16.5.2008 Einkaufen, jagen... oh... und Brujah nerven

Eben. Da sagte sie es das ERSTE Mal und hatte es davor nur gedacht ^^

„Danke für deinen Rat. Aus der Clansquarantäne komme ich gerade. Es ist kein besonders gemütliches Unterfangen und nichts, was ich zu wiederholen wünsche.“

Die Tremere wünschte sich jetzt fast, es stünde ihr mehr Mimik zur Verfügung. Ein kleiner Teil von ihr machte innerlich den Hampelmann, klatschte und deutete auf den Malkavianer. Nun, über kurz oder lang würde der Brujah schon die richtigen Schlüsse ziehen und dank ihrer dezenten Hinweise hoffentlich etwas früher als später, selbst wenn es ihm jetzt anscheinend noch nicht gelang. Verdammt noch mal. Warum besaß der Italiener nicht etwas mehr Mimik. Gut, er hatte mehr drauf als sie, jedoch fast nur den grimmigen, übel gelaunten Part. Bei allem anderen glänzte er mit einer ähnlichen Ausdruckskraft wie die junge Tremere. Das half nicht dabei in ihm zu lesen und ihn zu verstehen. Ihr Schmunzeln erreichte ihre Lippen nicht. Nun, nicht nur der Brujah wurde in diesem Gespräch gereizt und an seine Grenzen gebracht. Leider ging dieser Schluß in beide Richtungen los. Sie hatte es wohl nicht besser verdient.

„Ich habe heute der Regentin Bericht erstattet. Meine Meldungen gehen direkt an sie. Ehrlich gesagt habe ich ein wenig geschummelt um zu dir zu kommen. Ich habe mir ein wenig Zeit von meiner Jagd ab geknapst. Ich mache mir Sorgen um sie. Ihre Stellung ist wahrscheinlich gefährdet. Um so wichtiger ist, dass wir zu mindest irgend welche kleinen Erfolge vor weisen können.

Ich kann nachvollziehen, warum du bei den meisten Themen des heutigen Abends sehr zurück haltend bist, würde mich jedoch freuen, wenn du meiner Frage nach Herrn Thorson noch Beachtung schenken würdest.“

Nun, eines konnte man der Frau nicht nach sagen: fehlende Hartnäckigkeit. Wenn der Ahn beharrlich zu schweigen beliebte zu dem Thema würde sie es wohl akzeptieren bei einem schlichten übergehen konnte sie jedoch durchaus noch etwas nach setzen
 
Es war kein Problem der fehlenden Intelligenz oder Wahrnehmung. Es war einfach ein Problem der fehlenden Informationen. Enio hatte den Malkavianer nicht vergessen. Im Gegenteil! Er hatte sich schon bei seinem ersten Gespräch sofort nach ihm erkundigt aber eigentlich nur eine Entwarnung seitens Lurker bekommen. Erst als Caitlin seine Frage beantwortet hatte und darauf hingewiesen hatte, daß der Alte wohl doch noch aktiv ist, wurde Enio wieder auf ihn aufmerksam gemacht. Hätte man ihm nicht das Gefühl gegeben, daß alles in Butter war und keine akute Gefahr bestand, wäre er bestimmt etwas mehr sensibilisiert auf das Thema und würde gezielt nachfragen. Es war der leichte Stubs, der dem Brujah fehlte und das war genau der, den Anna nicht geben konnte. Es war eine frustrierende Situation.

Aber nicht für Enio. Daher ging er im Moment nicht weiter auf das Thema ein und beendete es mit einem Schulterzucken.

Er deutete wieder auf ihr Handy. „Ich gehe davon aus, daß es mit deinem… Zustand zusammenhängt warum du dich ständig zurückmelden mußt. Oder geht’s da noch um was anderes… falls das zu den Dingen gehört die du sagen kannst. Und ja… ich gebe dir recht. Caitlin ist gefährdet. Aber soll ich dir was total Neues sagen. Das sind wir verdammt nochmal gerade alle! Die Anwesendheit der Archonten ist nur ein kleiner Teil des uns zuwinkenden Abgrundes. Die Justikare haben ihre Finger nach Finstertal ausgestreckt und sie interessieren sich wesentlich mehr für Ziege als für die Amtswiederaufnahme von Buchet oder seinem Nachfolger. Wien schaut ständig mit einem Auge hierher und interessiert sich wohl momentan mehr für Finstertal und Ziege und unsere sämtliche Entscheidungen und Handlungen diesbezüglich werden mit Argusaugen betrachtet und bewertet. Jede kann die letzte sein und irgendwer wird sich vielleicht entscheiden ein Todeskommando hierher zu schicken und die kainitische Bevölkerung in Finstertal komplett auszurotten und durch eine… konformistischere zu ersetzen. Dann werden wir mal zur Abwechslung nicht gegen Wölflinge kämpfen oder den Sabbat, sondern gegen unsere eigenen Reihen… gegen die Camarilla.“

