Brainstorming Kann man Spielercharaktere dazu bringen cineastich zu Kämpfen?

Galatea schrieb:
Klingt irgendwie logisch finde ich.
Ach, und ich dachte, hier ginge es um Cineasmus ;)

Was du bei dem Kroganer beschreibst (woher sollen wir RPGler wissen, was für einen Kroganer leicht und schwer ist?), dann ist es doch die Art von cooler aktion, von der ich rede.
 
Hier scheint bei so manchen Beitragenden, die "wider die Cinematik" mit lauter "Realismus-Argumenten" anreden, noch nicht durchgedrungen zu sein, daß es um GENRE- und SETTING-KONVENTIONEN geht.

Spielt man in einem bestimmten GENRE (z.B. Sword&Sorcery) und einem bestimmten SETTING (z.B. Lemuria von Lin Carter), dann SIND die Hauptfiguren nun einmal extrem kompetente Charaktere, die auch bei noch so haarsträubenden Aktionen das notwendige Glück haben, damit nicht nur durchzukommen, sondern das glanzvoll zu überleben.

In diesem literarischen Genre sorgt natürlich der AUTOR dafür, daß die Hauptfiguren wie Thongor solche hohe Kompetenz darstellen dürfen und solche hohen Risiken immer glücklich überleben.

Im Rollenspiel geht das natürlich auch. - Nur sind die Fragen, WER entscheidet, ob die Hauptfiguren solche hohen Risiken eingehen, WAS legt fest, wie kompetent die Hauptfiguren verglichen zur Normalbevölkerung sind, und WIE kommt die Entscheidung in einer konkreten Situation zustande, eben zumeist im Regelsystem beantwortet.

Wie kompetent ein SC gegenüber normalen NSCs oder gar als in der Spielwelt durchaus kompetent dargestellten NSCs sind, sagen einem zumeist die Spielwerte. So hat in Barbarians of Lemuria ein Normalo-NSC in allen Attributen und Kampfwerten eine 0 stehen. Ist er in irgendetwas besser als der Schnitt, dann hat er eine 1 selten eine 2 dort stehen. SCs hingegen fangen in allen Werten bei einer 1 an und sind oftmals besser. Somit stecken sie einen Normalo-NSC schnell kompetenzmäßig in den Sack. Hinzu kommt, daß SCs gegenüber dem Großteil aller NSCs überaus zäh, schwer zu töten und sehr hart im Nehmen sind. Nur echte Oberschurken kommen da auf ein gleichartiges Niveau. - Bedeutet: Gegenüber 99,99% der Spielweltbevölkerung sind die SCs SEHR kompetent und SEHR hart im Nehmen.- Das stellt die "Kompetenz-Darstellung" dar, welche ein Autor einer seiner hochkompetenten Hauptfiguren in einem Roman der literarischen Vorlage zuteil werden läßt.

Wie kommt dann eine Entscheidung in einer konkreten Situation zustande? Durch die Anwendung der Regeln. Bei BoL sind die Spielwerte der SCs zwar ziemlich hoch gegenüber Normal-NSCs, aber gegenüber Monsterkreaturen sind die SCs durchaus deutlich unterlegen. - Um dies auszugleichen haben die SPIELER Heldenpunkte für ihre Charaktere, die einen Mißerfolg bei einer Handlung in einen Erfolg hochstufen können, einen Erfolg in einen Mächtigen Erfolg, einen Mächtigen Erfolg in einen Legendären Erfolg. - Das bildet die Schicksalsgunst, das Glück im rechten Augenblick ab, mit welchem ein Autor der literarischen Vorlage seine Hauptfiguren in letzter Sekunde aus noch so sicherer Todesgefahr entkommen läßt.

Nun bekommt man bei BoL gleich mehrere Regeltechnik-Mittel in die Hand, welche die cinematischen Action-Einlagen durch hohe SC-Kompetenz und durch die Möglichkeit unerwünschten Zufallsergebnissen durch BEGRENZTE(!) Spielerressourcen zu entrinnen fördern. - Sich nackt mit nur einem Dolch bewaffnet in die Arme eines sechsbeinigen Jemadars zu stürzen stellt hier KEINEN sicheren Selbstmord dar, sondern "nur" eine schwere Herausforderung - bedeutet: Der Charakter wird es nicht leicht haben zu siegen, aber er hat eine GUTE Chance über kurz oder lang zu siegen, solange der Spieler noch Heldenpunkte für ihn hat.

Die Folge dieser regeltechnischen Kompetenzaufwertung und Abhärtung: Die SPIELER trauen sich viel mehr haarsträubende Action-Einlagen für ihre Charaktere zu und spielen die Rolle der Charaktere so, wie es den Konventionen des Genres Sword&Sorcery und des Lemuria-Settings entspricht.

Und genau das WILL man ja mit solchen cinematisch orientierten Regelwerken erreichen: Daß die Spieler eben nicht die "ökonomischste unspektakulärste" Vorgehensweise verwenden, sondern daß die Spieler eben ihre Mitspieler und den Spielleiter durch stimmiges Spiel von - im BoL-Falle - Sword&Sorcery-HELDEN unterhalten. - Würden die Spieler in demselben Setting übervorsichtige, paranoide OD&D-Niedrigstufen-Charaktere spielen, wäre es KEINE Sword&Sorcery-Fantasy mehr! Das Duckmäuserige, welches die "ergebnisharten" Regelsysteme, bei denen Charaktere schnell und unspannend wegsterben, hervorbringen, das wäre hier völlig entgegen der Genre-Konventionen und Setting-Konventionen. - In anderer Art von Fantasy paßt es hingegen wieder - nur ist diese NICHT mit cinematischen Action-Einlagen gespickt.


