Black Hammer [13.10.2015] Neu Mischen

Discordia

B! scheuert
Registriert
7. Januar 2005
Beiträge
6.305
Die Münze fiel auf den Tisch. Wurde wieder aufgehoben und wieder auf den Tisch geworfen. Das hatte sie jetzt schon so oft hinter sich, dass sie warscheinlich schon im Zehntelbereich defomiert war und der Holztisch leichte Wundstellen vorweisen konnte und auch ohne Augen es fast zustandebrachte Enio vorwurfsvoll anzustarren. Oder zumindest empört im Raum herumzustehen. Der Münzenwerfer hatte überhaupt nicht registriert wie lange er jetzt schon in seinem Büro saß und vor sich hingrübelte. Oder die wievielte Nacht am Stück das schon war. Das Klingen der Münze auf dem Tisch hatte es jedenfalls nicht geschafft ihn zu nerven und leider auch nicht dazu beizutragen, dass aus seinen Gedanken etwas richtig Nützliches entstanden war. Enio war kein großer Denker und leider auch kein besonders guter Stratege. Manchmal fasste er einen Plan, der sogar als mittel- oder langfristig bezeichnet werden konnte und man mochte es kaum glauben... hin und wieder waren solche Pläne sogar von Erfolg gekrönt. Aber manchmal eben nicht. Das nervte!

Enio war es gewohnt sich um seinen eigenen Mist zu kümmern. Er hatte aber schon oft eingesehen, dass er auch die Hilfe anderer annehmen konnte um schneller das zu erreichen was er erreichen wollte. Aber auch das hatte bisher in seiner Situation nichts gebracht. Im Gegenteil! Es war Schaden entstanden und nicht gerade wenig Schaden war anderen entstanden. Das nervte noch mehr! Der Brujah war sicher kein Philanthrop und es wäre womöglich unter gewissen Umständen mit seinem Gewissen vereinbar gewesen, wenn ein Opfer erbracht werden hätte müssen um etwas total Wichtiges und Bahnbrechendes zu erreichen. Für ein höheres Ziel oder ähnlichen Scheiß für den andere regelmäßig Opfer brachten. Aber etwas oder jemand zu opfern ohne auch nur ein kleines bißchen zu erreichen.... ja das nervte gewaltig. Das war absolut inakzeptabel. Und man konnte dabei noch nicht einmal jemand dafür verantwortlich machen und ihm eine ordentliche Abreibung verpassen. Auser vielleicht sich selbst. Aber soweit war Enio noch nicht gesunken. Etwas mußte passieren. Und zwar bevor dem Brujah-Ahn total die Sicherungen durchbrannten und er etwas sehr sehr unüberlegtes tun würde. Weit war er davon nicht mehr entfernt.

Der Italiener warf die Münze noch einmal nach oben. Sie drehte sich dabei und ein Schimmern ging dabei von ihr aus wie jedesmal als Enio sie hoch geworfen hatte. Sie erreichte den oberen Totpunkt und begann sich wieder nach unten zu bewegen. Eine Umkehr, die für ein menschliches Auge zwar wahrnehmbar war aber nur so kurz andauerte, dass man dabei kaum etwas anderes machen konnte als zuzusehen. Enio hingegen prüfte dabei wie hoch sie geflogen war, überschlug kurz wie oft sie sich ca. gedreht haben konnte und wie lange es wohl noch dauern würde bis sie auf dem Tisch aufprallen mußte. Fast war es soweit. Gleich! Jetzt!
Kurz bevor sie den Tisch erreicht hatte griff der Brujah mit einer wahnwitzigen Geschwindigkeit nach ihr und fing sie nur 4 oder 5 cm vor erreichen des Tisches in der Luft auf. Der Alte war schnell. Sogar die Münze schien überrascht.
Enio erhob sich und trat aus einem Büro. Hier drinnen würde er keine Antworten mehr finden. Er mußte andere Fragen stellen. Er mußte Anderen Fragen stellen! Er mußte ihnen auch eine Geschichte erzählen. Leider. Eine Geschichte von einem Plan, der komplett schief ging und eine Geschichte vom eigenen Versagen. Das nervte am gewaltigsten!

