[16.05.2008] back in town!

Discordia

B! scheuert
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Endlich drausen aus dem Metalsarg! Enio hasste Flugreisen abgrundtief und war froh wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Irland war zwar nicht sonderlich weit weg und bei einem Direktflug ohne Umsteigen war das Risiko auch nicht so hoch Probleme wegen dem Tageslicht zu bekommen. Aber das Clan Brujah ihm eine Reisegelegenheit über die Giovannis beschaffen hatte war fast schon eine Beleidigung für sich und hatte Enios mieses Gefühl alles andere als besser gemacht. Die Giovannis waren für den Italiener mindestens genaus verhasst wie Flugreisen an sich und eine Kombination aus beidem machte das Ganze schier unerträglich. Dementsprechend war die Laune des Italieners. Und das obwohl Enio Pareto doch sonst den Ruf hatte eine wahre Frohnatur zu sein.

Nachdem der miesepetrige Ahn die Schalterhalle verlassen hatte und völlig ohne Gepäck vor dem Finstertaler Flughafen stand brauchte es dann nicht lange ehe er in einem Taxi saß und dem Fahrer ein kurzes „Black Hammer… Industriegbiet“ zuraunzte. Der Taxifahrer versuchte sogar ein belangloses Gespräch mit Enio anzufangen und hatte nicht das Glück von Enio ignoriert zu werden wie er es sonst oft mit Plapperheinis zu machen pflegte. Ein kurzer und undiplomatischer Kommentar in dem der Italiener verdeutlichte, daß der Fahrer sein Mund halten sollte und lediglich seinen Job machen sollte wofür Enio sein Geld ausgab, lies ihn leicht eingeschnappt verstummen. Die Lichter der Stadt flogen an der Seitenscheibe vorbei und abendlicher Stadtlärm drang ins Innere des Taxis. Finstertal! Während des Rückfluges hatte sich Enio öfters gefragt warum er überhaupt wieder hier her zurück kommen wollte und ob es viellicht nicht doch besser wäre einfach seine Sachen zu packen und irgendwo anders etwas Neues aufzubauen. So hatte er es doch all die Jahre zuvor gehalten seit er Turin verlassen hatte. Aber irgendetwas zog ihn doch wieder zurück. Etwas Unerledigtes. Etwas um das man sich noch kümmern mußte und danach schrie vernichtet zu werden. Enio glaubte mitlerweile auch zu wissen was es war. Das hinter was alle her waren. Das was nicht vernichtet werden wollte. Nicht vernichtet werden konnte! Enio war sich sicher, daß er einen Weg finden würde damit das trotzdem gelingen würde und dabei wären ihm alle Mittel recht. Womöglich sogar eine Koalition mit Meyye. Wie grotesk! Lurker würde ihm dabei sicherlich helfen. Das hatte er ja bereits. Aber zuerst galt es mal den Istzustand auszukundschaften. Wer war noch in Finstertal und wer war mitlerweile schon vernichtet? Wer war neu dazugekommen und wer zur Hölle tronte in der Akademie? Enio wäre es am liebsten wenn die Archonten das Weite gesucht hätten. Aber er wußte auch nicht wie er reagieren würde, wenn Buchet plötzlich wieder vor ihm stehen würde. Nach allem was passiert war. Plötzlich beschäftigte ich das ganze wieder. Während seines Aufenhaltes in Irland hatte er ganz andere Probleme und dabei hatte Finstertal ganz schnell überhaupt keine Rolle mehr gespielt. Verdammt! Es hätte Enio kaum schlimmer treffen können und irgendwie kam es dem Italiener so vor als hätte O´Bannon das gewußt. Verdammtes Archontenpack! Es war egal aus welchem Clan sie kamen und selbst wenn es der eigene war. Naja… fairerweise mußte Enio sich eingestehen, daß Ryan recht zuvorkommen war und Enio von ihm warscheinlich tatssächlich etwas aus dem Schußfeld genommen wurde. Vielleicht!

Das Taxi hielt vor dem Hammer und Enio kramte ein paar zerknüllte Scheine aus den Hosentaschen. Ohne genau zu wissen wieviel Trinkgeld er dem Penner gegeben hatte schlug er die Tür zu und ging den Weg entlang in Richtung Eingang. Die Türsteher begrüßten ihn wie immer. Als wäre nichts gewesen. Aber klar… es war ja auch nichts. Enio war nur ein paar Tage weg gewesen und warum sollte sich sein Personal Gedanken machen, wenn der Chef mal kurz nicht da ist. Zumal sowieso Philipp alles hier leitet und Enio im Prinzip nur hier rumhängt wie jeder andere Gast auch. Auf dem Weg in sein Büro fiel dem Brujah ein, daß er endlich mal wieder sein Handy einschalten könnte. Er hatte es die ganze vergangene Nacht gestern nicht eingeschaltet gehabt und hatte eigentlich jede Minute davon genossen. Leider hatte das Ding die Angewohnheit selbst in Irland öfters loszuquengeln, wobei es natürlich bei weitem nicht so nervtötend war als zu seinen Nächten als Kriegsherr oder Sheriff dieser Stadt. Ach so… Enio hatte selbstverständlich keine Ahnung ob er immer noch Sheriff von Finstertal war. Die Nächte vergingen langsamer in dieser Stadt und es passierte immer so viel. 4 Nächte könnten ein Ewigkeit bedeuten und ein Höllennest wie dieses konnte man sicher nicht einmal eine Nacht ohne Führung lassen. Enio würde sich überraschen lassen müssen.

