Löwenclub Eskapismus

Dies Thema ist aus dem ehemalien Löwnclub veröffentlicht worden.

Skar

Dr. Spiele
#StandWithUkraine
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Gentlemen,

Eskapismus ist in unserer "schnellen" Zeit ein Wort, dem ich einen hohen Stellenwert beimesse, ja sogar einen wachsenden Stellenwert prognostiziere. Eskapismus ist mit Rollenspiel und überhaupt mit phantastisch geprägten Spielen und Medien stark verwoben. Doch Eskapismus wird negativ konnotiert mit "Welt- und Realitätsflucht" übersetzt.

Daher würde ich den Begriff gerne einmal gemeinsam mit euch aufbrechen - und wenn es gegeben ist - neu prägen.

Eskapismus ist theoretisch wie gesagt als Realitätsflucht definiert. Praktisch jedoch entsteht ein positiver Nutzen. Entspannung und Ablenkung sind hier vordergründig als positive Effekte zu erkennen. Einen Schritt weiter kann man auch problemlos Alltagsbewältigung und Kompensation zu den positiven Aspekten hinzufügen. "Wie das?" werden sich einige Kritiker schnell fragen.

An dieser Stelle möchte ich ein wenig vorgreifen und ein paar interessante Aussprüche und Meinungen darlegen.


  • Folgender Ausspruch wird Albert Einstein zugeschrieben. Er soll ihn während eines Vortrages getätigt haben: "Wenn deine Kinder intelligent werden sollen, dann lies ihnen Märchen vor. Sollen sie noch intelligenter werden, dann lies ihnen mehr Märchen vor."
  • Auch folgendes Zitat wird Einstein zugeschrieben: "Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt."
  • Und ist nicht auch Fantasy Phantasie ganz klar eine erstrebenswerte Freiheit der Gedanken?
  • Dies wiederum wird auch in Debords Die Gesellschaft des Spektakels bekräftigt, in der Debord unsere akzeptierte Realität wahrlich als Feind des Individuums und der Freiheit darstellt.
  • Auch Freud stimmt in Der Dichter und das Phantasieren mit ein "Die liebste und intensivste Beschäftigung des Kindes ist das Spiel. Vielleicht dürfen wir sagen: jedes spielende Kind benimmt sich wie ein Dichter, indem es sich eine eigene Welt erschafft, oder, richtiger gesagt, die Dinge seiner Welt in eine neue, ihm gefällige Ordnung versetzt. Es wäre dann unrecht, zu meinen, es nähme diese Welt nicht ernst; im Gegenteile, es nimmt sein Spiel sehr ernst, es verwendet große Affektbeträge darauf. Der Gegensatz zu Spiel ist nicht Ernst, sondern -- Wirklichkeit."
  • Und schlussendlich Tolkien erwidert in Über Märchen auf die Vorwürfe des Eskapismus: "Wieso sollte jemand verachtet werden, der sich im Gefängnis befindet und versucht, herauszukommen und heimzugehen? Oder, sofern das nicht geht: wenn er über andere Themen nachdenkt und spricht als über Wärter und Kerkermauern?"

Tolkien differnziert sogar ganz klar nach negativem Eskapismus (der Flucht des Deserteurs) und positivem Eskapismus (die Flucht des Gefangenen).

Freiheit, freies Denken und das Denken über Mauern und Grenzen hinweg lassen sich also ganz klar dem Eskapismus zusprechen. Keine Spur von einem Opium des Volkes, welches seine unerträgliche Wirklichkeit vernebeln muss. Vielmehr kristallisiert sich aus dem Eskapismus die Chance heraus einen quasi räumlichen Abstand zur Realität zu gewinnen, der einem Freiräume zur eigenen individuellen Entfaltung beschert.

Wie steht ihr zu dem Thema?
 
AW: Eskapismus

In unserer christlich geprägten Gesellschaft ist es gängig harte Arbeit, Entbehrungen und das stille Erdulden aller Belastungen als Tugend anzusehen.
Und im Umkehrschluss wird ein schönes, einfaches und glückliches/glückerfülltes Leben häufig als etwas unmoralisches hingestellt.

Millionärskinder gelten als verwöhnt und verzogen, weil sie Geld nicht zu schätzen wissen - und "Geld zu schätzen wissen" gilt als Tugend.
Manager, die im Auftrag ihres Unternehmens 24/7 um die Welt reisen, gelten als faule Bonzen, die ihr Geld hinterhergeschmissen bekommen. Der moralisch gute Arbeiter steht im Bergwerk und schindet sich, bis er umfällt.
Hätte er die selbe Förderung erhalten, hätte er heute den Job - den nach allgemeiner Volksmeinung (BILD) eh jeder Depp erledigen kann.
Er würde ihn sogar besser machen - und sozialer, und überhaupt - als jeder der in einer solchen Postion ist.

