Nachdem wir bereits in den vergangenen Wochen einen Blick auf die Figuren des kommenden
Das Schwarze Auge-Romans
Khunchomer Pfeffer – Tod auf dem Mhanadi werfen konnten, schließen wir die Dramatis Personae mit diesem Blick hinter die Mauern des Hafenpalastes. Eine besonders prominente Person haben Eevie Demirtel und Marco Findeisen euch aber bis heute vorenthalten. Allein für Besucher der Lesung auf der diesjährigen RatCon wurde der Schleier schon ein wenig gelüftet. Niemand anderer als der legendäre Zaubersultan Hasrabal ben Yakuban beehrt Khunchom zu den Feierlichkeiten mit seinem Besuch.
Hasrabal ben Yakuban, Sultan von Gorien
Der greise Zaubersultan blickt dieser Tage freudig auf die Stadt an der Mhanadimündung, scheint seine Saat, die er bereits vor vielen Jahren gesät hat, doch endlich Früchte zu tragen. Als Sohn eines kleinen Provinzfürsten stürzte er den eigenen Vater vom Thron und strebte seither nach der Errichtung eines gorischen Großreichs. Über Jahrzehnte mehrte er seine Macht, knüpfte Beziehungen und zog als Strippenzieher an den Schicksalsfäden seiner Konkurrenten. Durch die Vermählung mit der Shanja von Rashdul dehnte er seine Herrschaft auf die große Stadt am Fuße des Tafelbergs und auf den Stamm der Beni Avad aus. Erst im 35-Tage-Krieg gelang es ihm im Handstreich weite Teile Goriens und Chalukistans zu erobern. Als begabter Elementarmagier studierte er die Geheimnisse der gorischen Wüste und das Erbe der Kophtanim und gebietet heute über ein Heer von Sandgolemiden. Seine Kräfte sind legendär und in ganz Gorien spricht man von ihm nur als Sahib al’Sitta, vom Meister der sechs Elemente, die er gleichsam zu beherrschen versteht. Während ihn die einen als Heilsbringer verehren, fürchten ihn die anderen als unberechenbaren Herrscher, der ungeachtet aller Vorbehalte längst zu einer der mächtigsten Gestalten im Land der Ersten Sonne geworden ist.
Und auch nach Khunchom hat der umtriebige Herrscher bereits seine Finger ausgestreckt: Aus der Verbindung seiner Enkelin Madra mit dem magiebegabten Kronprinzen, Stipen Kulibin, erhofft er sich zaubermächtigen Nachwuchs. So blickt Hasrabal dieser Tage zufrieden nach Khunchom, bringt ihn die Geburt Prinz Sheranbils der Erfüllung seines Schicksals und der Verwirklichung seiner dynastischen Bestrebungen doch ein bedeutendes Stück näher.
Doch Hasrabal hat sich nicht zuletzt durch die Ausweitung seines Machtbereichs mächtige Feinde geschaffen, die im Verborgenen ihre Intrigen spinnen und darauf lauern, seine Bestrebungen zunichte zu machen …
»Du wirst stets hinter dem Thron stehen und deinem Ehemann gefällig sein. Ich habe ihn für dich ausgewählt, weil er die Kraft in sich trägt und dir Söhne mit starkem Ashtarra schenken wird. Vergiss nicht, Madra, du bist eine Frau. Bedenke, wo dein Platz ist.«
[h=2]Stipen Kulibin, Kronprinz von Khunchom[/h]Stipen wuchs als einziges Kind des Khunchomer Fürstenpaares wohlbehütet in den Mauern des Palastes auf. Nie konnten ihm seine Eltern auch nur einen Wusch abschlagen, und so wuchs Stipen zu einem fordernden jungen Mann heran, stets in dem Bewusstsein, dass ihm alle Aufmerksamkeit seiner Umgebung gewiss war. Eine Tatsache, die den Prinzen auch in körperlicher Hinsicht sehr bequem werden ließ, ist es doch seiner Vorliebe für Süßspeisen zu verdanken, dass sich bereits in jungen Jahren ein beachtlicher Wohlstandsbauch unter seinem Kaftan wölbte. Die Schulung seines arkanen Talents erfolgte aus politischen Gründen an der Zauberschule des Kalifen zu Mherwed, doch auch das Studium vermochte Stipen nicht auf Dauer zu fesseln. Gerüchte besagen, dass der Fürst ein großzügiges
Bakshish zahlte, um seinem Sohn nach nur einem Jahr zusätzlichem Repetitorium den Abschluss zu ermöglichen. Erst seiner Ehefrau Madra saba Yakuban, der er in aufrichtiger Liebe zugetan ist, gelang es, den Prinzen wirklich zu fordern und seinen Ehrgeiz zu wecken.
