[Beginn Mai 2008]Interessensgebiete

"Ja, es machte schon den Eindruck, als wäre sein Geschäft weit verzweigt, aber darüber brauche ich mir keine Gedanken machen, glaube ich, es sei denn, du wolltest mir mit deiner Bemerkung mehr als nur einen kleinen Schrecken einjagen." Es war für Anna gleichtgültig, ob der Russe nur reich und mächtig war oder zu gleich auch noch in den kriminellen Bereichen aktiv war. Deswegen war sie nicht hier her gekommen und zur Zeit hatte sie weder das Bedürfnis eine solche Verbindung in einem solchen Sinne zu nutzen noch bestand die Notwendigkeit. Gleichwohl hatte sie sich seinen Namen gemerkt. Mit ein wenig Glück würden sich die geschäftlichen Wege nie kreuzen und wenn doch, mochte dieser Abend nicht zum Nachteil gereichen. Jedenfalls gab es jetzt eine Gruppe Männer, die sie.... sanfter anfassen würde als andere, wenn sie in einem gewissen Bereich in Schwieirgkeiten geraten sollte. Es hatte schon eine dezent beruhigende Wirkung, wenn man als junge Frau mit solchen Männern sprach, die man nicht kannte und die durchaus einen Hauch von potentieller Gewalt verbreiteten, wenn sich die Frau sicher war nicht ganz so wehr- und harmlos zu sein wie es der äußere Schein vermuten lassen würde.
"Du willst es mir nicht leicht machen, hmmh? Erst fragst du mich freundlichen 'du' nach dem Vodka und dann wechselst du wieder zum Sie. Ich weiss, es gehört sich nicht, für die Jüngeren es an zu sprechen, aber dieses hin und her macht mich ganz verrückt. Dann weiss ich nicht, wie ich mich benehmen soll. Darf ich so frei sein und dir meinen Vornamen anbieten?"
 
"Gut...dann bin ich Aljosch und Dein Name war? Zu Piotr Illjitsch, ja, er ist einflussreich, eiflussreicher als der Pope in unserer Gemeinde...und er hat Feinde. Pass auf wenn Du weiter mit ihm verkehrst...er steht kurz vor einem Krieg. Du könntest ins Schußfeld geraten. Hergül und seine Leute haben überall Augen und Ohren."
 
"Lisa.", sagte Anna und lächelte leicht. "Ich mag die Abwandlung, die Pjotr Illjitsch verwendet. Er nennt mich Elzbieta. Such dir aus, was dir lieber ist. "Hergül, hmmh? Das klingt nach einem türlischen Nachnamen. Wie passend.", erzählte sie weiter, während sie in ihrer Tasche nach etwas suchte. Noch innerhalb ihrer Tasche griff sie nach ihrer undurchsichtigen Flasche um mit schlichter, kurzer Konzentration eines ihrer Blutcentstücke darin auf zu lösen. "Türkisch ist ein weiteres meiner Sprachprojekte. Lediglich nach den Chinesen habe bisher zeitgleich zu euch gesucht, aber bisher nicht einmal eine Antwort auf meine e-mail erhalten. Vielleicht hätte ich doch lieber italienisch dazu nehmen sollen. Aber dafür werde ich auch noch Zeit finden. Danke für deinen Rat. Ich hoffe, Hergül ist intelligent genug zu erkennen, dass ich nicht die richtige bin um den Russen unter Druck setzen zu können. Die letzten Wochen scheinen viel in der Stadt bewegt zu haben. Die Fluktuation führte wohl auch zu meiner Versetzung nach Finstertal, weil hier Personal fehlte.

