre Begeisterung mit anderen teilen zu können Spielrunden anbieten - ist ebenso wie die Präsenz in nicht-systemgebundenen Foren ein wichtiger Indikator für das Fuß-Fassen eines Rollenspiels im aktiven Teil der Rollenspielerschaft.
Erstaunlicherweise für ein Generikum ist Pinnacles Vorgehensweise, die von der ZUGÄNGLICHKEIT der publizierten Materialien geprägt ist, erfolgreich gewesen.
Was andere, gerade deutsche (Stichwort: Die Deutsche Krankheit im Rollenspiel) Rollenspielhersteller in meinen Augen verkehrt machen ist, ihre Produkte schlecht zugänglich zu gestalten, mehr "Romanartiges", es dem Spielleiter unnötig erschwerendes Abenteuer-Material zu verfassen, statt bei den Abenteuerautoren klar die NUTZBARKEITSANFORDERUNGEN eines Spielleiters als das bestimmende Qualitätsmaß für ein Abenteuer anzulegen. - Man hat bei deutschen Abenteuerpublikationen oft den Eindruck, daß der Abenteuer-Autor lieber einen Roman hätte schreiben wollen, aber statt dessen - und wohl leicht unzufrieden - sich mit einem Abenteuer begnügen mußte, in welchem er jetzt aus Trotz doch seine Romanhaftigkeit einbringen wollte.
Das ist EINSTEIGERFEINDLICH.
Nicht nur für Einsteiger, auch für "Umsteiger".
Und es macht die gesamte deutschsprachige Rollenspiel-Abenteuer-Autoren-Szene KRANK.
Das ist eine der unangenehmeren Ausprägungen der Deutschen Krankheit: Der Autoren-Nachwuchs ist von den "verhinderten Romanautoren" so geprägt darin "wie ein Abenteuer auszusehen hat", daß alle Frische, alle knackigen, packenden Ideen unter der dicken Roman-und-Optikaufmachung-Buttercreme der "Schule des Das-Macht-Man-Eben-So" der größeren deutschen Verlage erstickt werden. - Und zwar nicht einmal nur die Abenteuer für die Rollenspiele dieser Verlage, sondern QUERBEET!
Rollenspieler werden seit Langem hierzulande über DSA ins Hobby geführt. Über DSA, Cthulhu, WoD. Über Rollenspiele, die ihnen den Zwang zum Romanhaften bei Szenarien (die keine Abenteuer mehr sind) einimpfen. - Die Rollenspieler, die sich aus diesem Einstiegsbereich gelöst haben, und die für andere Rollenspiele nunmehr Abenteuer verfassen, haben aber dummerweise die Deutsche Krankheit mitgeschleppt und verbreiten sie auch in anderen Rollenspielen, weil sie es eben so GELERNT haben, wie "Abenteuer" auszusehen haben. - Wie verkappte Romane eben. Wie in ihrer rollenspielerischen Kinderstube.
Ich bin der Meinung, daß diese Art der unguten Prägung in Richtung Zähigkeit, Romanhaftigkeit, verbaute Zugänglichkeit für den PRAKTISCHEN Spieleinsatz hierzulande schon richtig viel Schaden angerichtet hat. Schaden, der nicht klar zu beziffern ist. - Schaden in der Mentalität der Schreibenden. Schaden in der Erwartungshaltung der leidensfähigen Abnehmer. - Und besonders schlimm: Schaden durch Abschreckung und Frustration von Neu-Interessenten. Das ist schlichtweg eine Sünde!
Wieso bekommen denn solche Verlage wie PInnacle, Triple Ace Games, 12toMidnight, und andere Abenteuer hin, die kurz, knackig und - vor allem - für Neu-Einsteiger und Umsteiger in Rollenspielen ZUGÄNGLICH sind?
Deren Autoren kochen doch auch nur mit Wasser. Aber eben mit Frischwasser und nicht mit der abgestandenen Romanautoren-Brackwasserbrühe, die nichts Halbes und nichts Ganzes ist.
Wer einen Roman schreiben will, der soll einen Roman schreiben.
Wer ein Abenteuer schreiben will, der soll ein Abenteuer schreiben - vorausgesetzt, er weiß überhaupt, wie das geht - vorausgesetzt, er weiß überhaupt, was die SPIELLEITER in einem Abenteuer BRAUCHEN, um es zu leiten.
Wenn ich mir die tapetenlangen Threads anschaue, die nur davon handeln, wie man denn insbesondere "namhafte" Abenteuer deutscher Rollenspielverlage ÜBERHAUPT zum Laufen bringen kann, wo es darum geht, was man ALLES UMSCHREIBEN und SELBST ÄNDERN MUSS(!), damit das Abenteuer überhaupt spielbar wird, dann liegt doch ein ganz offensichtliches Qualitätsproblem vor.
Diese Abenteuer sind an den KUNDEN vorbei geschrieben worden!
Das sind Autos, die nicht fahren, dafür aber eine Innenausstattung haben, wie eine 20-Zimmer-Villa. - Nur fahren sie eben nicht. - Irgendwas ist ja immer, nicht wahr?
NEIN.
Nicht wahr!
Man KANN Abenteuer schreiben, die ein Spielleiter tatsächlich OHNE MASSIVE ÄNDERUNGEN leiten kann. - Man muß nur Autoren haben, die selbst SPIELEN, die WISSEN, was ein Spielleiter braucht, und die dessen Bedürfnisse auch erfüllen können.
Romanautoren sind dazu nicht in der Lage. - Ein Roman ist ein derart anderes Medium, daß Romanhaftigkeit in einem Rollenspielabenteuer, welches auf klassische Art von einem Spielleiter geleitet werden soll, nur schaden kann.