Enio machte eine kurze Pause. Er rechnete nicht damit, daß Anna irgendwie auf seine Worte reagierte. Wozu auch? Erstens tat sie das eh kaum und zweitens waren ihr die Fakten sicherlich klar. Wenn er sie für so doof halten würde, daß er davon ausgehen mußte ihr etwas Neues erzählt zu haben, dann hätte er es warscheinlich von vorneherein erst gar nicht getan. „Hört sich das paranoid an? Ich denke du weißt das ich recht habe und nicht übertreibe.“

Die Frage mit Viktor hatte Enio nicht vergessen. Er war nur nicht darauf eingegangen, weil er es satt gehabt hatte Schnitzeljagd zu spielen. Aber das hatte sich ja jetzt erledigt. „Ich weiß das Viktor mit Meyye recht gut auskam und öfters mit ihr zu tun hatte. Einen Ventrue? Wenn überhaupt dann würde mir nur Alexander Stahl einfallen. Er war von Melissa mal abgesehen der einzige Ventrue den ich kenne, der hier schon war als ich in Finstertal ankam. Und Melissa ist auch vernichtet. Wie weit Alexander und Viktor zusammenhingen kann ich nicht sagen. Sie kannten sich und haben schon miteinander geblutet… wie alle Finstertaler es irgendwann einmal machen. Aber wie gesagt… ich würde es mal bei Meyye probieren.“
 
Meye also. Anna hatte sie weniger kennen gelernt als den Brujah vor ihr. Genau genommen war er derjenige, den sie am besten kannte, irrwitziger Weise sogar noch vor ihrer Regentin. Es war schon ein verrücktes Fleckchen Erde dieses Städtchen. Viel wusste Anna von der Gangrel nicht. Sie war wortkarg gewesen und kampfstark. Ihr Kennen lernen, wenn man es denn so nennen durfte, war wenigstens nicht negativ gewesen. Anna kannte Meye so wenig, dass sie noch nicht mal Gelegenheit hatte einzuschätzen, welches Gemüt dem eines Sonnenscheins näher kam: Enios oder das der Gangrel.

Stahl war eine Antwort, mit der Anna besser zu recht kam. Auch er war für einen Ahn durchaus freundlich zu ihr gewesen und er war Ventrue. War er derjenige, der das Rotlichtmileu unter sich hatte und den sie fragen konnte? Er war wenigstens eine Spur. Wenn sie es vermeiden konnte, unerlaubt im Gebiet der Ventrue zu wildern, dann war das ganz sicher von Vorteil. Ihr graute davor, was es sie kosten würde, aber nun gut. Das waren Probleme für... später.

„Danke Enio.“, war alles, was sie für die Informationen über Viktor über hatte. „Angehörige meines Clans rechnen ständig mit diesen Möglichkeiten auch ausserhalb von Finstertal, daher finde ich es kaum paranoid. Was wäre dann ich? Ein verängstigtes Mäuschen, das in der Ecke sitzt und nur noch auf den Tod warten kann? In Hamburg hatte Finstertal durchaus den Ruf einem Todesurteil gleich zu kommen. Ist es seltsam, dass ich trotz der Unannehmlichkeiten in dieser Stadt noch nicht einmal den Wunsch verspüre, mich wo anders auf zu halten? Mein Leben in Hamburg war geordneter und wesentlich sicherer. Nicht, dass ich eine Wahl hätte, aber würde sie mir gestellt, ich würde diese Stadt wählen, obwohl mir die Nähe zum Meer fehlt.“

Anna deutete lediglich knapp auf das Handy zum Zeichen, dass sie das Thema wechselte.

„Teilweise. Es ist dem Umstand geschuldet, der mit dem Maulkorb versehen ist und dem Umstand, dass Finstertal als nicht sicher eingestuft wird. Wäre nicht die Jagd, wäre ich nicht ausserhalb des Hauses. Nach dem letzten Tag hätte ich morden können für etwas zu essen, obwohl ich in der Nacht davor gut gespeist hatte.“

Tröpfel... tröpfel... tröpfel... So war es wohl mit den Informationen bei dieser Tremere. Selbst wenn sie freigiebig war, konnte es mühsam sein. Ihre Umschreibung war nett und der Umgangssprache angepasst. Dem Itaker würde kaum entgehen, wie ernst die Worte in Bezug auf ihre Natur als Raubtiere waren.