Der Brujah verlies über die Kanalisation das Black Hammer. Er benutzte diesen Ausgang in letzter Zeit öfters. Niemand auser ihm war in der Lage diesen Ausgang zu benutzen und alleine deswegen benutzte Enio ihn mit einer gewissen Genugtuung. Sollten die Angestellten im Black Hammer doch denken was sie wollten warum Enio manchmal plötzlich wie vom Erdboden verschluckt war und niemand ihn weggehen gesehen hatte. Mit der Bestätigung des Zahlencodes verschloß der Turiner wieder die Tür. Er wandte sich um und überprüfte mit allen ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ob er alleine war oder von irgend jemand beobachtet wurde. Möglicherweise war Enio in den letzten paar Jahren ja völlig paranoid geworden. Aber irgendwie auch kein Wunder oder?
Mit einem Schlenker über 6 Querstraßen marschierte der Brujah-Primogen durch die Kanalisation. Noch vor dem Verlassen des Hammers hatte er Lurker angepiepst. Er wußte gar nicht ob der Nosferatu noch darauf reagierte. Es war schon ein Weilchen her das Enio von sich aus Kontakt zu einem anderen Blutsauger gesucht hatte. Aufgrund seiner Recherchen und der daraus resultierenden Probleme hatte sich der Italiener etwas zurückgezogen und war seinen untoten Geschwistern so gut es ging aus dem Weg gegangen. Es hatte dazu keinen konkreten Grund gegeben aber es gab einfach zu viel Dinge in Enios eigener Welt zu klären und der Brujah war sehr froh darüber, dass es in letzter Zeit tatsächlich etwas ruhiger in Finstertal zugegangen war und die Apokalypsebringer dieser Welt ein klein wenig zurückhaltender waren. Sicher nur vorübergehend aber warum sollte man nicht mal mit kleinen Erfolgen zufrieden sein.

Lurker würde sich sicher irgendwie melden. Aus welchem Grund sollte der Nosferatu auch alte Gewohnheiten ändern, wenn es keine Notwendigkeit dazu gab? Enio näherte sich dem Aufgang. Mitlerweile kannte er diese Passage auswendig und benutzte nur noch selten eine Taschenlampe. Es war zwar zur Gewohnheit geworden aber der Turiner war trotzdem kein Kind der Kanalisation und wanderte lieber auf den Staßen anstatt darunter. Enio legte die Hand auf die Leiter und sah sich kurz nocheinmal um... ins Dunkle. War da ein Geräusch gewesen? Womöglich. Aber hier unten gab es sehr oft Geräusche und man durfte sich nicht verrückt machen lassen. Enio nahm sein Handy herraus und laß die vorgefertigte SMS an Alexander Stahl nochmal durch. Hoffentlich war er noch immer die richtige Adresse um Enio zu helfen. Es war schwer niemand zu tief in die Sache hineinzuziehen aber bei den Untoten hatte Enio wesentlich weniger Skrupel als bei den Menschen. Die starben zu schnell!

Enio war hier sicher nah genug an der Oberfläche um Empfang zu haben. Er drückte auf Senden und machte sich daran an die Oberfläche zu steigen. Noch ein Schachtdeckel und er war wieder in der Seitenstraße nahe des Toreadorgebiets und an der Grenze zu den Nosferatu.