Spielt man hingegen generische Regelsysteme, so kann man diese so an die cinematische Action-Erwartung anpassen, daß hier auch hochkompetente Helden mit hohen Nehmerqualitäten umgesetzt werden. Vergleiche dazu mal Unisystem mit Cinematic Unisystem. Oder Cortex mit Cortex+. Oder Savage Worlds Realms of Cthulhu mit Savage Worlds Daring Tales of Adventure. - Auf Basis des gleichen oder annähernd gleichen Regelkerns wird das cinematische Element in das eher generische Regelsystem eingefügt und erlaubt stimmiges Spiel innerhalb der Genre- und Setting-Konventionen.

Spielt man mit so abstrakten generischen Regelsystemen, daß nur reine Konfliktauflösung vom System geboten wird - z.B. bei HeroQuest 2.0 oder Other Worlds - dann ist in der Regeltechnik NICHTS an Cinematik zu finden. - Hier kommt die Cinematik ins Spiel, indem man die Konflikte entsprechend dimensioniert, die Ziele, welche man mit dem Konflikt erreichen will, nach cinematischen Gesichtspunkten festlegt und auch die Konsequenzen von Erfolg und Fehlschlag aus cinematischer Sicht beschreibt. (Letztlich macht man hier rein verbal das, was einem ein cinematisch orientiertes Regelsystem so oder so per Regeltechnik vorgibt.)

Beispiel: Der SC Gary "Greased Lightning" Lockwood stellt den mysteriösen Doctor X in dessen Geheimlabor hoch oben im soliden Felsversteck des Mount St. Helens.

A) Was ist Dein Ziel im finalen Konflikt gegen Dr. X? - Ich will den Doctor umlegen. Der soll nie wieder irgendwelche Übeltaten begehen können, weshalb ich ihn mit Blei vollpumpen werde.
Und wenn Du im Konflikt unterliegst? - Dann bin ich wohl tot, da der Dr. X keine Gefangenen machen wird.
Konfliktauflösung ergibt einen geringen Erfolg: Im kurzen, heftigen, offenen Schußwechsel schießt Doctor X mehrmals Greased Lightning an, doch nicht schwer genug, um Lightning zu seinen Ahnen zu schicken. Dieweil gelingt es diesem mit präzisen Schüssen das Herz, die Leber und das Hirn des Doctors zu zerschießen, worauf dieser unrettbar für immer vernichtet zu Boden klatscht. Lightning steht aus Fleischwunden blutend über dem toten Doctor, als endlich die Spezialeinheit des FBI eintrifft.

B) Was ist Dein Ziel im finalen Konflikt gegen Dr. X? - Ich will dafür sorgen, daß Dr. X nie wieder seine Übeltaten begehen kann, und wenn ich ihn dafür töten müßte, wenn es nicht anders geht.
Und wenn Du im Konflikt unterliegst? - Dann liegt mein Leben wohl in der Hand des Doctors, der für seine unentrinnbaren Todesfallen berüchtigt ist.
Konflitkauflösung ergibt einen geringen Erfolg: Mit gezogenem Revolver versucht Greased Lightning es erst im Guten, er versucht dem irren Doctor die schlimmen Konsequenzen seines Tuns aufzuzeigen, doch der Doctor ist uneinsichtig und zieht eine Pistole. Lightning schießt ihm die Pistole aus der Hand, doch mit der anderen Hand schlägt der Doctor mit einem schweren Schraubenschlüssel auch Lightnings Revolver beiseite und stürzt sich mit irrem Blick auf ihn. Lightning stürzt zu Boden, der Doctor schlägt wieder und wieder mit dem Schraubenschlüssel auf ihn ein. Benommen von den Schlägen steht Lightning auf, wischt sich das Blut von der Stirn und ballt entschlossen die Fäuste. Mit entschlossenem Blick streckt er den Doctor mit einer trockenen Links-Rechts-Kombination nieder. Als endlich die Spezialeinheit des FBI eintrifft, steht Lightning mit wilden Blessuren übersät über dem wie ein Paket verschnürten fluchenden Doctor und schließt seine Verlobte Maggie, die mit den G-Men das Labor des Doctors gestürmt hat, für immer in seine Arme.

Die Würfelwürfe sind hier in beiden Beispiele dieselben. Die Cinematik kommt hier durch die unterschiedliche ZIELSETZUNG des Konflikts, durch unterschiedliche Konsequenzen und durch unterschiedliche FAKTEN-Umsetzung zustande. - Wie gesagt, cinematisch orientierte Regelsysteme ersparen einem das Aushandeln des Konfliktziels und der Konsequenzen und konzentrieren sich auf das Abwickeln von an sich schon cinematischen Handlungen.

Wenn die Spieler in einem cinematisch ausgerichteten Regelsystem immer noch KEINE cinematischen Action-Szenen liefern, dann ist entweder das Regelsystem nicht wirklich cinematisch orientiert, sondern nur vermeintlich, oder die Spieler kommen mit der Cinematik grundsätzlich nicht klar und man sollte mal mit ihnen REDEN und ihnen IM SPIEL die entsprechenden BEISPIELE - nur eben von Gegnerseite her - geben. Wenn man mal am "Nehmerende" von coolen cinematischen Action-Einlagen war, dann bekommt man auch als Spieler LUST darauf so etwas mal selbst mit seinem SC auszuprobieren.
 
Ich hab das zwar schonmal woanders gepostet, aber es PASST einfach mal wieder:

Coole Aktion vs Ich greif den Zeh an :(

Kurz: Meiner Meinung nach kommt man kaum drum herum die Spieler mit einem kleinen Bonus zu ködern um sie zu ermutigen dramatischere Aktionen zu machen. ALLERMINDESTENS sollte man sie jedoch nicht BESTRAFEN nur weil sie mal etwas ungewöhnliches versuchen.