Die Zeit wird zeigen, ob Stipen sich eines Tages aus seiner selbstgewählten Unmündigkeit zu befreien vermag, oder ob er auf ewig eine willfährige und für Schmeicheleien zugängliche Mirhamionette bleiben wird …
»Und nun will ich mein Konfekt! Ist mir gleich, wie du das zu Wege bringst. Und wehe, unser Gast findet heute Abend irgendetwas auszusetzen. Es gibt genügend Leute am Hof, die darauf brennen, dich zu ersetzen.«
[h=2]Madra saba Yakuban, Gattin des Kronprinzen von Khunchom[/h]Man erzählt sich hinter vorgehaltener Hand, der zaubermächtige Sultan Hasrabal habe die ersten grauen Barthaare erhalten, als bekannt wurde, dass der ihm prophezeite
Sechste Sohn des Sechsten Sohnes ein Mädchen war – Madra. Die ausgesprochen aufgeweckte und außerordentlich stark mit der Gabe Madas gesegnete Prinzessin wurde schon früh mit dem Kronprinzen Khunchoms verlobt. Der Zaubersultan wollte durch die Eheschließung mit dem magiebegabten Prinzen nicht nur das Herrschaftsgebiet seiner Dynastie ausdehnen, vielmehr setzt er alle Hoffnungen nun auf den sechsten Sohn dieser Verbindung.
Madra hat sich inzwischen scheinbar in ihr Schicksal gefügt und tatsächlich Gefallen an ihrem Gatten gefunden. Immer wieder ermutigt sie Stipen, eigene Entscheidungen zu treffen und stärkt ihm wann immer möglich den Rücken. Sie ist damit nicht nur seine engste Vertraute, sondern auch eine seiner wichtigsten Beraterinnen, die es jedoch geschickt versteht, dabei nicht allzu viel Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Lediglich die Großfürstin beäugt ihre Schwiegertochter in letzter Zeit recht kritisch, sieht sie durch diese Verbindung doch ihren eigenen Einfluss auf ihren geliebten Sohn zunehmend schwinden.
Seit kurzer Zeit sind Madra und Stipen nun stolze Eltern eines kleinen Prinzen. Doch niemand konnte voraussehen, welche Ereignisse die geplanten Geburtstagsfeierlichkeiten nach sich ziehen würden …
»Was soll ich nur tun? Ich habe das Gefühl, Stipen entgleitet mir mehr und mehr. Und als ob das nicht genug wäre, erwartet mein Großvater, dass ich eine Horde Söhne in die Welt setze und hinter seinen dynastischen Bestrebungen zurücktrete. Wo bleibe ich bei alledem? Habe ich denn nichts Besseres verdient?«
Selo Kulibin, Großfürst von Khunchom
Seit nunmehr 27 Jahren gebietet Selo Kulibin über die Stadt an der Mhanadi-Mündung. Dass sich das kleine Großfürstentum derart geschickt gegen seine mächtigen Nachbarn behaupten konnte, ist nicht zuletzt der umsichtigen Politik seines Herrschers zu verdanken, der stets darauf bedacht war, jedermanns Freund zu sein. Einen Politikstil, den böse Zungen hinter vorgehaltener Hand als rückratlos und verweichlicht bezeichnen könnten, die jenen Tag herbeisehnen, an dem Selo endlich zugunsten seines Sohnes abdankt.