Hallo. Wir sollten uns mal treffen. Wann und wo ist es dir recht? Enio
 
Ein paar Mülltonnen und einige Kartons zierten die Seitengasse, die noch genug Grenze zur Oststadt war um nicht den Grad der Verwahrlosung zu erreichen der in diesem Teil der Stadt für gewöhnlich vorherrschte. Weiter die Gasse hinab zeichneten sich die Umrisse eines herrenlosen Stapels Sperrmüll ab. Vielleicht vergessen, vielleicht auch einfach nur wild entsorgt. So oder so, es würden sich schon Abnehmer finden die den Berg abtrugen, so wie Maden ein Vogelskelett Sauber abnagten. Die Prozesse in der urbanen Wildnis waren oft genug die gleichen wie draußen in der echten.
Auch wenn Enio gefunden werden wollte würde es ein wenig dauern bis der Nosferatu bei ihm sein konnte. Das angenehme dabei war allerdings, dass es einigermaßen egal war ob er sich dazu entschloss in Richtung der Kunstakademie zu gehen und ein wenig durch die hübschen Parkanlagen zu lustwandeln, oder ob er sich ostwärts, tiefer ins Herz des Verborgenen Territoriums wenden wollte. Es würde ungefähr eine halbe Stunde vergehen, in denen der Italiener schmollen, oder seine Gedanken ordnen mochte, bis er an zwei Obdachlosen vorbei kommen würde, die neben einem alten, klapprigen Einkaufswagen standen, der prallgefüllt war mit Plastiktüten, Leergut, Zeitungspapier und schlimm aussehenden Kleidungsstücken. Eine der Gestalten löste sich und machte sich auf den Weg in Enios Richtung, während der andere völlig unbeteiligt in seinem metallenem, mobilem Gepäckaufbewahrungswagen kramte und hin und wieder eine gefundene Flasche heraus zog, sie ansetzte um die letzten Reste Flüssigkeit aus ihnen heraus zu saugen.

Oft genug waren Lurkers Auftritte typisch Nosferatu, da mochte man es als angenehm empfinden wenn er sich offen näherte wie in diesem Falle und einfach mal von vorne auf einen zukam. Zumindest wenn man einem Treffen mit einer Kanalratte etwas angenehmes abzuringen vermochte.

Guten Abend. Ist alles in Ordnung?

Das klang ja regelrecht besorgt. Tatsächlich hatte Lurker den Brujah aber länger nicht mehr gesehen. Seit Stray aus der Stadt war hatte es auch zwischen Pareto und Lurker keinen Kontakt mehr gegeben und der Nosferatu hatte auch nichts mehr über den Turiner gehört. Wenn man Enios Alter bedachte und die Tatsache einbezog das sich Finstertal in der Regel wie ein Schleifstein verhielt, war es absolut möglich gewesen das sich der Andere zurückgezogen und für eine längere Zeitspanne in die Ruhe und Finsternis jenes Zustandes zu begeben in den die Älteren sich begaben wenn Ihnen alles zu viel wurde.

Bei einem Durschschnitsvampir brauchte die Stadt dazu etwa eine Woche.
 
Enio schloss den Schachtdeckel hinter sich und machte sich auf Wanderschaft. Immer wieder drehte er sich um und vergewisserte sich ob ihn auch niemand beobachtete. Sogar irgendwelche Penner oder Passanten wurden genau unter die Lupe genommen. Man konnte nie wissen wer einem zusah beim… ja bei was denn eigentlich? Der Gedanke riss den Brujah etwas aus seiner destruktiven Stimmung. Er ging doch nur die Straße entlang. Warum sollte ihn dabei denn bitte niemand beobachten dürfen. Das war doch das was er schon immer gemacht hatte. Einfach auf die Straßen gehen und durch die Stadt streifen. Ohne Ziel und besonderen Zweck. Nur weil er es wollte und für richtig hielt. Es hatte fast schon etwas Zen-artiges. „Zen in der Kunst durch die Stadt zu schlendern“. Band 1 bis 4! Absichtliches unabsichtlich werden. Bewusstes Unterbewusstsein… unterbewusstes Bewusstsein. Helles Dunkel. Falsches Richtig. Enio musste sich ein grenzwertig idiotisches Kichern verkneifen. Es gelang ihm mühelos. Er machte sich einfach manchmal selbst verrückt und schaffte es nicht das richtige Maß zu finden. Aber dieses spontane Erkenntnis, die er selbstverständlich nicht zum ersten Mal gehabt hatte, lockerte ein klein wenig den Gemütszustand des Italieners auf. Sein Gang war plötzlich etwas aufrechter und der ganze Typ wirkte irgendwie selbstsicherer als vorher. Eigentlich wie der Enio den man kannte. Der Enio vor ein paar Jahren.

