@freakrolls:
Das Problem liegt darin, dass viele Spieler nicht mehr einschätzen können, was ihr Charakter eigentlich kann.
Diese Einschätzung ist zum einen in vielen anderen Systemen auch nicht gerade einfach möglich - siehe DSA-3W20-Würfe oder Systeme, bei denen JEDER Wurf ein vergleichender Wurf mit einem (zwangsläufig zufällig) wechselnden Widerstand ausgeführt wird.
Die Frage nach der Abschätzbarkeit bei SW ist die Frage: Bekomme ich Zielwert 4 hin? Und schaffe ich eventuell auch Zielwert 8 für eine Steigerung?
Und genau DAS ist die Frage nach der Einschätzung der Charakterkompetenz, also dessen, "was der Charakter eigentlich kann".
Diese Frage ist aber, da man ja eh bei SCs nur ZWEI WÜRFEL betrachten muß, den Eigenschafts-Würfel und den Wild Die, auch sehr einfach zu klären. Ich hatte oben ja schon einmal aufgeführt, wie es sich mit den Erfolgs-Chancen für einen Einfachen Erfolg (ohne Steigerung) und einen Erfolg mit Steigerung bei SW verhält.
Ungeübter Wildcard: 20% Erfolg, 13% Steigerung.
Gesamt: 33% - Kritischer Fehlschlag: 4%
Geübter Wildcard (W4): 43% Erfolg, 19% Steigerung.
Gesamt: 62% - Kritischer Fehlschlag: 4%
Geübter Wildcard (W6): 49% Erfolg, 26% Steigerung.
Gesamt: 74% - Kritischer Fehlschlag: 3%
Geübter Wildcard (W8): 57% Erfolg, 25% Steigerung.
Gesamt: 82% - Kritischer Fehlschlag: 2%
Geübter Wildcard (W
10): 45% Erfolg, 40% Steigerung.
Gesamt: 85% - Kritischer Fehlschlag: 2%
Geübter Wildcard (W
12): 38% Erfolg, 50% Steigerung.
Gesamt: 88% - Kritischer Fehlschlag: 1%
Wenn also ein Spieler mit einem SC mit einer Eigenschaft auf W6 und einer anderen Eigenschaft auf W4 abschätzen möchte, wie gut sein Charakter etwas kann, dann hat er halt bei W6 eine Chance von 74% insgesamt für einen Erfolg. Braucht er eine Steigerung, dann ist das eine Chance von 26%. - Bei W4 hat er insgesamt 62% Chance und für eine Steigerung 19%.
Die "Freakrolls" wirken sich nämlich NICHT auf die Charakterkompetenz-EINSCHÄTZUNG aus. Da es sich um Glücks-Erfolge, Glücks-Treffer, das Äquivalent von Kritischen Treffern handelt, sind sie ja - durchaus passend - eben nicht "verläßlich", sondern zufällig.
Bei einer Einschätzung der Charakterkompetenz ist also wichtig:
- Was kann der Charakter alles "einfach so" - also OHNE einen Wurf.
- Was kann der Charakter mit "guter Chance auf Erfolg" - hier ist immer noch die Frage, wie jeweils der einzelne Spieler die "gute Chance" auffaßt, beim einen ist das 50% oder besser, beim anderen wird erst ab 99% eine "gute Chance auf Erfolg" empfunden.
- Was kann der Charakter mit "geringer Chance auf Erfolg" - aber immerhin noch nicht so selten, daß es ein reiner Glücksfall wäre.
- Was kann der Charakter nur mit "viel Glück" - wie z.B. mit explodierenden Würfeln, also etwas, das er eigentlich normalerweise NICHT schaffen würde, aber eben mit viel Glück vielleicht doch ncoh irgendwie hinbekommt.
- Was kann der Charakter alles nicht - also alles, wobei seine Erfolgs-Chance gleich NULL ist, wo er weder einen Wurf machen kann, noch überhaupt den Versuch diese Handlung zu vollführen unternehmen kann.
Für mich, der ich jahrelang (jahrzehntelang!) BRP-"geschädigt" bin, ist eine "gute Chance" schon alles über 50%, da man in BRP halt einen hohen "Whiff-Faktor" gewohnt ist. - Schaue ich mir SW-Charaktere an, bei denen selbst jemand mit nur W4 in einer Eigenschaft schon 62% Gesamt-Erfolgs-Chance hat, dann weiß ich also genau, daß mein Charakter mit W4 bei Handlungen, die keine Abzüge auf den Wurf bedingen, immer eine GUTE CHANCE AUF ERFOLG haben wird.
Und ein Charakter mit W6 oder gar W8 hat sogar eine sehr gute Chance auf einen Erfolg - immerhin ist ca. 80% in BRP schon ein beachtlicher Fertigkeitswert, in SW hingegen noch "mittlere" Kompetenz.
