Unwillkürlich trat Anna einen Schritt zurück trotz ihrer Vorbereitungen. Ganz gleich, wie sie sich auf das Feuer eingestellt hatte, das Tier warf sich in seine Ketten und drängte sie fort, nur fort.
Was es auch tat, wie es auch in ihr wütete, die Fesseln um seinen Körper waren zu eng. Der Geist behielt die Macht über das Fleisch und es folgte kein zweiter Schritt nach hinten. Kein umdrehen... Kein Umdrehen?
Verdammt noch eins..., dachte Anna der fliehenden Maria hinter her. Immerhin musste die nur mit ihrer menschlichen Angst vor dem Feuer kämpfen und nicht mit dem Tier, das in den beiden Adeptinnen wütete. Sicher, auch sie könnte brennen und sterben. Ehrlich gesagt sogar leichter als die Vampire und dennoch.
„Offoco!“, befahl sie mit leiser Stimme und verjagte das Feuer von der Tür, hinein ins Zimmer. Während sie noch versuchte, sich einen Überblick zu verschaffen, nutzte die andere Adeptin die Chance, sich den Feuerlöscher wieder zu holen, den Maria eben noch dem Feuer überlassen hatte. Weder Anna noch sie hatten Zeit, sich um die Ghulin zu kümmern. Sie mussten das hier so klein wie möglich kriegen, bevor sie aufgeben durften. Sonst würde ihnen das ganze Haus über dem Kopf abfackeln. Das Entsetzen breitete sich bereits in Anna aus, bevor ihr Bewusstsein noch richtig begriff, was sie tun mussten. Das Feuer durfte keinen Sauerstoff mehr bekommen. Angesichts des Feuers dachte Zimmermann nicht mehr an ihre Anweisung oder hatte sich entschieden, etwas anderes sei vernünftiger. Wer wollte es ihr auch verdenken? Sie hätte Anna blind vertrauen müssen und doch sah Katharina nur einen weiteren Vampir ohne Feuerlöscher bei sich. Vielleicht schätzte sie sich noch glücklich, weil sie den Löscher hatte und nicht versuchen musste mit einer brennbaren Decke Feuer zu ersticken. Sie hatte sich dem brennenden Schrank direkt bei der Tür zu gewandt und bemühte sich wenigstens diesen Teil des Feuers unter Kontrolle zu bekommen.
Annas Augen weiteten sich, als sie das offene Fenster sah. Das Glas war nicht zersprungen. Waren sie auf diesem Weg eingedrungen? Diese Mistkerle! Heisse Wut gesellte sich zu Annas Entsetzen hinzu. Das Fenster musste geschlossen werden. Es kam zu viel Suaerstoff herein. Die hatten ihnen die Bude über den Kopf abfackeln wollen! Kaum einer in der Stadt wusste, dass sie wieder zu hause war. So konnte auch kaum einer ahnen, dass Anna zur Stelle sein würde um Feuer zu bekämpfen. Die heisse Wut zog sich in ihrem Bauch zusammen zu einem schweren, eisigen Klumpen.
„Offoco!“, flüsterte die Adeptin ein weiteres Mal mit vor Ingrimm heiserer Stimme und konzentrierte sich auf den Weg zum Fenster, nahm die Mitte statt der linken Seite. Sie musste da durch. Irgend wie. Ein weiterer Teil der Flammen erlöschte, als sei er unter eine Käseglocke voller Stickstoff zum verstummen gebracht worden. Zu beiden Seiten des Zimmer bleckte das Feuer weiter an den Wänden, fand Nahrung in dem Schrank, den Katharina mit dem Feuerlöscher bearbeitete, dem Bett und dem, was darauf lag. War es Gepäck? Kleidung? Anna konnte es durch die Flammen nicht erkennen. Das Feuer von den Seiten bleckte in die Mitte hinein und zu den Resten der Vorhänge und des Schreibtisches, versuchte, sie wieder zu entzünden.