Soll ich dir jetzt erzählen, dass ich mich von Typen wie dem Koldunen und dem Malkavianer hauptsächlich schlicht genervt fühle und finde, sie sollten sich mehr an Leute in ihrer Gewichtsklasse halten sich an mir gütlich zu tun? Leider hören Klassenschläger ja auch nie auf die Schwächeren, bis es denen gelingt, ihnen mal ordentlich eins auf die Nase zu geben. Die Ecke zum verkriechen... ist für mich reizlos. Irgend wie werde ich es schon schaffen, ihnen in die Suppe zu spucken.... äh... nein... lieber nicht und ja, ich weiss, wie lächerlich das klingt. 'Finstertal wird als nicht sicher eingestuft.' Wann wurde es das je und was macht die aktuelle Situation so besonders? Frag nicht mich, ich habe nicht für die Ironie gesorgt.

Ob sie es schaffte, Enio mit dieser Bemerkung irgend eine Art von Lachen zu entlocken oder würde er nur eher besorgt reagieren? Beide Reaktion waren schlicht... angemessen. Noch hatte er sie nicht nach ihrer persönlichen Einschätzung der Situation gefragt und ihre Erziehung saß zu tief um einfach damit nach vorn zu preschen.
 
Anna und Enio würden eventuell herzhaft lachen, wenn sie wüßten wie oft sie haarscharf aneinander vorbeiredeten oder knapp davor waren sich wirklich gegenseitig nützliche Informationen zu geben. Aber irgendwie fehlte dann doch immer wieder das letzte Quäntchen Glück. Sie würden wohl noch etwas üben müssen um ein gutes Team abzugeben. Enio wußte ganz sicher, daß Alexander Stahl das Rotlichtviertel unter sich hatte und der Witz daran war... Enio selber hatte bei Alexander nachgefragt und dort selbst um ein Jagdrecht gebeten. Der Preis dafür war übrigens ein Witz gewesen. Enio schuldete dem Ventrue noch nicht einmal einen Gefallen dafür. Der Brujah hätte Anna sicherlich wenigstens in dieser Hinsicht äußerst nützliche Tips geben können.

Ihre Ausführungen über Hamburg und dem schlechten Ruf dieser Stadt hier kommentierte Enio nicht weiter. Anna war offenbar noch jung und war noch nicht so viel herum gekommen. Die jungen Vampire heutzutage hatten ja keine Ahnung wie es war Weltkreige zu überdauern und Bomebhagel über sich ergehen zu lassen. Die Stadt zerfiel, die Führung flüchtete und das nackte Überleben übernahm die Tagesordnung. Keine Freunde... nur Mitstreiter oder Opfer. Da fehlte keinem das Meer und jeder war nur ein Mäuschen das verängstig in der Ecke saß und auf den Tod wartete. Zugegeben... das Ganze war so etwas übertrieben dargestellt aber der Italiener hatte solche Momente tatsächlich erlebt. Aber was solls... das Ganze tat nichts zur Sache und das Gespräch begann vor sich hin zu tröpfeln.

Apropos tröpfeln! „Wie meinst du das... nicht sicher? Aber doch sicher nicht wegen dem Malkavianer nach dem ich Caitlin gefragt habe. Sie hat sich nicht sehr besorgt angehört. Seit Zacharii und auch die Wölflinge geschlagen wurden ist Finstertal so sicher oder unsicher wie jede andere Stadt auch. Ich versteh das nicht.“ Ja und vielleicht war ja da der Hund begraben. „Oder gilt das speziell für dich und deinen Zustand?“

Warum von den Tremere die Stadt als nicht sicher eingestuft wurde war durchaus interessant und entzog sich der Vorstellung des Brujah-Ahn. Dieser ganze Eierlauf hier ging Enio langsam aber sicher gehörig auf den Senkel. Er hatte keine Ahnung was er Anna direkt fragen konnte und auf was sie ihm eine unmissverständliche Antwort geben konnte. Das war nicht die Art von Unterhaltung, die Enio zu führen pfelgte. Anna wußte hoffentlich seine Geduld zu schätzen und war sich klar, daß das eine Huldigung auf ihr bisheriges gutes Verhältnis war. Einen anderen hätte er sicherlich schon längst rausgeschmissen.
 
Wäre die Tremere nicht so auf Ausdruckslosigkeit trainiert, so würde sie wohl tief aufseufzen statt mit dem Brujah zu lachen. Leicht war es nicht mit. Er vergaß immer so schnell 75% ihrer Unterhaltung und vor allem die kleinen Sätze, die nichtig sein konnten und achtete viel zu wenig auf die Dinge, die nicht gesagt wurden, wie sie fürchtete.