Ahhhh.. und zum Vodka wenn du sehr großzügig bist, erlaubst du mir, ihn hiermit zu verdünnen." Sie zog eine dunkle Plastikfache aus den tiefen ihrer Tasche, die ungefähr einen halben Liter fasste. "Ich wusste ja, wen ich heute besuchen würde und sagen wir, ihr seid für die Vorliebe zu einem gewissen Getränk bekannt und ich weiss, wie ich darauf reagiere. Ich Maria mit meinem traurigsten Blick angesehen, bis ihr weiches gutes Herz nach gegeben hat und sie mir diese Kleinigkeit nach dem Rezept meiner Mutter her gestellt hat. Die meisten finden es zwar abscheulich, aber für mich ist es so etwas wie Heimat. Ist wohl wie mit einer ersten Zigarette. Mir ist noch niemand bekannt, dem seine erste bereits schmeckte." Sie stellte die Flasche auf den Tresen und sa Aljosch leicht fragend an.
 
"Hergül arbeitet für die Mafia...warum der keinen italienischen Namen hat weiss kein Mensch, Elzbieta. Aber mal ehrlich...Du gehst in diesen Laden um russisch zu lernen, ehrlich?" Kommentarlos schob er Anna eine unbeschriftete Flasche mit einer klaren Flüssigkeit und ein Glas hin..."Wer ist Maria? Familie? Freundin?"
 
Anna lachte etwas auf. " Und Schach. Nachdem ich mit Kameniev gespielt habe, sag mir, wie viele von denen, die hier sind, können ihn regelmäßig in dem Spiel schlagen? Und ja, ehrlich auch wenn ich verstehen kann, warum ihr daran zweifelt, nachdem ich gemerkt habe, wer hier zu Gast ist. Ich bin erst seid Anfang des Monats in der Stadt. So viel kenne ich hier nicht und noch weniger von der örtlichen Gerüchteküche. Wenn ihr in Hamburg bei euren Leuten nach meinem Namen fragt, werdet ihr wahrscheinlich nichts hören. Dort war meine Freizeit noch spärlicher gesät als hier und ich hatte mich noch nicht darum bemüht, jemanden kennen zu lernen um meiner Sprache Schliff zu geben. Selbst wenn ich eine Übersetzung für sie gemacht haben sollte, was ich bezweifel, hätten sie das Geschäftliche mit meinem Vorgesetzten besprochen und nicht mit mir. Ich habe meistens historische Texte bearbeitet. Es wäre schon ein enormer Zufall." Anna schenkte sich das Glas knapp halb voll mit der klaren Flüssigkeit ein und hatte den Anstand, wenigstens einmal an dem Glas einen tiefen Zug den Geruch der Flüssigkeit auf zu nehmen, bevor sie etwas anderes hinein tat. Die Flüssigkeit aus der Flasche fügte Rot zu der klaren Flüssigkeit hinzu und Anna sah zu, wie sie sich in ihr verteilte. Es war eine Schande ihr Blut mit den anderen Geschmack zu überdecken, der ihr keinen Genuß mehr bringen konnte, während die Russen es wahrscheinlich genau anders herum sahen. "Maria ist die gute Seele in dem Haus meiner Firma. Sie kümmert sich um den Haushalt, das Essen ... solche Dinge.

Die Mafia? Ich nehme an, dann meinst du die italienische? Hmmh. Bisher habe ich nur einen Grund, itlaienisch zu lernen der heisst Maria. Ich denke, ich sollte ihr nur von dem Schachspiel und dem freundlichen Empfang erzählen, sonst wird sie versuchen meine Mutter zu spielen um mir den Umgang verbieten, weil es aus ihrer Sicht zu gefährlich ist mit dieser Art von Geschäften auch nur in so fern in Berührung zu kommen, dass man die Menschen dahinter kennen lernt." Annas Hand öffnete sich kurz leicht nach oben in einer entschuldigenden Geste. Sie sog noch einmal den Geruch der Flüssigkeit ein, die da jetzt in ihrem Glas schwappte und nahm dann erst mal einen kleinen Schluck. Zur Vorsicht hatte sie ein Taschentuch in ihrer Tasche so drapiert, dass sie sehr schnell heran kommen konnte. Im Café de Trois tranken die anderen ihrer Art ständig gemischte Getränke und schienen sie zu vertragen und auch in Hamburg war so etwas Sitte. Sie selbst hatte es noch nie probiert. Warum sollte man unter ihres gleichen das Blut mit so etwas zu etwas weniger Appetitlichem zu machen. Unter Menschen war es dann doch etwas anderes. Anna hoffte mit ihrer relativen Offenheit ein paar Bedenken zu zerstreuen. Zu erwarten, dass diese Leute sie nicht überprüfen würden, wenn sie mehr als ein, zwei mal hier käme, wäre schon sehr blauäugig. Abgesehen von ihrer kainitischen Natur und ihrem... na ja... Wesen als Hexe hatte Anna nicht viel zu verbergen.