Aber er will es ja auch garnicht. Das ist doch keine Arbeit...


Also:

Ein moralisch gutes Leben ist geprägt von harter Arbeit, Entbehrungen und dem Ertragen des Schicksals.
Große Ziele sind etwas für weltfremde Träumer, Visionen zur Verbesserung der Welt nur theoretische Spielereien die Kosten verursachen und nicht satt machen,...
Alles Überbleibsel aus der Kindheit, die man sich hin und wieder mal in einer albern-kindischen Phase gönnen kann. Spinnereien aus einer Zeit als man glücklicherweise noch zu dumm war die harte Realität zu begreifen.

Kein Wunder, dass wir ein Volk von Depressiven sind...


Ich denke:
Gelegentliche Realitätsflucht ist sehr hilfreich um zu begreifen, dass die Eigenwahrnehmung der subjektiven Realität nicht unbedingt die einzige Möglichkeit ist, die Welt zu sehen. Es gibt mehr als nur das eigene Leben, mehr als nur die eigene Perspektive.
Ich kann nur ein Leben führen und es nur aus einer Sicht erleben. Könnte ich aber über das Leben nicht viel mehr lernen, wenn ich viele Geschichten aus vielen Perspektiven erleben könnte?
 
AW: Eskapismus

Das stimmt schon. ich habe auch oft Stress und Ärger in Beruf und Studium. Da nutze ich die Zeit beim Spielen einfach um total abzuschalten. Das ist schon etwas Realitätsflucht, aber es tut mir einfach gut. Es ist nicht so dass ich mein Leben nicht mag, aber es ist einfach entspannend die ganzen Alltagssachen mal auszublenden.

Gerade neulich habe ich das gemerkt: Meine Freundin und ich ziehen gerade zusammen, folglich ist dass momentan unser Hauptthema. Und dann fängt sie beim Spielen an mir zu erzählen was wir morgen alles machen müssen. Das hat mich dann tierisch genervt und ich hab ihr klargemacht dass ich mir über sowas beim Spielen eben keine Gedanken machen mag.

Wenn ich das jetzt unter der Eskapismusbrille anschaue muss ich das Skar schon zustimmen.
 
AW: Eskapismus

Realitätsflucht wird nunmal gerne in Bezug auf Rollenspiele, Computerspiele oder sogar zuviel lesen verwendet.
Das Problem ist ja nicht die Flucht selbst, weil diese hilft sich zu entspannen und einfach was anderes zu erleben.
Allerdings gibt es leider immer wieder labile Leute, die aus dieser erschaffenen (oder selbst erschaffenen) Welt nicht mehr entfliehen wollen.
Teilweise ist es einfacher in seiner eigenen schönen Phantasie zu leben als in der harten wirklichen Welt.
Doch ist meine Frage ist Realitätsflucht eine Sucht, eine Sucht die Realität zu verlassen? Oder kann es zu einer Sucht führen?

Gruß
Altansar
 
AW: Eskapismus

Ich halte das für ein sprachliches Problem.
Soll hier über Eskapismus oder Realitätsflucht geredet werden? Und wie genau ist der entsprechende Begriff in diesem Kontext hier definiert? Wenn das geklärt ist, ist der Rest trivial, behaupte ich. Und das zu klären, liegt am Threadersteller... Es sei denn, er verweist ganz ausdrücklich auf die Diskutanden. Dann sollte sich jemand anders erbarmen und eine klare Definition schaffen...

OffTopic
Vielleicht sollte ich mir diesen Text kopieren und hinterlegen, er wird so oft hier im Forum gebraucht...
 
AW: Eskapismus

Ich denke was der Altansar sagt schlägt auf jeden Fall schon in die richtige Spur. MMn ist es ein schmaler Grat der positiven Eskapismus und negative Realitätsflucht trennt. Es obliegt jedem selbst es genauso zu dosieren, damit er damit klar kommt. Sieht ja genauso bei Fernsehen, Zigaretten, Alkohol, Glauben, anderen Drogen, etc. aus.

Warum es in Teilen der Gesellschaft so einen schlechten Ruf hat, hängt denke ich damit zusammen, dass ein flüchtender nichts mehr zu der Realität beiträgt. Während andere vollkommen im hier und jetzt hängen, sich den "Arsch aufreißen" und dafür ackern das es hier besser wird, hängen andere in ihren "Traumwelten" und profitieren in der Zeit von den Früchten anderer Arbeit. Dazu noch die Suchtgefahr, dass derjenige immer mehr in seiner Traumwelt hängen bleibt und Zack. Ist es negativ belastet. Immerhin ist es ja dann ein Schmarotzer.

Ob diese Sichtweise Sinn macht... :fool: Ich denke nicht.

