AW: Gute SLs leiten Kaufabenteuer
Interessanter Thread - schade, daß ich erst so spät "dazuschalten" konnte.
Eine der für mich immer nervigeren "Selbstverständlichkeiten" unter Rollenspielern ist, dass Kaufabenteuer zum einen schlecht sind und zum anderen ein guter SL immer seine eigenen Abenteuer schreibt.
Ich habe das nicht so sehr als "Selbstverständlichkeit" erlebt. - Das liegt aber auch daran, daß ich in Rollenspielrichtungen am stärksten aktiv bin, in denen die meisten Mitbegeisterten Kauf-Abenteuer und andere Fertig-Abenteuer zu schätzen wissen.
Das ist nicht zuletzt eine Untergruppe an Rollenspielern, die noch einen anderen Umgang mit Modulen gewohnt sind, als die späteren "Vorleser".
Auch ein noch so guter Spielleiter hat nur seine EIGENEN Ideen und seine EIGENEN Vorlieben - aus diesem Bereich wird er in den seltensten Fällen herauskommen. - Nach 10 oder 20 oder 30 Necropolis-Missionen "aus eigenem Saft" ist einfach bei den meisten die Luft raus. Dann wiederholt man sich, dann werden NSCs sofort erkennbar stereotyp dargeboten, daß das ÜBERRASCHENDE - ein wichtiges Element beim Rollenspielen - auf der Strecke bleibt.
Außerdem: Ein GUTER SPIELLEITER muß noch lange kein guter SZENARIO-ENTWICKLER sein (und umgekehrt!).
Manche Spielleiter sind brilliant im DARBIETEN, im ZUM LEBEN ERWECKEN von Szenarien anderer Leute. - Und andere sind brilliant im Entwickeln von Szenarien, die es Spielleitern LEICHT machen sie für ihre jeweilige Runde zu verwenden.
Der eigentliche Aufgabenbereich des Spielleiters beginnt beim AUFBEREITEN von Szenario-Inhalten für seine Gruppe. - Ob er dies Aufbereiten auf Basis von Fertigabenteuern macht, oder aus der hohlen Hand irgendwas zusammenschüttelt, das ist erst einmal egal.
Ein Szenario-Entwickler hat GANZ ANDERE Aufgaben! - Er schreibt für ein größeres Publikum. Das ist DERMASSEN anders als für seine freundlich gesonnene Runde Wochenendzocker die nächste Spielsitzung vorzubereiten. - Ich habe z.B. eine MENGE z.T. recht umfangreicher Szenarien für diverse meiner Lieblingsrollenspiele herumliegen, bei denen ich eine Ausarbeitung für ein Fanzine erwogen habe. - Problem: Um das Material so aufzubereiten, daß JEMAND ANDERES damit etwas anfangen kann, müßte ich mindestens nochmal soviel Aufwand wie zur Erstellung "zum Hausgebrauch" reinstecken - eher mehr!
Durch das Ausarbeiten von - selbst kostenlos im Internet - zu veröffentlichenden Szenarien STEIGT DIE QUALITÄT. - Das ist ganz natürlich: Man bügelt Fehler und Unklarheiten aus, die man beim einmaligen Leiten schnell noch aus dem Kopf hingebogen hat, so daß es den Spielern nicht aufgefallen ist, daß man hier eine Lücke, einen Fehler, oder eine Unstimmigkeit hatte. - Überarbeitung steigert die Qualität gegenüber "spiel-und-schmeiß-weg" Einmal-Szenarien.
Und DAS ist der Hauptunterschied von Fertig-Szenarien zum Selbstgebastelten: Auch ein Fertig-Szenario wurde ja von jemandem entwickelt, der es selbst gespielt hat, der es sich ausgedacht hat, und der auch nur mit Wasser kocht. - Aber mit SEINEM Wasser! - Und es wurde ÜBERARBEITET und QUALITATIV VERBESSERT!
