ein Werkstattbericht von Peter Horstmann
Nun ist es endlich soweit: Die
Geographia Bansumitis erscheint. Endlich? Endlich! Die Gründe für die Verzögerung sind vielfältig und einige davon werden im Vorwort des Buches angesprochen.
Ab in den Süden!
Als im Winter 2011 erste Schritte unternommen wurden, das Projekt „Südband“ zu starten, waren als Bandredakteure Uli Lindner und Tilman Hakenberg geplant. Die Texterstellung sollte bis Mitte des folgenden Jahres abgeschlossen sein. Konzept und Planung waren ebenso erfolgversprechend wie ambitioniert. Schon vor Weihnachten war die Textvergabe weitgehend abgeschlossen und erste Ideen verbreiteten sich über die Mailingliste. Dass dieser gute Anfang ein solcher bleiben sollte, zeigte sich allerdings ebenfalls bald. Andere Aufgaben und Gestade sorgten immer stärker für Verzögerungen, sodass die Arbeit ab dem Sommer 2012 immer mehr zum Erliegen kam. Für Myranor waren das z. B. die Publikationen »
Myrunhall« (09.2013) oder »
Myranische Geheimnisse« (10.2014). Einen nicht unbedeutenden Anteil hatten wohl auch die vorbereitenden Arbeiten an der Welt Lorakis und dem neuen Setting Splittermond. Dieses erblickte dann im Sommer 2013 mit den »
Schnellstarter-Regeln« das Licht der Welt und legte 2014 mit den Bänden »
Splittermond: Die Welt« und »
Splittermond: Die Regeln« derart überzeugend nach, dass beide Bücher mit dem
Deutschen Rollenspielpreis prämiert wurden. So waren viele der Südband-Autoren also in anderen Projekten eingebunden und es zeigte sich schnell, dass die beiden Bandredakteure auf längere Zeit in Lorakis alle Hände voll zu tun haben würden. Hinzu kamen immer wieder gesundheitliche Probleme einzelner Autoren und Redakteure.
Daneben gab es aber auch wortwörtlich nächtelange Skype-Diskussionen über die Darstellung einzelner Spezies, Regionen und Völker, speziell z. B. der Kerrishiter. Auch für die neuen Regionen gab es eine Menge Klärungsbedarf. Auf Cons setzte man sich zusammen und überlegte in mal größerer mal kleinerer Runde. Auf der RatCon 2014 wurde dann besprochen, dass das Projekt mit neuen Bandredakteuren neu gestartet werden sollte.
Es geht wieder los
Diese und die letzte Absatzüberschrift geben den Betreff der E-Mails wieder, welche die jeweiligen Arbeitsrunden einleiteten. Die zweite Runde begann mit einer Abfrage, wer von den bisherigen Autoren noch an Bord sein würde und die Antworten zeigten eine deutlich kleinere Crew an. Es kamen aber auch Namen und Talente hinzu, die drei Jahre zuvor noch nicht abzusehen waren. Mit angepassten Konzepten ging es wieder an die Textarbeit.
»
Achtet außerdem bitte darauf, dass ihr nicht einfach Fakten um der Fakten willen setzt, sondern eure Texte wirkliche Relevanz haben als a) Notwendigkeit zur Darstellung des regionalen Flairs, b) als Steinbruch für eigene Abenteuer oder c) als Hintergrund für Spielerhelden aus der Kultur. Das Ding soll halt eine echte Spielhilfe sein, kein Reiseführer. «
Das war der Anspruch, der bereits zu Anfang an die Beiträge gestellt wurde. Unter dieser Prämisse wurden dann wieder Texte erstellt. Dabei waren bereits weitere mögliche Hindernisse am Horizont zu erkennen:
»
Regeltechnische Neuerungen sind durchaus erwünscht nur noch in wenigen Ausnahmen sinnvoll, da DSA5 vor der Tür steht. Die nicht zu vermeidenden haben einen eigenen Platz im Anhang des Buches. Versteckt solche Sachen also nicht in euren Texten, sondern schickt sie uns direkt zu.«
Wurde anfangs noch Zeit und Hirnschmalz in die Ausarbeitung neuer Regelelemente gesteckt, unterblieb das bei der weiteren Arbeit zusehends, da recht bald die Richtlinie „Keine Regeln und Werte im Südband“ ausgegeben werden musste.
