Der Artikel meint verstanden zu haben, was der Film sagen wollte und beschwert sich darüber, dass er dies dann nicht gut umsetzt - und kommt dabei nicht auf die Idee, dass der Film vielleicht eine ganz andere und sogar deutlich coolere Message transportien wollte und dies auch gut umgesetzt hat.
Im Detail (entsprechend mit leichten Spoilern):
Der Artikel sieht die fehlende emotionale Kontrolle von Carol Danvers, die ihr Mentor kritisiert, als typischen Mann-Frau-Konflikt, dass Frauen zu emotional seien - und baut hierauf einen zentralen Teil seiner Kritik auf. Bullshit!
Carol Danvers Emotionalität ist keine klischeehafte "Frauen-Emotionalität". Sie ist weder weinerlich, noch zickig, noch übermäßig sensibel oder sonst irgendwas aus dem Schema "Frauen kommen von der Venus". Sie ist ein heißblütiger Draufgänger - DAS ist ihre emotionale "Schwäche" und so ziemlich das letzte, was man im klassischen Rollenbild Frauen unterstellen würde.
Sie ist eine abenteuerlustige Rennfahrerin, Soldatin, Pilotin und Astronautin.
Und ja: Die Charakterentwicklung beinhaltet keine Änderung dieser emotionalen Stoßrichtung. Ganz im Gegenteil: Sie beinhaltet für Carol die Erkenntnis, dass dies eben nicht ihre Schwäche ist, weil sie zwar einerseits aufgrund ihres Draufgängertums immer mal wieder einstecken musste, dies aber auch einstecken konnte.
Die Darstellung von Carol Danvers deckt auf den Punkt all das ab, was ich immer meinte, wenn ich im Sexismus-Thread schrieb, dass für mich verbale Unterstützung der Emanzipation von Mädchen und junge Frauen nicht über "du Arme, sei bewusst wie unterdrückt du wirst und hoffe auf Solidarität" laufen sollte, sondern über "erkenne, wie stark du bist und zieh dein Ding notfalls auch gegen Widerstände durch".
Und in diesem Sinne habe ich im Kino die Szene mit "I'm just a girl" auch absolut gefeiert:
Der Film und seine Heldin suhlen sich nicht in der Tragik des Sexismus oder sagen ihm mit dem Messer zwischen den Zähnen den Kampf an. Nein, sie stehen mit einer beeindruckenden Selbstverständlichkeit und einem herablassenden Schmunzeln über den verkohlten Resten des Sexismus ohne auch nur den geringsten Anflug von Missionierungseifer oder Verbissenheit. Frauen müssen nicht stark werden, Frauen müssen nicht frei werden - Frauen SIND stark und frei, wenn sie sich nicht einschüchtern lassen, sondern mit Selbstverständlichkeit nehmen, was ihnen zusteht.
Saustark!