AW: Der "(un)gesunde" Menschenverstand vs. den PG Vorwurf
Malkav schrieb:
Warum wird eigentlich immer der PG Vorwurf laut, sobald einer der Spieler/Charaktere Ideen auf den Tisch bringt, die "besonders effektiv" sind?
(1) Weil diese Charaktere in aller Regel über Gebühr "offplay rational" sind, sprich die Gründe, aus denen sie besonders effektiv sind, auf Offplay-Regeleffekten beruhen, die dem Charakter inplay so nicht bekannt wären.
(2) Weil es bei den betreffenderen Spielern und Charakteren ein ans "Unrealistische" grenzendes Ungleichgewicht gibt zwischen "Was nützt?" und "Wie fühle ich mich?". Besonders effektive Vampire sind in aller Regel deshalb so besonders effektiv, weil sie besonders wenig Schwächen haben. Das wiederum macht sie aber auch besonders platt und lanngweilig. Es entsteht der Verdacht, der Spöieler wolle keine besonders interessante Geschichte erzählen, sondern nur gewinnen.
Ich versuche das anhand deiner Beispiele zu verdeutlichen:
Malkav schrieb:
Imho ist die Frage "wie in Gottes Namen schaffe ich es in möglichst kurzer Zeit im Rahmen meiner Möglichkeiten möglichst mächtig zu werden" ein ganz normaler Gedankengang den ich in- wie auch outtime völlig nachvollziehen kann.
Okay, Gegenfrage: Was hindert dich als Spieler, der du denkst, solche Gedankengänge seien ganz normal, daran, Bürokollegen zu diskreditieren (um schneller aufzusteigen) oder in deiner Freizeit Drogen zu verkaufen (um mehr Geld und damit mehr Macht zu bekommen)?
Vampire "So wie es gedacht ist"(TM) ist ein Erzählspiel um persönlichen Horror und SOLL eigentlich ein Spiel sein, in dem man sich versucht in die Situation eines Vampirs hinein zu versetzen.
Die Motivation eines Vampirs mag sein, machtvoll zu werden - er hat aber neben einer eiskalt-seelenlosen Analyse seiner Möglichkeiten auch Moralvorstellungen, Schwächen, Überempfindlichkeiten, innere Konflikte um Schuld und Sühne. Wer diese ausklammert, um die Effektivität des Charakters zu erhöhen, betreibt Powergaming.
Mein Lieblingsbeispiel: "Ich stelle mir einen Vampir mit Menschlichkeit 10 auf, dann kann ich öfter diablerieren, bis ich bei Null angekommen bin".
Malkav schrieb:
Was ist intime an dem Plan möglichst viel und klug zu diablerieren um an Macht zu gewinnen (ausser dem Verbot durch die Traditionen) auszusetzen? Die Idee kann einem durchaus kommen, denn sie ist naheliegend.
Nein, ist sie nicht. Weil dein Vampir über Diablerie weit weniger weiß als du. Du als Spieler "weißt", wie Diablerie funktioniert. Was gewürfelt wird, was für Kräfte man gewinnen kann. Dein Charakter weiß hingegen nicht, was ihm Diablerie konkret bringt. Er weiß nicht, ob an den Legenden etwas dran ist, dass man bei der Diablerie auch von seinem Opfer übernommen werden kann. Oder ob man durch Diablerie zum hirnlosen Vampirblut-Junkie wird. Oder ob Diableriemale bestehen bleiben, durch die dich jeder Justikar automatisch erkennt und hinrichtet.
Die Verlockung der Diablerie mag inplay da sein. Der Plan, tatsächlich eine solche geplant zu begehen, scheint aber (außer beim Sabbat, wo halt auch inplay erzählt wird, Diablerie sei geil) reichlich bescheuert zu sein.
Außerdem werden wiederum alle moralischen Fragen ausgeklammert: Der Charakter agiert rational, ohne Moral, seelenlos nur auf Effektivität fokussiert. Er ist platt, unglaubwürdig, öde. ÄRGERLICH. Denn er bietet plattes B-Movie-Bösewicht-Niveau in einem wesentlich interessanteren Horror Setting.
Malkav schrieb:
Was ist an der Idee dem Gegner alles an Diszikombos um die Ohren zu knallen was einem so in den Sinn kommt auszusetzen? Würdet ihr wenn es um euer Leben oder meinetwegen auch Ziel geht irgendne Möglichkeit die euch offensteht auslassen?!
Gefährliche Fangfrage. Wenn es um das eigene Leben geht: Nein, vermutlich nicht. Aber ich würde keine Biowaffen über Indien zünden, weil ich vermute dass dort ein Gegner von mir rumläuft.