Und daher erhält man mit einem Fertig-Szenario einfach etwas BESSERES, als man von DEMSELBEN Entwickler bekommen hätte, wenn er es ohne Überarbeitungen geleitet hätte (immerhin geht ja auch das Feedback von Testspielrunden in die Überarbeitung mit ein - somit kann aus einem Szenario, dessen erste Version sehr mäßig war, durch Feedback und passende Überarbeitung immer noch etwas gutes werden).
Beispiel: In dem Fanzine Abenteuer. von Haarald herausgegeben, gibt es eine Freigabe eines eingereichten Inhaltes durch Peers. Das heißt, zwei Leute schauen sich den eingereichten Inhalt kritisch durch, geben ihr Feedback ab, der Entwickler macht seine Änderungen, die Peers geben es frei, und erst DANN kommt es in die Abenteuer.-Ausgabe.
Solche Szenarien werden einfach BESSER als sie es bei der Ersteinreichung waren.
Mehr noch, Kaufabenteuer sind nur dafür da ausgeschlachtet zu werden oder als "Inspiration" zu dienen.
Das wird vielen Fertig-Szenarien natürlich nicht gerecht. - Es ist auch nicht ganz so leicht nur TEILE aus einem Szenario herauszulösen. Oft ist es einfacher und auch lohnender, das gesamte Szenario passend in die eigene Welt einzuarbeiten. - Bei manchen Szenarien ist aber trotz der Qualitätssteigerung durch Überarbeitung und trotz des verlangten Kaufpreise nur die GRUNDIDEE interessant, und der Rest leider SCHEISSE. - Bei manchen ist ALLES SCHEISSE.
Im Gegenteil, man erkennt einen guten SL daran wie er Kaufabenteuer leitet.
Das ist der Fall.
Hier zeigt sich die Güte durch den Umgang mit "Halbzeug".
Übrigens auch bei Spielern!
Gibt man einem GUTEN Spieler einen vorgenerierten Charakter, so holt er aus diesem MEHR heraus, als ein mäßiger Spieler aus einem ideal maßgeschneiderten Charakter. - Ein vorgefertigtes Stück SPIELMATERIAL zu rollenspielerischem LEBEN zu erwecken, das ist die entscheidende Fähigkeit, die einen GUTEN Spieler von einem ganz guten Spieler unterscheidet.
Sich der rollenspielerischen Herausforderung zu stellen, und sie zu MEISTERN. - DAS ist das MEISTERN im Rollenspiel!
Und wie ein Spieler mit einem vorgefertigten Charakter seine meisterliche Fähigkeit in diesem Hobby belegt, so ein Spielleiter mit einem vorgefertigten Szenario.
Auch ein Fertig-Szenario ist ein SPIELMATERIAL-Halbzeug. Es ist eben NICHT einfach "runterzuspielen", sondern erfordert eine INTERPRETATION. Wie Notenblätter durch die Interpretation der jeweiligen Musiker erst zu Musik werden, so wird ein Szenario in der Interpretation eines GUTEN Spielleiters zu einer meisterlichen Spielerfahrung.
Und in der Interpretation eines ungelenken, unflexiblen, unsensiblen "Meisters dem Titel nach" zu einem uninspirierten Stück Zeitvertreib.
Das Interessante: Die "Noten", das Fertig-Szenario, sind IDENTISCH! Die "Instrumente" - Würfel, Karten, Figuren, usw. - sind IDENTISCH!
Und das Resultat ist wie Tag und Nacht.
Das ist das Schöne daran - es kommt auf die jeweilige PERSON an. Der einzelne macht den UNTERSCHIED.
Wie oft passiert es denn, daß mehrere Leute einen Text - wie den Eingangsbeitrag von Georgios z.B. - lesen, mit den IDENTISCHEN Buchstaben, Worten, Sätzen, und ihn GRUNDVERSCHIEDEN verstehen, in anders INTERPRETIEREN?
Und das passiert auch bei JEDEM Spielleiter, der ein Fertig-Szenario liest und es dabei FÜR SICH - und im Spiel dann für seine Gruppe - INTERPRETIERT.