Denkbar wäre es, ist doch am Großfürsten ein echter Abenteurer verloren gegangen, der einst sogar sein eigenes Leben riskierte, nur um einen Blick auf sein zukünftiges und bis heute innig geliebtes Eheweib zu werfen. So scherzt man bereits unter den Palastbediensteten, Selo Kulibin könne doch, nun da die Erbfolge gesichert sei, die Krone niederlegen und dem lange unterdrückten Ruf Aves’ folgen.
Doch im Augenblick bleiben dem Großfürsten für solcherlei Gedanken nur wenig Zeit, schließlich gilt es, der Stadt seinen neugeborenen Enkel zu präsentieren. Die Feierlichkeiten zur Geburt des kleinen Prinzen Sheranbil sollen schließlich ein ganz besonderes Ereignis werden, von dem seine Untertanen noch ihren Kindern erzählen. Tatsächlich werden alle Beteiligten an dieses Ereignis weit länger zurückdenken, als es sich der Großfürst jemals hätte träumen lassen …
»Ich bin überzeugt, es gibt nichts, was sich nicht bei einer heißen Tasse Tee und ein wenig Gebäck aus der Welt schaffen ließe!«
[h=2]Shenny Kulibin Kasan ay Thalusa, Großfürstin von Khunchom[/h]Wer den pompösen aber weitgehend ereignislosen Alltag der Khunchomer Großfürstin kennt, mag denken, dass ihr Leben als Vorbild für die zahllosen Geschichten aus 1001 Rausch über wohlbehütete tulamidische Prinzessinnen diente. Aufgewachsen in Thalusa, streng bewacht durch ihren wahnhaften Vater Ras Kasan, tauschte sie mit der Heirat Selos den einen goldenen Käfig gegen den anderen. Doch gerade die Enge der Palastmauern beflügelte Shennys Neugier und ihre Abenteuerlust immer wieder aufs Neue. Kein Wunder also, dass sie sich in den verwegenen Prinzen Selo verliebte, der einst sogar sein Leben riskierte, um einen Blick auf seine Zukünftige zu erhaschen.
Dem Treiben jenseits der Palastmauern begegnet die Großfürstin mit einer gewissen Weltfremdheit. Zu gerne würde sie selbst einmal das Gewand des einfachen Stadtbewohners anlegen und durch die Straßen Khunchoms streifen, doch sie fürchtet, sich durch ihre Unwissenheit in Gefahr zu bringen. Lieber lässt sie sich von ihren Dienern und Vertrauten die Neuigkeiten aus der Stadt zutragen und träumt weiterhin davon, den Geheimnissen und Gerüchten selbst auf den Grund zu gehen. Shenny Kulibin gehört nicht umsonst zu den am besten informierten Personen Khunchoms, was sie zu einer der wichtigsten Berater ihres Gemahls macht.
Ihre ganze Fürsorge gilt ihrem Sohn Stipen, den sie schon von Kindesbeinen an verwöhnte und verhätschelte. Nichts fürchtet sie mehr, als dass sich dieses innige Band eines Tages lösen könnte. In ihrer Schwiegertochter Madra sieht sie inzwischen nicht nur die Mutter ihres Enkels, sondern vielmehr auch eine unliebsame Konkurrentin. Noch ahnt sie nicht, dass die kommenden neun Tage dieses Beziehungsgeflecht auf eine harte Zerreißprobe stellen werden …
»Wie oft, glaubst du, verbirgt sich hinter Stipens Entscheidungen der Rat Madras? Ich sehe doch, wie sehr er ihren Einflüsterungen erlegen ist.«
Autor: Eevie Demirtel
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