"Wenn ich es überhaupt wissen will und es nicht zu neugierig ist, warum steht ihr so kurz vor einem Krieg? Ich hätte nach den Katastrophen der letzten Zeit gedacht, dass alle eher mehr mit sich selbst zu tun hätten..."
 
"Oh, er verliert, Kameniev spielt oft mit hohem Risiko, wenn man das Spiel beherrscht und vorsichtig und gut organiert verteidigt läuft er sich tot und ist am Ende materiell im Nachteil...aber oft kommt das nicht vor." Eine Haushälterin in einer Firma erschien Alljoscha doch seltsam, aber nicht selstsam genug um das zu diskutieren. Auf Annas letzte Frage sah er sie ungläubig an..."Sei mir nicht böse, wenn ich das ausplaudere lande ich mit Zementstiefeln in der Finster. Frag Deinen neuen Freund, wenn der es will darf er es Dir erzählen."
 
"Ich denke, dann gehört das zu den Dingen, die ich gar nicht wissen will. Warum soll ich dir böse sein, wenn du mir etwas nicht sagst, was ziemlich wahrscheinlich auch abträglich für meine Gesundheit wäre?" Da Anna den ersten kleineren Schluck anscheinend gut vertragen hatte, traute sie sich an einen weiteren, herzahfteren heran.

"Du hattest recht. Auf diese Art und Weise ist er bekömmlich. Und was Kameniev angeht: Das 'nicht oft' war meine Vermutung. Wir kennen uns nicht wirklich, daher kannst du es nicht wissen. Ich lerne wirklich gern. Was russisch angeht, könnte ich vielleicht jemand anderen finden spätestens, wenn ich für zusätzlichen Unterricht bezahle, aber das ist nicht das gleiche wie normale Gespräche. Aber jemand, der wirklich gut Schach spielt, ist schwerer zu finden und er ist bereit, mir wenigstens noch eine Partie zu gönnen. Wenn ich mich nicht zu dumm an stelle, können daraus mit Glück noch mehr werden. Das ist eine Gelegenheit, die sich jemand wie ich sich nicht leicht entgehen lässt. Ich achte solche Lektionen als wertvolles Geschenk. Von einem 'vielleicht' lasse ich mich da nicht verscheuchen.