Wer kennt das? - "Ich habe bei Spielleiter A das Szenario XYZ gespielt. Das war vielleicht langweilige Scheiße! Und so ganz ohne einen irgendwie persönlich zu berühren." - "WAS!? Ich habe neulich XYZ mitgespielt. Das war bei Spielleiter B. Ich sag nur GROSSES KINO! Wie spannend, wie emotional berührend, the best adventure ever!"
Das ist übrigens ein Grund, warum ich GERNE Spielberichte von Szenarien lese - möglichst mehrere von demselben Szenario. - Und zur Kaufentscheidung bei eigenen Szenario-Käufen auf gerne VOR dem Kauf.
Allein hier im Forum kann man z.B. zu ein und demselben Sundered-Skies-Plot-Point-Kampagnen-Einstiegs-Szenario mehrere Spielberichte finden. SEHR unterschiedlich. Und immer in anderer GEMEINSCHAFTLICHER Interpretation durch den Spielleiter und die Spieler. - Also ICH finde das einfach interessant.
Schliesslich ist es keine Kunst aus dem Nichts ein Abenteuer hinzubiegen, am Besten noch regelarm und mit einem Schwerpunkt auf "Dramatik".
Das kommt auch sehr auf den Einzelnen, auf den Menschen in der Spielleiter-Rolle an. - Regelarm ist oft (zu) schwierig für Leute, denen solides Fundament für Improvisation, Ad-Hoc-Regelungen und schnelle, konstistente Entscheidungen fehlt.
Dramatik ist oft schwer für Leute, die bislang "undramatisch", d.h. ohne sich irgendwelche "Geschichtenerzählerüberlegungen" geleitet haben. Wer gewohnt ist seine Spielwelt mit innerer Stimmigkeit darzubieten, dem "passieren" dramatische Szenen im Spiel einfach so. Die muß er nicht im Voraus planen - und so etwas STÖRT auch den gewohnten Spielvorbereitungsmodus.
"Keine Kunst" würde ich definitiv NICHT sagen. - JEDES Abenteuer kam einmal "aus dem Nichts". Auch das der Szenarien-Entwickler von Kauf-Szenarien.
Nein, ein guter SL nimmt sich die Einzelteile aus denen ein vorgefertigtes Abenteuer besteht und schafft daraus etwas. Ein guter SL erweitert das Abenteuer um die Dinge, die für seine Gruppe notwendig sind, damit das Abentuer in die Kampagne oder Gruppe passt.
Das ist an sich eine SELBSTVERSTÄNDLICHKEIT.
Doch sind gerade die Szenarien-Produkte, die damit WERBEN, daß sie "Rundum-Sorglos-Pakete" sind (Just add dice.) hier dafür verantwortlich, daß manche Spielleiter einfach aus der Übung kommen, und andere es NIE gelernt haben, WIE sie mit solch einem SPIELMATERIAL wie einem Abenteuer umgehen können und auch sollten.
Ein guter SL erweitert das Abenteuer derart, dass es in einer Welt spielt und nicht in einem hermetisch versiegelten Plotlabyrinth, dass nur aus einzelnen Situationen besteht. Er erweitert den Inhalt des Abenteuers um eine Welt zu haben, die er für die Rollenspielrunde leiten wird.
Ein GUTER Spielleiter HAT eine Welt. Er braucht dazu nicht das Abenteuer zu erweitern. - Das Abenteuer wird angepaßt, daß es IN DIE BESTEHENDE WELT paßt. - Die Welt ist das, was der Spielleiter im Spiel darstellt. Das Abenteuer paßt sich in diese Welt ein. Und zwar ganz zwangsläufig, da die Welt die INTERPRETATION dessen ist, was der Spielleiter an Informationen über die Welt erfahren hat (egal ob eine selbsterstellte Welt oder eine Fertig-Spielwelt). Diese "Weltsicht" ist ein ganz automatisch wirkender FILTER, mit dem man ein Szenario liest.