Beispiel: Der Spieler hat dem Ork gerade sein Schwert in den Bauch gerammt, aber dieser hat den Angriff überlebt. Der Spieler daraufhin: "Okay, ich laß das Schwert stecken und ramm ihm stattdessen meine Faust in die Kehle."
Möglichkeit A (wenn Du KEINE Stunts willst): Der Spieler würfelt einen erschwerten Angriff (Kehle ist ja ein kleines Ziel) und macht nur Waffenlosen Schaden. Durch Extraschaden weil er ja die Kehle angreift kommt er insgesamt trotzdem noch schlechter weg als beim Angriff mit dem Schwert. Oh, und das ist er nun auch los.

Möglichkeit B (wenn Du Stunts willst): Du läßt den Spieler ganz normal Angreifen (und er macht auch Schaden wie mit seiner Waffe). Je nach Ausgang der Würfel entscheidest Du die Beschreibung. Kippt der Ork z.B. um sagst Du: "Während der Orks mit eingedrückter Kehle langsam nach hinten kippt greifst Du Dein Schwert das mit einem satten schmatzen aus ihm herausgleitet" (und das ganze dauert EXAKT so lange wie ein normaler Angriff). Überlebt der Ork auch das: "Der Ork steckt den Hieb mit einem Grunzen weg. Du bist zu nah für ihn um seinen Spalter einzusetzen und er läßt diesen fallen, packt Deinen Kopf und versucht dir das Genick zu brechen." (Was wiederum ein ganz normaler Angriff ist).

Möglichkeit C: Wie B, aber Du gibst dem Spieler noch einen kleinen extra Bonus.

Je nach Situation und vor allem SETTING entscheide ich mich normalerweise zwischen B oder C. Möglichkeit A ist nur dann gut wenn man eben keine Stunts möchte.
 
Es ist nirgendswo gesagt worden, dass cinematisch schon als allgemeine Grundannahme für Genre / Spielstil zu setzen gewesen wäre. Also wäre doch wohl eher von einem "normalen" Mainstreamspiel auszugehen, welches ein wenig aufgepeppt werden soll - insbesondere, da die für gesetzt cineastischen System üblichen Maßnahmen ja ausgeschlossen worden sind.
 
Ich weiß ja nicht, ob du einen anderen Eingangsbeitrag gelesen hast, Maarzan, aber ich empfand das ziemlich eindeutig. Ich weiß auch nicht, was du unter Mainstream verstehst, aber offenbar auch etwas Anderes als ich.
 
[quote="Runenstahl, post: 1615275, member: 13738"Kurz: Meiner Meinung nach kommt man kaum drum herum die Spieler mit einem kleinen Bonus zu ködern um sie zu ermutigen dramatischere Aktionen zu machen. ALLERMINDESTENS sollte man sie jedoch nicht BESTRAFEN nur weil sie mal etwas ungewöhnliches versuchen.[/quote]

Und genau da liegt der Knackpunkt.
Von Spielleitern, von denen ich höre, ihre Spieler würden nicht cineastisch kämpfen (oder sonstige Dinge auf diese Weise lösen), kommt normalerweise auch ein "Die im Buch genannten Beispiele, für was man Belohnungen geben könnte, sind mir zu läppisch." Bei diesen wird dann meist deine Version A der Situation gespielt, vom Spieleiter aus. Und so sehr es der Spielleiter möchte, wird das nicht funktionieren, die Spieler damit zu cineastischem Verhalten zu drängen - der Spieler wird immer an seinem Charakter hängen und keine ölfunfrölfzig Mali in Kauf nehmen, nur um in einem unbedeutenden Nebenplot bei einem generischen Gegner draufzugehen. Das ist nämlich ziemlich unbefriedigend.
Spielleiter, die kapiert haben, wie man die Spieler zum cineastischen Spiel ködert, haben einfach irgendwann angefangen, für kleine Dinge schon diese Schmankerl auszuteilen und huch, da hat es plötzlich funktioniert. Meist, nachdem ein kurzes Gespräch zwischen Spielleiter und Runde stattfand, in dem mal nachgefragt wurde, ob die Spieler überhaupt cineastisch spielen wollen.

Ich gehe hier übrigens immer von Systemen + Settings aus, die entsprechend cineastisches Verhalten auch fördern wollen. Ich würde nie erwarten - weder als Spieler noch als Spielleiter - dass beispielsweise Shadowrun cineastisch werden würde.
 
Cinematische Action-Einlagen sind etwas, was definitiv aus dem jeweiligen SETTING heraus kommen muß. - Bedeutet: Die Genre- und Setting-Konventionen sehen solche Aktionen überhaupt als "settingüblich" vor.

Die Regeln KÖNNEN, müssen aber nicht derartige Konventionen aufgreifen und per Regeln kanalisieren bzw. erzwingen. - Das geht (insbesondere bei generischen Regelsystemen) auch über die Interpretation und Beschreibung.

Aber auch Settings haben ihre SPANNE an Auslegungsmöglichkeiten!

Für den einen ist Shadowrun komplett UN-cinematisch, da wird nur hart und stundenlang geplant und dann zählt nur, wer besser vorbereitet ist und mehr drauf hat.
Für den anderen ist Shadowrun so gonzo-weird&wonky (ich meine: Elfen, Drachen, Cyberware! Geht's noch gamma-world-iger?), und da sind alle UNERNSTEN, eher einen coolen Stil oder unterhaltsame Findigkeit der Spieler herausstellenden Handlungsmöglichkeiten wichtiger für den gemeinsamen Spielspaß, als grimmige Planungsorgien.