„Und schon läufst du mit Volldampf gegen meinen Maulkorb. Dabei fragst du zum Teil Dinge, die du schon weisst, weil mindestens ich sie dir gesagt habe. Dabei sind die Dinge, die ich dir nicht gesagt habe zum Teil noch bedeutungsschwerer.“ 'Ich bin sicher, du wirst dem alten Beinamen deines Clans alle Ehre machen.' Halt die Klappe Miststück, wenn er das nicht in den falschen Hals bekommt, hast du mehr als nur ein wenig Dusel. Strapazier dein Glück nicht zu sehr. Aber wie drücke ich diplomatisch aus, dass er sich am besten ein Videotape von der Unterhaltung ansehen soll und das ungefähr zehn Mal mit Schlafpause oder so dazwischen? Vor allem, weil er ja auch unter Garantie überhaupt nichts wichtigeres zu tun hast, als sich über ein Gespräch mit einer kleinen Neugeborenen Gedanken zu machen. „Auch jetzt. Ich bemühe mich, nichts überflüssiges zu sagen oder zu tun, doch meine Möglichkeiten sind sehr begrenzt. Ich sagte dir bereits in einigen Nebenworten zu dem Teil mit der seltsamen Unaufmerksamkeit, dass ich sie nicht nur bei mir beobachtet habe. Ich kenne mich und meinen Status. Was könnte ich mir davon versprechen, wenn dieser Umstand speziell mich betrifft und ich dich so umfassend in Kenntnis davon setze? Ich glaube kaum, dass ich konkrete und auf mich zu geschnittene Hilfe von dir für dieses Problem bekommen könnte, und zwar ohne zu hinterfragen, ob du dazu motiviert wärest, sondern auf Grund dessen, was dir möglich ist. Ich bitte dich, wenn du das annimmst, solltest du mich hochkannt aus deinem Büro hinaus werfen. Auf die unfreundliche Art, weil ich unnötig die Zeit eines Ahns verschwende. Wobei.. schuldest du mir jetzt noch einen Drink? Dann wäre Zeit für Small Talk. Das Ritual um Zacharias hatte um Mitternacht seinen Höhepunkt oder lag ich da falsch? Ich erinnere mich da was mit Coctailschirmchen, von denen du geschwärmt hast. Und das waren die ersten drei Sätze von mir während unseres Gesprächs, in denen nur die offensichtliche Botschaft steckte.

Du bist einige Tage aus Finstertal fort gewesen. Ich bin froh, dass du dir Zeit für mich genommen hast. Wie naiv müsste ich sein, um anzunehmen, du hättest ausgerechnet jetzt Zeit nur für die kleinen privaten Sorgen einer Clansfremden?“

Der Blick der Tremere glitt zu dem Wolfsschwanz auf dem Boden. Auch wenn ich gehofft hatte, hier einen kleinen Raum für meine Trauer zu finden. Da weiss ich tatsächlich nicht, wo ich sonst damit hin könnte. Zu meinen Leuten sicher nicht. „Möchtest du, dass ich den wieder mit nehme, wenn ich gehe?“ Sie hatte ihm den Schwanz als Geschenk geboten. Er mochte ihn nicht. Ihn einfach aufheben... geziemte sich nicht, ihn liegen lassen und ihn sich selbst drum kümmern lassen, wäre möglich, aber aus Scht der Tremere schlechter Stil. Und es war eine gute Möglichkeit von ihren Gedanken abzulenken, die ihren Blick geführt hatten.

Wie es schien, waren nicht nur die Nerven des Brujahs durch dieses Gespräch angespannt Wie es die Ironie wollte, wusste Anna nichts von dem dritten Auge Enios und somit zu mindest der wagen Möglichkeit, dass doch ausgerechnet er eine Hilfe dar stellen konnte. So gut wie die zwei sich auch verstanden, war das sicher nichts, was der Turiner der Tremere so schnell offenbaren würde. Ja, so war es mit der Ironie der Dinge in dem Gespräch der beiden.

Und auch, wenn meine Zeit weniger Wert sein mag als deine... das Kostbare etwas, was ich mir erschlichen habe, wäre für simplen Small Talk verschwendet gewesen. Immerhin sind wir kein Liebespaar und ich bin nicht hier um mit dir zu turteln... oh Gott... wie lächerlich...
 
