AW: Dresden Files RPG
Aber so "ENORM VIEL" größer, schwer zu vermitteln und umfangreicher an Seiten ist es auch wieder nicht.
Denk z.B. mal an die Seitenzahlen die man lesen muss, um die nWoD (in dem Umfang) zu lernen ... oder Deadlands.
Der Vergleich mit dem Umfang des auf MASSE ausgelegten nWoD-Produktumfelds hinkt. - Wieviele Bücher MUSS (das ist ein wirkliches MUSS, nicht als "sollte" oder "wäre auch gut zu kennen") man lesen, bevor man einen Charakter erschaffen kann und losspielen kann?
Vor allem, da nWoD mit dem Regelkern separat daherkommt, was es zu einem schon eher "generischen" Regelsystem macht, statt zu einem auf genau EIN Setting fokussiertem.
Bei Deadlands ist der Vergleich sogar ausgesprochen schlecht. - Deadlands spielt sich, GERADE zum Einstieg, BESTENS nur mit dem Grundbuch! Da ist ALLES drin, was man braucht. In großer Schrifttype, somit auf recht wenig Text. Und es gelingt auch Leuten, die Deadlands das ERSTE MAL in die Finger genommen haben, SOFORT einen Einstieg zu finden, zu erkennen, was und WIE man hier spielt, und selbst eine Runde aufzuziehen und zu leiten.
Da habe ich tatsächlich JEDE MENGE Erfahrungen von Deadlands-Freunden, welche mir genau dies wieder und wieder bestätigen.
Dagegen fand ich MEINE EIGENEN Versuchen mit FATE-Spielen einen Einstieg zu finden außerordentlich frustrierend. - Ich meine damit "Aces&Eights"-artig frustrierend, nicht etwa Rolemaster-artig frustrierend oder D&D-3E-artig frustrierend, oder so.
Und mein Empfinden des Frustes ist natürlich INTENSIVER, weil ich schon seit vielen Jahren Butcher-Romane lese und wirklich GERNE im Dresdenverse spielen würde (ohne mir das alles mittels Witchcraft oder HeroQuest selbst zusammenzuschustern).
Wieso ist es denn so schwer, Spieler für FATE zu gewinnen? Was sagen die denn so, warum sie es nicht wollen oder können?
Die winken ab, wenn ich ihnen in Aussicht stelle, daß sie vermutlich mehr als eine oder vielleicht anderthalb Stunden in die Charaktererschaffung stecken müssen.
Und zurecht.
Wenn ICH nicht weiß, ob ein Rollenspiel etwas für mich ist, und ich soll erst einmal eine GANZE Spielsitzung reinstecken, BEVOR ich mit dem Spielen des Charakters anfangen kann, dann überlege ich es mir auch zweimal. Denn in derselben Zeit könnte ich eine RICHTIGE Spielsitzung von einem Rollenspiel haben, bei welchem die Charaktererschaffung schneller geht, oder wo ich mit einem daheim in aller Ruhe zusammengebastelten Charakter ankommen kann.
Charaktererschaffung GEHÖRT zum Spiel und ist - gerade bei Lifepath-Systemen - bisweilen ein Minigame, welches dem eigentlichen Charakterspielen vorgeschaltet ist. - Aber es ist NICHT das Spiel, wofür ich mir die Zeit nehmen möchte. Das ist das Spielen MEINES Charakters, während die Spielweltzeit bereits "läuft". Alles andere ist nur Vorbereitung oder Nachbereitung, aber eben im OFF.
Der Unterschied ist das in Fate der Charaktererschaffungsprozess nicht geprägt vom auswählen vorhandener möglichkeiten ist sondern von der spannung, dem miteinander und der kreativen vielfalt.
Das Problem kenne ich aus HeroQuest und früher aus HeroWars schon länger: Gibt man NICHTS vor, dann kommen die allermeisten Spieler einfach NICHT IN FAHRT.
Nur Leute, die bereits mit den Genre-Konventionen, den Setting-Konventionen, und dem Setting an sich GUT vertraut sind, haben gewisse Anhaltspunkte, was denn stimmig ist, und was nicht.