Ein kleines Detail: Deadlands kommt in den Ausprägungen Deadlands Classic und Deadlands: Reloaded daher. Beide beziehen sich auf das Setting Weird West. - Aber: Wenn ich ein Abenteuer lese, und ich habe vor dieses mit DL Classic zu bespielen, dann lese ich das ANDERS, als wenn ich es mit DL:R zu bespielen vor hätte! Für MICH sind dies zwei UNTERSCHIEDLICHE Kampagnen (= Spielwelten in der Interpretation durch den Spielleiter). Schon hier erkennt man, wie natürlch und UNGEZWUNGEN ein Fertig-Szenario schon beim Lesen in eine bestehende Spielwelt "eingelesen" wird.
Wohlgemerkt "erweitern" statt "umschreiben". Wenn man ein Abenteuer erst mal umschreibt, dann landet man unterm Strich genau dort, wo man auch ohne Kaufabenteuer gelandet wäre.
Es kann - vor allem bei unbekümmertem Umschreiben - sein, daß man sich letztlich die TRAGENDEN Elemente des Kaufabenteuers zerschießt. - Und Spielleiter mit geringer Urteilskraft UNTERSCHÄTZEN oft das, was in einem auf den ersten Blick eher einfachen, oder nicht so spannend wirkenden Abenteuer stecken mag.
Aber: Manche Abenteuer sind halt tatsächlich SCHEISSE. - Und da ist sogar mit Umschreiben nichts mehr zu retten. Da schaufelt man nur den Mist von rechts nach links. Es bleibt aber ein Haufen Mist.
Und ja, schlechte Abenteuer muss man natürlich umschreiben.
Das sehe ich anders. - SCHLECHTE Abenteuer KAUFE ich NICHT, SPIELE ich NICHT und in solche Misthaufen werde ich gerade noch ZEIT stecken, in der ich auch ein ANDERES, gutes Abenteuer hätte vorbereiten können.
Daher sind mir Spielberichte - gerade bei teueren, umfangreichen Anschaffungen an Fertig-Szenarien - so wichtig. Wenn ich ein kostenloses oder ein 2,50 Euro Abenteuer zur Vorbereitung hergenommen habe, und es ist Scheiße, dann ist nicht viel verloren (Zeit!). - Aber wenn ich eine Kampagnen-Box, eine Abenteuer-Serie, einen teueren Abenteuer-Hardcover mit 200+ Seiten erworben habe, und das ganze erst einmal gelesen habe, und ich DANN merke, wie SCHEISSE das ist, und daß ich mehrere Wochenenden komplett in den Müll versenken müßte, um das zu spielen, dann sage ich lieber gleich: Nein, danke!
Dass ein wirklich miserabler SL ein vorgefertigtes Abenteuer einfach nur runterspielt, ist natürlich auch klar. Und ist eben genau das was man mit einem solchen Abenteuer nicht macht.
Jedoch sind es eben auch die VERSPRECHUNGEN von manchen Abenteuer-Produkten, die besagen, daß der Spielleiter einfach seine Beschreibungstexte vorlesen möge, die ganze NSC-Dialoge (z.T. über Seiten hinweg) zum NICHT-interaktiven Vortragen enhalten, usw.
Und es sind auch die Regelwerke, in denen den Spielleitern gleich klar gemacht wird, DASS sie für ihre Spieler gefälligst nur MASSGESCHNEIDERTE Szenarien zu leiten hätten.
Wenn man etwas oft genug gesagt bekommt, dann MUSS es doch stimmen.
Die strikte Ablehnung von vorgefertigen Abenteuern ist für mich zunehmend ein Indiz geworden, um Rollenspieler zu erkennen, die nichts können und nichts interessantes an den Spieltisch bringen. Wer sich schon davor scheut vorgefertigte Texte zu erweitern und weiterzuspinnen, der wird als SL auch recht wenig Talent dafür haben auf die Aktionen der Spieler derart zu reagieren, dass eine dynamische Spielwelt entsteht und man flüssig miteinander spielen kann.
So sieht es aus. - Und für mich gilt ganz analog auch die strikte Ablehnung von Spielern gegenüber vorgefertigten Charakteren als Indiz für NICHTSKÖNNER unter den Rollenspielern. - Wer nicht einmal einem regeltechnisch korrekten Charakter-Werte-Block rollenspielerisches LEBEN einhauchen kann, der hat es halt nicht drauf. - Der kann das auch nicht mit selbsterstellten Charakteren, weil es einfach GRUNDFÄHIGKEITEN eines Spielers betrifft.