Ich kenne die Sitten in diesem Bereich der Gesellschaft nicht wirklich, aber die anderen wären meiner Meinung nach dumm, wenn sie denken, sie könnten ihn mit mir unter Druck setzen. Er wird keinen Fingerbreit nach geben, wenn sie drohen mir etwas zu tun. Ich bedeute ihm mit Sicherheit zu wenig, als das mein Schaden ihn wirklich treffen würde und so bin ich nicht wirklich als Rachemittel geeignet. Ein paar Spiele werden daran nicht unbedingt etwas ändern. Sehr vielleicht würde er sich genötigt fühlen zu reagieren, wenn sie mir etwas ernsthaftes antun, aber dann nur, weil es eine Beleidigung ist, die gegen ihn gerichtet ist und nicht um meiner selbst willen. Das einzige, was sie damit erreichen könnten, wäre Eskalation und du klingst eher dnach, als würden sie im Moment eher auf Eiern tanzen. So lang ich nicht gerade neben ihm sitze, wenn ein Angriff erfolgt, sollte ich sicher sein. Und dann habe ich so das Gefühl, dass er auf seine eigene Sicherheit einigen wert legt, so dass dieses Risiko mir kalkuliebar scheint. Was ihn selbst angeht... Nun, ich hoffe, ich kann meiner Menschenkenntnis und meinen Vorurteilen trauen. Ich denke, dass Dinge wie 'Gastfreundschaft' ihm etwas bedeuten und so lange ich nichts tue, weshalb er sie mir entziehen würde, laufe ich nach meinem Vorurteil wenig Gefahr, durch ihn meine Glieder zu verlieren." Oder zu verschwinden oder was auch immer. Das waren die Dinge, die man in solchen Gesprächen besser unausgesprochen lies. Wenn sie großes Glück hatte, würde Aljoscha sie warnen, wenn sie gänzlich falsch lag mit ihren Vermutungen und dann würde sie neu abwägen. Bisher hatte sie nichts gehört, was sie von einem weiteren Besuch abhalten würde.

Der Grund, den Anna ihn genannt hätte, wenn er wegen Maria weiter neugierig gewesen wäre, war ganz einfach: Sie hatte noch keine eigene Wohnung und wohnte deshalb in einem bereit gestellten Zimmer. So, wie einen Großteil ihrer Sachen noch nicht mal in Finstertal hatte, war sie hier nach dem schnellen Umzug nicht wirklich eingerichtet.

"Je nach Situation bin ich so direkt wie heute oder lege Zurückhaltung an den für mich wichtigen Stellen an den Tag. Also ja, wenn du mir keinen handfesten Grund nennst, warum ich lieber die Beine in die Hand nehmen sollte, werde ich wohl wieder kommen und dafür sorgen, dass ihr in eurer Freizeit eure Bäuche einzieht."

Mit einem leichten Grinsen auf den Lippen leerte Anna ihr Glas.
 
"Das stimmt vielleicht, aber sie würden es wahrscheinlich trotzdem versuchen. Wenn Du ihm nicht genügend Wert bist, dann denen erst Recht nicht. Manchmal ist Eskalation genau das was die Kerle erreichen wollen." Alljoscha sah Anna nur lange an. "Ich verbiete Dir nicht zu kommen, Du bist höflich und es ist auch nett zur Abwechslung mal eine Frau zu bewirten statt immer nur diese Haufen alten Männer. Komm wieder so oft Du willst."
 
„Danke, Aljoscha. Das weiss ich zu schätzen.“, antworte Anna und neigte ihren Kopf leicht dazu, nachdem sie ihn bei der Musterung offen und ruhig angesehen hatte. „Und die Höflichkeit gebietet, dass ich dir hiervon anbiete.“, redete sie weiter und deutete auf ihre eigene Flasche „Nur fühl dich nicht genötigt nur um der Höflichkeit willen an zu nehmen Das Krüderbloot“, warf Anna das eine Wort in perfektem Platt in ihre Worte ein, "schmeckt die ersten Male nicht wirklich, wie ich schon sagte. Wenn ich es nicht gewohnt wäre, würde ich froh sein darum herum zu kommen. Und es enthält auch keinen Alkohol.“ Ein Schnapsglas voll würde ihn nicht an sie binden und er würde ja wohl hoffentlich nicht gleich die ganze Flasche austrinken, wenn er überhaupt einen Schluck nahm. Sie selbst schenkte sich noch einen Vodka ein gefolgt und gemischt mit ihrem eigenen Blut. „Einen kann ich wohl noch vertragen. Das sollte mich noch nicht am Auto fahren hindern.“ sagte sie lächelnd.