Ich weiß auch, daß die Stadt-Erschaffung in der Gruppe diese Art "Grundkenntnisse" des Settings vermitteln soll. - Wird sie vermutlich auch tun.
Nur, wenn ich erzähle, daß wir uns das Setting gemeinsam erst BAUEN sollen, dann winken mir die Spieler ebenfalls ab.
Fate-FANS sind Leute, die GERNE SELBST mit Spielleiter-Schöpfungsmacht ein Setting GESTALTEN wollen. Denen es nicht nur gelingt hierfür Ideen zu entwickeln, sondern die daraus sogar ihre Spaßquellen ziehen. Das sind Spieler, die über Spielleiterqualitäten und Spielleitermotivationen verfügen.
Spiele für Spielleiter als Spieler, sozusagen.
Und diese Spielleitermotivationen sind es insbesondere, welche viele Spieler NICHT haben. - Sie wollen ENTDECKEN, und nicht alles Selbstbauen müssen.
Unterschied: Was gibt es hier? - Statt: Was kann ich hier alles hinstellen, ändern, hinzufügen?
Das Problem geht tiefer: OHNE die Überraschung, OHNE das Entdecken, bzw. das Aufdecken des UNBEKANNTEN geht das ABENTEUERLICHE verloren. - Es bleibt spannend, weil man ja alle Kräfte, die hier wirken, bereits kennt, und somit über die Konsequenzen von Handlungen bessere Vorhersagen treffen kann. Das kann AUCH die Spannung halten.
Aber die meisten Spieler, die mir so begegnen, sind eben KEINE Spielleiter-im-Spielergewand, sondern Spieler. - Als solche haben sie die Motivation von Entdeckern, Erkundern, Ermittlern - Abenteurern eben.
Und sie müssen VON AUSSEN jeweils DAS NEUE bekommen, um ihre Spaßquellen zum Sprudeln zu bringen.
Der Abenteurer unter den Spielern ist der SUCHER nach der Quelle des Nils, oder dem Mörder des Präsidenten.
Der Erschaffer unter den Spielern ist der BAUMEISTER, der selbst festgelegt hat, daß es nicht nur eine Quelle des Nils gibt, oder daß der Präsident vom Comedian erschossen wurde. - Und derartige Festlegungen sind eben in traditioneller aufgestellten Rollenspielen die ALLEINIGE Domäne des Spielleiters.
Der Mann hinter dem Schirm. - Egal ob einer auf dem Tisch aufgestellt wird, oder nicht: Für diese - übliche - Art des Rollenspiels läßt sich der Spielleiter nicht in die Karten sehen. Und die Spieler wollen das auch nicht!
bisher hbe ich jedesmal auch bei neulingen in sachen fate festgestellt das Charaktererschaffung schon spielen war.
Ja. Natürlich ist das auch schon Spielen. Wie in Traveller das Auswürfeln der Charaktere via Lifepath. Oder wie in A Dirty World, jeder Charakter Dunkle Geheimnisse der anderen Charaktere kennen muß. - Schon. - Das ist auch ein TEIL des Spiels.
Aber man spielt NOCH NICHT den Charakter, sondern hier spielt man wie mit "Knetgummimasse", aus der man sich in der Gruppe unterschiedliche Figuren basteln, Ideen von anderen aufnimmt, seine Figur immer wieder umbaut, bis man dann alle Figuren in den Ofen zum Aushärten legt.
Und DANN ERST spielt man mit diesen FERTIGEN Figuren "richtig". - D. h. dann erst spielt man DIE FIGUREN und nicht nur DAS BAUEN VON FIGUREN.
Wenn ich Leute für Fate zu gewinnen versuche, dann MÜSSEN die sich darauf einstellen, daß sie die erste Spielsitzung nur mit "Konferenz" zubringen. Mit einem "Spielercharakterkonstruktions-Workshop". - Aber eben nicht mit dem Spielen DES CHARAKTERS.