Der Brujah steuerte tatsächlich in Richtung Nosferatugebiet. Auch hier gab es kein konkretes Ziel. Er wusste zwar ein paar Stellen an denen er Lurker schon „zufällig“ begegnet war aber er sah keinen Grund es dort wieder zu probieren. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite war gerade jemand damit beschäftigt in die geöffnete Motorhaube seines Wagens zu starren. Der Turiner widerstand dem Impuls sich dem Menschen zu nähern und dadurch vielleicht eine Möglichkeit zu nutzen an Vitae zu kommen. Es wäre einfach gewesen und schnell gegangen. Aber mittlerweile bevorzugte Enio sehr lauschige und abgelegene Plätze. Am besten total abgeschottet und ohne die Möglichkeit für einen anderen ihn zu beobachten wie er Blut zu sich nahm. Fast schon zu tief im Gedanken versunken hätte er beinahe den Obdachlosen übersehen, der sich ihm näherte. Nichts wirkte sonderbar und es gab keinen Grund den Menschen für etwas anderes zu halten als…

… Oh Lurker! Es fiel einem schwer bei dem Nosferatu von einem „Erkennen“ zu sprechen. Man erkannte ihn zwar doch irgendwie aber letztendlich war es nicht ein Gesicht an das man sich erinnerte. Es war mehr eine Erscheinung, die es trotz Straßenlaternen oder sogar auf ihn gerichtete Scheinwerfer oder Taschenlampen irgendwie immer schaffte nur so halb im Licht zu stehen. Sein Gesicht war in der Regel sowieso in der einen oder anderen Kapuze versteckt. Hätte er den Brujah nicht angesprochen wäre Enio womöglich einfach an ihm vorbei gelaufen.

An Enio war prinzipiell keine äußere Veränderung zu erkennen. Er sah aus wie immer und auch heute gelang es dem leichten Wind, der durch die Straßen pfiff einen Teil seiner Haare stets in Enios Gesicht zu wehen. „Guten Abend Lurker.“ Der Brujah flüsterte nicht aber seine Stimme war verhältnismäßig leise. „In Ordnung? Hmm… nein eigentlich nicht. Können wir uns irgendwo in Ruhe unterhalten.“ Enios Frage implizierte, dass er es nicht für ausreichend hielt sich auf offener Straße über das zu unterhalten über was er sprechen wollte. Er hatte sicher seine Gründe dafür.
 
Alexander raste gerade die äußere Ringstraße entlang und steuerte seinen TVR um eine langgezogene Linkskurve, als sein Handy sich meldete. Er hatte seinen Sportwagen vor zwei Monaten bei einem Edeltuner, welcher ihm eine neue high-end-Soundanlage verpasst hat.

So wurde das laut röhrende Gitarrensolo von "Kansas - Carry on wayward son" durch einen melodischen Hinweis über eine eingehende Textnachricht kurzzeitig unterbrochen.

Alexander steuerte sein Fahrzeug an den rechten Straßenrand und zog das Handy aus der Jackentasche.

Er überflog die Nachricht und verfasste eine kurze Antwort. Er schickte die Nachricht auf Reise und legte das Handy in der Mittelkonsole ab.

Dann trat er das Gaspedal durch, sodass das Heck des Sagaris ausbrach und er, kurzzeitig quer zur Straße, die Fahrt fortsetzte.


Hi Enio. Ich bin grad ungebunden. Sag wann und wo und ich bin da. Gruß Alex
 
Der Verborgene sah sich kurz um. Sicher musste etwas vorgefallen sein, der Brujah Primogen war niemand der wegen eines eingewachsenen Zehennagels aufmarschierte. Ein Notfall schien es aber nicht zu sein, zumindest wirkte es nicht so als würde sie irgendetwas drängen. Trotzdem entschied sich Lurker dazu keine sonderliche Wanderung bis zu einem sicherem Unterschlupf zu unternehmen. Nach wenigen Sekunden streckte er einen Arm aus, in einer Geste die sowohl einladen sollte ihm zu folgen, als auch den Weg in die Gasse hinein weisen sollte.

Die Gestalt in dem abgetragenem, schmutzigem Ledermantel mit der übergroßen Kapuze führte Enio wenige Meter weiter, bis sie zu einer Treppe gelangten die in eine Art Waschkeller hinabführte. Eine schwere Metalltüre verschloss den Zugang. Offensichtlich war sie nicht abgeschlossen, aber der Nosferatu musste einiges an Kraft investieren, soviel konnte Enio aus dem Stand des Anderen und der Art wie er an der Türe zog erkennen, um den Weg frei zu machen. Wahrscheinlich war die Türe im Rahmen verzogen und verkeilt, so dass ein Mensch sie sicher nur mit einem Werkzeug und einigem Engagement würde öffnen können.