„Und was die anderen angeht, nun, dann werde ich mich darauf verlassen müssen, dass auch sie Höflichkeit zu schätzen wissen. Ich mag zwar mit meinen Fäusten nicht schlagkräftig sein, doch auf den Mund bin ich nicht gefallen. So lang sie mir die Chance zum reden lassen, bin ich zuversichtlich und da ich nicht so ein Schrank bin, brauchen sie wenigstens die Holzhammermethode nicht von Anfang an. Erst einmal müssten sie dazu eh überhaupt auf mich aufmerksam werden. Das Leben ist zu wertvoll und zu kurz um sich von etwas lähmen zu lassen, was übermächtig scheint.“ Na ja... und auch unabhängig davon könnten sie die eine oder andere Überraschung erleben, andere, als die auf die sie jetzt hindeutete. „Und was wäre ich für eine Frau, wenn es mir nicht gelänge, einen Mann auf die eine oder andere Art und Weise zu überraschen und aus dem Konzept zu bringen, hmmh?“ Bei angedrohter Gewalt mit einem Kuss zu beginnen oder einem Mann großflächig über das Gesicht zu lecken, konnte so einen durchaus ausreichend aus dem Konzept bringen um im Normalfall einen Tritt zu versuchen und zu fliehen. Ihr würde es Zeit geben ihr Blut zu nutzen. Dieses Mal wartete Anna ab, ob Aljoscha sich auch etwas einschenkte, sei es nun von ihrem Zeug oder nur von dem Vodka.
 
"Nein, danke. Für ein Russen ist es eine Todsünde solch guten Vodak mit anderem zu panschen." Der Bartender füllte sein Glas mit dem heimatlichen Produkt und prostete Anna zu.
 
"Darauf, dass wir uns kennen gelernt haben!", sagte Anna mit einem der typischen russischen Trinksprüche und leerte dieses Mal ihr Glas in einem Zug. "Wir sollten doch nicht die guten Sitten vergessen. Sagt man nicht bei euch Trinken ohne Trinkspruch ist Trunksucht?" Manchmal war es gut, wenn eine die Menschenkenntnis nicht völlig trog.
 
Alljosch lachte..."Die ist es meistens auch mit Trinkspruch, aber ein Säufer findet sowieso immer einen Grund zu trinken." Sprachs und füllte Anna nach.
 
Jetzt war es wieder an Anna zu lachen. „Da hast du recht.“ Es war weniger seine Erwiderung, die sie zum Lachen brachte, als das wiederholte Einschenken ihres Glases. Er bekam dafür einen Blick, der von einem Schmunzeln begleitet war und dieses Mal ihn von oben bis unten taxierte, wenn auch auf eine freundlichere Art und Weise, wie es ihr an diesem Abend geschehen war. „Hmmh. Du hast schon gehört, dass ich mit dem Auto hier bin.“, sprach sie und füllte ihr Glas brav mit ihrem roten Zeug auf. Ja, es hörte sich nicht an wie eine Frage, sondern sehr deutlich wie eine Feststellung. Nun, wenn es in diese Richtung gehen sollte, wartete Anna auch wieder lieb, bis sein Glas ebenso gefüllt war wie ihres. Unter normalen Umständen wäre es ein hoffnungsloses Unterfangen für eine Frau ihrer Statur gewesen, jemanden wie ihn unter den Tisch zu trinken. Nur würde der Alkohol auf sie keine Wirkung haben. Das sollte sie den Männern hier nur nicht unbedingt zeigen. Ihre Hand umfasste ihr Glas, blieb jedoch auf der Theke, während ihr Blick sehr eindeutig auf seinem eigenen Glas lag. „Wie viel wird von einem Mädchen als Gast erwartet?“, fragte sie dann einmal direkt nach und verwendete sehr absichtlich das Wort 'Prüfung' nicht, obwohl das mit Sicherheit in dieser kleinen Angelegenheit mit schwang. Immerhin hatte sie schon zu gegeben, sich nicht vollständig aus zu kennen und ein wenig fragen wird doch wohl erlaubt sein. So bald sein Glas gefüllt war und er mit ihr trank, würde sie ihres auch heben.
 