Ich würde aber wenn sagen: Gute SLs leiten auch Kaufabenteuer.
Du, aber nicht er.
Ich würde sagen, gute wie schlechte SLs leiten gute wie schlechte eigene wie fertige Abenteuer gut und auch schlecht.
Und nun ist JEDER glücklich.
Und solch eine "Ich bin OK. Du bist OK."-Weichspülerflasche taugt nun einmal ÜBERHAUPT NICHT, um Diskussionen in Gang zu bringen.
Ich denke aber die Ablehnung von Kaufabenteuern ist in der Rollenspielszene zur Mode geworden, zusammen mit der ständigen Nörgelei und Schlechtmacherei.
Das eine hat mit dem anderen NICHTS zu tun.
Und: Sooooooviel genörgelt scheint ja auch nicht zu werden, denn es ERSCHEINEN immer noch jedes Jahr UNMENGEN von Kauf-Abenteuern (hierzulande und international), und diese VERKAUFEN sich auch augenscheinlich gut genug, daß professionelle Verlage (solche, die von dem erwirtschafteten Geld auch Leuten den Lebensunterhalt BEZAHLEN können!) diese Produkte weiterhin herausbringen.
Würde eine solche "Mode" generell in "Der Rollenspiel-Szene (tm)" bestehen, dann wären diese Produkte weg vom Ladenfenster.
Es gibt in bestimmten Kreisen die - oft vom Grundregelwerk und den Meinungsführern in den einschlägigen Kanälen EINGEREDETE - Abneigung gegen Kaufabenteuer. Aber diese ist auf die Untergruppe beschränkt.
Wer seine "Chronik" nicht mit idealst angepaßtesten Eigenstentwicklungen zu unterhalten versteht, ist ein schlechter "Erzähler".
Und andere Untergruppen haben die Ansicht, daß ein Szenario so gespielt wird, wie es geschrieben steht, denn das sei "alt-schulisch" und somit wieder irgendwie aktuell. - Die haben natürlich auch KEINE AHNUNG, was für einen UNSINN sie da treiben und bieten ödes "Death-Maze"-Brettspiel für Spätgeborene. - ABER: sie KAUFEN Abenteuer! Nur können sie damit nicht umgehen.
Es gibt wirklich klasse Kaufabenteuer und man hal als SL da eben immernoch die Aufgabe die auf die Gruppe anzupassen, ohne eben alles komplett umzuschreiben.
Das war schon immer so. - Und ein GUTES Szenario macht einem die Anpassungen in die Welt auch leicht und liefert ausreichend weite Einstiege, daß die eigene Gruppe mit ihren SCs das auch beginnen kann, ohne jegliche Plausibilität fahren zu lassen. (Der Wegweiser "Zum Abenteuer, hier lang!" ist leider auch ziemlich üblich geworden. - So etwas hatte z.B. Keep on the Borderlands NIE nötig!)
In der Rollenspielszene muss man sich ja leider momentan fast schämen wenn man sagt, dass man Kaufabenteuer leitet.
Nein. Mußte man NIE und muß man auch jetzt nicht. - Sollen die "Chronisten" halt ihre "Erzählungen" selbst schreiben, aber die SPIELFREUDIGEN unter den Rollenspielern verwenden ohne jeden Makel SPIELMATERIALIEN wie eben Abenteuer.
Vielleicht ist das auch teil eines übergroßen Selbstbewusstseins das sagt: Kein autor kann ein Abenteuer besser schreiben als ich. Ich seh das bei mir nicht so und war schon oft von den Ideen von Abenteuerautoren begeistert (und natürlich hab ich auch schon schlechte Abenteuer in der Hand gehabt).
Ich bin besser im Spielen mit ANDERER Leute Ideen, als damit ständig eigene, originelle Dinge zu ersinnen. - Ich MISCHE gerne eigene Ideen in meine Kampagnen - aber das ist ja sowieso normal, da es doch MEINE Kampagnen sind, auch wenn sie auf Basis der Interpretation von Fertig-Produkten laufen.