Man KANN also ein und dasselbe Setting auch mit einer gewissen Breit bespielen. - Wichtig ist hierbei nur, daß ALLE Mitspielenden sich der jeweiligen Auslegungsbreite bewußt sind. Nicht daß jemand erwartet, nur harte Planung rettet einem den Arsch, und dann fühlt er sich angeschissen, wenn seine Mitspieler ohne jegliche Planung einfach wie die Teenage Mutant Ninja Turtles reinpoltern und der Spielleiter das gut findet und sie damit problemlos durchkommen. Oder umgekehrt, daß ein Spieler erwartet, daß alles locker flockig heroisch zugeht und sein SC dann eiskalt niedergeballert wird, wenn er sich solche Action-Einlagen erlaubt.

Wie so oft hilft es, VORHER mit allen Mitspielern zu reden, wie die aktuelle Runde mit dem vorgegebenen Setting so umgehen soll. Dann kann man immer noch vorab aussteigen, wenn einem das nicht paßt.
 
Exakt. Ich erinnere mich noch an lebhaft an den Spaß den WIR mit Shadorun hatten. In voller Fahrt vom Motorad aus mit dem Katana jemanden Köpfen ? Wow !
Auf dem Flughafen mit dem Scharfschützengewehr auf den "Tankdeckel" eines Jets feuern und ein kleines Inferno auslösen ? DAS war Hollywoodmäßig !

Wie schon erwähnt, man muß die Spieler nicht zwanghaft belohnen. Aber es hilft schon gewaltig wenn man ihren Spielspaß nicht bremst indem man sie BESTRAFT. Die "coolen" Aktionen und das Feeling das dabei aufkommt ist dann oft schon Belohnung genug. Und das geht mit JEDEM System, ob es nun so gedacht ist oder nicht. Und selbst in ernsthaften Settings kommen in Büchern & Filmen oftmals viele Aktionen vor die so, ohne weiteres nicht mit den Regeln des Rollenspiels funktionieren würden. Wie Zornhau schon sagt: Einfach mal mit den Spielern reden und schauen ob man nicht eine Linie finden kann die allen Gefällt.

Bemerkung am Rande: Die von mir genannten obigen Beispiele wurden übrigens NICHT von einem erfahrenen Spieler gemacht, sondern von einem "Frischling" der das erste mal überhaupt ein Rollenspiel spielte. Wir haben uns alle ein wenig Blöd gefühlt weil wir (die alten Hasen) schon begonnen hatten unsere Aktionen auf das zu beschränken was in den Regeln stand. Er hat uns vor Augen geführt das es beim Rollenspiel vor allem darum geht SPASS zu haben. P&P Rollenspiele haben ja gerade diesen riesigen VORTEIL gegenüber PC/Konsolengames: Man kann machen was man will und wie man es will und ist in keiner Weise daran gebunden was das Spiel für Möglichkeiten vorgesehen hat.
 
Für den einen ist Shadowrun komplett UN-cinematisch, da wird nur hart und stundenlang geplant und dann zählt nur, wer besser vorbereitet ist und mehr drauf hat.
Für den anderen ist Shadowrun so gonzo-weird&wonky (ich meine: Elfen, Drachen, Cyberware! Geht's noch gamma-world-iger?), und da sind alle UNERNSTEN, eher einen coolen Stil oder unterhaltsame Findigkeit der Spieler herausstellenden Handlungsmöglichkeiten wichtiger für den gemeinsamen Spielspaß, als grimmige Planungsorgien
Ganz nüchtern betrachtet ist das Setting von Shadowrun doch ohnehin viel zu inkonsistent um es auch nur ansatzweise ernst zu nehmen.
Das Setting bietet so unglaublich viele technologische Möglichkeiten, aber offensichtlich ist die gesamte Menschheit zu blöd das verfügbare Wissen wirklich effektiv zu nutzen.

Meine Lieblings-SR-Charaktere sind noch immer ungeschlagen "Pinky und Brain", die sich zwei Bekannte während eines ziemlich abgedrehten Conabends zusammenschraubt hatten. Ihr Spezialgebiet war Datenklau von Servern in stark gesicherten Hochhäuser und dafür hatten sie eine ganz "individuelle" Strategie:
Pinky, der aufgemotzte Panzertroll, wurde dafür aus einem Flugzeug abgeworfen und klappte wenige Meter vor dem Aufprall auf das Hausdach den Fallschirm auf, so das er die obersten Stockwerke noch glatt durchschlug.
Da die Chance, dass er exakt den richtigen Raum trifft sehr gering war, kam nun Brain ins Spiel. Brain, ein Gnomrigger mit extrem verstärktem Cyberschädel, der während der Landung auf Pinkys Rücken geschnallt gewesen war, wurde von dessen mächtigem Cyberarm durch die Wände der angrenzenden Räume geschleudert (ja, durch), möglichst direkt in den Zielraum.
Bis die Daten gesichert waren hatte in der Regel auch Pinky die betreffenden Wände durchschritten (respektive eingerissen) und zu Brain aufgeschlossen. Nun musste Pinky nur noch Anlauf nehmen, die Gebäudefassade durchbrechen und mit dem aufklappbaren Gleitschirm samt Brain und den Daten davonfliegen (in der Hoffnung, dass die meisten Gegner nicht damit rechneten dass sie das Gebäude wieder fliegenderweise durch den 122sten Stock verliesen).

Das passt meiner Meinung nach weitaus besser zu Shadowrun als der Versuch Tom Clancy's Rainbow Six in einem Setting nachzuspielen, dass ungefähr so realitätsnah ist wie Juille Vernes Reise zum Mond.
 
Richtig, gerade wenn die Gruppe insgesamt so einen Spielstil bevorzugt (oder seien es auch nur extrem krasse Einlagen im drögen Runner-Alltag), dann können SL und Gruppe sich da wirklich austoben.
Da geht einiges!
Es muss nur allen taugen, das ist klar. Aber wenn, dann kann man in vielen Settings durchaus das ganze etwas kreativer ablaufen lassen als "Deckung" "Schuß" "Deckung"...

