AW: Ist die Angelitische Kirche wirklich so schlecht?
Um auf die Ursprungsfrage einzugehen:
Die Angelitische Kirche ist - aus unserer heutigen weitestgehend humanistischen Weltauffassung - wirklich so schlecht.
Nun müssen wir die Dinge jedoch immer im historischen Kontext betrachten.
Gehen wir zurück und betrachten die Antike, dann wird es uns ganz wohlig wenn wir an Rom denken.
Wir denken an Marc Aurel, Cesar, den Senat, die Literatur, die Infrastruktur der Gesellschaft, die Kriege gegen Hannibal, die Feldzüge des Generals XYZ und vieles mehr.
Die Frage nach der Sinnhaftigkeit, der Stärke und dem Nutzen dieser Angelitischen Kirche erinnerte mich immer hier dran:
YouTube - What Have The Romans...
Das möchte ich mal ein wenig ernster versuchen auszuführen...
Im Jahr 2009 erinnern wir uns an die Varusschlacht, es gibt zahlreiche Sonderausstellungen und Veranstaltungen an den vermutlichen und vermeintlichen Orten der Schlacht.
Wir blicken mit dem Abstand von 2000 Jahren auf die Ereignisse der Welt und ertappen uns dabei, wie wir sie durch die Brille eines Geschichtenerzählers, Forschers und Geschichtsinteressierten sehen.
Der soziale Aspekt bleibt hierbei - in populärwissenschaftlichen Medien ebenso wie in der breiten Altertumsforschung - zwar keineswegs auf der Strecke, wir schaffen es jedoch aus heutiger Sicht verwerfliche Taten und Gegebenheiten im Kontext der jeweiligen Zeit zu sehen und wagen es schlichtweg nicht, irgendwelche Vergleiche mit heute zu ziehen.
Wir sind Gefangene unseres Zeitalters.
Wir protestieren auf's Heftigste, wenn plastinierte Leichen von Menschen die hierfür ihr ausdrückliches Einverständnis gaben öffentlich ausgestellt werden.
Aber niemand protestiert wenn wir das gleiche mit ägyptischen, peruanischen oder anderen Mumien, wie Ötzi tun, die so lange tot sind, dass sie offenbar keine Rechte mehr haben.
Ich denke da nur mal an die Moorleichen... Da wird man rituell ersäuft, oder als Verbrecher im Moor versenkt und 1000 Jahre später ziehen die Schulklassen an einem vorbei.
Tja, wer mehr als ein paar hundert Jahre tot ist, wird zum Objekt. Ich glaube nicht das Pharao TutXYZ, Herrscher über Zehntausende, Herrführer von Schlagmichtot und Gebieter über Sonne und Mond und Nilschwemme, der sich extra mit einer Unmenge von Sandstein und Ziegeln einmauern liess, es zu Lebzeiten toll gefunden hätte als "Objekt" in einem Museum zu verschimmeln.
Nun, für TutXYZ zählt weder Humanismus, noch Grundgesetz oder Genfer Konvention. Einfach weil er keine lebenden Kumpels mehr hat, die den Verantwortlichen für diese schändliche Tat den Hintern versohlen würden.
Das bei Osnabrück oder Kalkriese vor 2000 Jahren ein Massensterben stattgefunden hat bei dem zehntausende Vertreter einer imperialistischen heidnischen unterwerfenden und versklavenden Großmacht von nicht weniger heidnischen, barbarischen, blutrünstigen und (im Falle des Arminius) de facto verräterischen und hinterhältigen Kriegern niedergemetzelt wurden; all das interessiert uns nur peripher, wenn wir uns mit staunenden Augen die Speerspitzen, Öllampen und das Münzgeld jener Zeit betrachten.
Die mindestens genausovielen weinenden Mütter oder Kinderaugen jener Tage kommen uns genauso wenig in den Sinn wie ein Gespür für das tatsächliche Dasein als winziges Rädchen im Getriebe von etwas Größerem.