Ich glaube es geht da weniger um Texte und Standardszenen sondern um die Ideen anderer Autoren die in den Kaufabenteuern zu finden sind.
Ich finde zum Beispiel immer wieder Ideen, auf die ich so nicht gekommen wäre oder ich sehe mir gerne die Sicht anderer Autoren in Bezug auf die Spielwelt an - eben in vorgefertigten Abenteuern.
Und warum nicht in ROMANEN oder Filmen oder Comics?
Weil diese Ideen in Fertig-Abenteuern eben schon FÜR DIE INTERPRETATION IM ROLLENSPIEL aufbereitet sind.
Mit den Inhalten eines Romans - und sei es nur ein kurzer Heftroman - kann man nur über Umwege etwas für das Rollenspiel anfangen. - Mit einem Kurzschocker von zwei Seiten kann man hingegen sofort die VORSTELLUNGEN vor dem Inneren Auge haben, wie das wohl im Spiel werden könnte. - Das ist SPIELMATERIAL. Halbzeug.
Ein Roman ist ROHMATERIAL. Noch nicht aufbereitet. Ohne bereits eingebrachten Mehrwert aus Rollenspielsicht.
Dass man die Kaufabenteuer dann an die jeweilige Gruppe anpasst und nicht by the book spielen soll, das dürfte sich ja ohnehin schon bis in den tiefsten Winkel der Rollenspielprovinz rumgesprochen haben.
Wie gesagt: Manche Abenteuer-Produkte VERSPRECHEN den "Malen nach Zahlen"-Spielleitungsansatz. (Ob sie ihn halten, ist noch ein anderes Thema.)
Und das weckt ERWARTUNGEN, "wie man mit Szenarien umzugehen hat". - Das sind "Best Practices", die sich propagieren. (Beispiel: Das D&D 4E "Delve"-Format der Szenarien-Gestaltung - das SOLL so ein "Rundum Sorglos"-Paket für den Spielleiter sein.)
Wo wäre das Problem zu schreiben, was du meinst, nämlich, dass "gute" SLs auch Kaufabenteuer leiten KÖNNEN, es aber nicht zwangweise tun müssen?
Weil er das nicht sagen wollte? - Vor allem: Weil das ganze WEICHKOCHEN solcher Aussagen einfach jegliche gesprächsanregende Konsistenz in einen "Kann man so machen, kann man auch anders machen"-Beliebigkeits-Brei zerfallen ließe.
Warum sollte ich 100% meines SL-Könnens auf die Aufbereitung/Modifikation von Kaufabenteuern verwenden,
wenn ich für mich und meine Gruppe festgestellt habe, dass gefühlt 90% der publizierten Module entweder unseren Geschmack nicht treffen, oder bar jeglicher innerer Logik oder Plausibilität sind?
Also ich weiß ja nicht, welchen Marktüberblick Ihr so habt, aber ICH kenne gewiß NICHT 90% der publizierten Module. Nicht einmal annähernd so viele.
Und von denen, die ich auf die eine oder andere Art kenne, oder die mich interessieren, sind gefühlt 90% letztlich doch so uninteressant oder mies, daß ich sie nicht einmal kaufen würde.
Von den Szenarien, die ich tatsächlich kaufe, sind gefühlt mehr als 90% SPIELENSWERT. - Und das ist es ja auch, was mich den Kauf nicht bereuen läßt. (Die anderen 10% bereue ich tatsächlich gekauft zu haben. - Aber da bereue ich den Kauf von Grundregelwerken/Rollenspielen aus Neugier sogar noch viel mehr, weil da noch WEIT MEHR leider "hinter meinen Erwartungen zurückbleiben".)
Warum soll ich Geld für ein Produkt ausgeben, dass mir nicht gefällt und das ich selbst "besser" schreiben kann?
Sollst Du ja nicht.