Der Telefonknochen trällerte. Es war wohl eine SMS reingekommen und Enio holte das Ding aus der Tasche um nachzusehen ob sich Satan persönlich bei ihm melden und ihn hier willkommen heißen wollte. Aber es war nicht Satan… nur eine Tremere. Also quasi ähnlich nur ohne Schwefelgestank und Pferdefuß. Anna hatte ihm gestern eine Nachricht geschrieben. Aha! Hatte man bereits die erste Hexe auf ihn angesetzt um herauszubekommen wohin er den verfluchten Wiedergänger gebracht hatte? Der Brujahprimogen würde es sicherlich herausfinden.
Eine kurze Antwort mit „Bin wieder da. Ruf einfach an.“ Sollte vorerst genügen.
Und nun? Bei wem sollte er sich melden? In der Akademie bestimmt… das wurde von ihm erwartet. Aber eigentlich hatte Enio gar keine Lust darauf. Langsam lies er sich in den Bürosessel sinken und legte die Füße auf den Tisch. Nein… zunächst müßten die Pinkel von der Akademie warten. Er wollte nichts überstürzen und zunächst ein paar Erkundigungen einholen. Warum hatte der verdammte Lurker kein Telefon?! Enio würde sich am liebsten zuerst mit ihm unterhalten und über den Istzustand aufklären lassen. Vielleicht wäre es eine gute Idee sich ein bißchen in seinem Viertel herumzutrieben. Etwas Nahrung währenddessen dabei zu sich zu nehmen war sicher auch nicht verkehrt. Eines nach dem anderen. Enio wollte nicht sofort wieder in diesen Operativen-Hektik-Modus verfallen. Erst mal locker bleiben. Ja… das hörte sich nach einem guten Wiedereinstieg an.
 
Nach einem kurzen Gespräch mit Philipp fand sich Enio im Bistrobereich des Hammers wieder und ertappte sich selbst dabei wie er etwas zu lange und gierig auf den Hals der Bedienung starrte. Die hatte das wohl missverstanden und warf ihrerseits Enio aufreizende Blicke zu. Tja Pech gehabt… ein Flirt war das letzte was Enio jetzt wollte und er würde unter gar keinen Umständen die erste Nacht in der Stadt damit beginne das Personal als Saftbeutel zu benutzen. Zugegeben die Kleine hatte einen ziemlich kackigen Arsch aber dem Brujah bedeutete das soviel wie eine gute Mahlzeit, die lediglich noch besonders gut garniert war. Nett aber irgendwie unnötig.

Enio mußte raus hier. Auch wenn er den optischen Reizen der Bardame nicht erliegen würde, so pochte doch etwas durch ihre Adern dem der Ahn ganz und gar nicht abgeneigt war. Also raus hier und ein bißchen auf die Pirsch. In der Stadt lief das Essen ja schließlich auf der Straße rum. Sogar wortwörtlich.

Enio verlies über die Hintertür des Dance-Floor-Bereichs das Black Hammer. Die frische aber warme Luft wirkte erfrischend. Man mußte sie gar nicht atmen. Auserdem genoss Enio augenblicklich die Ruhe. Im Hammer seine Nacht zu verbringen war für heute sicherlich keine gute Option. Auserdem begann heute das Wochenende und da war der Laden gegen später sowieso viel zu voll gestopft. Aber wohin jetzt? Enio überlegte kurz ob er in seine zuflucht sollte. Er hatte dort noch seine Katze, die ihn sicherlich furchtbar vermissen würde. Das Mistvieh! Verdammt… sie brauchte Blut. Das hatte Enio ja völlig vergessen. Er würde wohl auf jeden Fall einen kleinen Abstecher zu hause machen müssen aber ob er das jetzt sofort in Angriff nahm oder erst in 2 bis 3 Stunde spielte keine Rolle. Daher schlenderte er einfach drauf los und bewegte sich nach Süden. Ohne genauer darüber nachzudenken lief er automatsich in Richtung Güterbahnhof.
Lurker! Aber natürlich. Enio gab ein paar Italienische Schimpfwörter von sich, die ausnahmweise ihm selber galten und seinem Sieb im Hirn. Er hatte doch eine Kontaktmöglichkeit zu dem Nosferatu. Die schien dem Turiner zwar nur unwesentlich brauchbarer als eine Brieftaube aber sie hatte ja schon einmal funktioniert und hatte vielleicht mehr Wert als der Brujah sich vorstellen konnte. Wie nannte man das nochmal? Pager? Piepser? Egal… jedenfalls mußte Enio lediglich eine verdammte Nummer wählen und warten bis sich der Verborgene bei ihm meldete. Enio nahm sein Handy und gab die Nummer ein, die er in dem Gerät fand. Dabei mußte er daran denken, daß Lurker womöglich viel cleverer war als er und Enio vielleicht selber sein Handy gegen so ein Piepserding eintauschen sollte oder vielmehr seine Handynummer einfach generell für sich behalten sollte. Keine dumme Idee.

Das Nosferatugebiet grenzte direkt am Brujahgebiet und Enio hatte es überhaupt nicht weit um zum Güterbahnhof oder zur Müllkippe zu kommen. Er war froh, daß er kein Fahrzeug für diesen kleinen Trip benötigte. Es war angenehm durch die Straßen zu gehen. Die Gegend wurde zwar zunehmend schlechter und versüffter und es waren auch immer weniger Menschen zu sehen aber das würde eine gelegentliche Jagd nur erleichtern. Irgendwo auf dem Weg zu Lurker war sich noch ein Happen für den Italiener übrig.
 
Der Güterbahnhof bot die Gelegenheit die Enio im Sinn hatte. Während er an den Gleisen und Güterwaggons entlangschlenderte sah er einen einsamen Wartungsarbeiter, der an einem der Schienenfahrzeuge die Bremsen zu überprüfen schien. Der Mann achtete auch überhaupt nicht auf den Brujah der da auf in zukam, er war viel zu beschäftigt mit seiner Aufgabe und da er halb unter dem Waggon lag sah er auch nicht wirklich wer da auf ihn zukam.
 
