AW: Maskerade vs. Requiem
Nochmal zum Thema by the Book für V:tR.
Ich finde das ist sehr schwierig, da es im Prinzip mehre Möglichkeiten, vor allem bei Requiem, gibt, wie man by the book interpretieren kann.
Deshalb habe ich versucht, das zu klassifizieren bzw. festzupinnen, wie ich den Begriff meine.
"By the book", damit meine ich, dass das Spiel so verwendet wird, wie es nach den Büchern ist.
Meine ich damit, dass man nicht mehr "by the book" spielt, wenn man sich eine eigene Domäne ausdenkt oder - O Gott - eigene Abenteuer?
Nein, natürlich nicht. Zu jedem Spiel gehört es, dass man sich als SL auch noch was selbst dazu ausdenken muss, und sei es die Gestalt des bösen Erzfinsterlings, der den Charakteren der Spieler das Leben zur Hölle macht.
Darum lautet die zweite, erweiterte Definition bzw. Abgrenzung zwischen "by the book" zu "homebrew": Das, was nicht dem book widerspricht oder es ad absurdum führt, ist "by the book". Das, was das grundsätzliche Setting des books ändert, ist "homebrew".
Nehme ich zum Beispiel die Option Clanless aus dem Chroniclers Guide, schmeiße zusätzlich mit der Option Vampire Familia, ebenalls Chroniclers Guide, die Covenants raus und ganieren das zum Schluss noch mit Embraced by Fear, also kein Kuss mehr, aus Mythologies und ich spiele ein Vampire das sich sehr stark vom Requiemgrundbuch unterscheidet.
Richtig. Das Grund"problem" bei VtR ist, dass das System an sich sehr stark durch die Ideen des SLs geprägt wird, und dass zwei Spiele, die sich beide VtR nennen, auch gar nix miteinander zu tun haben können.
Darum möchte ich an dieser Stelle den Chronicler's Guide ausklammern, und die Abgrenzung zwischen VtR "by the book" und "homemade" einschränken darauf, dass das "homebrew" ist, was dem VtR "Core" Setting (Grundregelwerk) klar widerspricht.
Wie gesagt: Im Hinterkopf muss man behalten, dass es in dieser Diskussion NICHT darum geht, jemanden als "Homebrew" zu dissen oder so, sondern um eine sinnvolle Diskussion (haha) zu ermöglichen
Darum den Gedanken nnochmal eingeschoben:
VtM ist ein System, das prinzipiell vor allem eine bestimmte Hauptlinie (Metaplot, Kanon) bedient und Abweichungen davon zwar toleriert, diese aber auch stets gerne überrollt hat (siehe Austritt der Gangrel aus der Camarilla zur 3rd Edition).
Wer die Hauptlinie von VtM ignoriert oder sogar klar und bewusst verlässt, gerät schnell zu einem Spiel, das zwar absolut Fun bringt, aber "homebrew" ist ("Ein Vampire Spiel nach Motiven von VtM") und durch die VtM Spielmaterialien (das eigentliche "Produkt", was das einzige ist, was wir hier diskutieren können) in keinster Weise unterstützt wird sondern dieses in der Regel sogar aktiv behindert (durch Vorgabe eines engen Gerüstes aufeinander aufbauender und untereinander querverlinkterr Materialien, die zwar "alle zusammen" gut funzen, aber sobald man davon etwas auslässt/umändert schnell Logikbrüche und neue Baustellen auftun).
VtR ist mehr "fuzzy". Das kann man mögen oder hassen. Betreffs der "by the book"/"Homebrew" Abgrenzung bedeutet dies aber, dass erstens mehr Eigenkreationen unter den Hut VtR passen ("by the book" und Eigenideen des SL auf lokaler oder regionaler Ebene stellen keinerlei Widerspruch dar, selbst wenn das Grundsetting VÖLLIG geändert wird) und dass zweitens - siehe Chronocler's Guide - auch das völlige Homebrewwing durch publiziertes Material ("das Produkt VtR") aktiv unterstützt wird. Und zwar in jeder Hinsicht.
Hinzu kommt, und auch den Punkt hatte ich schonmal, dass der VtR Spieler ja ebenso wie der VtM Spieler wenn er das Material kennt weiß, was auf ihn zukommt. Während nun eine Abweichung des (umfassenden und detaillierten) VtM Core Settings schnell Protest von Spielern provoziert, die sich auf ein gediegenes VtM by the book Play gefreut hatten, WISSEN die VtR Spieler, dass VtR fuzzy ist, und ERWARTEN von ihrem SL sogar, sie mit eigenen Ideen in die nWoD zu entführen.
Again: Man kann völlig auf das enge VtM Core Setting stehen. Und wenn man das tut, ist VtM das beste Vampire Spiel der Welt.
Aber: Wenn man das VtM Setting ohnehin nie so recht verfolgt hat, oder den Metaplot ignoriert, oder das ganze System liebevoll umgeschrieben hat, bis es für einen selbst angenehm spielbar war, DANN - und NUR dann - macht es keinerlei Sinn, VtM mit Zähnen gegen VtR zu verteidigen, denn erstens spielt man selbst ja gar nicht "wirklich" VtM, und zweitens bietet VtR für jeden phantasievollen Weltenbastler da draußen eben - neben klareren Spielregeln - vielö mehr aktive Hilfe bei der Erschaffung eigener Ideen und Plots.