Anna versuchte sich hinein zu zwängen in dieses Inferno hin zu dem Fenster. Es musste geschlossen werden! Dieses Mal versuchte das Tier nicht in ihr zwar nicht zu fliehen, aber es stemmte sich mit allen Kräften in den Boden, nutzte die Ketten um an ihr zu zerren und sie einfach nicht in das Zimmer hinein zu lassen. Verdammt, es war zu heiß! Ein weiteres Lüftchen fachte die Flammen an der Seite an, Anna sah die Bewegung der Flammen auf Katharina zu. „Offoco!“, wendete sie die unmittelbar Gefahr von der anderen Frau ab, die sonst sicher mehr als nur ein paar Haare eingebüßt hätte. Geriete ihre Kleidung in Brand, würde sie sich sicher nicht mehr hier halten und so geringfügig der Erfolg des Feuerlöschers auch sein mochte, sie brauchten alles hier, was sie haben konnten. So jedoch erstickten die Flammen unter dem Wirken von Annas Magie bevor sie der anderen Adeptin zu nahe kamen. Mit dem Rest des Feuers musste die andere auf ihrer Seite allein klar kommen. Hoffentlich erinnerte sie sich korrekt. Kurze Stöße an die Füße der Flammen. Von unten nach oben löschen. So kam man Feuer mit einem Feuerlöscher bei. Anna hatte keine Zeit mehr sich um sie zu kümmern. Wenn niemand der anderen Seite Einhalt gebot, würde das Feuer nur all zu bald das gesamte Zimmer wieder erobern und dann das Haus.
„Offoco!“, kam es dieses Mal in stiller Konzentration tonlos von ihren Lippen. Dieses Mal hatte sie das Bett und seine unmittelbare Umgebung im Fokus. Rauch hing weiter in der Luft und noch war wenig zu erkennen. Anna wusste noch nicht, wie dankbar sie bald für diesen Umstand sein würde. Wenn sie erkannt hätte, was dort lag, wer wusste schon, ob sie die Disziplin auf gebracht hatte, sich dem letzten Feuerherd auf ihrer Seite zu zu wenden und ihn mit einem weiteren erbitterten „Offoco!“ zum Schweigen zu bringen. Erst jetzt sah sie wieder zu der anderen Adeptin, die mit ihrem Löscher noch die Reste des Schrankes zum Schweigen brachte. Sie trat in die Mitte des Raumes und sah sich misstrauisch um. War noch irgend wo Feuer? Ein Glutnest? „Schließen sie das Fenster Kraft ihres Geistes, Zimmermann.“, wies sie die andere an, die ihrem Befehl so gut wie möglich gehorchte. Der Rahmen hatte sich verzogen und wollte nicht mehr so richtig passen. Die Scheibe war heil. „Berühren sie nicht mehr als unbedingt nötig.“ Der Rauch hing noch dick in der Luft. Als ihr Blick wieder zum Bett glitt, wollte Anna aufschreien und sich zum Bett hin stürzen. Das war doch nicht? Was sich dort aus dem Rauch heraus schälte, sah nicht aus wie ein Koffer oder lose Kleidung. Anna konnte geschwärzte Knochen erkennen, verkohltes Fleisch. Die Adeptin blieb steif stehen. Sie schloss nicht einmal die Augen. Sie wollte hin gehen, den Mann berühren. Es nicht wahr haben. Die Eindringlinge waren nicht nur in Grimms Zimmer eingebrochen, sie hatten auch noch Josef getötet! Schon das Feuer und der Einbruch waren ein klarer Verstoß gegen die Traditionen und dann noch einen der ihren zu töten... Andere mochten Ghule nur als eine andere Form von Besitz sehen. Anna sah in ihnen immer noch die Menschen und maß ihnen mehr Wert zu als so manch anderer Vampir. Ihre Tränen drangen nicht einmal im Ansatz bis zu ihren Augen vor. Dafür war sie zu gut trainiert. Dennoch fühlte sie unbändigen Schmerz, den sie hinter ihrer nichtssagenden Maske zu verbergen suchte.
„Haben sie Aetherius gesehen?“, fragte sie Zimmermann nach dem Mann, der hier die ganze Zeit mit seiner Abwesenheit glänzte. Auf die Verneinung nickte Anna knapp. Die andere hatte nur gesehen, wie er auf sein Zimmer gegangen war und dann nichts weiter. Dort war er jedoch nicht.
„Bleiben sie hier und passen sie auf, ob das Feuer wieder ausbricht. Ich schicke ihnen Maria mit weiterem Material für den Fall, wenn ich sie finde und suche nach Aetherius. Denken sie daran, hier so wenig wie möglich zu berühren.“
Noch einmal blickte Anna sich sichernd um, bevor sie gehen wollte. Sie sah nach übersehenen Flammen... und auch nach Hinweisen, wie der Brand entstanden war.