Eine Idealfall wenn man so wollte und genau das mit dem Enio gerechnet hatte. Es konnte auch sehr einfach sein im Menschengetummel zu jagen oder sich einfach auf einer Tanzfläche etwas enger an jemand zu schmiegen wärend man zärtlich seine Fänge in den Hals des Glücklichen bohrte. Laute Musik, flimmernde Beleuchtung und Zwielicht waren des Kainskindes Helfeshelfer in solchen Angelegenheiten. Die neue Zeit hatte das sehr vereinfacht und aus den Menschen eigentich fast so etwas wie eine... Massentierhaltung gemacht. Ein lustiger Gedanke!

Aber heute war es Enio mehr nach dem Einnehmen der Nahrung in Abgeschiedenheit und Ruhe. Daher kam der Arbeiter wie gerufen. Der Brujah spähte noch ein bißchen in der unmittelbaren Umgebung und vergewisserte sich, daß niemand in der Nähe war, der seine Annäherung an den Bahnarbeiter bedrohlich finden könnte. Das wiederum war der Nachteil in dieser fast menschenleeren Gegend. Man wirkte sofort irgendwie verdächtig. Das Enio in den meisten Fällen sowieo schon ein etwas bedrohlicheres Äuseres hatte und ihn eine Aura des Zorn und Gewaltbereitschaft umgab, war für solche Unterfangen meist nicht sonderlich hilfreich. Aber der Turiner wußte um seine Wirkung und besaß zumindest ein Minimum an schauspielerischem Talent... wenn er wollte.

Der Brujah ging leise aber unauffällig und ohne seine Schritte groß zu verändern auf den Mann zu. Menschen neigten dazu gleich aufzuschreien, wenn man sie einfach von irgendwo wegzerrte oder packte ohne ihnen die Möglichkeit zu geben sich einbilden zu dürfen, daß sie sichin einer völlig ungefährlichen Situation befanden. Aber Enio wollte heute keinen aufschreienden Menschen. Er wollte Ruhe und er wollte Blut.

Kurz bevor der den Mann erreicht hatte drehte Enio noch einen inneren Regler und zwang seine Stimme freundlich und angenehm zu klingen. „Hallo... entschuldigen Sie bitte aber gehört ihnen das Werkzeug hier?“ Eigentlich ein völlig idiotischer Satz aber durchaus sinnvoll, wenn man jemand das Gefühl geben wollte, daß etwas völlig normales passierte und man einfach von jemand angesprochen wurde, der etwas von einem wollte, was absolut Sinn machte. Aber Enio wollte überhaupt keine Antwort. Er gab dem Mann eine halbe Sekunde Zeit um gerade mal nicht zu erschrecken und stürzte sich auf ihn. Der Biss kam augenblicklich und mit ihm die Euphorie. Der Mann hatte kaum Gelegenheit sich zu versteifen oder Anstalten zu machen sich zu wehren ehe er in Enios griff erschlaffte und sich willig und leise stöhnend der Situation hingab. War das nicht ein Geschenk? Das einzige was dieser untoten Existenz noch so etwas wie Leidenschaft verlieh? Und man gab sogar noch etwas während man nahm. Der Arbeiter wollte sich momentan sicher nicht über seinen derzeitigen Zustand beschweren. Warscheinlich hatte es ihm seine Frau zu hause schon lange nicht mehr so gut besorgt wie Enio gerade eben. Nur halt in einem anderen Sinne. Doch genug! Manchmal vergaß man nunmal die Euphorie wieder loszulassen und wollte die Leidenschaft festhalten. Vampire neigten zum Klammern auch wenn sie es nicht wahr haben wollten. Klammern an Momenten wie diesen... oder Klammern am Leben, das einen am liebsten ausspucken würde.

Enio war schnell satt und lies von dem Mann wieder ab. Es war deutlich zu spüren, daß auch er mehr wollte. Er wäre bereit mehr zu geben. Was sollte schon geschehen? Wenn man sich so gut fühlte konnte man unmöglich in Gefahr sein oder dabei sterben. Doch Enio hatte erst in dieser verdammten Stadt wieder gelernt, daß man als Kainskind auch so etwas wie Verantwortung ausleben konnte. Er wollte kein Monster sein. Er hatte soviele Leben genommen, soviel Blut vergossen, soviel Unglück verbreitet. Und einmal hatte er zuviel genommen. Die Seele der Salubri. Dadurch hatte er aber wieder gelernt was er einmal war und wie es sein konnte kein Monster zu sein. Verantwortung! Ja die Kainskinder hatten Verantwortung den Menschen gegenüber. Wenn man sich ein paar Meerschweinchen zulegt und steckt sie in einen Käfig zu hause hat man doch auch Verantwortung für sie oder?

Enio verschloß die Bisswunden und lies den Arbeiter einfach nach unten fallen. Er taumelte und sackte ein wenig benommen in sich zusammen. Enio wandte sich ab und ging an dem Waggon entlang. Am Ende des Waggons machte er einen Satz und sprang über die Kupplung und auf die andere Seite der Gleise. Sein Mantel wehte fast filmreif hinter ihm her und gab der Szene etwas surreales. Gestärkt und immer noch im Nachklang des Trinkens schwelgend streifte der Brujah weiter durch das Viertel. Wer konnte schon wissen was sich hier noch alles herumtrieb. Hatten die Nosferatu vielleicht sogar Zuwachs bekommen? War Jenny immer noch in Finstertal? Er hatte sich nicht einmal von ihr verabschiedet. Wie fast alles hatte sie sicherlich auch das persönlich genommen. Bei dem Gedanken an Jenny steckte sich Enio fast automatisch eine Kippe in den Mund. Wäre fast schade wenn die elende Nervensäge nicht mehr hier wäre.
 