Nachdem sie hinein geschlüpft waren, hockten sie in einem beinahe komplett dunklen Keller. Die Luft war schwer und war, als hätte jemand einen sehr großen Wäschetrockner geöffnet und damit den Raum geflutet. Überall lag Staub, der aber von der Luftfeuchtigkeit an die Oberflächen geklebt wurde und daher nicht durch die Luft flog, sondern eine Art Schmiere bildete wenn man etwas anfasste.
Im Vorbeigehen drehte der Verborgene einen Schalter der mit einem lautem Schnappen gegen seine Benutzung rebellierte und ein störrisches, glimmendes Licht aufflammen ließ, das aus einer kleinen Birne irgendwo am Ende des Raumes kommen musste. Es genügte um zu erkennen das der Keller voller alter Möbel stand, größtenteils heruntergekommene Küchenschränke, hier und dort ein alter Tisch auf dem herumgedrehte Stühle standen.

Lurker lehnte sich gegen eine alte Arbeitsplatte und wartete einfach ab das der Italiener beginnen würde. Er vertraute seinen Fähigkeiten und der Tatsache das sie hier in seiner Domäne waren mehr als ausreichend, so dass ihm dies hier anscheinend genügte um vertrauliches zu besprechen. Tatsächlich machte das Loch durchaus den Eindruck, dass man hier sehr lange nicht gefunden würde.
 
Zumindest was die Wahl des Gesprächsortes anging genoss der Nosferatu das Vertrauen von Enio. Lurker würde schon wissen wohin er mit dem Italiener gehen konnte und wo man sie weder beobachten noch belauschen konnte. Zumindest wenn man mal von der Tatsache absah, dass man sich im Nosferatugebiet eigentlich immer von des Nosferatu belauschen lassen mußte. Selbst wenn Lurker oft die einzige offizielle Vertretung in Finstertal seines Clans war, so gab er einem irgendwie immer das Gefühl, dass es doch noch mehr der Verborgenen hier geben könnte. Oder zumindest das Lurker soweit in die Spinnweben seines Clans mit drin steckte, dass alles was in Finstertal geschah die anderen Nosferatu in anderen Städten auch wußten. Man mochte Enio deswegen für bekloppt halten aber für ihn war das fast schon ein wenig beruhigend.

Der Brujah folgte dem Verborgenen wortlos und wunderte sich nicht über die scheinbar defekte Tür oder überhaupt über den Ort, den Lurker ausgewählt hatte. Er ging auch nicht davon aus, dass sie hier rein zufällig hinein gingen und der Nosferatu nicht genau wußte was das hier für ein Ort war, wo der nächste Ausgang lag und wieviele es davon gab. Als sie eintraten versuchte Enio erst gar nicht das Dunkle zu durchschauen oder seine Taschenlampe herauszuholen. Er hätte sich auch mit Lurker in kompletter Dunkelheit unterhalten. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, wenn sie sich in irgendeinem dunklen Loch über knifflige Themen unterhalten hätten. Oder – wie man nach Einschalten der dürftigen Lichtquelle erkennen konnte – in einem dreckigen und schmierigen dunklen Loch. Enio war nicht heikel und hatte kaum etwas übrig für scheinbar „schöne“ Dinge. Trotzdem fand er es auch nicht so prikelnd in versifften Räumen seine Zeit zu verbringen. Aber heute mußte es sein und der Brujah fühlte sich hier unten sogar wohler und fast schon ungezwungen.