Und wenn ich dann noch die Talente meines Charakters anschaue, die ihm meist +2 auf spezifische Handlungsbereiche geben, dann ist nicht einmal mehr eine "gute" sondern eine "SEHR HOHE" Chance auf Erfolg gegeben.
Für die Einschätzung der Charakterkompetenz bei SW braucht es keinerlei komplizierter Mathematik, sondern nur die Betrachtung "Zielwert 4" und "Zielwert um +4 übertroffen". Mehr nicht.
Explodierende Würfel werden NUR bei wirklich kritischen Fällen überhaupt in eine Betrachtung einbezogen. Also solche Fälle, wo man z.B. mit -2 Abzug durch eigene Wunden unbedingt noch einen Called Shot zum Kopf mit -4 auf mittlere Distanz -2 machen muß und somit -8 auf den Wurf bekommt, was den effektiven Zielwert auf satte 12 hochschiebt. Das ist ein Wert, für den die meisten Eigenschaftswürfel so oder so explodieren MÜSSEN, um ihn zu erreichen.
Andererseits ist dies eine Aktion, die ABSEHBAR verdammt schwierig ist!
Somit ist hier auch bei kompetenten Charakteren mit W8 Eigenschafts-Würfel und einem Talent, das ihnen +2 einbringt (Scharfschütze) immer noch die Erfolgs-Chance nicht übermäßig hoch: Einfacher Erfolg 11%, Erfolg mit Steigerung 7%, Gesamt-Erfolgs-Chance 18%. Das ist für einen trainierten EXPERTEN schon keine sichere Sache.
Ein nur wenig kompetenter Charakter mit W6 Eigenschaftswürfel und ohne Talente, das hier einen Bonus gäbe, hat eine deutlich geringere Erfolgs-Chance: Einfacher Erfolg 3%, Erfolg mit Steigerung 3%, Gesamt-Erfolgs-Chance 6%, also gerade mal ein DRITTEL der Chance eines trainierten Experten.
Und ein Ungeübter hat nochmal eine geringere Chance: Einfacher Erfolg 3%, Erfolg mit Steigerung 1%, Gesamt-Erfolgs-Chance 4%.
Man sieht, daß je "inkompetenter" der Charakter vom Eigenschaftswert her ist, der Wild Die des Wildcards als "Grundkompetenz der Hauptfiguren" einen stärkeren Einfluß bekommt. (Als off-topic: Das ist auch der Grund, warum man SEHR, SEHR, SEHR vorsichtig sein sollte, in Settingregeln den Wild Die zu manipulieren, ihn größer oder gar kleiner als W6 werden zu lassen. Das ist aber wirklich ein ganz anderes Thema.)
Bei Handlungen, die für EXPERTEN SCHWIERIG sind, haben wenig Geübte deutlich geringere Chancen und Ungeübte, so sie denn diese Handlung ÜBERHAUPT versuchen können, nochmals deutlich niedrigere Chancen.
Das ist in SW so und in anderen Regelsystemen halt auch. - Das ist das ERWARTETE. Das ist plausibel, weil es ja den Alltagserfahrungen der Spieler entspricht.
"Freak Rolls", explodierende Würfel, erbringen hier KEIN irgendwie "unplausibles" oder "verfälschtes" Ergebnis!
Jemand, der eine geringe Chance hat, hat halt immer noch eine CHANCE! Bedeutet: Es KANN eben auch dazu kommen, daß er mit nur 1% Erfolgs-Chance genau dieses eine Prozent erzielt.
Ich weiß noch, wie ich in einer RQ3-Runde mit 45% Fertigkeit nach allen Abzügen für ein heikles Manöver noch genau 5% auf W% zu unterwürfeln hatte - und ich einen 1%-Wurf für einen IMPALE erzielt hatte! - Das war ein KRITISCHER TREFFER, der einen riesigen Cave Troll mit einem One-Hit-Kill ausgeschaltet hatte!- Also das, was man in SW mit einem "Freak Roll" aus Trefferwurf plus Schadenswurf hinbekommt. - Das passiert nicht alle Tagge, aber WENN es passiert, dann erinnert man sich, wie in meinem Falle, auch noch nach 24 Jahren an diesen EINEN Glücks-Erfolg.
Nach Kompetenz-Einschätzung meines SCs hätte ich diese Aktion eigentlich besser überhaupt nicht versucht, da 5% ja nun wirklich KEINE gute Chance sind. Aber dafür ist man halt Rollenspieler, daß man auch mal auf das Glück vertraut und den ZUFALL die Geschichte auf der Kippe von der absehbaren brutalen Niederlage hin zum genialen Sieg weiterschreiben läßt.
Freak Rolls, kritische Erfolge, Glücks-Treffer, das alles hat mit der EINSCHÄTZUNG er Kompetenz der Charaktere erst einmal nichts zu tun, wohl aber damit, daß HELDEN-Charaktere eben in Situationen, wo andere aufgeben oder ABSEHBAR scheitern, eben doch noch eine Chance haben!