Enio war satt und genoss die Ruhe der Nacht. Er begegnete auch in der Güterbahnhofgegend hin und wieder ein paar Menschen aber jeder machte aus unerfindlichen Gründen meistens einen weiten Bogen um den Brujah. Ein paar Instinken sind den Menschen offenbar doch noch geblieben und wenn man einem Raubtier begegnet, ergreift man zwar nicht mehr die Flucht aber man weicht auf zivilisierte aber bestimmte Weise doch lieben erst mal aus. Enio kannte diese Wirkung auf sein Umfeld. Selbstverständlich wurden die momentan stark von den Randbedingungen unterstützt. Wer wollte schon einem verwegenen und dezent bedrohlich ausschauenendem Typen mitten in der Nacht in einer weitgehend verlassenen Gegend gegenübertreten. Der Italiener wußte wie er es gekonnt kompensieren konnte und den Menschen das Verhalten abverlangen konnte, das für einen gesitteten Umgang nötig war. Manchmal reichte ein Lächeln. Nunja… das war nicht gerade die Stärke des Brujah und sein Gesicht begann jedesmal fast angestrengt zu ächzen wenn er es dazu zwang. Aber es gelang ihm hin und wieder und wirkte Wunder. In Nächten wie diesen war Enio jedoch froh, daß die Menschen ihm aus dem Weg gingen. Nieman sprach ihn an und ging ihm auf die Nerven. Was wollte man mehr. Da konnte man seinem Gesicht ruhig mal einen Gefallen machen und grantig in die Nacht schauen.

Der Turiner ging ein Stück einen Maschenzaun entlang und suchte nach einem Durchgang, der ihn weiter in östliche Richtung passieren lies. Irgendwann kam er an eine Ladefläche. Es war hier stockdunkel und keine Sau war unterwegs. Der Ahn setzte sich an die Ladefläche und drehte sich eine Zigarette. Das kurze Aufflammen des Feurzeuges wirkte an diesem Ort flutlichtähnlich und tauchte sein Gesicht kurzzeitig in einen rötlichen Schein. Obwohl Enio es wie immer geschafft hatte die Kippe anzuzünden war ihm die kleine Flamme in dieser Dunkelheit ein gutes Stück bedrohlicher vorgekommen als sonst. Feuer… der alte Feind. Man gewöhnte sich immer nur ein Stück daran aber nie ganz. Selbst in einer so kleinen Dosis.

Während Enio gemütlich seinen Glimmstengel rauchte, zog er sein Handy heraus und ging seine Kontaktdaten durch. Er würde sich wohl nur in kleinen Stücken wieder bei den Finstertalern melden und sicher keine „Ich bin wieder da“-Rundum-SMS verschicken. Wer war wichtig? Wer war noch da und existierte noch? Lurker bestimmt. Der Nosferatu war vorsichtig und nicht jemand, der sich leichtfertig einem Risiko aussetzte, wenn es nicht sein mußte. Aber er stand da und war bereit mit an die Front zu gehen wenn es sein mußte.
Jenny? Bei ihr wußte man nie… sie konnte jede Nacht drauf gehen. Und Enio war mitlerweile davon überzeugt, daß sie sicher nicht sehr alt werden würde. Meyye? Oh nein die war sicher noch da. Hämorrhoiden bekommt man schließlich auch nicht so schnell wieder los, wenn man sie erst einmal hat. Caitlin? Tremere beißen nicht so schnell in Gras. Helena? Sie war schon zu lange in Finstertal um jetzt plötzlich in ein paar Nächten zu verschwinden.
Egal… Enio würde herausfinden wen das Zeitliche gesegnet hatte und wer stiften gegangen war. Aber vor allem mußte er wissen wer gerade in der Akademie saß und wie die Sache mit Ziege stand. Vorher würde er da nicht vorreiten. Sollte Lurker sich nicht melden würde er eventuell sogar die Hüterin kontaktieren oder womöglich sogar tatsächlich Meyye. Egal wie gut oder schlecht sie miteinander auskamen, der Brujah war sich sicher, daß sie kein Archintenschoßhündchen spielen würde und er von ihr warscheinlich eine ehrliche Auskunft bekommen würde… wenn sie ihm überhaupt eine Auskunft geben würde.

Enio schnippte sein restliche Kippe in den Dreck und setzte sich wieder in Bewegung. Nur noch ein paar hundert Meter und er war in der Mülldeponie. Nein er würde sicher nicht anfangen in irgendwelchen Löchern nach Lurker zu graben. Letztendlich konnte es aber nicht schaden, wenn man dahin ging wo man denjenigen vermutete, den man suchte. Selbst wenn der Brujah-Primogen einem anderen Verborgenen begegnen würde, wäre das für einen Kontakt mit Lurker hilfreich. Wer konnte schon wissen wie gut die Meldefunktionen der Nosferatu in ihrem eigenen Gebiet waren. Ratten hatten doch auch einen Alarmposten und verständigten die restliche Brut, wenn ein Eindringling nahte.
 