In meiner letzten Shadowrun-Runde in der ich mitgespielt und nicht geleitet habe, hatte unser SL einen entsprechenden Coolness-Pool für solche Stunts eingeführt, den wir in bestimmten Situationen verwenden konnten, und der zu spektakulären Ergebnissen führen konnte, je nach Würfelglück. Da hat die ein oder andere Aktion schon für große Augen gesorgt, das war toll.
Vor allem, wenn man neu in der Gruppe ist, das noch nicht so recht kennt und ohnehin erstmal in die Regeln generell finden muss. Das war ein richtiger "Wow!"-Effekt bei mir.
 
Ich kenne Shadowrun als beide Seiten der Medaille. Für die einen ist es Planung pur, alles wird zu einem akribisch minutiösen Gesamtkonzept ausgearbeitet und jeglicher Style-Faktor sieht die Gruppe als Bedrohung an. Ging sogar so weit, das der SL mal zu jemandem meinte "wenn die Gruppe auffliegt, seid ihr tot" - und das in einem ... sagen wir... 08/15-Standard-Run.
Und auf der anderen Seite habe ich meine Leute, die im Thermoschlafsack gehüllt an den Infrarotkameras vorbeirobben, ihre Flucht vom Berg mit Snowboards planen und die eiskalt im Flugzeug zu nem Neuling sagen "äh, übrigens, kannst du Fallschirm springen? Wir müssen hier aussteigen." - und das, obwohl der Spielleiter knallhart seine Möglichkeiten ausschöpft. Denen kann die Herausforderung gar nicht zu groß sein. Und hier gibt es keinen zusätzlichen Pool - das wurde sich alles hart erarbeitet.

Trotzdem bleibe ich bei der Aussage, dass ich eher das erstere Verhalten von Spielleitern und Spielern erwarte als letzteres, und ich bin von letzterem immer positiv überrascht. Rein aus Erfahrung gesprochen.

Aber das ist nicht Thema des Threads.

Wie bekommt man Spieler dazu, cineastisch zu handeln?
Man darf sie einfach nicht für die cineastische Aktion bestraften.

Beispiel?

Scion. Der Spieler möchte etwas stylisches im Kampf versuchen, ist allerdings jemand, der nur mäßig aus sich heraus geht. Der Charakter ist als knapp über Durchschnitt gebaut, aber kein Kämpfer. Ihm fällt die Szene aus 300 ein, als der Typ mit stylisch über dem Kopf erhobenen Schwert auf das Monster zufliegt. Also beschreibt er: "ich nehm Anlauf, nutz den Tisch um mich abzustoßen, Schwinge meine Spatha wie in 300 über dem Kopf und versuche mit einem lauten Schrei, dem den Kopf zu spalten, rein aus Verzweiflung und Hoffnung heraus, den von meinem Gruppenmitglied am Boden abzulenken".
Regeltechnisch: 2 Aktionen, nimm den kleineren Pool und zieh 4 Würfel ab. Knapp über Durchschnitt wäre Dex 3, und wenn man gnädig ist auch Melee und Athletics 3. Wenn der Charakter jetzt keine Epische Dex hat, dann sieht es mit 2 Würfeln gegen DV 3-5 (geschweigedenn mehr) ziemlich mies aus. Aber der Spielleiter hat die Möglichkeit, Würfel für Stunts zu geben und/oder gnädiger mit dem Gegner zu sein (oh, der is überrascht // ah, der DV senkt sich, weil ein anderer Spieler zur selben Zeit angreift und der zufälligerweise nen Koordinierten Angriff machen wollte // etc.)
Tut dies der Spielleiter in diesem Fall nicht, weil "Wenn ich dir dafür Stuntpuntke gebe, dann könnte unser Martial Arts Kämpfer, der da grade fast bewusstlos auf dem Boden liegt und von dem du das Monster ablenken willst, die ja ständig bekommen, weil es zu seinem Kampfstil gehört" oder aus ähnlichen Gründen, dann entmutigt er den Spieler. Warum soll er seine sicheren 6 Würfel aufgeben für einen Stunt, der eh schiefgehen wird? Für eine cineastische Einlage, die mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit enttäuschend sein wird? Es wäre eher eine Bestrafung des Spielers und vielleicht sogar der ganzen Gruppe als eine Ermutigung, weiter nach cineastischen Möglichkeiten zu suchen.

Manche Spieler brauchen mehr Ermutigung als andere, cineastisch zu handeln. Einige sind weniger schlagfertig, anderer eher ruhig und wieder anderen fehlen einfach Ideen. Manche Charaktere haben offensichtlichere Möglichkeiten zum cineastischen Handeln als andere. Als Spielleiter hat man dann de schwere Aufgabe, alle zu belohnen, wenn man möchte, dass alle cineastischer werden. Man darf weder dahin abdriften, eine einheitliche Latte für alle zu legen, noch darf man einzelne Spieler / Charaktere zu sehr bemuttern, dass andere es als Bevorteilung ansehen.
Am Anfang hat der Spielleiter sicherlich einen Mehraufwand, wenn er zu cineastischem Handeln animieren möchte. Mit der Zeit verläuft sich dieses Ungleichgewicht innerhalb einer Spielgruppe (in- wie outplay) dann meist. Aber ohne diesen Mehraufwand funktioniert ein "Seid cineastischer. Jetzt!" einfach nicht. Und auch NSC-Beispiele funktionieren nur bedingt, solange die NSCs die selben Voraussetzungen wie die Spieler haben (Werte, Würfel, Boni und Mali).
 
@aingeasil: Aber das ist doch genau die Gefahr, die du beschreibst. Es kann passieren, daß man die Spieler DURCH die Belohnung ungleich behandelt. Das mag fair klingen, wenn die Spieler unterschiedlich drauf sind, aber in erster Linie schafft es nur Unsicherheit:
Was kann mein Char jetzt überhaupt?

