AW: Athanor, das Rollenspiel
Einer im :T: schrieb ja mal, er glaube das die zeit der gestreamlineten Systeme vorbei sei und jetzt wieder Rule Heavey Systems im kommen wären....
Was für "gestreamlinete" Systeme sollen das denn gewesen sein?
Regelleichte Systeme gab es seit OD&D, Classic Traveller bis heute DURCHGÄNGIG im Angebot.
Regelschwere Systeme gab es seit AD&D ff. bis heute DURCHGÄNGIG im Angebot.
Weder die eine, noch die andere Ausprägung des "Regelgewichts" hat sich irgendwann irgendwie schwerpunktmäßig in den Vordergrund bewegt.
Mit der Durchgängikeit von D&D in allen seinen jeweiligen Versionen ist sowieso ein eher regelschweres, regelintensives Rollenspiel DAS Rollenspiel überhaupt. Abseits von D&D findet Rollenspiel nur in einer Nische eines Nischenmarktes statt. Und D&D ist seit OD&D und vielleicht noch der Basic- und Expert-Box lange nicht mehr "regelleicht".
DSA ist seit DSA1 nicht mehr regelleicht.
BRP ist - zumindest in der hierzulange ja außerordentlich beharrlich beliebten Fassung in Cthulhu - DURCHGÄNGIG regelleicht.
Shadowrun, WoD (egal ob alt oder neu), Earthdawn, Midgard, und jede Menge neuerer Spiele wie Reign, HotB, Starblazer Adventures, usw. sind alles andere als "regelleicht".
Cinematic Unisystem, Wushu, Funky Colts, usw. sind regelleicht. Aber einen "Trend" würde ich hier NICHT ausmachen. - Gerade Funky Colts, Ratten oder Barbarians of Lemuria sind Spiele für "zwischendurch". Spiele, die absichtsvoll als "Dritt-, Viert-, n-tes Rollenspiel" entworfen wurden. Hier steht die Dauerspieltauglichkeit nicht im Vordergrund. Das ist bei "Hauptrollenspielen", also solchen, die LANGE Zeit und eventuell sogar AUSSCHLIESSLICH von einer Gruppe gespielt werden, anders. Und hier überwiegen definitiv die "Schwergewichte". - Schon immer. - Sie waren NIE weg im Segment der "Hauptrollenspiele".
In den letzten Jahren (aber eigentlich auch durch BRP und D6-System schon früher) sind diese Hauptrollenspiele, die das Äquivalent zu den Main Battle Tanks auf dem Schlachtfeld darstellen, in Bedrängnis geraten durch "nicht ganz so schwere, aber auch nicht regelleichte" Systeme.
Ubiquity, Savage Worlds, D6-System, usw. stellen ein "Mittelding" zwischen regelleicht und regelschwer dar. Sie sind "regeldicht", d.h. sie enthalten auf knappem Raum eine enorme Dichte an Regeln, im Gegensatz zu "regelextensiven" Systemen, die wie zu den Hochzeiten der D20-Schwemme auf UNMENGEN an Büchern verteilte Regeln aufwiesen, die in Fülle kaum zu überbieten waren, jedoch an Gehalt oft eher dünn waren.
Die Zeiten haben sich geändert.
Heutzutage ist nicht das reine VOLUMEN an Regelseiten entscheidend, ob ein Spiel gekauft, gespielt wird, sondern dessen ZUGÄNGLICHKEIT.
Das bedeutet, wieviel ZEIT jemand reinstecken muß, um sich mit dem gelieferten Regeltext wirklich eine Spielrunde vorbereiten zu können.
Und hier hatten in den letzten Jahren Rollenspiele wie Savage Worlds manch einem Schwergewicht den Rang ablaufen können, weil sie so ZUGÄNGLICH waren, man die Grundmechanismen so schnell verstanden hatte, daß man in kürzester Zeit SOUVERÄN eine Runde leiten konnte.
D&D 4E ist der Versuch den Schweren Kreuzer D&D etwas manövrierfähiger zu machen. Die ZUGÄNGLICHKEIT von D&D 4E ist DEUTLICH besser als bei 3E. - Die Macken bei 4E liegen woanders.
Ich glaube, daß ein DSA, welches an der ZUGÄNGLICHKEIT des Regelsystems richtig von Grund auf überarbeitet wurde, hierzulande massive Neuzugänge und beeindruckendste Verkaufszahlen erzielen könnte. - Doch das unter dem Damokles-Schwert, daß sich breite Bestands-Käuferschichten, die sich mit dem Ist-Stand arrangiert haben und eh ALLES von DSA kaufen, vor den Kopf gestoßen fühlen werden. - Ähnlich wie bei D&D 4E.
Ein DSA, das so leicht und flüssig von den Regelmechaniken ist wie Savage Worlds, und dabei die stimmungsvollen Details des alten DSA beibehält, das wäre ein echtes REDESIGN des KOMPLETTEN Regelsystems inklusive aller "Fluff-relevanten" Regelelemente. - Ein GROSSES Unterfangen, das sicher nicht jeder hinbekommen wird.
Wenn ich einen ZEITGEMÄSSEN Trend feststellen kann, dann den, daß sich bei manchen (weniger bei den deutschen) Rollenspielentwicklern herumgesprochen hat, wie WICHTIG die Zugänglichkeit von Rollenspielprodukten für einen schrumpfenden und von allen Seiten "angenagten" Markt ist.
Daher ist Warhammer in der neuesten Version NOCH zugänglicher geworden als selbst D&D 4E. Und dieser Trend geht weiter und ist UNABHÄNGIG vom Regelvolumen.
Athanor, zumindest was aus seine Previews und den hiesigen Beiträgen so vermittelt wurde, ist UNZEITGEMÄSS. Es wäre Mitte der Achtziger noch von VIELEN deutschen Rollenspieler WILLKOMMEN geheißen worden. (Auch von mir, wahrscheinlich.)
Aber heute, im Jahre 2010, da ist es so, als ob jemand einen mechanischen Webstuhl, angetrieben von Dampfmaschinen entwickelt und als etwas "Neues" anpreist. - Das löst Kopfschütteln aus.
Athanor ist NICHT ZUGÄNGLICH. - Und das ist der Kardinalfehler, den man NIE machen sollte, wenn man kommerzielle Interessen mit seinem Rollenspiel verfolgt. (Als reines Hobbyprodukt, das kostenlos für geneigte Interessenten zur Verfügung gestellt werden soll, kann es so unzugänglich und verworren sein, wie es will. - Dann wäre es immer noch KEIN GUTES Hobbyprodukt, aber dem geschenkten Gaul schaut man nicht allzu gründlich ins Maul, sondern läßt ihn, wenn er hustet und zittert, lieber gleich zum Abdecker bringen.)
Athanor ist an der aktuellen Zeit, den aktuellen Interessen, den aktuellen Bedarfen der Rollenspieler VORBEI entwickelt.
Hier, auf Basis des schon in den Previews zu Erkennenden, eine UMARBEITUNG auf etwas Zeitgemäßeres zu machen, dürfte leichter als KOMPLETT-NEUENTWICKLUNG zu bewerkstelligen sein. - Die Lage bei Athanor ist wirklich ganz tragisch verfahren. Und die Erkenntnis-WILLIGKEIT bei den Machern wirkt nur sehr wenig ausgeprägt.