Bald würden die Menschen nicht mehr Enios Problem sein, denn je weiter man vom noch aktiv genutztem Teil des Güterbahnhofes weg ging und den hinteren Bereich betrat, desto weniger Nachtschwärmer waren zu sehen.
An den zugewucherten, hinteren Schienen trieb sich schließlich gar keiner mehr herum. Tagsüber trieben hier Jugendliche ihr Unwesen, aber sobald es Nacht wurde verschwanden alle Umtriebigen von hier. Noch nicht einmal die Obdachlosen nutzten die alten, vergessenen Wagons hier zum übernachten. Es gab zu viele Geschichten über verschwundene Tippelbrüder, die hier übernachten hatten wollen.
Erst als der Turiner das Industriegebiet streifte zeigten sich wieder Passanten. Allerdings waren das keine Partygänger, sondern verloren gegangene Junkies, die sich zu weit hinaus gewagt hatten und Arbeiter der Spätschichten, die zur Maloche unterwegs waren oder gerade von dort kamen.

Wenn man sich der Mülldeponie näherte, konnte man sogar eine Ahnung bekommen warum sich hier niemand mehr herumtrieb. Irgendwie fühlte sich hier alles dünner an. Weniger Echt, wenn man so wollte. So als würde das Leben von diesem Ort hier wegströmen, wie Atmosphäre die im Weltall zerfaserte. Möglich das der Zerfall hier alles wegdrängte.
Die Deponie lag dort wie eh und je. Um sie herum verlief der hohe Zaun, mit den Holzplatten die dahinter befestigt waren und den unschönen Anblick drinnen behalten sollten. Wenn der Italiener dem Zaun folgte, erreichte er unweigerlich einen der vier Zugänge, an denen es jeweils ein großes Schleusentor gab, durch das die LKW gelangen konnten, ein kleines Häuschen in dem tagsüber Personal unterkam und ein kleinerer Personen Eingang. Kaum hatte Enios Blick diesen gestreift, schwang eben jenes Tor sachte auf.
 
Vampire mit wenig Selbstbewußtsein sollten regelmäßig hierher kommen. Jede wandelnde Leiche konnte hier auf und ab laufen und sich mit stolz geschwelter Brust einbilden, daß die Straßen nur so leer waren und die Menschen so verschreckt und spärlich unterwegs, weil man selbst hier sein Unwesen trieb und die Straßen unsicher machte. Ein Toreador-Trainingsparcour durch den Ostteil der Stadt um sein Ego ein wenig aufzupolieren. Enio sollte vielleicht doch diese Marktlücke schließen und Kurse für mental Bedürftige anbieten. Glücklicherweise hatte der Brujah kein Problem mit dem Selbstbewußtsein. Das wurde ihm schon als Mensch mit in die Wiege gelegt und das hatte der Kuss nicht geschmälert. Im Gegenteil. Wenn man eine harte Sau war konnte man auch durch die Straßen gehen wie eine harte Sau und genaugenommen traf das im direkten Vergleich mit Menschen auf jedes Kainskind zu. Wenn man sich nicht unbedingt durch Sabbatkriegsgebiet bewegte oder dem Gebiet von Werwesen zu nahe kam oder anderen besondern Gefahren aussetzte, konnte man als Untoter immer gelassen durch die Straßen der Menschen laufen. Fast egal was die für einen an Gefahren zu bieten hatten. Soviel zur Theorie. Aber manchmal schlug die Praxis halt doch zurück und strafte alle Überlegungen Lügen.

Der Brujah schritt jedenfalls unbeeindruck durch die Straßen und genoss immer noch die menschenleere Gegend. Die Atmosphäre schiene irgendwie zu Enio passen. War er selbst denn nicht auch weniger echt, wenn man das nach menschlicher Realität bemessen wollte? Ein unwirkliches Wesen in einer Gegend, die irgendwie zu zerfallen schien. Auch wenn er als Kainskind dem Begriff Stasis eine alptraumhafte Bedeutung gab, so war er doch auch ein Teil des Zerfalls. Die Antithese des Lebens. So gesehen bewegte sich da ein Wesen das nahezu perfekt zur Atmosphäre passte durch die Straßen und suchte Kontakt zu einem anderen. Nur das der andere womöglich nochmal ein ganz anderes Level erreicht hatte, wenn es darum ging aus der Normalität entrückt zu sein.

Der Italiener betrachtete den Zaun und blieb abrupt stehen als sich der kleinere Eingang öffnete. Ohne jegliche Hast gönnte sich Enio ein paar Sekunden um nicht unversucht zu lassen etwas zu erkennen. Das sich die Tür öffnete als er in ihrer Nähe war und sie gerade erst richtig wahrgenommen hatte, konnte selbstverständlich Zufall sein aber für den Ahn gab es dafür eine sehr sehr geringe Warscheinlichkeit. Nichtsdestotrotz galt es mit allem zu rechnen. Selbstbewußtsein mußte nicht mit einer gesunden Portion Vorsicht verfeindet sein. Nach ein paar Sekunden Bedenkzeit vollzog der Turiner eine routinierte Handbwegung und es befand sich plötzlich seine Kurkisklinge in der rechten Hand. Recht unscheinbar aber in guten Händen. Enio trat ein paar Schritte nach vorne und ging durch den Eingang. Diekt danach blieb er wieder stehen. Er gab sich keine Mühe seine Augen besonders anzustrengen. Er hatte keine besondere Nachtsicht und wenn ein Nosferatu nicht gesehen werden wollte, dann würde er ihn sowieso nicht sehen. Abgesehen davon ließ der Brujah die Möglichkeit offen, daß ihn gerade eben jemand in die Falle locken wollte und machte sich für einen Angriff bereit. Zu sagen gab es für Enio noch nichts. Er hasste es immer wenn sie in Filmen in dunkle Gassen gingen oder dunkle Räume betraten und ängstlich vor sich hin brabbelten Hallo… hallo ist hier jemand. Das war so albern und sinnlos.

Stattdesse machte der Brujah-Ahn das was er gut konnte. Er schwieg und wartete.
 