Wenn aber der Nachwuchs durch die "Schule" der Romanhaftigkeit mit der Deutschen Krankheit bereits infiziert wurde, ist - wie ja feststellbar - KEIN Ausbrechen, kein Abschütteln dieser nachweislich für Spielleitung untauglichen Autorenpraktiken zu erwarten.
Ich bin das Lesen des Dauer-Lamentos, daß es keine geeigneten Einsteigerprodukte im Rollenspiel gäbe, einfach LEID.
Deutschsprachige gibt es wenige, weil hier die Deutsche Krankheit alles unter einem schwärenden Eiterfilm griesgrämiger verhinderter Romanautoren zukleistert. - Es fehlt die leichte Luft zum ATMEN für frische deutsche Autoren.
Die Linderung wird meines Erachtens NUR aus dem Ausland kommen können. - Die wenigen deutschen Lichtblicke wie Funky Colts oder der ehrbare, aber offenslichtlich ignorierte Versuch mit Runenklingen, sind nur zwei Aspirin, die lindern, aber nicht heilen.
Übersetzungen kurzer, knackiger, einsteigertauglicher (sowieso, sind ja nicht von kranker deutscher Hand verfaßt!) anglo-amerikanischer Rollenspiele sind hier die frische Brise, die der schwermütigen deutschen Buchstaublunge im Rollenspiel wieder zu freiem Atem verhelfen kann.
Es müssen Übersetzungen sein, weil auch die meisten deutschen Produkte, die NICHT aus den größeren Verlagen kommen, leider alle Symptome der Deutschen Krankheit aufweisen. - Das ist tragisch.
Rollenspielerisch gesehen gleicht Deutschland einem Siechenhaus, vergleicht man es mit Frankreich oder England oder den USA.
Ich sehe in den vielen emporwachsenden neuen Verlagen, viele davon ja mit Übersetzungen ZUGÄNGLICHER US-Rollenspiele auftretend, eine echte CHANCE darauf "Anti-Körper" zu bilden gegen das träge, schwärende, unspielbare Gewebe, gegen die Verwachsungen bei den paar größeren deutschen Verlagen, die als die Entzündungsherde und Träger der Deutschen Krankheit klar zu diagnostizieren sind.
Das Gejammere, daß diese "bösen" Kleinverlage ja den Absatz an Produkten der wenigen Großen schmälern würden, ist ein fiebriges, aber nutzloses Aufbäumen gegen eine schon viel zu lang anstehende ECHTE Heilung: Wenn die großen Verlage SATT und MUFFIG in ihren Romanautorenstübchen an den BEDÜRFNISSEN der Spielerschaft VORBEI ihre Produkte erstellen wollen, dann müssen sie sich den Vorwurf gefallen lassen, daß SIE es sind, die dem Hobby Rollenspiele hierzulande insgesamt eine regelrechte Paralyse verpaßt haben.
Statt aktiv Trends, Neuerungen, ZEITGEMÄSSE Entwicklungen im Rollenspiel aufzugreifen wird mit "same old, same old" gemauert. - Und wenn sich das Altbackene "Schnee von gestern"-Programm nicht so verkauft, dann wird gejammert und sich über diejenigen beschwert, die sogar die Vermessenheit besitzen EIGENE Abenteuer auszudenken! (Diese Antwort auf LORP.de war wirklich beschämend! Eine echte Schande für JEDEN, der etwas mit Rollenspiel zu tun hat! Beschämend! Pfui!)
Die Deutsche Krankheit sitzt tief. - Und solange man nicht die Eiterherde in Gestalt solcher sich geradezu SELBST vom lebendigen Hobby Rollenspiel DISTANZIERENDEN Rollenspielschaffenden herausgeschnitten und in den antiseptischen Romansektor verschafft hat, wird man wohl noch länger derartige FRECHHEITEN gegenüber der BASIS der Rollenspielerschaft (die nicht zuletzt auch die GEHÄLTER dieser Leute finanziert!) lesen müssen, und man wird weiterhin unter für das aktive Spiel untauglichen Produkten leiden müssen.
Wie gut, daß mit den neuen, deutschen Verlagen hier endlich etwas Bewegung in das stagnierte Krankenbett kommt.
Ich habe den Eindruck, daß seit mit Funky Colts ein erster Stern am trüb-dunkelen Himmel deutscher Sterbezimmer-Romantik aufgegangen ist, viel mehr deutsche Rollenspieler die Schnauze voll von dem behäbigen, roman-gichtgeplagten Gekrieche der großen Verlage haben, und mit Freuden die agilen, flotten, frechen, frischen, LEBENDIGEN Produkte der neuen Verlage annehmen. Und nicht nur das: Mit Aktivitäten wie den Old-School-Rollenspielübersetzungsprojekten oder Abenteuer. kommt tatsächlich der Kreislauf wieder in Gang, der den SPIELLEITERN als den HERZEN des Rollenspiels, die die Abenteuer in ihre Gruppen "pumpen" und dadurch mit Freude, Entdeckungen, phantastischen Welten versorgen, den nötigen SPIEL-"Sauerstoff" zum kräftigen, gesunden Schlagen verschafft.
Wo in den Eiterbeulen der Deutschen Krankheit nur der Schmerz pocht, da schlägt in immer mehr Runden hierzulande wieder ein kräftiges Herz für Abenteuer-Unterhaltung mit Freunden, eine LEICHTHERZIGE Dynamik, die unser Hobby in diesem Lande zu lange vermißt hat.
Also ICH FREUE mich darauf, was 2009 an Neuem im deutschen Rollenspiel bringen wird.