Im Endeffekt führt es dazu, daß man jede Aktion mit dem SL OT aushandeln muss, um abzuschätzen, ob es sich überhaupt lohnen wird. Und dann gibt es immer noch die Spieler, die diese Methode erst Recht zu ihrem Vorteil nutzen, weil sie merken, Oh, das kann ich ja was erreichen, was ich normalerweise gar nicht erreichen könnte und bekomme auch noch einen Würfel, das ist ja doppelte Belohnung. Und der Schüchterne ist wieder der Gearschte. Mit zuverlässigen Regeln hat das nichts mehr zu tun, denn jeder stellt sich seine Ziele anders vor. Und das ist imho eine ganz große Gefahr, an der sicher schon mehr Runden kaputt gegangen sind, als andersherum.
Das funktioniert mit dicken Freunden, die alle auf einer Wellenlänge liegen, aber wie oft gibts solche Runden schon? Und wozu brauchen diese dicken Freunde einen Belohnungsmechanismus?


Ein gelungener, schwerer Stunt ist m.E. an sich schon eine Belohnung, weil man damit mehr erreichen kann, als mit "normalen" Aktionen. Das ist die Belohnung! Wenn ich dafür nochmal belohnt werde, dann ists auch kein Risiko mehr. Auch in Filmen gibt es die Art von Stunt, die Helden riskieren, um mehr zu erreichen und dann diese Art von Poserstunts, die völlig unnötig sind und im Grunde nur Rumgespringe (RPG: Color) sind.
Über welche Art von Cineasmus reden wir hier?
- letztere kann man immer einbringen, ich kann immer beschreiben, wie mein Kämpfer mit seinem Schwer über das Kampffeld tänzelt, wenn es keine Auswirkung hat, selbst in DSA4.
- letzterer ist eine Herausforderung für ein größeres Ergebnis, wenn man daraus auch noch ein Belohnungsprinzip macht, dann kann man viel kaputt machen (mit den falschen Leuten).
 
Ein gelungener, schwerer Stunt ist m.E. an sich schon eine Belohnung, weil man damit mehr erreichen kann, als mit "normalen" Aktionen. Das ist die Belohnung! Wenn ich dafür nochmal belohnt werde, dann ists auch kein Risiko mehr. Auch in Filmen gibt es die Art von Stunt, die Helden riskieren, um mehr zu erreichen und dann diese Art von Poserstunts, die völlig unnötig sind und im Grunde nur Rumgespringe (RPG: Color) sind.
Über welche Art von Cineasmus reden wir hier?
Über CINEASTIK wird hier überhaupt NICHT geredet.

Es wird über CINEMATISCHE Action-Einlagen geredet.

Und diese SIND IMMER "Poser-Stunts", dienen allein dazu den CHARAKTER in ein entsprechendes Licht als hochkompetent herauszustellen. - Bei cinematischen Action-Einlagen geht es ALLEIN UM STIL, und NICHT darum "mehr zu erreichen".

Unabhängig davon ist auch für einen cinematischen Action-Helden manch eine Aktion SCHWIERIGER, somit eine größere Herausforderung, als eine andere. - Doch ist die Schwierigkeit allein NICHT automatisch eine Eigenschaft JEDER cinematischen Action-Einlage!

Und ganz wichtig: In den allermeisten Fällen SOLL eine cinematische Action-Einlage so aussehen, als ob sie dem Helden LEICHT von der Hand geht! - Ein Schwingen am Leuchter, ein Parkour-Sprung in großer Höhe über Hausdächer, ein Niederschießen von vier Gegnern auf einmal mittels Fanning, bevor die auch nur richtig gezogen haben, ein Überqueren eines Abgrunds mittels Bullenpeitsche, ein Sprung mit einem ausrangierten Polizeiwagen über eine sich öffenende Brücke, usw. - All das SOLL LEICHT aussehen. Nicht "anstrengend" oder "nur gerade so mit Glück geschafft"!

Es soll LEICHT aussehen, aber verglichen mit dem, was ein Normalbürger der jeweiligen Spielwelt so hinbekommt, HÖCHSTKOMPETENT wirken.

Wenn ein Piraten-SC einer Horde Gegner entrinnt, indem er ein Seil greift und mit seinem Säbel durchtrennt, so daß er am Seil nach oben in die Takelage gezogen wird, dann ist das eine cinematische Ausprägung eines Ausweichens bzw. sich vom Gegner absetzens. - Er hätte auch schnell hochklettern können oder sich anderweitig aus der Affäre ziehen können - aber DAS KANN JEDER! Nur der haushoch überlegene, höchstkompetente Piraten-SC weiß EXAKT, welches Seil er zu kappen hat, damit er es als "Lift" benutzen kann!

Es geht NICHT darum in-game "mehr zu erreichen", sondern OUT-GAME "mehr zu erreichen": MEHR UNTERHALTUNG für die Mitspieler!

Cinematische Action-Einlagen macht man NIE der reinen Effektivität willen, da sie - rein rational betrachtet - eigentlich immer ein höheres Wagnis, ein höheres Risiko zu scheitern, eine unnötige "Schnörkelhaftigkeit" beinhalten.

Wozu sollte Zorro einem Gegner das "Z" in die Brust ritzen, statt ihn mit einem Stich in die Leber wesentlich wirkungsvoller und für ihn selbst risikoloser außer Gefecht zu setzen? Eben.
 
