AW: 25 Jahre DSA - wie sieht das Hobby 25 Jahre weiter aus?
Vergleicht mal den breitenwirksamen technologischen Stand von vor 25 Jahren, also 1984 (ohne Webbrowser, ohne PCs, ohne Handys, ohne Scanner, ohne PDF-Publikationen, ohne Farbdrucker, ohne Spielekonsolen, usw. in jedem Haushalt) mit heute, und WAGT mal eine Prognose des wirklich breitenwirksamen technologischen Stands (d.h. die Haushalte, die einzelnen Bürger erreichenden und mit eine gewissen Selbstverständlichkeit eingesetzten Standes von Technikprodukten) in 25 Jahren, also 2034.
ICH habe in den damit vergleichsweise WENIGEN Jahren, die ich in der IT-Branche arbeite geradezu REVOLUTIONEN in der Technik erlebt, die sich intensiv auf das Alltagsleben durchgeschlagen haben. - Beispiel: Handys. Hat jeder. Können mehr als manchmal gut für die Aufnahmefähigkeit ihrer Benutzer ist. Sind echte, persönliche Multimedia-Kommunikationsknoten.
Beispiel: Spielekonsolen. Die alten Atari- oder Philips-Konsolen der frühen 80er sind durch echte "Entertainment-Center" ersetzt worden.
Beispiel: Videotechnik. Alte quietschende VHS-Videorecorder gehören jetzt schon zum alten Eisen. Digitale Medien, wo man hinschaut. Und mit einer Selbstverständlichkeit verwendet, wie man früher eine Schallplatte verwendet hat.
Beispiel: Online-Dienste. Das Netz hat NIEMALS Ladenschluß. Und Spiele übers Netz kennen keine "spielfreie Zeit". Die Allgegenwart und die Immer-Verfügbarkeit solcher Dienste wie MMORPGs oder PDF-Download-Shops, wenn man schnell mal noch ein paar Figureflats oder ein Abenteuer braucht, usw. sind aktuell schon so prägend zumindest für den sehr aktiven Teil der Spielenden, daß man das mit der Zeit von vor 25 Jahren, wo LANGE WEGE und geringer weltweiter Austausch das Hobby prägten, kaum vergleichen kann.
Und nun prognostiziere mal jemand allein wie sich die MEDIENWELT in 25 Jahren darstellen wird.
Auf der Basis dieser Medien wird die IDEE des Rollenspiels, und zwar die "klassische Idee" des Rollenspiels mit Spielleiter und Spielern, nicht die des noch so "mitdenkend" vorprogrammierten Rollenspiels immer noch praktiziert werden.
Wo man früher handschriftlich Handouts produziert hat, Zinnfiguren selbst angemalt hat, Karten mit Buntstiften selbst gemalt hat, Charakterbögen mit der mechanischen Schreibmaschine getippt hat, usw. - da verwendet man JETZT schon jede Menge aktueller Technik: Graphikprogramme für Handouts, speziellere Programme für Kartenzeichnungen, Battlemaps, Charaktereditoren, Posergraphiken für Figureflats oder Charakterillustrationen, elektronische Regelwerksausgaben, Rollenspiel-Wikis für jeweils ein oder mehrere Regelsysteme, Wikis für einzelne Spielrunden, Foren, Blogs, Online-Kalender für Rundenvorbereitung, Rundenorganisation, Rundennachbereitung, usw.
Die aktuell allein in meinem Umfeld eingesetzten technischen Möglichkeiten hätten einen Rollenspieler vor 25 Jahren an Science-Fiction denken lassen (immerhin können Handys ja schon viel mehr als jemals Captain Kirks "Kommunikator" konnte!).
Ich sehe mich als recht stark am Pen&Paper orientierten Rollenspieler. Aber ich hänge nicht in der UMSTÄNDLICHEN Vergangenheit aus "Nostalgiegründen", sondern ich greife auf alles an IT-Lösungen für Aufgabenstellungen im Pen&Paper zu, das mir Arbeit abnimmt und meinen Pen&Paper-Genuß zu erhöhen imstande ist.