Enio hatte sich schon viel anhören müssen und war vor allem von Meyye und Jenny schon oft übelst beleidigt worden... okay vielleicht hatte er bei denen beiden das ja auch gemacht... aber letztendlich hatte Enio ein sehr dickes Fell was Beleidigungen anging, da er selbst einen recht rauhen Umgangston pflegte. Aber Enio hatte nunmal kein sonderlich dickes Fell wenn es um zu komplizierte Unterhaltungen ging und komplexe Interpretationen und schon gar nicht wenn sie von ihm gefordert wurden um der verdammten Unterhaltung zu folgen und auch ja das richtige daraus zu deuten. Anna hatte angeboten, daß er sie hochkant rausschmeißen sollte? Warum nicht?! Zwar aus völlig anderen Gründen als von Anna beschrieben aber das war eher nebensächlich. Die Unterhaltung war für Enio eigentlich vorbei und Anna hatte sie im Grunde beendet. Auch wenn das warscheinlich nicht ihre Absicht war. Das hieß aber nicht, daß das Thema vorbei war. Der Brujah sah keine andere Möglichkeit als Caitlin noch einmal auf den Malkavianer anzusprechen. Sie mußte ihm mehr dazu erzählen. Er hatte jetzt keine Lust mehr auf Lückentexte.

„Schön! Dann werde ich mich mit dem zufrieden geben was ich mir einbilde heute erfahren zu haben um mich morgen Nacht nochmal mit deiner Regentin über das alte Mondkind unterhalten müssen. Keine Sorge... ich werde unser Gespräch oder dich nicht erwähnen. Unter Umständen werden wir uns danach nocheinmal unterhalten. Für den Moment aber bin ich es Leid das Ungesagte verstehen zu müssen. Es ist besser wenn du jetzt gehst Anna!“ Jetzt mußte man aber tatsächlich den Brujah genauer interpretieren um herauszufinden ob er jetzt beleidigt war und Anna tatsächlich aufgrund ihres Vorschlages hinauswarf oder eine andere Motivation hatte für heute die Unterhaltung zu beenden. Jedenfalls wirkte Enio so ruhig und gelassen wie eh und je. Es sah nicht so aus als ob er wütend war und Anna gleich mit einem Tritt in den Arsch hinausbefördern würde. Wobei... der Turiner war in solchen Momenten immer sehr schwer zu lesen und sein Zorn kam oft in einer Art Rechteckimpuls und ohne jegliche Vorwarnung.

Der Ahn nickte in Richtung des Wolfschwanzes. „Laß ihn da liegen.“ Auch hier blieb unklar wie genau Enio zu diesem Ding stand. Offenbar wollte er aber nicht, daß Anna ihn wieder mitnahm.

Enio erhob sich. Er umrundete den Tisch und war schon neben der Tremere als sie sich erhob... falls sie nicht zum Sitzstreik übergegangen war und ihr Schicksal herausfordern wollte. Der Brujah hatte nicht vor ihr die Hand zum Abschied zu geben. Das war zu untypisch für ihn. Der Italiener wollte warten bis sich Anna in Richtung Tür bewegen würde um sie dann ein wenig in Richtung Ausgangstür zu leiten. Eine leichte Berührung an der Schulter. Wie eine Geste des Abschieds... nur etwas bestimmter und unter Umständen mit einem kleinen unfreundlichen Touch, den man aber nicht zwangsläufig so interpretieren mußte. Enio brauchte nur eine Berührung. Es war nicht viel aber es konnte viel bewirken. Nicht für Anna aber für den Teil in Enio, der sich Sorgen machte. Der Teil, der sich immer Sorgen machen würde und alle anderen Stimmen ignorierte. Jedesmal!
 
Nö. Anna war nicht zum Sitzstreik übergegangen. Sie war länger bei dem Turiner gewesen, als sie erwartet hatte und das Gespräch war für sie nicht leichter geworden. Sie musste auch auf die Zeit achten. Wenn sie zu lange blieb, würde es auffallen. Auch das musste dem Italiener klar sein, hatte sie diesen Punkt doch für ihre Verhältnisse ausführlich ausgebreitet. Sie hatte, was sie wollte für den Moment. Ein freundlicher Enio gehörte noch nicht mal dazu, im Gegenteil, etwas unwirsches Verhalten kam ihr wesentlich mehr entgegen und sie wäre geneigt gewesen, dafür betend Gott zu danken, würde es nicht zu sehr die Dinge berühren, an die sie höchstens flüchtig zu streifen wagte.