Mit DSA5 kamen dann noch weitere Änderungen und 2015 wurde für Myranor das „Jahr der vielen Bücher“. In recht kurzer Folge erschienen seitenstarke Publikationen zu DSA 4.1, wie etwa »
Myranische Meere« (04.2015), das Zauberwerk (10.2015) oder die Formelsammlung (12.2015), die vorher intensive Arbeit erforderten. Einige Autoren waren neben dem Südband auch an diesen Büchern beteiligt und mussten den Süden erst einmal liegen lassen. Andere in Myranor bewanderte Kollegen und Kolleginnen hatten eigene Projekte und konnten daher nicht einspringen. Hinzu kamen aber auch erfreuliche Gründe, wie Berufsabschlüsse, Hochzeiten und Kindersegen, welche die Arbeitszeit für Myranor mal wieder einschränkten. Mit dem Frühjahr 2016 änderte sich die Zusammensetzung der Bandredaktion ein weiteres Mal: Berufsbedingt musste die Anzahl von drei auf einen Redakteur gesenkt werden, was für den verbleibenden Redakteur zum ungünstigsten Zeitpunkt kam, den er sich damals vorstellen konnte.
Doch 2016 wurde noch viel schlimmer: Am 15. Juli verstarb urplötzlich Jörg Raddatz und für Myranor bedeutete das den Verlust eines geistigen Vaters und des bis dahin sicherlich wichtigsten Planers und Gestalters.
In der Folge verschoben sich einige Texte im Südband und letzte Konzeptarbeiten mussten neu vergeben werden. Zum Glück waren viele Beiträge bereits fertig gestellt worden und „nur“ die letzten Regionen im Südwesten waren komplett neu zu erstellen. Das ging dank einiger Mitautoren dann recht gut. Für mich persönlich war 2016 sicherlich das Jahr, das mir so wenig Freizeit gönnte, wie kaum zuvor, worunter die Arbeit am Südband sicherlich deutlich gelitten hat. Mehr als einmal war ich kurz davor die Bandredaktion abzugeben, da der eigene Kopf nicht in der Lage war, kreativ zu arbeiten. So zog sich die Arbeit ins nächste Jahr hinein. Auf Basis der ganzen Texte – immerhin über 1.1 Millionen Zeichen in der Abgabedatei – wurden dann in erstaunlich kurzer Zeit die noch fehlenden Illustrationen erstellt, die sicherlich ein Highlight des vollfarbigen Bandes geworden sind. Ein weiterer Augenschmaus konnte bereits im Frühjahr 2017 auf der HeinzCon vorgestellt werden: die komplette Myranor-Karte von Hannah Möllmann. Daraus wird der südliche Teil als Beilage im Band enthalten sein. Die Karte hat ebenfalls eine Menge Zeit und Arbeit gekostet. Mittlerweile von der Mailingliste auf das Kooperations-Tool Quip gewechselt, verbrachten mehrere Autoren ein paar Wochen damit, alle Details, Orte, Flüsse etc. für die Karte zu sammeln und mit Hannah immer wieder abzusprechen. Dass die Arbeit sich gelohnt hat, beweist das Buch auf mehr als einer Seite.
Spotlights
Wie im Vorwort des Bandes zu lesen und bereits in der Vorschau bei
DSAnews zitiert: Die Arbeit am Band fand auf den Schultern von Riesen statt. Das soll die Leistung der beteiligten Menschen keinesfalls schmälern. Im Gegenteil. Sie haben die enorme Arbeit bewältigt, all die bisher geschriebenen Texte zu lesen, die Informationen zu bündeln und gemäß den Vorgaben zu sortieren, zu interpretieren und neu in Text zu gießen. Darüber hinaus wurden die einzelnen Abschnitte mit einer Menge an Ideen ergänzt, die alle darauf abzielen, Anregungen für Spieler und Meister zu geben, eigene Abenteuer zu gestalten und die Hintergründe der Helden mit etwas mehr Lokalkolorit zu bereichern. Ich denke, das ist ihnen allen sehr gut gelungen und jeder, der seinen Beitrag geleistet hat, kann sich ohne Scheu in die Reihe der Riesen dazu stellen. Nicht zuletzt an dieser Stelle noch einmal ein großes Dankeschön für das Durchhaltevermögen und die gute Arbeit.
Thematisch wurde ebenfalls eine Menge Arbeit erledigt. Es galt nicht weniger als 17 Jahre myranische Geschichte in die Texte einfließen zu lassen, ohne so etwas wie einen Metaplot zu kreieren. Die meisten älteren Bücher gaben als Jahr gerne 4770 IZ an, was dem Jahr 2000 entsprach. Gleichzeitig musste man aber aktuelle Geschehnisse auf Dere, wie etwa den
Sternenregen ansprechen. Für Regionen wie Makshapuram, Tharpura oder auch Shindrabar mussten sich Konsequenzen aus den Beschreibungen in »Handelsfürsten und Wüstenkrieger« ergeben, wobei die grundsätzlichen Konflikte zu erhalten waren, um die Regionen auch weiterhin mit dem gleichen Flair spielen zu können – nicht immer eine leichte Aufgabe. Auch der Zeitenwechsel ist immer wieder mit seinen Auswirkungen zu bemerken. So finden sich z. B. bei Tighrir und Kerrishitern Erwählte, welche für ihre Spezies und ihre Götter mit großen Aufgaben betreut wurden und in den kommenden Jahren durchaus für einigen Wirbel sorgen können. Die Kerrishiter glauben sogar, dass ihre Erwählte die leibhaftige Tochter eines echten Gottes ist! Dieses Völkchen musste zudem einige Anpassungen ertragen. So wurde z. B. die Idee, dass Frauen die heimatlichen Gefilde niemals verlassen, als böses Klischee und falsch verstandene Darstellung der Imperialen gebrandmarkt. Andernfalls wären Heldinnen nur schlecht spielbar gewesen. Insgesamt musste der spielerische Zugang zu diesem Kulturkreis vereinfacht werden, ohne sie ihres bisherigen Images als Mischung aus Ferengi und Sith zu berauben.
