AW: DSA-Gebashe!!! Warum?
@Maeschda: und ist es nun deiner Meinung nach "phantastisch, realistisch" geworden?
Phantastisch Definitiv. Realistisch ist problematisch, denn gerade im Bereich des Rollenspiels alles andere als klar definiert. Ich hab das Gefühl, jedes mal, wenn ich nachfrage, was für Ansprüche mit "realistischem Spiel" verbunden sind, bekomm ich ne völlig neue Antwort.
Zwei Antwort-Typen könnte man zusammenfassen: Zum einen die Physio-Realisten und zum anderen die Polit-Realisten, Mischformen dann nach belieben.
Der physiorealistische Anspruch ist das Bedürfnis nach einer physikalisch in sich geschlossenen Welt, die mit unserer vergleichbar ist. Naturgesetze dürfen abweichen, etwa durch Magie, müssen dann aber konsequent durchgezogen werden. Abweichungen von bisher Gesetztem oder irdisch Normalen benötigen zusätzlichen Erklärungsbedarf. So ist etwa die Luft in Aventurien durch Sumus Lebenskraft besonders heilsam, was die im Vergleich zu irdischen Maßstäben schnelle Genesung mit den DSA-Regenerationsregel erklärt. Spieler mit diesem Realismus-Begriff begrüßen an DSA4 z.B. die Wundenregeln. Auch und gerade im Bereich der Magie wird und wurde spätestens ab DSA3 sehr auf diese Fraktion eingegangen.
Thomas Römer: Magie ist berechenbar schrieb:
Eine magische Welt braucht innere Logik oder: Zauberei ist (in Aventurien) die "natürlichste Sache der Welt". Das verlangt aber auch nach einer gewissen"magisch-naturwissenschaftlichen" Erklärbarkeit der Welt. Magie ist in Aventurien eine Wissenschaft, und viele gelehrte Männer und Frauen suchen nach den "letzten Geheimnissen"; die Astralenergie und ihre Ausformungen sind eine weitere "Wechselwirkung" im Gefüge der Welt, ebenso natürlich wie die Schwerkraft - und eine Wirkung mag die andere übertreffen (weswegen Drachen fliegen können).
Auf die Spitze getrieben wurde dies wahrscheinlich gegen Ende der 3. Edition mit den Antworten auf Fanfragen im Compendium Salamandris. Dabei waren so Brüller wie die folgenden beiden Beispiele:
Wenn man sich mittels ADLER WOLF in ein männliches Tier (Rüde, Kater) verwandelt und dann ein weibliches Tier derselben Art deckt, wird dieses dann trächtig? Und: Was trägt es aus?
Ja, das Tier wird (im Rahmen üblicher Wahrscheinlichkeiten) trächtig und trägt ein (oder mehrere) Exemplar seiner Gattimg aus.
Wenn eine Magierin oder Elfe sich nun in ein weibliches Tier verwandelt, kann sie von männlichen Exemplaren der Tierart geschwängert werden und was kommt dabei heraus?
Ja sie wird (im Rahmen der üblichen Wahrscheinlichkeiten) schwanger, aber nur bis zum Ende des Zaubers. Danach hat sie eine befruchtete tierische Eizelle im Bauch — und so etwas nistet sich üblicherweise nicht ein.
Man kann eine hervorrgehobene Bedienung und Konzentration auf einen physiorealistische Spielwelt also nicht absprechen. Das gilt auch gerade für Abenteuer. Wo immer Phänomene auftraten, die so von Regeln nicht abgedeckt waren oder völlig neu waren, wurde eine Verknüpfung und Begründung aus bereits bekanntem gesucht. Regelentwicklung wurde dabei allerdings oft eher stiefmütterlich behandelt. Weshalb hier eine interessante Diskrepanz entstand, die auch durch DSA4 wieder bestätigt wurde.
MSZ Seite 76 schrieb:
Es gilt, einen Kompromiß zwischen Realismus und Spielbarkeit zu finden.
Dieses Motto hatte man sich wohl auch zu mindest teilweise bei den Steigerungskosten der Talente und bei der Einbindung der Abenteuerpunkte als Kernressource des Kaufsystems, auch wenn es immer wieder irreführend als Maß der gemachten Erfahrung bezeichnet wird. Aventurien selbst schein davon aber nicht beeinträchtig zu sein. Die "unrealisitischen", balancefreundlichen Designentscheidungen wurden nicht auf die Spielwelt übertragen. Es gibt immer noch mehr Waffenvolk als Linguisten und Meistermechaniker, auch wenn die zweite Gruppe nach Regelwerk deutlich leichter zu erlernende Gewerbe darstellen und NPC-Magier können nach wie vor aus Büchern studieren und forschen, ohne AP in Abenteuern sammeln zu müssen. Fantastischer Realismus ist in der Spielwelt also also deutlich stärker ausgeprägt als in den Spielregeln.
Kommen wir zum Polit-Realismus: Hierunter fasse ich realismusbezogene Ansprüche an die Gesellschaftsstruktur und die NPCs der Spielwelt zusammen. Dabei unterscheide ich der einfachheit halber nicht zwischen dem Bedüfnis nach historischer Authentizität der abgebildeten Kulturen und die Forderung nach "intelligenter" politischer Dynamik, also das Bedürfnis, dass politische Prozesse und Konflikte auch aus Sicht der politischen Akteuere nachvollziehbar bleiben und nicht passieren, "weils halt für den Plot praktisch ist".
Beides lässt sich recht schwer nachweisen. Die historische Authentizität ist natürlich schon dadurch nicht gegeben, dass die simulierten Kulturen durch ihre Umwelt (Magie!) von irdischen Vorbildern abweichen - Aber ob die Veränderungen bedingt durch die Umweltabweichung plausibel ist - Wer kann das schon sagen? Ähnlich subjektiv, dafür leidenschaftlich, wird über die Sinnigkeit von NSC-Entscheidungen diskutiert. Aber was hilfts? Anthropologie und Psychologie sind eben nicht so eindeutig wie grundlegende Sexualkunde... Ich denke da stoßen wir auch an die Grenzen dessen, was ein fantastischer Realismus als theoretisches Konstrukt leisten kann.
Fazit: Ja, im überprüfbaren Rahmen kann man gewisse Akzente naturwissenschaftsartiger Erklärungsansätze für fantastische Elemente in der Spielwelt feststellen. Für das Regelsystem gilt dies nur eingeschränkt, nämlich im Rahmen dessen, was die Autoren für die "Spielbarkeit" als erforderlich ansehen. Das wird aber auch offen kommuniziert. Es ist also kein Bruch mit dem Spielversprechen.
So, maeschda müde...Bett