Beim Aufstehen war höchstens das leise Flüstern der Kleidung der Tremere zu hören, nichts weiter. Sie hatte wenig erstaunlicher Weise keine Angst vor einem wütenden Ausbruch des Mannes, der sich an ihre Seite begeben hatte. Sie hatte ihn nur einmal unkontrolliert erlebt und den Auslöser selbst zu schmecken bekommen. Der heutige Abend war vielmehr ein Beispiel für das ausmaß seiner Kontrolle über sich selbst und wie er ein wenig mit dem Bild des Brujahs spielte. Selbstverständlich hatte er mit ihren Ängsten gespielt und sie geprüft. Wenn sie richtig lag – und das hoffte sie innbünstig – war er zu jedem Zeitpunkt des Gespräches weit entfernt davon gewesen, ihr ernsthaft Schaden zu wollen. Es mochte dumm sein, doch Enio besaß für die Tremere ein ungewöhnlich hohes Maß an Vertrauen. Gut, wenn wir ehrlich sind, hieß das nicht besonders viel. Würde sie ihm ihr Herz ausschütten, mehr als sie es heute getan hatte? Ihn in ihre innersten Gedanken einweihen? Anna war sehr, sehr weit davon entfernt, irgend jemanden so dicht an sich heran zu lassen. Dafür war sie in den letzten Jahrzehnten viel zu sehr auf Mißtrauen getrimmt worden. Auch während ihres Gespräches heute hatte es nichts gegeben, was Anna im Zweifelsfall nicht rechtfertigen konnte. Wenigstens glaubte sie das.

Freundlicher als nötig geleitete Enio sie in Richtung Tür. Zu erst dachte sie fast, er wollte ihr die Hand reichen, aber dazu machte er keinen Ansatz. Ja, er schaffte es, sie zu irritieren und seine Berührung an ihrer Schulter machte diese Wirkung perfekt. Was war das? Was sollte das? Sie war es nicht gewohnt, von anderen Vampiren auf diese Art berührt zu werden, überhaupt berührt zu werden ausserhalb der Konventionen. Es war ungewohnt. Sehr. Sie hielt im Schritt inne dreht sie zu dem Brujah hin und hob ihren Blick in sein Gesicht, in der wagen Hoffnung in seinen Augen, seinem Ausdruck etwas zu finden, was ihr diese Geste erklärte. Allerdings war sie hier mit Enio zusammen und der kannte eigentlich nur zwei Zustände. Grimmig neutral und richtig grimmig, oder? Nichts desto weniger bot es ihr Gelegenheit, ihre eigene Unsicherheit zu überspielen. Auch die Höflichkeit gebot noch eine Verabschiedung.

„Danke für deine Zeit Enio.“, sagte sie in ihrer ganz eigenen unbewegten und ruhigen Art, während sie ihm in den Augenkontakt hielt und nicht vor dem Mann zurück wich. „Ich wünsche dir eine angenehme Nacht.“ Und Enio? Glaubte nun an einen Zufall, dass die junge Frau sich just nach seiner Berührung zu ihm drehte, wo sie noch einige wenige Schritte von der Tür entfernt waren? Ablehnung oder Zustimmung zu der Berührung oder schlichte Neutralität. Es blieb an dieser Stelle wohl ihm überlassen zu vermuten, wie es Anna mit dieser Geste ging, falls es ihn überhaupt einen feuchten Kehricht- interessierte.

Der Ahn war deutlich gewesen. Die Tremere zögerte nicht mehr, seinem Wunsch nach zu kommen. Ihr Lernpensum für diese Nacht war noch hoch.
 
Die Berührung hätte beiläufig und total unauffällig sein sollen und im Prinzip hätte das auch einfach funktioniert. Aber Anna war es nicht gewohnt von jemand überhaupt berührt zu werden und Enio hatte keine Übung darin. Seine Berührungen waren meistens mit Schmerzen und Tod verbunden und waren… endgültig. So war das aber alles andere als einfach und das wäre nur die prinzipielle Handlung gewesen.

Aber es war alles noch komplizierter als erwartet. Wenn man in einen Raum schaut und das sieht was man erwartet hat, dann läßt sich einfach wieder die Tür schließen. Keine Überraschung und keine unerfüllten Erwartungen. Was sollte man da lange verharren und inspizieren? Aber manchmal war der Raum vollgestopft mit sonderbaren Dingen. Manche schön, manche ungewöhnlich und andere wiederum schrecklich und beängstigend. Oft schlug man dann die Tür noch schneller zu und rannte verängstigt davon. Aber manchmal sah man mit großen Augen in den Raum und betrachtete neugierig die sonderbaren Dinge die einem der Blick präsentierte. Wie Kinderaugen unter dem Weihnachtsbaum.