Wie würde der gemeuchelte Germane, wie der gehetzte römische Legionär reagieren, wenn er wüsste dass er für nix und wieder nix in Krieg und Tod gezogen ist, nur weil er das Pech hatte das Kant erst Jahrtausende später den Leuten mitteilen konnte das er entweder gut oder böse war?
Genau aus diesem Grund, aus dieser zurückgehaltenen Arroganz und Anmaßung unter europäischen Bildungsbürgern, werfen wir den alten Römern, Griechen oder wer weiss wem NICHT vor das sie "unmoralisch" oder "schlecht" waren. Es hätte uns ja theoretisch selbst treffen können.
Aus heutiger Sicht waren sie unmoralisch und "böse", ohne Zweifel. (Doch sind wir aus diesem Haufen nunmal hervorgegangen und Brot und Spiele, also Gladiatorenkämpfe und Volksverdummung haben wir ebenfalls nie abstreifen können. Sei es durch Sport, Fernsehen oder Unterhaltungsmedien.)
Wenn wir nun die Angelitische Kirche als zentralen Machtfaktor in einer dystopischen Gesellschaft betrachten, dann ist sie keineswegs schlecht. Jedenfalls nicht im Wortsinne.
Definieren wir doch erstmal "schlecht".
Schlecht ist etwas mit niedriger Qualität, als der Durchschnitt.
Schlecht kann auch mit "nicht ausreichend" übersetzt werden, oder "schlimm", "unangenehm" "ungünstig" usw.
Lediglich eine Definition deckt sich mit dem kleinen Wörtchen "böse".
Wir stehen also vor einem Definitionsproblem.
Einmal das Wort "schlecht" als Ausweis für Ineffektivität und einmal "schlecht" als Wertung im weiten Feld "gut oder böse".
Es gab hier einige treffende Vergleiche mit dem Imperium aus Warhammer 40000.
Die Menschheit ist von einem äußeren Feind bedroht und verlangt Einigkeit um zu überleben.
Uneinigkeit führt zunächst mal zu Ineffizienz und das könnte für alle Beteiligten tödlich enden.
Wir finden mit "Battlestar Galactica" ein weiteres Beispiel, welches sich mit diesen Problemen auseinandersetzt. Wie weit darf die Freiheit des Einzelnen durch Militär und Regierung eingeschränkt werden, wenn hiervon das Überleben der Menschheit abhängt?
Beide Szenarien beantworten diese Frage mit: Sehr weit!
Beides mag unseren Humanisten und Philosophen - zurecht - bitter aufstoßen, aber wenn es ums nackte Überleben geht, verdrängen Urinstinkte die noblen Errungenschaften der Aufklärung.
Zurück zur Angelitischen Kirche:
Fest steht, dass einzig die Kirche als Zentralorgan ein zuverlässiges System anbietet, welches Schutz gegen die äußere Bedrohung bietet.
Allerdings nur unter einer wichtigen Prämisse!
Wir wissen nämlich nicht, ob es sich bei dem Herrn der Fliegen / Traumsaat / Fegefeuer / Brandland wirklich um eine äußere Bedrohung handelt.
Sollte das ganze hausgemacht sein; ein Mittel etwa um die Bevölkerung zum Gehorsam zu zwingen, dann macht sich die Kirche in der Tat schuldig.
Da wir jedoch die genauen Hintergründe (noch) nicht kennen, müssen wir davon ausgehen, dass die Kirche allein aus dem Selbsterhaltungstrieb der Menschheit heraus handelt und radikale Maßnahmen ergreift um die Menschheit (und damit sich selbst) zu retten.
Dies tut sie - nüchtern betrachtet - weitestgehend effektiv, also weder ungenügend, noch "niedriger als der Durchschnitt", denn im geschichtlichen Kontext betrachtet gibt es keine Alternative. Der Durchschnitt, also die Lebensumstände, sind bereits so niedrig, dass selbst ein schlechtes politisches System (nichts anderes ist diese Kirche) glänzen kann.