Zornhau schrieb:
Und diese SIND IMMER "Poser-Stunts", dienen allein dazu den CHARAKTER in ein entsprechendes Licht als hochkompetent herauszustellen. - Bei cinematischen Action-Einlagen geht es ALLEIN UM STIL, und NICHT darum "mehr zu erreichen".
Ich denke, das biegst du dir etwas zurecht.
Du bist zwar völlig im Recht, das zu unterscheiden (was ich ja auch tue), aber wenn dem so WÄRE, also daß es nur um "color" ginge, dann bräuchte man sich nicht um Würfelboni unterhalten.
Und dann würde MadPoet auch nicht im allerersten Post Regelauswirkungen (aka, etwas erreichen) beschreiben! Und dann beschreibst du auch noch SELBER Aktionen, die ganz klar mehr erreichen als normale Aktionen. Wenn ich an einem Leuchter Schwinge, dann kann ich z.B. in Sekundenbruchteilen an eine ganze Andere Ecke des Kampfareals gelangen. Wenn ich Gegnern den Teppich wegziehe, fallen diese auf den Boden...
Weisst du, was mit "color" gemeint ist?
Das Springen über den Abgrund ist ein verdienter Erfolg! Aber was der Char dabei tut, z.B. Parcour, das ist COLOR und ohne Auswirkung. Für letzteres braucht man keine Regeln!


Und nebenbei, ob das leicht aussehen soll hängt vom Stil des Films ab. In Indiana Jones sieht z.B. KEINES seiner Stunts "leicht" aus und glücklich sieht Indy auch nicht aus, wenn er OHNE Bullenpeitsche über den Abgrund springen muss, bevor die Steintür zugeht.
 
Das Problem bei Cineastischen Einlagen außerhalb des Kampfes ist wiederum meist der Spielleiter: Er muss es zulassen.
- "Ich springe vom Dach" - "Aha, und wo landest du?" - "In dem Heuwagen, der da steht"
- "Ich zieh dem flüchtenden Dieb den Läufer unter den Füßen weg."
- "Mit der Leiter, die immer an der Hauswand lehnt, kletter ich hoch ins Zimmer der Lady und lege ihr eine Blume aufs Kopfkissen"
- "Ich hab das Buch" - "Du hast aber kaum Zeit, die Info zu finden" - "Ich halt das Buch von mir weg, mach die Augen zu, lass die Seiten durch die Finger Rauschen wie bei nem Daumenkino, halte irgendwo an. Vielleicht bringt es ja was."

Wenn der Spielleiter bei allem "nein" sagt, kommt auch nix mehr. Hier ist die Belohnung das "Ja" des Spielleiters. Ja, sogar das Zurückstecken des Spielleiters in mancher Situation, in der er mal Fünfe grade sein lässt oder seinen (ach so) coolen NSC mal dumm dastehen lässt. Kein Spieler will sich Gedanken um Cineastik machen, wenn er meist zu hören bekommt "Da is aber kein Heuwagen", oder "Ich hab nie gesagt, dass ein Läufer im Gang liegt" oder ähnliches.

Boni für Cineastik im Kampf sind wohl aus einer Not heraus entstanden. Sogut wie alle Systeme wollen natürlicherweise mehrere Aktionen im Kampf erschweren. Hauptsächlich, damit ein Charakter wohl nicht sagt "ich greife 4x an, wenn ich dran bin" oder "Ich hau dreimal auf ihn und renn dann schnell weg, bevor er mich kriegen kann", ohne dass der Charakter es sich überlegt. Beim einen System sind es Würfelabzüge, ein anderes System verlangt mehr Erfolge, das nächste will eine höhere Zahl erwürfelt haben, etc.
Damit die Diskussion nicht anfängt, ab wann etwas ein Stunt und ab wann eine Mehrfachaktion ist, haben sich einige Systeme wohl mit Boni bzw. Senken der Mali beholfen. Die coolen Stunts bei Kämpfen bringen nämlich im Regelfall nicht mehr. Nicht mehr Schaden, nicht besseres Treffen, nicht grazileres Ausweichen. Solange diese Kampfstunts aber so starke Mali verursachen, dass sie sich nicht mehr lohnen, werden sie nicht gemacht. Oder nur von den sehr guten Kämpfern, die es sich leisten können, weil es ihnen eben so schon leicht von der Hand geht.
Und Kampf ist (leider?) das, bei dem sich die meisten Spieler am einfachsten cineastische Aktionen vorstellen können - gefördert spätestens seit den durchgestylten kämpfen von Matrix.

Und mal ehrlich: heroisch sollten die Kämpfe schon ohne cineastische Einlagen sein. Also rein vom Schwierigkeitsgrad her. Sonst ist es für die Spieler irgendwann unbefriedigend. Und heroisch sollen sie auch mit cineastischen Einlagen sein, nicht unmöglich. Und wenn sie nur durch cineastische Einlagen heroisch werden, da sie ansonsten eher ein Gähnen verursachen, dann hat der Spielleiter eigentlich schon vorher was falsch gemacht.
 
So sehe ich das auch. Was hier (früher?) oft bemüht wird, ist das sogenannte SL-Vertrauen, daß also der SL die Regeln macht und für jede Fairness seinen Arsch hinhalten muss. Ist irgendwas im Argen, ist erstmal der SL Schuld.
Das das für einen SL, der eine ganze Spielwelt kontrollieren muss, eine unlösbare Aufgabe ist und früher oder später immer ein Spieler benachteiligt/bevorteilt wird, kann man sich leicht vorstellen und lässt sich praktisch nicht verhindern. Auf einmal kann ein Spieler 5 Männer mit einem Teppich umhauen, was der Barbar den ganzen Kampf lang mit seinem Standardrundumschlag versucht, wäre er doch bloss auf den dummen Teppichtrick gekommen. Und der tot am Boden liegende Dieb ärgert sich noch mehr über seinen Ritterkumpel, der sich einfach nur einen Heuwagen herzaubern musste, um aus dem Hinterhalt zu entkommen.
Nur so als Beispiele.
Die logische Abwehrreaktion darauf ist "by the book" zu spielen, um einen neutralen Schiedsrichter zu haben (die "Regelficker" waren geboren). Nur, daß damit cinematische, im Großen und Ganzen drehbuchartige Ereignisse (ich springe runter und da steht jetzt plötzlich ein Heuwagen, so!) mit festen Regeln quasi unmöglich reproduzierbar umzusetzen sind, sollte auch klar sein.