Und - soviel Einsicht setze ich mal voraus - NUR das Spielen des Charakters ist es, was gemeinhin das Rollenspielen als Methode ausmacht. - Lifepath-Auswürfeln, Charaktergenerator anwerfen, SC-Bastel-Konferenz durchführen, usw. - Das ist NICHT Rollenspielen, sondern etwas Spielerische, um die VORAUSSETZUNG für das Rollenspiel zu schaffen.
Und in diese Vorarbeiten - man kann es auch Hausaufgaben nennen, denn oft kann man das tatsächlich daheim und ohne Druck machen - möchte viele Spieler, ALLE, die ich angesprochen habe, eben nur so WENIG WIE MÖGLICH Zeit reinstecken.
Dies umso mehr, wenn sie weder Fans des Regelsystems sind, noch das Setting kennen. - Das ist eine INVESTITION an Zeit und - hier ja GEFORDERT - an kreativer Energie, von der man nie weiß, ob sich diese spielerisch lohnend erweisen wird.
Daher die ABLEHNUNG im Vorfeld für solche "Fun Later"-Vorlauf-Sitzungen. - Fun NOW! Das ist etwas, was das Risiko ein unspaßiges Rollenspiel zu entdecken auf genau EINE Sitzung beschränkt.
Beispiel: Labyrinth Lord. Charaktererschaffung geht ruckzuck. Auch für Leute, denen man die einzelnen Schritte erst Sekunden vor dem Würfeln erklärt. Und dann hat man in kürzester Zeit eine Gruppe spielfähiger Charaktere, die den EIGENTLICHEN Gruppenbildungsprozess IN-GAME durchführen, statt ihn "pre-game" via vorgeschalteter Sitzung zu Konstruieren.
Und mal Hand aufs Herz die Systeme die es ermöglichen nach der Charaktererschaffung, die was weiß ich freitags 8 uhr beginnt sofort loszuspielen ist doch gering als das wirklich platz für eine anständige session bleibt.
Bei den Spielen, die ich so spiele, ist das tatsächlich KEIN Problem.
Ich spiele KEINE "Regelmonster", da ich die Zeit nicht in das "Rules-Wrestling" stecken möchte, sondern lieber in das Spielen bzw. Vorbereiten von Spielinhalten. - Daher sind die Rollenspiele, für welche ich regelmäßig hinter dem Schirm sitze, eher von der regeltechnisch eingängigeren, übersichtlichen Seite.
Fate ist ja auch als eingängig, übersichtlich, usw. positioniert. Das betrifft aber die Spielregelanwendung WÄHREND des Spiels. - Die Charaktererschaffung, und die Settingerschaffung nicht zu vergessen, sind "Extra-Spiele", die eben zusätzlich erfolgen und eine ganz andere Bereitschaft, die Bereitschaft zum Ärmelhochkrempeln und Einsteigen in den Meta-Raum, erfordern.
Daher, so mein Eindruck, fällt es mir schwer Spieler zu ausreichend "Commitment" zu bewegen, daß sie für eine oder zwei Spielsitzungen Stadt und Charaktere erschaffen wollen, BEVOR es eigentlich wirklich losgeht, und dann noch, damit es sich irgendwie "lohnt", für mehrere Spielsitzungen das eigentliche Rollenspiel der erschaffenen Charaktere in der erschaffenen Stadt machen wollen.
Sind denn die Spieler in Euren Fate-Runden alle irgendwie von vorneherein zu längerfristigem Engagement bereit?
Wieviele Spielsitzungen setzt ihr denn für eine PROBE-Runde mit Fate-basierten Rollenspielen an? - One-shots mit vorgenerierten Charaktere halte ich für geradezu unmöglich. Kurzszenarien mit Charakter- (und ggf. Setting-)Erschaffung sind gleich mehrere Spielsitzungen, wenn die Charaktererschaffung so lange dauert, wie bislang immer wieder berichtet wurde.
Ist eine Fate-Runde somit IMMER gleich als Kampagnen-Runde für Dauerspiel auszulegen?