So trennte Finstertal vermutlich die brauchbaren vom Rest. Eigentlich brauchte man, so man nicht mit den Verborgenen verfeindet war, nicht anzunehmen, dass es einem direkt an den Kragen ging, wenn man durch ihre Domäne ging. Wer sich aber in einer Stadt wie dieser zu fein war um bereit zu machen, wenn man ein ungutes Gefühl hatte, oder sich sorgte man könnte hinterher dumm da stehen, weil man mit gezogener Waffe irgendwo stand, der hatte gute Chancen dass man nie wieder von ihm hörte.
Vielleicht passte der Turiner also ganz gut zu diesem Ort. Vielleicht war er sogar deswegen überhaupt wieder hier her gekommen, obwohl er vermutlich auch Angebote bekommen hatte woanders tätig zu werden.
So fand er sich also im Eingangsbereich der Mülldeponie wieder und vor ihm erstreckten sich einige asphaltierte Wege und die Bergkäme aus dem, was am Ende der Zivilisation übrig blieb. Böse Zungen mochten behaupten, dass diese Auftürmungen von Verpackungen für industriell hergestellte Nahrung, kaputtem Tand und organischen Resten die langsam vor sich hin verfielen das war, worin die Gesamte Menschheit am Ende gipfelte. Vor ein paar Tausend Jahren hatten sie Pyramiden gebaut. Heute schufen sie... Abfall.

Vielleicht lag es an der Waffe und der Tatsache, dass er sie gezogen hatte, was eine gewissen Anspannung des Ex-Sheriff vermitteln mochte, dass seine Lieblingskanalratte auf seine übliche Darbietung verzichtete und der Italiener den Umriss des Verborgenen, der im Zwielicht einer kleinen Lampe die über der Türe eines Bürocontainers lehnte.
Alles schien bekannt und normal, die seltsam buckelige Gestalt, der abgetragene, fleckige Ledermantel und die übergroße Kapuze in der der Kopf verschwand und auch die Vorliebe genau so im Licht zu stehen, dass ein Schritt nach hinten ihn in der Dunkelheit verschwinden lassen mochte.

Guten Abend Enio. Schön sie in einem Stück wieder zu sehen. Wie ist es Ihnen ergangen?

Das raspelnde, geflüsterte Gekrächze hatte der Andere wahrscheinlich nicht wirklich vermisst. Lurkers Stimme war wie eh und je, das akkustische Äquivalent dafür, dass jemand mit einer zu groben Feile einen rostigen Nagel bearbeitete.
So war also der Klang der Heimat.
 
Enio kannte sich in diesem Viertel einigermaßen aus. Vermutlich lag es daran, daß der Brujah einen Hang dazu hatte finstere Löcher und abgelegene, bebrohliche Viertel aufzusuchen. Dennoch war sich Enio nie ganz sicher ob er sich nicht schon wieder verlaufen hatte und den einen oder anderen Müllberg bereits zweimal passiert hate obwohl er doch eigentlich nur geradeaus gegangen war. Oder vielleicht auch nicht. Wer konnte das schon so genau sagen? Wenn man dazu neigte sich seinen Weg zur Not zu ebnen und sich im äußersten Fall eben durch Müll durchzuschneiden, dann hatte man keine Angst auch mal ein Labyrint auszusuchen.

Das Enio sich aber nirgends durchschneiden mußte oder bei niemandem seine Klinge schwingen mußte, der ihn unglücklicherweise bedohen mußte, kam ihm momentan aber recht gelegen. Auch wenn es durchaus einen Teil in dem Ahn gab, der entäuscht seufzte als sich Lurker vor ihm offenbarte und zur Entwarnung blies. Der Italiener erkannte die Stimme sofort und mußte nicht lange deuten was in der Ansammlung eines dreckiger Klamottenhaufen stecken konnte. Der Nosferatu hielt es selten für nötig sich eine Maske aufzulegen wie es viele andere machen um ihr Umfeld etwas weniger abzuschrecken. Bei Lurker hatte man aber ohnehin immer Probleme unter der Kapuze ein klar erkennbares Gesicht auszumachen. Die Schatten hatte irgendwie immer ein Einsehen und schmiegten sich eng an die Visage des Gegenübers und liesen die Züge ständig auf ein Weise undeutlich, die einem stets willkommen war.

Der Brujah steckte lautlos seine Waffe wieder weg und näherte sich dem Verborgenen. Es galt ein Bündnis zu erneuer. Eines das zwar nie besiegelt worden war aber auch ungeschrieben und ohne große Zeremonien und Höändereichen für den Italiener Geltung hatte. Sie hatten gemeinsame Ziele gehabt und Interessen vertreten die gut vereinbar waren. Jedenfalls wenn es nach der Meinung von Enio ging. War das noch so?
„Guten Abend Lurker. S´geht so! Die Nächte in Irland waren leider genauso interessant wie es die Nächte in Finstertal meistens sind.“ Auch ohne nähers darauf einzugehen konnte sich Lurker wohl denken, daß Enio damit nicht sagen wollte wie erholsam und ereignislos sein Kurzurlaub auf der grünen Insel war. Ansonsten kam aber kein großer Reisebericht von dem Turiner. Gesprächig wie immer!
„Aber jetzt bin ich wieder da. Sie sind der erste den ich aufsuche und kontaktiert habe. Ich habe gehofft, daß sie mir am besten eine Zusammenfassung geben können was die letzten paar Nächte so passiert ist. Immerhin mußte ich die Stadt verlassen und wir waren mitten in der Scheiße. Also... wer sitzt momentan in der Akademie und furzt in den Sessel des Prinzen? Haben die Archonten sich schon wieder verpisst? Und vor allem... was macht unser Gast und letztes Überbleibsel von Zacharii? Ist er immer noch so gut verpackt wie wir ihn zurückgelassen haben und ist er immer noch so heiß begehrt?“