Aber hier geht es ja auch nicht um eine Kauf-Beratung für kostenpflichtige Rollenspielprodukte, sondern hierum:
Es geht mir allein darum den Mythos zu sprengen, dass es ein Zeichen von Qualität sei vorgefertigte Abenteuer nicht anzufassen, sonden diese Dinge selbst zu machen.
Dieser Mythos ist mir nur aus SEHR ENG gefaßten Kreisen, die meist mit "Chronik" und "Erzähler" jonglieren, bekannt.
Andere Kreise, die gerne mit Battlemaps und Miniaturen und Würfeln hantieren, WOLLEN vorgefertigte Abenteuer, vor allem, weil darin das passende Balancing bereits gemacht wurde - und das ist in diesen Kreisen ein bekannter "pain in the ass" für die Spielleiter.
Ich denke ein Abenteuer, das allein um die Charaktere herum geschustert wurde, hat so ein Geschmäckle, dem ich nichts abgewinnen kann. Um nicht zu sagen, mir wird eher schlecht wenn mir der SL die "center stage" zuschneidert.
Bei mir kommt das SEHR auf die Art des Rollenspiels an, das man hier spielt.
In cinematischen Action-Kino-Rollenspielen WILL ich die Bühne für mich haben.
In "Problemfilm"-Rollenspielen haben die Charaktere schon vom Grundthema des Rollenspiels die Bühne für sich, da sich ALLES um die SC dreht.
Hier gilt für mich wirklich ein "kommt darauf an", wobei ich z.B. das Balancing von Gegnern auf die SC-Gruppe überhaupt nicht einsehe. Bloß weil die SCs jetzt alle ein paar XP mehr haben, werden die Gegner in derselben Region zahlreicher, gefährlicher oder gar ANDERE? - Das hat für mich viel mehr ein "Geschmäckle", als das Rampenlicht für die SCs, da dies ja auch das Rampenlicht für den SPIELER ist. Das Encounter-Balancing-je-nach-Gruppe hingegen ist für JEDEN Beteiligten BESCHEUERT!
Ich kann solche Argumente wirklich nicht ernst nehmen. Ganz einfach weil die Unterschiede nicht so gravierend sind, wie immer getan wird. Nichts zerbricht in tausend Scherben, nur weil man es nicht selbst gemacht hat. Deine Kampagne ist nicht so grundlegend anders, dass vorgefertigte Abenteuer unspielbar sind. Deine Charaktere sind nicht so total seltsam und undenkbar, dass man sie nicht in einen stinknormales Mysterium in ein Dorf stecken könnte, ohne das dort etwas interessantes oder abenteuerliches passiert. Und deine Spielspaßquellen sind nicht so zerbrechlich und einzigartig, dass man frustriert nach Hause geht nur weil nicht genau das passiert ist, was immer passiert.
So ist es. - Und in manchen Rollenspielen wird man auch BEWUSST darauf gestoßen, daß man Klischees, Stereotypen, bewährte Plot-Ideen (S.John Ross' Big List, oder die Pulp-Story-Struktur) verwenden möge. - Trotzdem ist jedes Abenteuer INDIVIDUELL verschieden.
Und wer Abenteuer nicht so leitet, wie es mir passt... der leitet halt Abenteuer nicht so, wie es mir passt. Das ist mir ganz ehrlich egal.
Mir NICHT!
Wenn ich MITSPIELE, dann ist mir das alles andere als EGAL!
Kein SL denkt sich seine geschichten "völlig" frei aus. Wir schöpfen aus dem Pool des Erlebten. Zeigt mir ein Setting oder eine Kampagne oder ein Abenteuer das "Völlig" frei erfunden ist und ich zeige euch mindestens 3 Romane oder Filme die Parallelen dazu aufweißt.
"Parallelen" sind eben nur das. - Romane oder Filme sind ROHMATERIAL.
ROHMATERIAL, das eben - anders als Fertig-Abenteuer - noch weit, weit weg davon ist irgendwann einmal zu SPIELMATERIAL zu werden, das man als Rollenspieler auch tatsächlich nutzen könnte.