"Dann solltest Du Dich entscheiden ob Du lieber fahren oder trinken willst." Alljoscha hob sein Glas an den Mund, nippte aber nur. "Deine Entscheidung." Die Kleine soff wie das sprichwörtliche Loch, wenn sie so weitermachte würde das eine kapitale Rechnung werden.
"Ich habe in dieser Branche gelernt das ein guter Wirt keine Erwartungen an seine Gäste hat sondern diese immer Erwartungen an ihn stellen. Also schöne Frau, wohin soll uns das hier führen?"
 
Anna lächelte den Mann an und wieder nickte sie leicht. als er sein Glas anhob, achtete sie darauf, ob an an dieser oder der anderen Hand so etwas wie einen Ehering trug. "In dem Fall wird das hier mein letzter und ich werde ihn besser etwas langsamer genießen." Anna folgte seinem Beispiel und nippte lediglich an ihrem Glas. Hätte sie nicht bereits ihr Blut eingefüllt, hätte sie sogar dieses Glas komplett abgelehnt. Nicht jedoch mit diesem Inhalt. Ob er ihr glauben würde, wenn sie ihm erzählte, sie habe seid gut zwanzig Jahren keinen Alkohol getrunken? Wohl kaum... und es war auch nicht für seine Ohren bestimmt. Vier Vodka und einen Tee. Für Anna war es ein erfolgloses Unterfangen ihre Rechnung abschätzen zu können. Sie hatte noch keine Karte gesehen und diese Flasche hatte kein Etikett. Von ihren Clubbesuchen in Hamburg kannte sie eine Getränkekarte. Immerhin holte sie manchmal etwas für die Menschen, die dort an dem Abend in ihrer Obhut waren, auch wenn es eher auf Saftschorle hinaus lief. "Ich habe zwar das Glück gesegnet zu sein und von Alkohol gleich welcher Menge bisher keinen Kater zu bekommen, aber das bedeutet nicht, dass ich keine Auswirkungen spüren würde und wenn ich ein Buch übersetzen soll, ist zu viel hiervon dennoch abträglich." Anna spielte auf eine seltsame Eigenschaft ihres Körpers an, die sie zu Lebzeiten gehabt hatte. Die junge Frau hatte nicht all zu oft getrunken, aber es hatte eine Zeit gegeben, in der sie wie fast alle Jugendlichen experimentierte. Selbst bei ihrer einzigen 'Alkoholvergiftung', als sie sich übergeben musste, hatte sie sich zwar während der akuten Phase elend gefühlt und ihr war übel, nach einigen Stunden Schlaf war sie jedoch nur etwas 'knülle' gewesen. Sicher war sie nicht so fit wie sonst gewesen, doch die große Rechnung mit Kopfweh und einen Tag leiden blieb aus. Das hatte sie in Bezug auf Alkohol vorsichtig werden lassen, insbesondere nachdem ihre Eltern verstorben waren. Sie hatte sich selbst eine strickte Regel auf erlegt. Alkohol gab es ausschließlich am Wochenende in Gesellschaft. Unter der Woche oder allein war das Zeug tabu. Anna rätselte darüber, ob sie es wagen sollte, nach drei Vodka noch Auto zu fahren, nicht wegen ihrer eigenen Fahrtüchtigkeit sondern wegen ihrer Glaubwürdigkeit als Mensch und nach Möglichkeit nicht Trunksüchtige. Den Tee des Alten zu bezahlen und den Vodka, zu dem sie Aljoscha quasi aufgefordert hatte, war für sie eine Selbstverständlichkeit. Anna hatte sehr wohl bemerkt, dass Kameniev keines seiner Getränke bezalht hatte, während sie anwesend war. Das gehörte zu den Dingen, über die sie nicht zwingend genauer bescheid wissen musste.