Two Cent
mfg
Corven
 
AW: Eskapismus

Ich halte das für ein sprachliches Problem.
Soll hier über Eskapismus oder Realitätsflucht geredet werden? Und wie genau ist der entsprechende Begriff in diesem Kontext hier definiert? Wenn das geklärt ist, ist der Rest trivial, behaupte ich. Und das zu klären, liegt am Threadersteller... Es sei denn, er verweist ganz ausdrücklich auf die Diskutanden. Dann sollte sich jemand anders erbarmen und eine klare Definition schaffen...
Es soll über Eskapismus geredet werden und dem vorherrschenden Konsens es mit Realitätsflucht gleichzusetzen.
Das auch vor dem Hintergrund, das man Eskapismus eine zunehmende Bedeutung (zum Abschalten, Verarbeiten und Inspirieren) in einer zunehmend hektischen Zeit beimessen kann.
 
AW: Eskapismus

Ich versuche dann mal das (aus meienr Sicht offensichtliche) zu antworten, wobei ich trotz Skars Ausführungen imme rnoch interpretieren muss, was denn genau gemeint ist.

Also:
Realitätsflucht kann durchaus positiv gedeutet werden. Sie kann der Verarbeitung, Bewältigung und Inspiration dienen. Eine negative Komponente der Realitätsflucht kann aufkommen und dann auch schnell überhand gewinnen, wenn Realitätsverlust eintritt, das heißt, wenn Realität und "Traumwelt" nicht mehr klar getrennt sind bzw. wenn der Übergang schwer fällt. Solange kein Realitätsverlust eintritt, ist Realitätsflucht neutral oder positiv zu bewerten.
 
AW: Eskapismus

Ich versuche dann mal das (aus meienr Sicht offensichtliche) zu antworten, wobei ich trotz Skars Ausführungen imme rnoch interpretieren muss, was denn genau gemeint ist.
Was fehlt dir denn noch?

Ich spreche von einem Eskapismus, der durch Immersion in die Phantastik positive Begleiterscheinungen beim Menschen hervorruft. Ich sehe diesen als anstrebsam in Hinblick auf die Kompensation einer Welt voller äußerer Reize, die einen ständig überfluten. Ein selbstgeschaffener Freiraum, der Raum zur Selbstenfaltung gibt.
 
AW: Eskapismus

Ich halte es für äußerst schwierig, den Begriff ab- oder einzugrenzen, da jegliche Beschäftigung mit Nicht-Realen oder so nicht möglichen Dingen eine gewisse Form von Flucht darstellt. Das beginnt scheinbar harmlos bei Seifenopern und Filmen, die zwar eine tatsächlich existierende Welt vorgaukeln, dies jedoch in meinen Augen äußerst fragwürdig umsetzen. Demzufolge wäre jeder Fernsehbeitrag, der keine Dokumentation ist, eine Vorspielung einer falschen Realität, bei dem der Zuschauer in selbige flüchtet. Er nimmt Probleme und Sorgen der Akteure wahr, beschäftigt sich damit, etc. Sind nicht auch damit die Kriterien erfüllt?
Und ist im Gegenzug dazu nicht auch eine Dokumentation über z.B. die Tierwelt Afrikas, obschon über reale Verhältnisse und Gegebenheiten berichtend, nicht auch eine Flucht, namentlich in die scheinbar heile Welt von Tieren und ihrem Lebensraum?
Zieht man den Kreis noch weiter, so wären auch Nachrichtensendungen davon betroffen, denn auch hier gibt es subjektive bis verfälschende Darstellungen von Wahrheiten.
Wo beginnt man also, wo zieht man die Grenze?
Was ist mit Biographien, Gedichten, oder Bildbänden?
Diese Gedanken lediglich im Hinblick auf eventuelle Grundsatzdiskussionen zur Basisbereitung.

Eskapismus als Rückzugsmöglichkeit in phantastische Gefilde sehe ich als Entfaltungsmöglichkeit in mehreren Bereichen. Es bietet die Chance, Verhaltensmuster auszuprobieren, schult damit auch die eigene Menschenkenntnis sowie das soziale Verhalten; wenn amn schriftstellerisch oder künstlerisch daran arbeitet, findet man einen Ausgleich wie andere beim Sport und, besser noch, schult eigene Fertigkeiten im Hinblick auf Sprachvermögen, Ausdruck, etc.
Insgesamt gesehen also eine recht positive Sache.

Es verhält sich jedoch wie mit Allem:
"Jedes Ding ist Gift, allein die Dosis macht´s!"
 
AW: Eskapismus

Ich bin gerade auf einen Blog-Artikel gestoßen, der den Eskapismus-Gedanken mal ein wenig unter die Lupe nimmt und etwas weiter trägt.

Quelle: Eskapistischer Sonntag

Der Artikel startet mit der Planung des kommenden Urlaubs als Familien-Eskapismus, macht einen Schlenker über die doch so viel seriösere "Oral History" und kommt schlussendlich bei einem Plädoyer an, dass ich voll und ganz stütze.

Lesenswert!
 
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