Da ist also ein Dilemma zwischen Überforderung des SLs und Unzlänglichkeit von Spielregeln.


Demgegenüber stehen die wirklich völlig auswirkungslosen "Effekte" (zu denen nebenbei keines der von aingeasil genannten Beispiele zählt). Diese lassen sich problemlos ausserhalb der Regeln und der SL Verantwortung einbringen, sind aber eben nur das, "Effekte", die nichts bewirken.
 
Jede cineastische Einlage hat einen Effekt. Denn der Spielleiter bzw. die Spieler sollten darauf reagieren. Jetzt nicht mit großem Brimborium, aber es sollte bemerkt werden. Der "Wow"-Effekt, egal wie klein oder groß, soll doch nicht nur Outplay sein. Warum sonst macht der Zorrolike-Mantel-und-Degen-Held bei der Flucht über die Dächer vor den Schergen der Obrigkeit einen Salto vom einen Hausdach auf das andere? Klar, weil er es kann. Aber was haben wir im Film? Genau, die Verfolger wundern sich im Regelfall. Sind erstaunt. Wenn sie nicht Zeit verlieren, dann wird wenigstens am nächsten Tag darüber geredet. Genauso wie in besagtem Mantel-und-Degen-Setting immer... also wirklich immer*... zur rechten Zeit ein Heuwagen da steht für den Helden. Aber wesentlich seltener für seine Widersacher. (* von Parodien mal abgesehen)

Aber besagter Salto ist langweilig, wenn der Held einfach mal so über die Dächer rennt und niemand ihn sieht.

Welche Stunts der Spielleiter zulässt, das hängt wiederum vom Setting, vom Spielgefühl und vom Charakter ab.
Hört sich gemein an... aber die Spieler spielen in der Welt des Meisters. Er hat die Möglichkeit, sie zu Dingen zu motivieren und zu demotivieren. Er hat aber vor allem die Mittel, entsprechendes Verhalten zu fördern.
Klar, es kann sein, dass sich Spieler widersetzen, gar nicht auf ihn eingehen. Dass sie gar nicht cineastisch spielen wollen. Aber das findet man nur in einem Gespräch raus.
 
Also Batman scheint kein Problem damit zu haben, "cool" UND unbemerkt zu bleiben.

Ob es wirklich eine Auswirkung hat, hängt auch wieder speziell vom Genre ab und da ist keine allgemeine Aussage möglich. Ich will jetzt gar nicht anfangen, auf Animes herumzuhacken, aber z.B. Big Trouble in little China, dort ist einfach jeder zu cool, um sich von so etwas beeindrucken zu lassen.

Aber sagen wir ruhig, es gibt keine auswirkungslosen, kinoartigen Einlagen, dann verschärfts nur, was ich oben schrieb.
 
Wozu sollte Zorro einem Gegner das "Z" in die Brust ritzen, statt ihn mit einem Stich in die Leber wesentlich wirkungsvoller und für ihn selbst risikoloser außer Gefecht zu setzen? Eben.
Weil ers kann.
Weil er (WoD-Skala von 1-5 für menschliche Werte) "Fechten" auf 8 hat, mit Spezialisierung auf "Z schreiben".

Ich lese hier im Forum in wohl 50% aller Threads* in irgendeiner Form von durchgeskillten Charakteren (die ja richtig effektiv geskillt sein MÜSSEN, weil man ja sonst ein DUMMER Spieler wäre) einerseits - und andererseits von dem, was der SC dann können soll um stylisch zu sein.

Sollte zwischen diesen beiden Punkten nicht ein Zusammenhang bestehen?

Sollte nicht der stylische Pirat, der sich so elegant am Seil-Lift nach oben zieht ohne auch nur eine Sekunde zu zögern eben genau diese Charakterwerte haben, die ihm eben genau das erlauben?

Deswegen nochmal, weils untergegangen ist:
Gebt den SCs einfach die entsprechenden Werte um stylische Stunts machen zu können ohne mit der Wimper zu zucken - wenn das dann nicht wirklich die lahmsten Spieler aller Zeiten sind, dann gehen die schonmal das 1%ige Risiko ein, dass es doch mal doof aussehen könnte.

Warum es jedoch ein Ziel sein sollte einen SC, der aufgrund seiner körperlichen Werte - die man ja vorher selbst festgelegt hat - einen Stunt nur mit Risiko durchführen kann, diesen Stunt dann ohne Risiko ausführen zu lassen... ähm.

Das ist für mich genauso ein Käse wie Balancing:
Im Umkehrschluss bedeutet das dann nämlich: Je unfähiger und schlechter der SC, desto netter und gnädiger ist die Welt zu ihm. Die Gegner sind leichter ("Wär ja voll fies, wenn der von nem stärkeren angegriffen wird."), die Stunts sind leichter ("Jeder sollte nen Rückwärtsflikflak machen können.") und überhaupt hat die ganze Welt nix besseres zu tun, als sich im Schwierigkeitsgrad meinem SC anzupassen.

Ich mag das nicht.
Wenn ich nen Loser spielen will, soll das ein Loser sein.
Wenn ich den overpowerten Actionhelden spiele, soll der das sein.

Wenn sich die Schwierigkeit aber immer nachträglich anpasst, dann ist das Spielgefühl letztendlich charakterunabhängig immer das selbe: Der SC ist halt cool, aber nicht zu cool, stark aber nicht zu stark, stellt sich fordernden aber nicht zu schwierigen Herausforderungen,...

Schnarch...


(*aus dem Themenbereich "SCs erstellen")
 
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