Es war im übrigen vollkommen gleichgültig, ob Anna einen Ring an seinen Händen entdeckt hatte oder nicht: ihrem Verhalten fehlte jedes ernsthaft flirtende oder anmachende Verhalten. Über Freundlichkeit und die Bereitwilligkeit auf Scherze ein zu gehen, ging sie nicht hinaus. Dafür war es auch irrelevant, ob der Laden in ihrem Bezirk lag und damit für sie erlaubtes Jagdgebiet war oder in einem der anderen Bezirke, in denen sie sich zwar auf halten konnte, tunlichst aber nicht jagen sollte. Solche Komplikationen wollte sie hier nicht.

"Zu einem netten Plausch und vor allem einer Wiederholung.", antwortete Anna dem Brocken vor sich dann doch noch mit einem Schmunzeln auf den Lippen auf seine letzte Frage. War 'schöne Frau' eigentlich ein Standardkompliment mit dem Russen um sich warfen, wenn sie einer Fremden begegneten? Anna war nett an zu sehen, aber nichts außergewöhnliches und wie war verdammt noch mal die korrekte Reaktion darauf? Anna ließ es bewusst zu, dass ihr Schmunzeln sich bei diesen Gedanken vertiefte. Während der Wirt von an ihn gestellten Erwartungen sprach, versuchte sie in gewisser Weise Erwartungen zu erfüllen. Es war schon ein klein wenig abstrus. Unter Menschen fiel es Anna leichter, die strickte Konvention ab zu werfen, die ihr bei gebracht worden war. Ob es daran lag, dass sie sie weniger als potentielle Gefahr ansah? Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen mit einem anderen Kainiten zusammen zu sitzen und so viel zu lächeln wie an diesem Abend.
 
Alljoscha glaubte inzwischen eher das Anna an einem bein ein hohles Holzbein hatte in das der ganze Alkohol floss. Der Russe trug einen Ehering, benahm sich Anna gegenüber auch eher wie ein Barmann der sich mit einer neuen Kundin bekannt machte.
"Dann freue ich mich schon aufs nächste Mal." Die Rechnung bestand nur aus den verzehrten Vodkas, von denen auch noch eine Runde fehlte, die offensichtlich aufs Haus gegangen war. Annas Angebot für Kameniev zu bezahlen lehnte er ab. "Piotr Illjitsch hat einen Deckel bei uns. Er bezahlt wochenweise...aber wenn Du ihm eine Freude machen willst bring ihm was Süsses mit, das mag er."
 