Das ist KEIN Gegensatz, sondern das Pen&Paper-Angebot ist mit neuen technischen Möglichkeiten enorm gewachsen. Bereits angemalte Plastikminiaturen sehen besser aus und sind keine solche Zeitfresser wie die mäßig talentiert selbst bemalten Zinnfiguren. Eine tolle 2D-Battlemap kommt aus dem Farbdrucker mit sovielen schönen Details, daß dadurch das Spiel bereichert wird, während man erst ewig lang an Tabletop-Szenerien basteln müßte, und es einem schwer fällt jede Woche gleich mehrere ANDERE Szenerien aufzubieten.
Ich muß nicht mehr warten bis irgendwelche Druckerzeugnisse im "slow boat from china" mal hierzulande in den Läden auftauchen, sondern kann die PDF-Fassungen SOFORT am Erscheinungstag kaufen, ausdrucken und lesen - bin somit genauso aktuell bei Entwicklungen dabei, wie die Rollenspieler in Übersee.
Ich kann direkt Rollenspielautoren via Foren oder E-Mail kontaktieren und bekomme auch - sogar meist freundliche - Antwort, gerade von nicht-deutschen Autoren. Die Hemmschwelle mal direkt beim Autoren nachzufragen ist deutlich gesunken und ich habe den Eindruck, daß ich dadurch, daß ich mit den Autoren in Kontakt komme, auch mehr an deren Rollenspiele gebunden werde. Guter Support wirkt kundenbindend und - in diesem Falle - auch persönlich berührend. Das möchte ich nicht mehr missen, waren doch in den 80ern die Rollenspielautoren mysteriöse Fremde, die mich einluden in ihre Welten zu kommen und dort Abenteuer zu erleben. Heute hat man leichter die Möglichkeit Autoren kennenzulernen und sich in deren Rollenspielen wie bei einem guten Bekannten in dessen Wohnzimmer zu fühlen. - Einfach toll!
Für mich hat Pen&Paper aus der breitenwirksamen Technik viel gewonnen.
Interessanterweise hat es aber durch dieselbe Technik auch VERLOREN!
MMORPGs, Konsolenspiele, generell Internet-Surfen in welcher Ausprägung auch immer - das sind alles KONKURRENTEN zum Pen&Paper-Hobby geworden. - Bei durch aktuelle bildungspolitische Fehlentscheidungen (G8, Bachelor) krass verknappter Freizeit für junge Leute, die eine Hauptzielgruppe zum Werben für Pen&Paper sind, macht sich diese Konkurrenz eher bemerkbar als in den Achtzigern, wo es nur drei Fernsehprogramme und Spiele-Center mit Arkaden-Spielen gab. In fremde Welten eintauchen war auch damals ein Bedürfnis, welches eher durch die in vielen Taschenbuchverlagen reichlich verfügbaren Sci-Fi- und Fantasy-Titel gedeckt wurde - und natürlich im "Lese-Umfeld"-nahen Pen&Paper-Rollenspiel.
Heute verschwimmen die Grenzen zwischen manchen Medienformen, es gibt schon jetzt eine Art "Überangebot" an Zerstreuungsformen, die ein Eintauchen in fremde Welten anbieten, und das Lesen kommt so oder so aus der Mode, so daß die Grundlage für Pen&Paper im klassischen Sinne schrumpft.
Ich wage KEINE Prognose, wie unsere Gesellschaft in 25 Jahren aussehen wird (vermutlich alle zum Islam bekehrt oder tot, und somit sowieso keine Rollenspieler mehr, weil auf Rollenspiel laut islamischem Recht 25 Stockhiebe steht), und ich wage KEINE Prognose über die breitenwirksame Technik in 25 Jahren. - Aber erst wenn man diese beiden Prognosen abgegeben hat, kann man sich überhaupt Gedanken über das Rollenspiel in 25 Jahren machen.
Somit ist der Zeitraum der Fragestellung leider so weit gewählt, daß eine Behandlung dieser Fragestellung nicht sinnvoll möglich ist.