AW: Pen & Paper-Rollenspiel am Ende (von Frank Heller)
Nachdem ich nun ein paar Seiten gelesen habe, möchte ich dann auch meinen Senf dazu geben, ohne erst alles zu lesen. Es würden sicher einige Punkte unter den Tisch fallen, die es besser verdienen.
Wem mein Nick etwas sagt, wird wissen, dass ich [k]ein Lobbyist bin. Texte von mir findet man bei DSA (P&P), Lineage2 (MMO) und anderen Plätzen. Ich selber spiele DSA-Aventurien und -Myranor, Lineage2, WoW und gerne auch einige andere Spiele (z. B. Canasta - Ja, Karten oder Battlefield 2 - keine Karten
).
Einschätzung des Marktes: Soweit meine Einblicke hinter die Kulissen dies zuließen, ist mir immer wieder eben jener Eindruck entgegen geweht, den Frank beschrieben hat. Die Szene wird älter und kleiner. Eigene Beobachtungen aus dem Bekanntenkreis haben dies regelmäßig bestätigt. Wer schon 2 Meter im Regal stehen hat mit den Produkten von Version x.y, überlegt oftmals ob da noch mal die gleiche Menge Platz und Geld für die neue Ausgabe hin soll. Die Kunden haben einfach irgendwann genug Regelkram.
Bei diversen Diskussionsrunden auf Cons wurde immer wieder betont, dass unser Hobby mit seinen Fans älter geworden ist. Und natürlich will kein Verlag die langjährigen Kunden verlieren. Damit ergibt sich aber automatisch eine Spirale aus steigender Komplexität und Erneuerung. Der Kunde will Neues über das Bekannte. Also steigt der Grad an Details. Welcher 30+ kauft ein Rollenspielbuch, welches ihn wie einen 12-15 jährigen behandelt und anspricht? Aus Verlagssicht ist die Antwort sehr einfach: Zu wenige, als dass es wirtschaftlich sinnvoll ist.
Also müsste ein Verlag – um einsteigerfreundlich zu bleiben - sein Produkt eigentlich in 2 Versionen verkaufen: <25 und 25>
Das kostet (fast) doppelte Arbeit und damit Geld.
Ein Produkt zu veröffentlichen, welches für 15- und 50-jährige interessant ist, wäre mMn noch aufwendiger. Man darf nicht vergessen, dass viele der derzeitigen Autoren und Macher keine studierten Rollenspielautoren sind, also nur selten eine komplette Kombi aus Publizistik-, Germanistik-, Psychologie-, BWL- und Geschichtsstudium vorweisen können.
Das wird sicher auch für die Fans gelten. Dass man dennoch interessante P&P-Material auf dem Markt bringen kann, zeigt das Alter einiger Produktreihen.
Einschätzung der Spieler: Offenbar haben hier viele Spieler hauptsächlich negative Erfahrungen auf Cons etc. gemacht. Das kann ich nicht in dem Maße nachvollziehen, bzw. bestätigen. Freaks sind wir alle, sobald wir vom Mainstream abweichen. Intoleranz findet man bei den "Dino-Fans" ebenso wie bei den Indis, bei letzteren meist öfters, da sie - sicher zu Unrecht - zu meinen scheinen, ihr Ding verteidigen zu müssen. Diese Haltung findet sich natürlich bei allen RPGlern in mehr oder minder starken Ausmaß. Wir sind eine Randgruppe und verhalten uns nach innen und außen auch oftmals so. Die Flamewars sind so alt wie das Hobby selber. Früher hat man auf einer Party mit den AD&D-Fans diskutiert, heute mehr mit Fans von Arkane, Engel oder GURPS. Als DSAler ist man eh immer Ziel.
Zu dem Thema gibt es im Netz einen netten Cartoon, wo die Hierarchie der Nerds dargestellt wird. Jeder lacht über den, der vor ihm in der Reihe steht, egal ob LARPer, Gothic, Emo oder P&Pler. Je nach Ziel-Gruppe variiert die Reihenfolge im Comic.