Wer ALLES tut, weil er Angst vorm Sterben hat, handelt glaubwürdig. Wer Menschlichkeit 8 hat und einen Gegner mit einem Feuerzauber qualvoll verenden lässt, weil er's kann, handelt NICHT glaubwürdig, sondern powergamerig und schlimmer noch: Pappnasig.
Malkav schrieb:
Was ist das Problem wenn jemand anderes besser/klüger/älter/erfahrener/stärker ist als man selbst? Ich komme öfters Mal in Situationen wo ich der Willkür anderer ausgesetzt bin und muss damit leben.
An sich kein Problem. ES SEI DENN der Betreffende ist besser/stärker weil er einen unrealistischen/auffallenden Mangel an Schwächen/Persönlichkeit hat.
Im übrigen sind diejenigen, die fordern, man solle sich nicht über Mächtigere aufregen, die gebe es in der "realen" Welt nunmal, in der Regel die gleichen Powergamer, die völlig auskreisen, wenn ein SL-Charakter auftaucht, der mächtiger ist als ihr SC. Und genauso fies und skrupellos agiert wie dieser.
Weil - wunderbarer Umkehrschluss - WENN es ein natürlicher Gedanke ist, dass jeder so machtvoll werden will, wie er kann, DANN wird jeder Ahn deinen Vampir töten, einfach nur so, um eine Gefahr zu beseitigen.
Tolles Spiel! GANZ GANZ GROSSES KINO!
Malkav schrieb:
Was ist daran auszusetzen wenn man schon ein Arschloch spielt auch mit "schmutzigen Tricks" zu arbeiten und das ganze so zu arrangieren, dass mein Gegner möglichst wenig Schnitte gegen mich hat?
Nichts. Aber wenn du ein Arschloch spielst, erwarte einfach nnicht, dass dich die anderen dafür lieben werden. Warum sollten sie?
Malkav schrieb:
Was ist falsch daran sich zu spezialisieren/optimieren? Es gibt da draussen mit Sicherheit Leute die 10.000 Volt in den Armen haben bei denen aber oben kein Licht brennt ebenso wie es Leute gibt, die das Glück gepachtet haben. Klar bin ich da neidisch drauf, aber es bleibt nunmal nicht aus.
Erneut eine Frage des realistischen Maßes. Ein Shadowrun-Charakter, der seinen Lohn von 15.000 ecu bis auf den letzten Cent spart oder "vernünftig" anlegt in mehr Waffen/Sicherheit (Macht!) ist unrealistisch und daher powergamig. Und zwar präzise deshalb, weil er nur in Dinge investiert, die einen REGELEFFEKT bedienen (Offplay!). Wäre er ein machtversessenes Arschloch, würde er stattdessen 15.000 ecu für eine goldene Rolex hinblättern, um seine Macht zu dokumentieren und im Status der Herde aufzusteigen. Gäbe es hierfür eine Regel, würde das auch passieren.
Umkehrschluss beim Vampir: Ein Ventrue, der sein ganzes Leben lang nichts anderes macht als Omas Angst einjagen (Einschüchtern steigen) und Kellner im Bistro hetzen (Befehligen steigern) ist in bezug auf seine Disziplin Beherrschung hochgradig effektiv, aber völlig nasig und powergamig, wenn er umgekehrt nicht mal Basis-Ahnung von Geschichte, Mathematik, Politik oder ähnlichem hat.
Malkav schrieb:
Generell möchte ich fragen: Wenn ich als 24 Jahre alter Rollenspieler ne "gute Idee" habe... warum ist es so schwer zu akzeptieren, dass ein Vampir mit 300 Jahren Erfahrung im Dschihad auf dieselbe Idee kommt?
Weil du zur Generierung deiner Idee dein Offplay-Regelwissen verwendest, was dein Vampir nicht kannn. Weil du willentlich unzählige Haken an deinem Plan unbeachtet lässt (z.B. Moral, Menschlichkeit, Motivation, Angst vor Versagen und den Folgen eines Fehlschlages ("Ich kann mir ja bei Fehlschlag nen neuen Charakter basteln")). Weil dein Charakter, wenn er einfach nur Macht will (statt z.B. Respekt) so ziemlich das Dumpf-Platteste ist seit Ming dem Zerstörer!
Malkav schrieb:
Daher meine gewagte These: Es gibt kein Powergaming! (...sondern nur den Neid darauf, dass man die Idee nicht selber hatte, bzw. das schale Gefühl in diesem Punkt unterlegen zu sein.)
Nur Sith ... äh ... Powergamer denken in Kategorien von Sieg und Neid.
AAS