Und so kam es, daß Enio seine flüchtige Berührung nicht mehr ganz so beiläufig wie geplant an der Tremere verrichtete. Es war einfach Kontakt herzustellen und sehr einfach die Tür zu öffnen. Die ersten Dinge die Enios geschlossene Auge erblickte waren die Offensichtlichen. Anna war ein Vampir. Damit war doch tatsächlich zu rechnen gewesen. Anna war unverletzt… körperlich. Doch der Blick ging tiefer. Einerseits gewollt aber andererseits weil es richtig erschien und weil der Erforscher erforschen will und sich nicht immer beherrschen kann. Manche Dinge mußten getan werden… wollten getan werden. Ein Blick für das Leben und das über eine Untote. Irgendwie paradox aber für das Verstädnnis einer Salubri das Normalste auf der welt. Enio verharrte für einen Moment und Anna war warscheinlich nicht klar was genau Enio eigentlich machen wollte. Die Berührung an der Schulter war vielleicht ungewöhnlich aber trotzdem unverfänglich und hatte weder etwas bedrohliches noch etwas aufdringliches. Aber sie hielt an. Der Brujah kam mit seinem Kopf etwas näher und für einen kurzen Augenblick wirkte es so als ob er in typisch italienischen Stil der Tremere eine Art brüderlicher Kuß auf die Wange geben wollte aber der Ahn hielt vorher inne und verharrte. Er wirkte konzentriert und man könnte fast meinen, daß er an ihr… schnupperte. Seine Nase zog dabei natürlich keine Luft ein und er atmetet auch nicht dabei aber alleine die Körperhaltung sah kurzzeitig so aus. Man hätte meinen können, daß Enio sehr damit beschäftigt war sich zu erinnern was genau er gerade Anna ins Ohr fllüstern wollte und es schiene ihm nicht mehr einzufallen.

Enio strömten währenddessen unterschiedlche Eindrücke entgegen. Manche waren neu… andere ungewöhnlicherweise recht alt. Enio nahm Narben wahr. Die Seele war verletzt. Es war schwer zu erkennen was die Ursache gewesen war. Der Turiner hätte gerne herausgelesen ob der Malkavianer dafür verantwortlich war oder vielleicht sogar irgendwleche Bestrafungen in Wien. Zu wenig Zeit für Spekulationen und zu wenig Informationen um sie zu deuten. Man mußte zunächst nur sehen. In Worte den Zustand einer Seele zu beschreiben war als wenn man einen Kuchen mit einer Kreissäge teilen wollte. Enio würde niemals schaffen seine Empfindungen irgendwann einmal niederzuschreiben. Und das obwohl es sogar nur ein oberflächlicher Blick war. Die Spuren in Annas Seele waren jedenfalls vielschichtig. Jemand hatte Anna weh getan… jemand hatte sie manipuliert. Jemand oder etwas hatte in Annas Geist herumgespielt. Es wäre viel einfach herauszufinden was es genauer auf sich hatte, wenn Enio mehr Zeit hätte und wenn sich die Eindrücke nicht so stark überlagern würden. Etwas war erst kürzlich geschehen… etwas neues. Die Manipulation! Aber es gab noch viel tiefsitzendere Narben und die waren ähnlich wie das körperliche Pendant. Undeutlicher zu erkennen. Verwischt oder zugewachsen mit neuem Gewebe… oder Leid. Erfahrungen waren manchmal wie Flickzeug für den Geist. Flickzeug oder auch das Werkzeug um ihn zu öffnen…. zu verletzen. Annas vernarbte Seele hatte viele Schichten an Verletzungen aufzuweisen und an manchen Stellen sah es so aus als ob jemand versucht hatte sie notdurftig zu verdecken. Nie richtig geheilt aber trotzdem schwer sichtbar weil man sie gut zu verbergen wußte. Versteckt… von ihr selbst… und vor ihr selbst. Ein Schutz!

Etwas zwang Enio wieder ins Hier und Jetzt. Die Stimme gehörte Juliana. Vorsicht junger Brujah… du schaust zu tief und je tiefer du schaust desto mehr gibst du von dir preis und desto mehr willst du noch sehen und wissen. Sei auf der Hut. Du kennst deine Grenzen noch lange nicht und wenn du nicht aufhörst wirst du in einen Abgrund fallen.
Enio löste die Verbindung und nahm seine Hand von Annas Schulter. Es geschah fast ruckartig. Also ob dem Brujah doch wieder eingefallen wäre was er Anna sagen wollte aber er sich entschieden hatte es doch lieber für sich zu behalten. Das ganze hatte nicht lange gedauert aber lange genug um merkwürdig zu wirken. Der Italiener machte einen Schritt zurück und sah der Tremere in die Augen. Auch ohne Mimik und große Regung war in ihren Augen zu erkennen, daß sie sich Gedanken machte was Enio von ihr gewollt hatte und warum er sich so verhielt wie man es von ihm sicher nicht gewohnt war. Anna würde heute ohne Erklärungen nach hause müssen.