Noch anders verdeutlicht: Die Hauptaufgabe der meisten VtM Quellenbücher ist, dir klare Antwort zu geben, was die Hintergründe und harten Fakten zum Gegenstand des Buches "in Wahrheit" sind. Die alleinige Aufgabe aller bisher erschienenen VtR Quellenbücher (außer Städtebücher, die konkrete Settings beinhalten) ist, dem SL Ideen dazu zu geben, was sich alles hinter dem Gegenstand des Buches verbergen könnte, und ihm pro Seite mindestens 1-3 Ansätze zu neuen Stories zu liefern.
Die zweite Sache ist, dass Requiem ja will ich das ich an den Schrauben drehe. Wenn ich eine Blutline baue und der SL sie zulässt, dann spielt die Gruppe im streng genommen nicht mehr by the book.
Doch, das tut sie. Denn das VtR Core Buch (Grundregelwerk) sagt ganz klar und deutlich, dass es definitiv in der Welt von VtR noch weitere Blutlinien gibt, die im VtR Buch nicht dargestellt sind. Und dass die dort und in anderen Büchern dargestellten Linien nur BEISPIELE sind.
Folgerichtig ist ein VtR-Setting mit neuen Blutlinien 100% "by the book" (gem. obiger Definition), da das Anfügen nicht nur kein Widerspruch zum Book ist, sondern von diesem sogar direkt verlangt wird!
Requiem will aber, dass ich mir eigene Blutlinen erschaffe. Wenn ich eine andere Version von VII entwerfe, als die drei gedruckten bin ich auch weg von Requiem by the Book, aber auch hier will Requiem dieses.
Und das ist der fundamentale Unterschied zwichen VtM und VtR: VtM will nicht, dass du abweichst (es toleriert es aber, dass du es tut, da es dich eh nicht dazu zwingen kann, voll nach VtM Kanon zu spielen), VtR WILL, dass du eigene Ideen hast.
Ergo ist der VtR Hut größer, und ergo supportet VtR auch jene, die Homebrew Vampire spielen wollen. Das "Produkt" VtR "lohnt" sich für eine breitere Gruppe von SLs.
Requiemgruppen sind im extremsten Fall über haupt nicht kompatible, obwohl sie by the Book spielen.
Und darin irrst du.
Damit 2 VtR Gruppen nicht kompatibel sind, muss mindestens eine von beiden derart extrem vom VtR Core Setting abweichen, dass sie faktisch Voll-Homebrew spielt. Das aber ist bei VtR gar nicht so leicht hinzukriegen - jedenfalls so lange, wie jede der beiden Gruppen aktiv damit spielt, dass die eigenen Charaktere (inkl. NSC) nicht allwissend sind und diese - wie von VtR angeregt - eher lokal orientiert bleiben.
Wenn ich dann nämlich meinen Erzbischof-Daeva aus meiner Heimatdomäne, wo es nur das Sanktum als allmächtiges VtM Camarilla-Äquivalent gab, in der Domäne der anderen Grupppe spielen will, wo es keine Clane gibt (= die Charaktere nicht wissen, von welchem sie sind) und es einen Rat von 13 gleichberechtigten Bünden gibt, dann bin ich zwar INPLAY sehr verwirrt, kann aber auf das "Grundsetting" von VtR klopfen und sagen, dass entweder die Vampire meiner Heimatdomäne schwer auf dem falschen Trip waren oder die Vampire dieser anderen Domäne nen Sockenschuss haben.
VtR hilft AKTIV, Widersprüche zwischen verschiedenen Settings zu überbrücken. Dem gegenüber war gerade das Spiel zwischen verschiedenen VtM Gruppen (was vor allem im LARP eine Rolle spielt) vor allem deshalb stets ein absoluter "Pain in the Ass", weil "die Camarilla" überall mehr oder weniger gleich zu sein hatte und alle Hintergründe notwendigerweise bis zum n-ten Grad koordiniert werden mussten, um "Continuity Fehler" zu vermeiden.
VtR HAT keine überregionale Continuity (außer dem Core Setting), folglich gibt es auch keine zwischendomänlichen Coninuity Fehler. Selbst wenn eine Domäne aus einem LARP Domänenbund verschwindet und eine neue Domäne an exakt der gleichen Stelle ercheint (wie jüngst mit Requiem Lübeck geschehen) so ist das kein wirkliches Problem: Man fragt inplay nach, was aus den alten Charakteren geworden ist, erhält die Nachricht, dass man nicht wisse, wovon zum Geier da geredet wird, man kenne diese Vampire nicht und sie hätten dort auch nie existiert, und wundert sich INPLAY darüber, was da wohl passiert sein mag und ob ggf. die früheren "Lübecker Vampire" Betrüger aus einer anderen Domäne waren oder so.
Widersprüche des Offplay sind Widersprüche des Inplay, weil es Off wie In keine "Allwissenheit" gibt. Damit wird jeder Widerspruch zum Plot statt zum Offplay-Ärgernis (um das sehr spezielle Problem von früheren VtM Vampire Live Chroniken kurz zu streifen).
AAS