Hmmh. War der Russe Gedankenleser? Barmännern sagte man so etwas ja manchmal nach. Sie hatte noch gar nicht nach der Rechnung verlangt und kein Wort darüber verloren, für Kameniev zahlen zu wollen. Trotzdem lag sie vor ihr und die junge Frau warf einen Blick darauf. Sie war doch ein wenig neugierig, welchen Preis der Vodka hatte, den sie gerade trank. Auf der anderen Seite war ihr letztes Glas Vodka noch fast ganz voll "Es scheint mir fast, als würdest du meine Gedanken lesen, ich eh schon darüber nachgedacht zu versuchen meine Geheimwaffe einzusetzen. Fragt sich nur, ob ich Maria irgend wie überzeugen kann etwas Leckeres zu zaubern, was ich mitnehmen darf." Genau genommen hatte sie an etwas weiches gedacht, was sich quasi mit der Zunge zerdrücken ließ oder etwas, das eher zum lutschen war... nichts, wozu gesunde Zähne fast Voraussetzung waren. Wieder nippte sie lediglich an ihrem Glas. Die Alternative wäre natürlich, etwas im Netz zu bestellen. Dort hatte sie eh eine etwas größere Bestellung auf zu geben, wie ihr schien. Normale Sommerkleider gehörten nicht zu ihrer Gaderobe. In Jeans und Pulli wäre sie hier nur unwesentlich angebrachter gekleidet. Man konnte die Männer hier wohl ruhig ein klein wenig als konserativ einschätzen. Noch ein wenig Erwartung erfüllen, dass Gäste Erwartungen an den Barmann stellen und ihn als seelische Mülltonne benutzen? Warum nicht, wenigstens ein wenig. "Ich habe den Abend hier mehr genossen, als ich vor allem nach den ersten Momenten erwartet hatte, Aljoscha." Nun, freundlich war der erste Empfang durch ihn nicht wirklich gewesen. Das hatte sich erst geändert, nach dem Kameniev sie zu sich geholt hatte. Zusätzlich mochte es eine Frau schon ein klein wenig Mut kosten, in eine solche Männerdomäne wie dieses Lokal zu gehen und ausgerechnet dort Anschluß zu suchen. "Der Abend hat mich daran erinnert, dass es mehr als die Arbeit und Lernen gibt, obwohl letzteres meine Schritte hier her gelenkt hat. Es hat gut getan, mal mit Menschen zu sein, die nichts mit meiner Arbeit zu tun haben und einfach mit ihnen zu reden. Das habe ich viel zu selten getan in der letzten Zeit." Na gut... die letzten zwei Jahrzehnte ungefähr. Sonst hatte sie mit Ghulen zu tun und mit den Menschen, mit denen sie wegen ihrer Jagd kommunizierte und.. nun ja.. anderes. Wieder nahm Anna einen kleinen Schluck.
 
"Es freut mich das es Dir gefallen hat. Das mit der Rechnung war nur weil es so klang als wolltest Du gehen...entschuldige, aber ich schmeiß die ganzen Trunkenbolde hier sowieso bald raus, ich muss auch irgendwann mal ins Bett." Die alte Uhr an der Wand zeigte das es drei Uhr morgens war und die Bemerkung mit den Trunkenbolden war nur halb ernst sondern eher liebenswürdig gemeint wie aljoschas Ton implizierte.
 
Anna suchte ihr Portemonnaie raus und zahlte ihre Rechnung so, dass ein Betrag zwischen 5 und 10 € als Trinkgeld nach blieb, wie auch immer sie die genaue Summe in Scheinen begleichen konnte und legte das Geld auf die Theke. !Sie stand auf, wollte etwas sagen, doch der Mund schloss sich wieder ohne ein Wort. Statt dessen legte die Tremere ihre Hände auf die Theke, nahm sich einen Moment Zeit, in dem sie nichts besonderes ansah, sondern sich scheinbar nur konzentrierte... und dann kletterte sie achtsam wieder zurück auf ihren Stuhl. Eine Hand hob sich als erstes an mit einem abgespreizten Zeigefinger. So bald sie wieder sicher saß, kramte Anna abermals in dem kleinen Cityrucksack und holte hier Handy raus. Sie wählte die Nummer eines Taxiunternehmens und bestellte sich einen Wagen zu der Bar. „Kein Auto mehr", stellte sie relativ trocken und dennoch mit einem Schmunzeln fest.
 
"Ich ruf Dir ein Taxi oder...warte...Ivan, hast wieder nur tee getrunken, oder? Fahr mal Kamenievs Freundin nach Hause...Deine Rechnung von heute Abend geht dann aufs Haus." Aljoscha verwies auf einen kleinen mann mittleren Alters der sich gerade die Jacke übergeworfen hatte und auf dem Weg zum Zahlen war.
"Mach ich gerne, kommen Sie Fräulein" lud Ivan Anna ein. Das einzig Auffällige an dem mittelgroßen Mann mit braunem Haar war ein großes Muttermal am Hals, ansonsten wirkte er eher durchschnittlich. "Mein Wagen steht draussen."
 
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