Gruppensuche an der Uni: Nur kurz der Hinweis, dass bestimmte Studienzweige nach meinen Erfahrungen eine deutlich höhere Menge an P&P-Fans haben, z. B.: Ur- und Frühgeschichte (50%+), Nordistik (50%+), Klassische Archäologie (40-50%), Alte Geschichte lieber meiden
, Physik (30%+) auch Elektrotechnik, Informatik und andere technische Naturwissenschaften fallen da auf. Gerade im Großraum NRW bietet es sich an auf Cons zu gehen und da schnell Leute zu finden. Am kommenden Wochenende z. B. in Herne (Morpheus-Con). Auch einfach mal in mehreren Foren nachfragen. Für „Großraum Münster“ geht bei Interesse auch eine PN an mich, wir basteln an einer weiteren Myranor-Gruppe.
Aussterben der Dinos: Hier bin ich klar parteiisch. Ich habe mit DSA einfach zu viele positive Erfahrungen gemacht und schöne Stunden verlebt. Ein Aussterben von DSA ist geradezu unmöglich. Wenn Ulisses es aufgeben würde – was Patric und der Liebe Gott verhindern mögen -, gäbe es einfach zu viele Fans/freie Autoren, die es spontan weiterführen würden. Und gerade die Fans des Schwarzen Auges sind eine so auf IHR Rollenspiel fixierte Gruppe, dass es anderen Systemen nur wenig Gewinn bringen würde, da viele wohl einfach das Hobby aufgäben.
Auch wenn das Produkt einen großen Teil am Markt hat, hatte ich bisher nicht den Eindruck, dass man „die Kleinen“ behindern würde. In persönlichen Gesprächen habe ich dagegen öfters bei DSA-Autoren mitbekommen, dass sie die Alternativen als Bereicherung ansehen und jeder (!) Rollenspieler als Gewinn gesehen wird. Das hier mag man nun als Werbung missdeuten, aber das ändert nichts an meinen Erfahrungen.
Ansprechen von Neukunden: In Schulen und Jugendclubs gibt es gleich mehrere Probleme. Zum einen scheint es rechtliche Hindernisse zu geben, da ein offizielles Auftreten der Verlage als Werbung angesehen würde. Nach meinen Infos ist das verboten?! Zum anderen werden P&Pler gerade im Bildungs- und Pädagogikbereich immer noch in einen Topf mit Wicca, Gothics und anderen nicht-Mainstream-Gruppen geworfen – warum auch immer. Auf einer 3Eich wurde mal ein trauriges Beispiel von 2 Lehrern vorgestellt, die aufgrund einer RPG-AG um ihren Job bangen mussten oder ihn sogar verloren. Also keine gute Grundlage.
Da müssen wohl die Väter/Mütter ihre Kinder mit dem P&P-Virus infizieren. Man kann auch Rollenspiel als Teil eines Kindergeburtstages veranstalten.
Ich bin schon länger dafür gerade die etablierten P&P-Systeme mit der Manga-Welle zu verknüpfen.
Normale Hobbies haben halt eine Menge Vorteile die Rollenspiel, speziell PnP NICHT hat:
+ Eine alte und etablierte Vereinsstruktur inklusive Jugendförderung aber eben auch "Partyaktionen"
+ Eine grosse Akzeptanz in der Öffentlichkeit ohne den negativen Ruf der RPG's anhängt
+ Fähige Köpfe in der Öffentlichkeitsarbeit bzw. "respektable" Personen in der Öffentlichkeitsarbeit
Dazu möchte ich dann auch noch etwas sagen (sicherlich keine Kritik an Darkwalker !):
+ Eine alte Struktur wird nun gerade den Dinos vorgeworfen. Da ist die Tradition dann plötzlich ein Hindernis, da sie als „verkrustet“ bezeichnet wird. Die Jugendarbeit vieler Vereine ist leider weit hinter dem Soll und kann sich somit durchaus mit der Jugendarbeit einiger RPG-Dinos vergleichen. Eigene Erfahrungen im Sportverein mögen da aber auch meine Sicht behindern. Sicherlich ließe sich hier für unser Hobby noch einiges tun.
+ eine große Akzeptanz … wie sie Fußballfans genießen, besonders auf dem Rückweg von einem Spiel, mag man sich mal am Hbf in Dortmund, München oder Bochum ansehen.