Enio widerstand der aufkommenden Idee sich eine Zigarette anzustecken. Es wäre ihm hier unten irgendwie falsch vorgekommen. Womöglich hätte es Lurker sogar ein wenig an Jenny erinnert. Sie war definitiv eine Gemeinsamkeit zwischen den beiden Kainskindern gewesen. Aber sicherlich nicht so sehr, dass Lurker einen Ausbruch von Sentimentalität erleiden würde und Enio eine Tasse Tee und warmes Gebäck anbieten würde. Der Brujah Ahn stand einfach nur im Raum und machte keine Anstalten sich zu setzen, irgendwo anzulehnen oder auf und ab zu gehen. Unvermittelt und ohne Small-Talk begann Enio zu sprechen. „Ich habe mich an sie gewendet, weil ich ein paar Dinge herausfinden muß und sie und Clan Nosferatu mir sicherlich dabei behilflich sein können.“ Enio hatte einen recht offizielle Ton an sich aber das war Absicht. Wenn sich Enio an Clan Nosferatu wandte und nicht nur an Lurker perönlich, dann war auch für seinen Gegenüber sicherlich klar, dass Enio das als offiziellen Auftrag betrachtete und demzufolge selbstverständlich auch einen Preis – der noch festgelegt werden mußte – bezahlen würde. Manche Dinge mußte man nicht direkt aussprechen und sie waren trotzdem gesagt. „Vorneweg will ich gleich klarstellen, dass es für das was ich zu sagen habe eine längere Geschichte gibt, die mich jetzt schon ein paar Jährchen beschäftigt. Sollte es aus irgendeinem Ggrund notwendig sein, dass sie die ganze Geschichte kenne... müssen, dann lassen sie es mich wissen.“ Auch hier gab es wieder die wenig versteckte Botschaft, die aber trotzdem nicht ausgespochen wurde. Enio sah keine Notwendigkeit Lurker alles von vorne bis hinten zu erläutern und das ganze Füllmaterial zu den eigentlichen und interessanten Informationen mitzuliefern. Falls Lurker dies aber doch wissen mußte, würde es dafür sicherlich einen triftigeren Grund geben als pure Neugier.

Die Rahmenbedingungen waren gesteckt. Konnte also jetzt der eigentliche Auftrag kommen. „Es hat vor ein paar Jahren angefangen... eine weitere bisher unbekannte Verbrecherorganisation hat hier in Finstertal einen Fuß in die Tür bekommen. Ich habe angefangen ein wenig nachzuforschen um mehr über sie zu erfahren. Es handelt sich dabei um Asiaten und wie schnell und realtiv einfach herauszufinde war um einen Zweig der Triaden. Alles weitere war aber nervige Scheiße die eine halbe Ewigkeit dauerte um im Prinzip fast nichts herauszufinden. Ich fasse an der Stelle etwas zusammen. Jeder der prinzipiell bereit war ein wenig mitzuspielen und etwas an der Tür zu horchen, sei es nun durch Mittel wie entsprechende Bezahlung oder auch anderen Mitteln... war innerhalb kürzester Zeit abserviert. Entweder selber umgebracht oder wurde einer seiner nahen Verwandten masakriert. Einem wurde die Zunge herausgeschnitten und ihm an die Stirn genagelt. Er war danach nicht mehr kooperativ. Immerhin habe ich dann irgendwann mal erfahren, dass es sich bei den Asiaten um die sogenannte Triade des grünen Drachen handelt. Bis dahin hat es aber bereits erschreckend viel Opfer gegeben.“ Das Ganze klang immer noch wie eine rein menschliche Angelegenheit und nichgts deutete darauf hin, dass der Brujah gleich anfangen würde von Tzimiscen oder Sabbatangriffen zu berichten. Womöglich war Enio wirklich nur zu Lurker gekommen um sich nach Dingen die die Menschen betreffen zu erkundigen. Das konnte ja nicht so schwer sein oder?

„Ich habe weiter geforscht. Die Sache hat mich einiges an Zeit gekostet und ich habe deswegen auch recht oft die Stadt verlassen. Irgendwann habe ich beim Stöbern etwas über eine gewisse Schlüsselfigur erfahren. Es gibt wohl jemand der „Onkel“ genannt wird. Was genau er für eine Position hat und um wen es sich handelt kann ich leider nicht sagen. Aber sie werden es nicht glauben... bis auch nur so weit war sind Jahre vergangen. Glauben sie mir wenn ich Ihnen sage, dass ich nicht so schlecht bin wenn es darum geht etwas herauszufinden oder zumindest mich in Angelegenheiten der Menschen an entsprechende Informanten zu wenden. Alles vergebens! Ich bin soweit gegangen, dass ich versucht habe einen privaten Ermittler in Hongkong anzuheuern. Der hat mir abgesagt und mich sehr bestimmt darauf hingewiesen, dass er sich nicht mit der Herrin des Spinnennests anlegen möchte. Ab diesem Moment war es mir unmöglich auch nur irgendeinen Ermittler in Hongkong zu einer Zusammenarbeit zu bewegen. Mitlerweile redet überhaupt keiner mehr mit mir und es hat sich offenbar schon herumgesprochen, dass so ein Typ aus Deutschland doofe Fragen stellt.“ An der Stelle mußte Enio sicherlich nicht erwähnen, dass er natürlich nicht unter seinem eigenen Namen Nachforschungen angestellt hatte.