Der Brujah-Ahn hatte nur die wichtigsten Fragen gestellt und das dabei die Frage nach Ziege war, schien die Prioritäten von Enio recht deutlich erkennen zu lassen. Die Angelegenheit war ihm wohl wichtig und es war ihm wohl nicht nur darum gegangen den Wiedergänger los zu werden. Er wollte den Sack sicher verwahrt wissen und weit weg von den Händen der Tremere oder anderen Wichtigtuer, die ihn haben wollten und einforderten. Von Enios Seite war also alles beim Alten. Jetzt galt es abzuklopfen ob der Verborgene mitlerweile andere Handel eingegangen war und von ihrem ursprünglichen Plan abgerückt war. Das konnte durchaus entscheidend sein ob Enio und Lurker weiterhin zusammenarbeiten würden oder ob Enio die Mülldeponie verlassen würde und dem Niosferatu heute Abend noch den Krieg erklären mußte.
 
Nun war bei dem Nosferatu zwar das Phänomen eingetreten, dass man von Kriegserklärung zu Kriegserklärung immer unaufgeregter wurde, aber sich mit den Brujah und vor allem diesem Einen hier, anzulegen lag nicht in seinem Interesse. Es war auch noch nicht einmal eine ganze Woche vergangen, viel zu wenig Zeit um eine gute Entscheidung zum Thema Zieglowski zu treffen und tatsächlich war der Wiedergänger im Grund zum größten Teil Paretos Gefangener. Zwar zu Zeiten als dieser die Stadtführung inne hatte und damit war dieser Status vermutlich nach dem Rechtsempfinden der Untoten Schall und Rauch, aber Lurker war kein Königspudel, oder Rosenanbeter. Sein Blut hielt sich an Verträge und Abmachungen, an so etwas wurde nicht nach Lust und Laune gerüttelt, nur weil der Andere plötzlich nicht mehr das offizielle Recht hatte sich durchzusetzen.
Vielleicht würde später einmal Zeit sein, sich anzuhören was in anderen Teilen der Welt so vor sich ging. Wahrscheinlich eher nicht, denn schon früher hatten sie manches Gespräch und manche Idee nach hinten geschoben, weil es wichtigere Dinge gegeben hatte, so war das eben in ihrer Stadt. Also forderte die alte Dame an der Finster auch heute wieder die volle Aufmerksamkeit.

Zieglowski ist sicher und alles ist so, wie besprochen. Ich erspare mir eine Auflistung unserer Sicherheitsmaßnahmen, auch weil sie um so sicherer sind, je weniger davon wissen. Eines ist aber wichtig, als sie aus der Stadt beordert wurden und die Blutmagier einen mächtigeren Vertreter aus Wien hier her geschickt haben, habe ich einen Alten aus meinem Clan hier her gebeten der sicherstellen kann dass man uns den Blutsklaven nicht einfach weg nimmt.

Simples Wettrüsten also. Bestellten die Zauberlehrlinge einen Meister Magier, bestellte der Nosferatu ein uraltes, wirklich gemeines Monster.

Im Augenblick sitzt immer noch Monsignore Galante in der Akademie und die Rosen wollen natürlich, dass die Stadt in ihrer Hand bleibt. Gestern sind wir mit einem Stoßtrupp in eine alte Mine bei Finsterburgh eingedrungen und haben Buchet befreit. Seine Frau steht noch unter Arrest in ihrer Villa, was mit dem Alten ist, weiß ich noch nicht ganz genau, er will aber wieder auf den Thron. Galante ist gestern übrigens höchstpersönlich in diese Höhle gekrochen, zusammen mit einigen anderen, und hat geholfen den Belgier zu befreien. Ungewohnt Einsatzfreudig für einen Prinzen, aber offensichtlich hat er mehr Mumm als der Ex-Prinz. Dort unten gab es....etwas.

Sie hatten schon einmal diese Schwierigkeiten gehabt wie sie genau miteinander über diese Dinge wie Zacharri, Hexen, Geister und Dämonen sprechen sollten, da es für keinen der Beiden das übliche Vokabular, oder Thema war über derartiges zu sprechen, aber es hatte bei dem Koldunen funktioniert, also würde es das auch hier.
Trotzdem musste Lurker zunächst einen unschönen Klumpen Angst herunterschlucken, bei dem Gedanken an das Ding aus der Mine, bevor er fortfuhr.

Ein Spuk? Ein Gespenst? Ich glaube Poltergeist nannten es die Anderen. Auf jeden Fall war das Ding ziemlich stark und ziemlich sauer. Am Ende hat es uns dann ziehen lassen, vermutlich weil es uns nicht wirklich viel antun konnte und ich ihm sein Lieblingsspielzeug weggenommen hatte, aus dem es vermutlich seine Kraft geschöpft hat. Der ursprüngliche Trupp war unter dem Kommando der Geißel dort rein, die Anderen, unter Galantes Führung, sind nachgekommen, nachdem sie sich mit den Werbestien einen Kampf geleistet hatten um von unserem Eindringen abzulenken und so viele von denen wie möglich heraus zu locken. Apropos Werwölfe, da gab es wohl zwei verfeindete Gruppen. Eine in der Mine, die wir vernichtet haben und eine mit denen wir eigentlich eine Vereinbarung hatten, dass die uns zumindest einmal helfen sollten. Leider hat Meyye diesen Handel platzen lassen und daher stehen wir jetzt wieder auf einem Patt mit den Viechern. Solange keiner von uns sich im Wolfsgehege blicken lässt, ist aber erst mal Ruhe an dieser Front.