Enio wandte sich ab. „Ja… dir auch. Geh jetzt!“

So sehr er für sich blieb und so wenig er sich immer für andere interessierte… Enio wollte mehr wissen. Ja er wollte seinen Grenzen kennen lernen und er wollte wissen was es mit der Tremere auf sich hatte. Nur wie konnte er das erfahren? Ausgerechnet bei einer Tremere! Es schien als ob der Brujah eine weitere unlösbare Aufgabe hatte. Aber sie war interessant!
 
Anna hielt still. Etwas anderes kam für sie nicht in Frage. Er griff sie nicht an. Dafür waren die Bewegungen zu ruhig, zu sacht. Was zur Hölle sollte das werden? Einen Moment glaubte sie, er würde sie auf die Wange küssen und sie damit über die Gebühr ehren. Sein Verhalten als ungewöhnlich einschätzen konnte Anna allerdings nicht. Wohl hatte sie den Ahn ausserhalb von Kampf noch nie in so einer körperlichen Nähe gesehen. Doch es war auch das erste Mal, dass diese zwei sich 'in Ruhe' zu einem persönlichen Gespräch unter vier Augen trafen. Bei allen anderen Gelegenheiten war immer jemand anderes mit dabei gewesen. Mindestens Lurker oder Max. In so fern hätte sie ein ausgeführter Kuss auf die Wange immer noch irritiert aus Gründen heraus, die in ihr selbst lagen, doch es wäre in Bezug auf Enio weniger merkwürdig gewesen als das hier. Im Gegensatz zu ihm gönnte sich die Tremere ein Einatmen. Ihr Brustkorb hob sich dabei nur marginal. Sie atmete mehr mit dem Bauch. Wenn er ihr schon so dicht war, dann wollte das kleine neugierige Ding wissen, wie der Vampir roch. Der Geruch unter dem Zigarettengestank war... angenehm.

Enio beendete den Kontakt plötzlich und wich vor Anna zurück. Fast könnte man meinen, Anna müsse irgend etwas getan haben um das ausgelöst zu haben. Aber so war es nicht. Er wandte sich demonstrativ von ihr ab, beschied sie knapp, fast brüsk. Auch wenn Anna sich morgen stur auf die Sachebene einschießen würde und es bevorzugte, wenn die Leute dachten, sie würde überwiegend auf ihr agieren und reagieren und für die anderen nahezu blind sein, so entsprach das nicht der Wahrheit. Was der Brujah tat und sagte, hätte leicht als Ablehnung interpretiert werden können. Leider war sie zu irritiert um auch nur exakt diesen Gedanken zu lassen zu können. Und so schlich sich etwas anderes nach vorn.

Hat er sich vor sich selbst erschrocken? Aber weshalb? Selbst wenn er mehr als unwahrscheinlicher Weise von ihr als Frau etwas wollte, hatte er in solchen Dingen mit Sicherheit mehr Erfahrung als sie. Anna konnte nicht glauben, dass es daran lag, zweifelte. Von der Wahrheit war sie meilenweit entfernt.

Auf leisen Sohlen verschwand die Frau aus seinem Büro, das Rascheln ihrer Kleidung war fast nicht zu hören. Niedere Kainiten waren am besten unsichtbar, wenn sie sich nicht gerade im Gespräch befanden. So hatte es ihr Erzeuger ihr beigebracht. Es war die Etikette, nach der sie lebte. Kurz, bevor die Tür zu ging, wurde sie von außen mit der Hand aufgehalten und so fern möglich glitt das Ding lautlos in sein Schloß.

Die Tremere brauchte nicht die charismatische Ausstrahlung anderer Vampirinnen. Im Gegenteil, sie wäre ihr hinderlich als Schatten an der Wand, dessen Anwesenheit man vergessen konnte. So verschwand das neueste Studienobjekt des Brujahs vollkommen unspektakulär ohne ein weiteres Wort. Wenn der Italiener nicht genau auf die Geräusche geachtet hatte oder sich wieder in den Raum gedreht, war er sich vielleicht noch nicht einmal vollkommen sicher, dass die Frau seiner Aufforderung Folge geleistet hatte.

Anna begab sich unverzüglich und ohne weiteres Zögern ins Gildenhaus.
 
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