„Ich will mehr über die Triade des grünen Drachen erfahren. Ich will wissen wer dieser „Onkel“ ist und ich will wissen was es mit der Herrin des Spinnennests auf sich hat. Das sind meine Fragen... das ist mein Anliegen.“ Irgendwie vermutete der Brujah, dass er Lurker vielleicht auch etwas neugierig gemacht hatte. Wenn jemand sich so gut im Verborgenen halten konnte und es einem so schwer machte Informationen über ihn oder sie herauszufinden, dann mußte das doch für einen Nosferatu eine gewisse Herausforderung bedeuten. Was Enio aber noch überhaupt nicht erwähnt hatte bei seiner Geschichte war... warum er das überhaupt alles erfahren wollte und aus welchem Grund er überhaupt begonnen hatte die Wege der Triaden zu kreuzen. Wie tief steckte Enio Pareto in der Sache selber mit drin? Fakt war das sie sich hier in Finstertal befanden und der Italiener ihnen wohl nicht mehr Herr wurde.

Blieb die Frage wieviel Lurker noch wissen wollte oder ob er vorerst genug hatte um die ersten Schritte einzuleiten.
 
Der Verborgene nahm den Tonfall des Anderen wahr, reagierte aber nicht sonderlich darauf. Weder streckte er sich durch, noch gab er durch irgendwelche Gesten zu erkennen, dass er gleich 'geschäftlich' werden würde. Das einzige das Enio auf seine Einleitung hin bekam war eine einladende Handbewegung zu erzählen was immer er auch dem Herzen hatte. Nachdem sich die Ausführungen des Brujah angehört hatte, die allesamt nüchtern und sehr informativ vorgetragen wurden, genau wie Lurker sich das gewünscht hätte, klappte er einen seiner monströs langen und dünnen Finger aus und hob diesen an den Schatten seiner Kapuze, worin er auch gleich darauf verschwand. Für einen Moment war nichts weiter zu hören als ein klackendes Geräusch, so als würde ein trockener Knochen auf Glas tippen. Schließlich zuckte der Nosferatu einfach nur mit der Schulter.

Ich setzte jemanden darauf an. Wenn das eine Geschichte ist bei der es nur Sterbliche und ihre Ringelreihen abseits der Legalität geht, ist der Preis für die Information einfach nur ein Gentlemen Agreement das wir und unsere Schutzbefohlenen uns im Gebiet ihres Clans ernähren dürfen.

Das war natürlich ein geringer Preis, wenn man bedachte das die Verborgenen sich sowieso durch die gesamte Stadt bewegten wie sie lustig waren und sich auch nach belieben überall bedienen konnten. Anscheinend ging es Lurker nur darum, dass seine Leute, so diese sich doch einmal erwischen ließen, vom Clan der Krawallmacher keinen Ärger bekommen würden. Was einem Nosferatu allerdings von Seiten ihres Erstgeborenem blühte, wenn sie sich von jemandem in fremden Gebieten beim saugen erwischen ließen, dass stand auf einem ganz anderem Blatt.
Tatsache war aber, wenn nur Menschen in diese Sache involviert waren, dann war das ganze kein großes Thema. Selbst ein bedeutender Mafiaboss war immer noch ein Mensch und damit Futter. Manchmal war Futter besser angezogen als anderes, aber es blieb Futter.

Wenn sich herausstellt das einer der unsrigen dahinter steckt und wirklich direkt in dieser Sache agiert, steigt der Preis auf ein wohlwollendes Nicken im Primogensrat. Ich meine damit natürlich nicht das sie gegen ihre Überzeugung stimmen, aber wenn es mal etwas zu entscheiden gibt bei dem sie sich enthalten würden, dann würde ich mich über Unterstützung freuen.

