Jamin
lebhafter Bücherwurm ;)
- Registriert
- 11. März 2004
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AW: Moralvorstellungen im Mittelalter/Antike
Ernsthaft: Wenn ich so manchen Kriegsbericht lese, bin ich mir da nicht so sicher, ob wir heute als gesamtes wirklich besser sind...
Wie Smokey Crow richtig schreibt:
Das würde ich so nicht sehen. Seine Tat zu rechtfertigen ist keine Sache eines hohen Gewissens, dennd as Gewissen ist das, was dich deine Taten bereuen lässt. So wie ich in V:TM verstanden habe, heißt seinen Pfadwert zu erhalten, zu bereuen und bereuen ist nicht "Der hat's verdient", sondern ein schlechtes Gewissen, obwohl man weiß, dass es wohl besser war so zu handeln. Auch ein finaler Rettungsschutz ist etwas, was psychisch belastet...Also sollten sie gleiche Menschlichkeit mit höherem Gewissen haben. Denn sie begehen mehr und schwerere Taten, können diese aber leichter vor sich rechtfertigen. (Das würde ich auch auf moderne Fanatiker anwenden.)
Findelhäuser gab es schon im Mittelalter und im Grunde musste man ein kränkliches Kind nicht groß aussetzen, da es sowieso eher die ersten Tage nicht übersteht. Die Kindersterblichkeit damals war abartig hoch."Moralität" bestimmt, wie sehr man sich an die gegebenen Moralvorstelkungen hält, nicht wie diese Moralvorstellungen aussehen. In einer Gesellschaft, in der es üblich ist kränkliche Kinder auszusetzen verstösst man nicht gegen die "Menschlichkeit", wenn man ein kränkliches Kind aussetzt (z.B.).
Wenn man sich historische Berichte ansieht, was welche Soldaten gemacht haben, dann weiß man, dass die Leute abgestumpft sind - egal warum sie ml mit dem Kämpfen angefangen haben. Es mag sein, dass viele davon es als reinen Broterwerb angefangen haben, aber ab einem bestimmten Punkt sind bestimmte Soldaten so abgestumpft, dass es ihnen egal ist oder vieleicht sogar Spaß macht. Lies dir nur mal durch, dass Städte nicht nur erstürmt wurden, sondern manchmal die Frauen vergewaltigt und auch alle Gefangene inkl. Kinder hingerichtet wurden. Was Herrscher im Mittelalter zum Machterhalt gemacht haben, spricht auch Bände.Meh, Söldner kämpfen wenigstens um sich zu ernähren, und nicht, weil sie Morden so fucking geil finden.
So heroisch wir Soldaten und Krieger gerne darstellen: Das sind Berufsmörder, letztlich muss jeder Kriegseinsatz abstumpfen, egal worum's geht.
Dafür sind sie früher gestorben und haben daher nicht soviel Zeit gehabt, zu entarten.Ich habe gehört, dass das Mittelalter tendenziell gewalttätiger war.
Ernsthaft: Wenn ich so manchen Kriegsbericht lese, bin ich mir da nicht so sicher, ob wir heute als gesamtes wirklich besser sind...
Sehr schlechtes Beispiel, weil du hier mit der Moralvorstellung des ausgehen 19. und des 20. Jahrhunderts argumentierst. Im Mittelalter waren eher die wenigsten Leute verheiratet, also die meisten Kinder unehelich. Mal soll sich auch mal auf der Zunge zergehen lassen, dass noch bis Ende des 19. Jahrhunderts in Bayern jedes 4. Kind unehelich zu Welt kam, bei den Erstgeborenen tendierte das sogar eher zu 50%. Bis dahin war es für die Frau in ländlichen Gegenden ein sicherer garant, geehelich zu werden, wenn sie zwanger wurde - es wurde nämlich erst angestet, ob die einem Kinder gebären kann.Um beim Beispiel zu bleiben - was macht eine junge Frau mit einem unehelichen Kind, die es irgendwie geschafft hat, das Kind heimlich zur Welt zu bringen? Es töten? Es aussetzen? Es behalten und damit auf sich, ihre Familie und das Kind lebenslange Schande laden?
Woher beziehst du das? Natürlich ist unsere Gesellschaft wesentlich freier als damals, aber die Menschen waren nicht so moralisch geknechtet, wie man das wohl gerne so sieht. Lies mal einfach etwas zu Geschichte des Mittelalters oder zur Sozialgeschichte. Die Kirche war nicht so stark im Sattel, wie man das immer meinen möchte.Andererseits waren Menschen im Mittelater viel mehr moralischen Zwängen ausgesetzt als wir heute und fanden sich öfter in der Situation, nur die Wahl zwischen zwei Übeln zu haben.
Natürlich waren die Menschen unselbständiger, aber warum zwingt das den Bauern auf dem Feld dazu schlimme Dinge zu tun? Der arbeitet Tag aus udn Tag ein und muss halt ein Teil seinem Herrn abgeben. Ich sehe da jetzt per se kein großes moralisches Dilemma, das sich auf Menschlichkeit auswirkt.Wieso nicht? Die Menschen im Mittelalter waren ein ganzes Stück unselbständiger als heute.
Siehe obe. Ich sehe das als eine falsche Interpretation des Gewissens an - gerade wenn du dir alles rechtertigen kannst du dann das nächste mal wieder tötest, weil der es verdient hat, spricht das doch ganz klar für eine niedrigere Hemmschwelle, also eine niedrigere Menschlichkeit. Um es nochmal klar zu sagen: Du wirst angegriffen und tötest den Angreifer in Notwehr. Wenn du deinen Gewissenswurf schafst, heißt das nicht, dass du die Aktion deinem Gewissen erklären kannst und deshalb nichts verlierst, sondern es tut die leid jemand getötet zu haben, obwohl du damit dein Leben gerettet hast. Wenn du den Wurf nicht schaffst, ist es dir entweder egal, dass du etwas schlechtes tust oder du bereust es nicht, weiß der das verdient hat. Schon einmal darüber nachgedacht warum es eine psychologische Betreuung von Polizisten nach dem Einsatz der Schusswaffe gibt? Richtig, einen menschen zu verletzen oder zu töten belastet einen Menschen, auch wenn es objektiv gesehen das richtige war, weil man damit andere gerettet hat...Das bedeutet, dass man viel besser Rechtfertigungen (vor sich selbst) findet und auch eher dazu bewogen wird Buße zu tun. Und genau das macht ja der Gewissen-Wert. Also ist es nur logisch, dass solche Menschen langsamer Menschlichkeit verlieren. Man korrumpiert langsamer, wenn man sich als (eigentlich machtloses) Werkzeug sieht.
Wie Smokey Crow richtig schreibt:
Darüberhinaus auch die Problematik das Gewissenbisse und Rationalisierung nicht zwangsläufige entgegengesetzte Pole für die Wahrnehmung von richtig und falsch sind. Die Maskerade postuliert, dass Gewissensbisse, gewissermaßen Selbstzerfleischung das Ergebnis eines gelungenen Gewissenwurfes sei (gleichzeitig kommt aber jemand mit hohem Gewissenswert wesentlicher leichter davon ohne das er gleichzeitig moralischer sein müsste), während Rationalisierung, also die Auseinandersetzung und das Einfügen in die und das Bewerten im Bezug auf die eigenen Erlebniswelt Abstumpfung bedeute und weitere Gewalttaten akzeptabler mache (und zwar grundsätzlich).