Klar, wer mit Alkohol wirbt, kann sich über dessen Konsum kaum mokieren, aber da stehen wir Rollenspieler doch vergleichsweise günstig da. Uns wird da eher massiver Konsum von Chips und Cola vorgeworfen. Zu einer besseren Akzeptanz haben wohl auch die HdR-Filme, Harry Potter und immer noch andauernde Welle der Fantasy-Literatur beigetragen. Insofern würde ich da weniger ein Problem sehen wollen. Aber auch hier bleibt für uns noch einiges zu tun.
+Fähige Köpfe … sind wohl weniger das Problem. Auch wenn man darüber streiten möchte, wird man zugeben müssen, dass Öffentlichkeitsarbeit meist auch eine Frage von Geld ist. Ideen sind nur ein Punkt. Vor allem muss man es sich leisten können. Rundfunk und Fernsehen verlangen vergleichsweise Unsummen für Werbung. Passenden Bürgerfunk hören dann doch eher nur die, welche eh schon zur Klientel gehören. Tageszeitungen, gerade überregionale, werden ebenfalls kaum umsonst werben und könnten ein Image-Problem haben …
Sehr positiv finde ich da die Idee, passende Flyer in Spielekartons zu legen, was soweit mir bekannt, auch schon in einigen Fällen gemacht wird. Das ließe sich sicher ausbauen. Die Präsenz in den großen Kaufhäusern wird offenbar ebenfalls wieder angestrebt. Das kann jeder von uns fördern, indem er die nette Verkäuferin einfach mal fragt, ob sie denn schon das jeweilige Lieblings-RPG im Angebot haben. Mag im ersten Moment blöd klingen, aber bei wiederholter Nachfrage, könnte es die Verantwortlichen ja zum Nachdenken bringen.
Con-Sponsoring: Ist im deutschen Markt durchaus auch von Verlagsseite möglich und wird von dem einen oder anderen Dino auch durchgeführt.
Verallgemeinerungen: In zu vielen Postings wird gleich die gesamte Szene, alle deutschen Systeme etc. verdammt. Eine derartige Verallgemeinerung ist kaum von Vorteil und wirkt oftmals wie versteckter Lobbyismus und die Lust an Flamewars
Romanhafte Schreibweise: Wer mit Rollenspiel anfängt, hat mMn oftmals den Wunsch ebenfalls einmal der Held einer Geschichte zu sein, selber mal ein Legolas, Conan oder Arthus zu sein. Und wer noch nie ein Abenteuer gemeistert hat, findet Vorteile darin, wenn er bestimmte Teile nur vorzulesen hat und im Prinzip eine Geschichte erzählt, die von den Handlungen der Mitspieler im Rahmen der Möglichkeiten gelenkt wird. Für erfahrene Meister und Spieler mag dies Jahre später als Nachteil erscheinen, aber ich würde es nicht Einsteigerfeindlich nennen wollen. Das mag jedoch von Meister zu Meister und von Rollenspieler zu Rollenspieler anders gesehen werden.
Man sollte jedoch nicht vergessen, dass gerade die deutschen Rollenspiele in Deutschland immer noch ganz gerne gekauft werden. Ob das nun daran liegt, dass die deutschen Rollenspieler alle blöd sind und nicht merken, was sie da kaufen, will ich dann doch bezweifeln.
Noch ein Hinweis zu den RPG-Autoren. Soweit mir bekannt sind weit über 90% der in Deutschland arbeitenden Autoren/Redakteure freiberuflich tätig und haben noch ein anderes Standbein außerhalb des reinen Rollenspiels. Insofern mag man ihnen durchaus zutrauen, dass sie trotz dieser phantasievollen Beschäftigung eine gewisse Bodenhaftung behalten haben. Spätestens bei der Bezahlung wird sich jene dann wieder einstellen, da man in Deutschland als Abenteuer-, Quellenband- oder Regelbandautor sicher kaum von dieser Tätigkeit luxuriös leben kann. Wer Gegenbeispiele kennt, möge mir bitte die notwendigen Adressen für eine Bewerbung per PN mitteilen.
Soweit ein paar frühe Gedanken und Meinungen meinerseits dazu.