Gut möglich das es die Verborgenen selber waren die hinter der Triade steckten, oder hinter einer dieser ominösen Decknamen, aber wenn Lurker dazu bereits etwas wusste, dann sah man es ihm nicht an.
 
Enio ließ sich durch den Kopf gehen was Lurker für einen Preis nannte. Der Brujah versuchte unglücklicherweise auch um die Ecke zu denken um irgendwo eine versteckte Botschaft oder Kleingedrucktes zu erkennen das er womöglich überhört hatte. Nur zwei Sekunden später gab er aber schon wieder auf. Er war nicht sonderlich gut in sowas und im Grunde hatte er Lurker bisher auch nicht so kennen gelernt als das er sich regelmäßig kryptisch auszudrücken pflegte. Meistens sagte er eigentlich was er dachte und zwar so das man es verstand. Demnach mußte der Brujah wohl 1:1 den Vorschlag des Nosferatu so aufnehmen. Das wiederum war im ersten Teil fast schon lächerlich. Enio war sich sicher, dass Lurker ihm damit nur so eine Art symbolischer Preis genannt hatte. Mehr als eine Sache des Prinzips. Selbstverständlich würden die Nosferatu in seinem Gebiet jagen dürfen. Und selbst wenn sie nicht um Erlaubnis fragen würden – was Enio aber trotzdem für angebracht und richtig hielt – würde er es wohl kaum bemerken. Enios Selbsttäuschung hatte irgendwo auch ihre Grenzen und Desillusion war sein zweiter Vorname... direkt nach Salvatore.

Enio nickte stumm auf Lurkers Vorschlag zum ersten Teil und hörte sich die vermeintlich komplizierteren Passage an. Dabei dachte er sich, dass er sich offenbar relativ gut angestellt hatte als er dem Verborgenen sein Anliegen vorgetragen hatte und in keinster Weise seine fatale Lage wiedergegeben hatte und seine langsam aufkommende Verzweiflung. Oder Lurker sah einfach keinen Grund das auszunutzen. Enio hätte sich jedenfalls wesentlich mehr als einen kleinen Gefallen, in der Form wie Lurker ihn vorgeschlagen hatte, aus dem Kreuz leihern lassen. Lurker verlangte nicht viel... jedenfalls nach Enios Vorstellung. Bei etwas zuzustimmen, das dem Nosferatu einen Vorteil verschaffen würde, war für den Brujah einfach. Ihm war es sowieso meistens egal, wenn er dabei anderen Leuten auf die Füße trat. Trotzdem hatte der Verborgene damit etwas anderes noch erreicht. Falls Lurker erfolgreich sein würde und etwas wirklich nützliches herausfinden würde, dann würde der Italiener sicher nicht vergessen, dass der Preis dafür eher ein Freundschaftspreis unter Kainskinder war, die auf irgendeine Weise doch eh immer im gleichen Boot saßen. Und das Boot hieß Finstertal und schaukelte schon sein Jahren hart im Wind, mit all seinen Lecks und maroden Planken. Immer auf voller Fahrt... meist direkt zur Hölle.

„Abgemacht.“ Der Brujah war halt doch ein Freund der wenigen Worte und hatte zunächst offenbar alles gesagt. Spärlich wie immer und das obwohl man sich so lange nicht mehr begegnet war. Das Gespräch hätte an der Stelle beendet sein können und wäre damit vielen anderen Gesprächen zwischen den beiden Kainskindern ähnlich gewesen. Aber Enio sprach tatsächlich nach 2 bis 3 Sekunden Pause weiter. „Falls ich noch in Eigenregie andere Dinge erfahre, werde ich es sie wissen lassen. Auserdem... werde ich mich über dieses Thema auch noch mit Alexander Stahl unterhalten. Er weiß bereits teilweise Bescheid darüber und hat vielleicht ebenfalls Kontakte die in dieser Sache hilfreich sein könnten.“ Enio hattte im Prinzip keine Ahnung ob das relevant war oder völlig unnütze Informationen waren. Aber er empfand es immer als nützlich, wenn man Leute informierte, dass sie nicht alleine an einer Sache dran waren, sondern wußten wer noch mitmischte.
 
Zurück
Oben Unten