So bildet der Band einen guten Abschluss der bisherigen Arbeiten an Myranor, wie bei »
Unter dem Sternenpfeiler« galt: Bewährtes bleibt, Störendes wird geändert, Neues muss Anregungen geben – wie die beiden ganz neuen Regionen:
Dragestan – Das Land der Drachen
Nach Jahrhunderten des Schlafes, in dem sie als Traumgestalten durch die Region wanderten, erheben sich sechs Drachen aus ihrem Schlaf und errichten eine neue Herrschaft. Bedroht wird die multikulturelle Bevölkerung, die aus Menschen und Marus, Achaz, Amaunir und vielen anderen Spezies besteht, durch die Draydal und ihre Pardir im Norden sowie ihre Verbündeten aus Meralis im Süden. Außerhalb der inzwischen sieben großen Städte, die als Bund zusammen agieren, herrscht die Wildnis der Savanne. Dazwischen immer wieder Ruinen aus den Zeitaltern der Echsen und älterer Epochen und vor der Küste wartet der Schädelgrund darauf, dass jemand seine Geheimnisse lüftet. Der Bund der Sieben braucht Krieger und Entdecker, Magier und Geweihte …
So ließe sich das neue Gebiet im Südwesten Myranors in aller Kürze beschreiben. Das Nebeneinander vieler Spezies, die politische und nicht zuletzt auch religiöse Ausrichtung auf Jahrtausende alte Drachen als Herrscher, Umzingelt von Feinden und umgeben von uralten Geheimnissen: Belagerung und Entdeckung – wir haben uns für die neue Region ein munteres Zusammenspiel einiger Aspekte überlegt, die es so in dieser Mischung in Myranor bisher noch nicht gab. Echsen gibt es auch an der Küste des Nebelwaldes, aber dort mehr als Wilde oder als mystische Gegner. Eine Frontsituation gibt es auch in Anthalia oder Harpalis, aber eine echte Umzingelung besteht dort nicht. In Dragestan ist alles etwas intensiver und die Lösung dafür ist eine bunte Kulturmischung, welche gerade dabei ist, die Schwelle von einer lokalen Variante der Zivilisation zu einer bestimmenden Größe in der Region zu werden.
Narakam – Das Licht unter den Bergen
Im Unterreich herrscht eine vergleichbare Situation, wie in Dragestan: Belagert von Feinden, hat sich eine neue Kultur zusammen gefunden. Doch hier war die Ausgangslage anders und daher ist auch die Lösung eine eigene: Das Land an der Oberfläche ist verseucht, im Krieg durch Dämonen verheert und bis heute durch diese belebt. Somit mussten sich die Überlebenden eine neue Heimat suchen und fanden sie in den vielen Höhlen unterhalb des Landes. Aus Flüchtlingen und Vertriebenen wurden Mitglieder einer kooperativen Gemeinschaft, die heute stark genug ist, sich gegen die Feinde zu behaupten und einen neuen Weg des Lebens gefunden hat. Das Setting erinnert mit seinen post-apokalyptischen Aspekten an
Mad Max und
Defiance, bietet vergleichbare Kampf- und Gefahrensituationen, kann aber auch abseits der verderbten Sklavenjäger und der dämonischen Häscher zu einem Spiel innerhalb einer auf allgegenwärtige Gemeinschaft hin ausgerichteten Kultur werden. Unter der Erde gilt es die täglichen Probleme eines Lebens ohne Sonne zu meistern, neue Lebensräume zu finden und zu kultivieren. Reisen durch die Tunnel und Kavernen Narakams, ob nun zu Fuß oder mit den Tauchbooten durch unterirdische Flüsse, sind ein ganz eigener Reiz, der selbst mit einer Dschungelreise nicht zu vergleichen ist.
Jenseits des Nebelwalds – Geographia Bansumitis (A4, Hardcover, ca. 225 Seiten, vollfarbig) kostet
39,95 € und wird am
22.02.2018 im Handel erscheinen –
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