Damit ist die Frage - im Definitionssinne "schlecht = ungenügend" - ganz klar geklärt: Nein, die Angelitische Kirche ist nicht schlecht. Sie ist sogar sehr erfolgreich.
Was uns zur zweiten Definition "schlecht = böse" führt.
"Böse" liegt soziokulturell und historisch im Auge des Betrachters. Selbst in der heutigen Welt des 21. Jahrhunderts haben wir ein so breites Gefälle zwischen dem was gut und böse ist, dass die Angelitische Welt geradezu einfach zu definieren ist.
Während in Deutschland die Todesstrafe nicht en vogue ist, wird sie in anderen "zivilisierten" Ländern als angemessene Bestrafung wahrgenommen.
Und auch hier gibt es moralische Bedenken über die schwankende Art und Weise.
Dem Amerikaner ist es suspekt, wenn in der islamischen Welt gesteinigt oder in afrikanischen Regionen gepfählt wird. Der Chinese hingegen fragt sich, warum die Amerikaner so etwas aufwendiges wie den elektrischen Stuhl, oder die Todesspritze bevorzugen, wenn es auch eine simple gut platzierte Patrone tut.
An der Rolle der katholischen Kirche haben wir ein lebhaftes Beispiel für die Blickwinkelabhängigkeit einer Thematik.
In den 80er Jahren wurde besagte Kirche von den Polen hinter dem eisernen Vorhang nicht etwa als die verstaubte und ewig gestrige Altmännerriege betrachtet, für die wir Deutschen sie heute oftmals halten, sondern als Vorkämpferin der Freiheit, als Hoffnungskerze in dunkelster Nacht und als stiller Beistand und Trost.
Für viele unterdrückte Christen in Ländern wie China oder als Minderheit in islamisch dominierten Regionen ist die Kirche ein Garant für revolutionäre, aufbruchsverheissende Moderne und westliche Zivilisation.
Wagen wir einen Blick "zurück in die Zukunft" und betrachten die Angelitische Kirche, dann erkennen wir - sofern wir durch den Abschlussband nicht doch noch über die Manipulation der Oberen aufgeklärt werden - eine strenge Organisation die auf das Überleben der Menschheit bedacht ist.
Hier stellt sich die Frage? Wer ist eigentlich Böse? Und wie definiert sich die Kirche?
Ist Gott böse? Wissen wir nicht. Ist der Papst böse? Wohl kaum: Der wird jedes Jahr geklont und im Fluss ersäuft. Das heilige Konsistorium? Vielleicht... Aber hier verteilt sich die Macht auf viele Schultern, eine Diktatur im eigentlichen Sinne ist das schon nicht mehr... Und wenn man die "Lebensläufe" in Mater Eclesia studiert, will der eine oder andere Kardinal ebenfalls nicht so in das Bild des bösen bösen Regimes passen.
Ergo: "Schlecht" ist die Angelitische Kirche nicht, denn ihr erklärtes Ziel: "Schutz vor der Traumsaat und Überleben der Menschlichen Zivilisation" (Letzteres wird durch die Kinderverehrung und dem "Paarungszwang" deutlich) erreicht sie mit Erfolg.
"Böse" mag sie für den Herrn Kant und auch für den Dalai Lama, Benedikt XVI. und Gandhi sein.
Jedoch nicht für die Schäfchen und erstaunlicherweise auch nicht für die Zeitgenossen die über das "Licht" bescheid wissen.
Interessanter - um die Diskussion ein wenig anzuheizen - ist für mich die Frage:
Wenn es keine Alternative zum System der Angelitischen Kirche gibt und alle alternativen größeren Gesellschaftsmodelle (Diadochenstädte fallen nicht darunter) im Kampf um die Traumsaat zum Scheitern verurteilt sind, warum haben dann die britischen Inseln als Großmacht so lange überlebt?
Das ist die ketzerische Frage, die sich mir dabei stellt. Musste Britannien deshalb weg?