AW: Requiem of a Soul
blut_und_glas schrieb:
Ich versichere dir, ich habe ihn verstanden, oder zumindest gehe ich davon aus. Aber ich stimme dir nicht zu, so unbegreiflich das für dich vielleicht sein mag.
Ich lasse jedem seine Meinung. Man mag mir ja viel vorwerfen können, aber Intoleranz lässt sich aus meinen bisherigen Beiträgen wohl nur schwerlich begründen.
Mir ist auch durchaus bewusst, dass viele Leute mit meinem direktiven "Eine Rollenspielrunde ist keine Demokratie"-Ansatz gar nix anfangen können. Ich habe zwar die Erfahrung gemacht, dass dieser Ansatz auch mit anfangs widerstrebenden Leuten sehr gut funktioniert, wenn man einen guten SL hat. (Und: mit direktiv meine ich auch keinesfalls, dass der SL nicht auf Vorschläge und Ideen der Spieler eingeht, wenn sie begründet sind...) Sicherlich mag es aber immer noch Leute geben, die darauf keinen Bock haben und in eine solche Runde gar nicht erst einsteigen würden. Ich versuche aber auch gar nicht, anderen meine Ansichten aufzudrängen, sondern lege hier nur meine Meinung dar.
blut_und_glas schrieb:
Und die Spielleitung weiss natürlich auch als einzige darum was alle auf Dauer den "maximalen Spielspass" verspricht?
Erstmal: ja, ich erwarte von einem SL, dass er wenigstens in groben Zügen weiß, womit er die Spielern in seiner Runde (und sich selbst, er will ja auch was vom Spiel haben) zufrieden stellt. Auch mit neuen Spielern kriegt man das als SL relativ schnell raus. Außerdem gibt's für sowas ja auch Feedback-Runden nach dem Spiel, bei denen Spieler Kritik und Verbesserungsvorschläge geben können. Spätestens nach ein paar Sitzungen sollte man dann wissen, womit man seine Spieler packt und womit nicht. Klar ist das ein Lernprozess. Aber bei einer aufeinander eingestimmten Gruppe ist das kein Problem - irgendwann kennt man ja seine Pappenheimer. (Und klar, der SL ist auch nur ein Mensch und kann auch mal daneben liegen... Aber was wird mit der Zeit immer seltener werden.)
blut_und_glas schrieb:
Von dieser Frage einmal abgesehen, finde ich den ersten Teil deiner "Richtungsangabe" aber sehr viel interessanter: Die Spielleitung lenkt das Spiel also in die Richtung, "in die sie es haben möchte" - hast du nicht gerade eben noch davon gesprochen, dass es negativ ist, das Spiel im eigenen Sinne zu manipulieren?
Nein, das habe ich nicht gesagt. Es ist negativ, das Spiel so zu manipulieren, dass man daraus
einen eigenen Vorteil zieht, der nicht darauf abzielt, das Spiel als solches zu verbessern. (Beispiele: Spieler cheatet, um den eigentlich verpatzten Wurf doch zu schaffen, damit sein Superhelden-SC nicht blöd da steht; SL manipuliert den eigentlich gelungenen Wurf eines NSC, damit der SC der Spielerin, in die er heimlich verliebt ist, keinen auf die Fresse bekommt und sie deswegen nicht sauer auf ihn ist; SL manipuliert den eigentlich misslungenen Angriffswurf eines NSC, damit der Spieler, der ihn schon den ganzen Abend angenervt hat, einen auf die Fresse bekommt und er daraus seine Genugtuung ziehen kann).
Wobei man hier natürlich den o.g. Satz nehmen, Rechtsverdreher spielen und sagen könnte: "Ich kann ja jetzt als Spieler einfach ein anderes Würfelergebnis angeben, um einen anderen SC doch noch retten zu können. Daraus ziehe dann nicht ich selbst einen Vorteil, sondern die ganze Gruppe - wir sind dann ja alle froh drüber, dass unser Freund nicht gestorben ist, und das ist auch gut fürs gesamte Spiel." Oder so ähnlich.... Aber: Einem Spieler bringt es nichts, zu schummeln. Dann könnte er das Würfeln gleich ganz sein lassen und bei jeder Aktion einfach entscheiden, wie sie ausgeht. Tragik und auch mal Verlieren können gehört aber nun mal zum Rollenspiel dazu. (Und die wenigsten SL würden einen SC ja auch nur wegen eines einzigen verpatzten Würfelwurfs sterben lassen, wenn er sich ansonsten schlau angestellt hat.)