Im Prinzip inspiriert sich der Spielleiter der kein Abenteuer kauft an anderen Dingen, wie eben Fantasyromane oder dergleichen, jemand der ein Kaufabenteuer leitet orientiert sich an jennem. Aber beide tun dies aus Externer Quelle. Von dem her ist "Kaufabenteuer als Qualitätsmerkmal" ein so grober Unfug der Bestraft werden sollte.
Jemand, der ein Kaufabenteuer als SPIELMATERIAL verwendet, der INTERPRETIERT dies im Spiel.
Jemand, der einen Roman als ROHMATERIAL liest, der hat noch ÜBERHAUPT NICHTS zum Spielen Taugliches davon!
Bestraft werden muß der, welcher den Unterschied zwischen FÜR DAS ROLLENSPIEL AUFBEREITETEN Produkten und gänzlich OHNE jegliche Verwendungsabsicht im Rollenspiel erstellten Produkten wie Romanen oder Filmen in einen Topf wirft.
Selbstgemachtes muss sich mit nichts vergleichen, sich an nichts halten und zu nichts passen.
Das trifft NICHT zu. - Wenn das Selbstgemachte keine innere Stimmigkeit aufweist und sich nicht mit der bisherigen Kampagne verzahnt, dann ist es SCHLECHT.
Die Welt gehört dem SL, er macht es wie es ihm passt und seiner Gruppe gefällt.
Die Spielwelt ist dem Spielleiter zueigen. Ob diese Welt der Gruppe "gefällt", kann ihm erst einmal EGAL sein. Das ist nicht wichtig.
Aber die Auseinandersetzung mit einem vorgefertigten Abenteuer - das Ausweiten des Hintergrundes, die Entwicklung der NSCs, die Ausschmückung der Situationen und die kreative Leistung diese Dinge am Spieltisch zu einem organischen, dynamischen Ganzen zu verknüpfen und so eine lebendige Welt zu schaffen - das ist auch was wert. Das finde ich gut.
Finde ich auch.
Vorgefertigte Abenteuer sind nicht die einzig wahre Art zu Leiten. Sowas behaupte ich nicht. Aber vorgefertigte Abenteuer zu leiten ist bei einem SL, der das kann, genausogut - und ich finde sogar noch einen Tick besser - als selbstgemachte Abenteuer und Welten.
Ich sehe das Selbstentwickeln von Welten separat vom Selbstentwickeln von Abenteuern und das wiederum VÖLLIG SEPARAT vom LEITEN eines Abenteuers.
Manche Abenteuer, die jemand anderes entwickelt hat, liefen in MEINER Interpretation in der konkreten Runden BESSER als es der Entwickler in seiner Testrunde daheim erlebt hatte.
Einfach mal aus meiner Erfahrungsecke. Kauf Abenteuer sind laaaaangweilig. In der Zeit wo ich eines umgebaut habe, habe ich auch mein Eigenes gemacht.
Tut mir leid, daß Du keine glückliche Hand bei der Auswahl von Kauf-Abenteuern hattest. Und wirklich schade, daß Deine Erfahrungen so schlecht sind. - Hältst Du es für möglich, daß dies auch an DEINEM Umgang mit Kauf-Abenteuern liegen könnte?
Ich finde es stellt SL und Spieler eher auf eine Stufe, wenn es für beide Dinge gibt über die sie sich nicht hinwegsetzen können, sobald sie nicht genau so laufen, wie es ihnen passt. Angefangen von Würfelergebnissen, die so gelten wie sie gefallen sind, hin zu Charakteren deren Verhalten konsistent und nachvollziehbar sein muss bis hin zu Ereignissen, Situationen und Abenteuern, die eben gerade nicht deshalb entstehen, weil man grad Bock drauf hat.
Aber das ist doch auch bei einem selbsterstellten Abenteuer der Fall.
Regeltreue, Konsistenz, Stimmigkeit, Plausibilität. Das sind ÜBERALL Qualitätsmerkmale. Und hier können Fertig-Szenarien eben punkten, weil sie überarbeitet, ausgefeilt, verfeinert wurden und weil sie ZUM INTERPRETIEREN durch ganz unterschiedliche Menschen entwickelt wurden..