Und bevor jetzt das Gegenargument kommt - "aber du sagst doch, dass der SL immer schummeln bzw. Würfe manipulieren oder Regeln brechen darf, wenn er das will, wo bleibt da die Fairness"....:
Klar darf ein SL das, aber eben nur, wenn es zum Wohle des Spiels ist. Mal ein paar klassische Beispiele:
Beispiel 1: Spieler Naseweis:"Das und das ist passiert. Ergo: Der NSC hat die und die Kraft auf mich gewirkt, das muss ja durch Ritual XY auf Seite xx im Kompendium passiert sein. Aber nach der Regel geht das gar nicht, weil es ja nicht Vollmond [oder was auch immer] war...." SL: "Tja, du weißt halt nicht alles, und die Regeln, die du kennst, gelten für dich, aber wie das für andere funktioniert, weißt du nicht!" (In dieser Situation gälte das Handeln des SL z.B. dem Erhalten der Mystik, die sonst durch die Regelfuchser und Alle-Quellenbücher-Kenner unter den Spielern völlig zerstört worden wäre - das typische "Oh, ich kenn das, das muss XY sein"-Syndrom, das für alle anderen Spieler jegliche Spannung zerstört.)
Beispiel 2: Spieler Immersuper verlässt sich zu sehr auf seine (magischen, Psi- etc.) Kräfte und wendet in bestimmten Situationen ohne nachzudenken ganz unkreativ immer dieselbe Kraft an, was allen anderen nur noch ein gelangweiltes Gähnen entlockt. Irgendwann funktioniert die Kraft bei einer Anwendung nicht mehr so, wie er es sich vorgestellt hat - sie hat zwar einen Effekt, aber einen leicht anderen als im Regelbuch beschrieben. Das muss gar keine "Strafe" für den Spieler sein in dem Sinne, dass es für ihn negativ ausgeht - aber auf jeden Fall lernt er, dass Kräfte nichts Starres sind. Effekt: Der Spieler wird dazu angeregt, auch mal andere Methoden außer seinen altbewährten ausprobieren, außerdem wird die Mystik der Welt erhalten - Magie ist halt nichts, das man zu 100% vorhersagen kann.
Beispiel 3: Auch sehr klassisch, der Spielleiter retuschiert ausnahmsweise einen kritischen Schadenswurf, damit nach zwei Jahren Spiel nicht gleich die halbe Gruppe auf einmal über den Jordan geht. (Hier wird sich wohl kaum ein Spieler beschweren. Dennoch ist auch das ein Beispiel dafür, dass Regeln für den SL eben nichts Starres sind, sondern je nach Situation angepasst werden können.)
Was ich durch diese Beispiele (hier ließen sich sicher noch beliebig viele mehr finden) verdeutlichen will: Dass die Regeln für den SL keine Paragraphen, sondern Richtlinien sind, ist bei einem
guten SL in 99,9% der Fälle positiv für den Spieler oder zumindest auf längere Sicht positiv für das Spiel an sich.
blut_und_glas schrieb:
Aber die Spielleitung weiss natürlich ganz genau, was die Spieler geplant haben, ja?
Natürlich nicht. Obwohl größere und längerfristige Aktionen (wie "ich versuche, die Mafia zu unterwandern") meiner Ansicht nach im Vorfeld besprochen werden sollten, ist es ja gerade das Schöne für einen SL, dass die Spieler immer wieder mit überraschenden Ideen aufwarten. Aber ein guter SL kann improvisieren und wird sich auf seine Spieler einstellen. Und wenn z.B. die Spieler durch einen genialen, aber für den SL überraschenden Plan, kombiniert mit etwas Würfelglück, seinen NSC, der als Hauptgegner für die nächsten zwei Jahre Kampagne geplant war, direkt am ersten Abend plätten, dann wird der SL sich nach einem verzweifelten Blick in die Situation fügen und seine Kampagne umbauen.
Mit "direktivem SL-Stil" meine ich ja auch nicht, dass der SL nicht auf die Aktionen der Spieler eingeht und nur sein eigenes Ding durchzieht. Man erzählt schon zusammen eine Geschichte. Nur hat der SL den besseren Überblick über seine Welt.