Der buckelige Kleiderhaufen machte eine einladende Geste in Richtung seiner Müllberge. Anscheinend wollte er den Italiener zu einem lauschigem Lustwandeln über die hiesige Müllkippe einladen. Schwer zu sagen, ob das der Idee entsprang, dass man im gehen besser reden konnte, oder ob es nur die übliche Paranoia der Kanalratte war, die ihm flüsterte in Bewegung zu bleiben.

Es gibt allerdings ein kleines Problem. Die Mc Kinney hat anscheinend überall herum erzählt dass ich Zieglowski entführt hätte. Möglich dass sie das musste. Zumindest ist sie nach Wien zitiert worden und zwar auf die harte Weise und weilt im Moment wahrscheinlich nur noch unter uns, weil sie den schwarzen Peter auf mein Blut geschoben hat, denn die hohen Damen und Herren wollen den Koldunen Diener natürlich wieder haben. Auf jeden Fall herrscht nun Fehde zwischen uns und den Hexern insofern ist es sehr gut, dass sie zuerst zu mir gekommen sind. Wir dürfen nämlich jetzt nicht einfach in die Akademie laufen und dort erzählen, dass die Oberhexe es selber war, die den Widergänger an sie übergeben hat, sonst wäre das vermutlich die letzte Nacht der Mc Kinney.

Natürlich würde Lurker dem Turiner am liebsten eine nackte Tänzerin bestellen, die aus einer Torte voller Wunderkerzen sprang, wenn er jetzt los ging und der verdammten Hexe einfach den Hals umdrehte, aber Versprochen war Versprochen und es reichte für sein Empfinden bei seiner Abmachung mit Kiera nun mal nicht aus, dass er ihrer Schwester nicht aktiv das Genick brach, sondern es gehörte auch dazu, dass er nicht einfach jemand anderen manipulierte dies zu tun. Somit hielt er sich nicht nur an seine Vereinbarung mit der Mambo, sondern übererfüllte diese sogar, indem er deren Schwester in Schutz nahm.
Wenn aber Enio nun selber auf die Idee käme, dass Caitlin offensichtlich nicht mehr damit gerechnet hatte dass er noch einmal in dieser Stadt auftauchen würde und darum ihren Deal direkt verraten und verkauft hatte, kaum dass sich die Flugzeugtüre hinter dem Brujah geschlossen hatte und der ehemalige Sheriff nun diese ganze Sache auch dem gewohnt charmanten, kurzem Krawallmacher Dienstweg lösen würde, dann konnte er auch nichts dazu.
 
Wie es seine Art war hörte Enio geduldig zu und unterlies es irgendeine Regung zu zeigen auf das was Lurker ihm offenbarte. Er stellte keine Zwischenfragen und gab dem Verborgenen seine Zeit, die er benötigte um Enio auf den neusten Stand zu bringen. Enio gab sich zwischendurch kurz der Selbstbeweihräucherung hin und lobte sich für die Entscheidung den Deputy zuerst aufgesucht zu haben. Enios und Lurkers Ansichten über das Wesentliche, das Wichtige und Sonstiges, das meisten in die Kategorie Schnickschnack viel, deckten sich wieder einmal. Was gab es für einen besseren Ansatz für ein gutes und informatives Gespräch?

Das Enio wie immer eine Mine der Teilnahmslosigkeit präsentierte lag aber nicht daran, daß ihn nicht das eine oder andere mitnahm und gewisse Rädchen in Betrieb setzten, es war einfach die Macht der Gewohnheit und sicherlich auch eine Portion Hiobsbotschaftenerfahrung, da er immerhin noch nicht einmal in Irland von solchen verschont geblieben war. Die Situation das Buchet offenbar wieder hier war und mir-nichts-dir-nichts an die Macht wollte, war auf ihre Weise erschütternd, verblasste aber bei dem Gedanken das Salgari wieder in Europa sein könnte. Jeder hatte seine Prioritäten und die des Brujahs lagen klar bei den Familienangelegenheiten. Aber das war jetzt im Moment nicht wichtig und diente lediglich um Enios dickes Fell zu striegeln und zu bürsten.

Der Brujah-Ahn sagte ein paar Sekunden lang nichts als Lurker fertig war. Und selbst als Enio ansetzte kam zunächst nur ein brummeliges „Hmm.“ Aus ihm heraus ehe er sich erneut in Schweigen hüllte. Lurker war das sicher schon gewohnt und wußte, daß der Italiener immer etwas länger brauchte für seine Erwiderungen. Manchmal hatte man sogar den Verdacht, daß es daran liegen konnte, daß er tatsächlich länger darüber nachdachte.
„Gut. Ausgezeichnet. Ich bin davon ausgegangen das sich nichts geändert hat, mußte aber trotzdem nachfragen. Ihnen ist sicherlich klar wie wichtig Ziege für mich ist und im Gegensatz zu den anderen Pennern will ich keine Experimente mit ihm machen oder erfahren wie er es geschafft hat so zu existieren. Ich will lediglich einen Weg finden ihn für immer in die Hölle zu schicken. Er ist mir lange genug auf den Sack gegangen und ich bin nicht bereit über seine Existenz zu feilschen. Weder mit Buchet noch mit sonst einem anderen Arschloch.“

Enio nahm die Information über die Garou und Meyyes Fehlverhalten kommentarlos hin. Er hatte mitlerweile eine andere Taktik eingeschlagen was die Werbestien anging seit er in Finstertal war aber wenn wieder alles beim Alten war, dann war das eben so und Enio würde sich schnell wieder daran gewöhnen keine Gespräche mit Wölflingen mehr führen zu müssen um… zu verhandeln. Die Verhandlungen mußten wohl wieder mit Blei, Silber und Stahl geführt werden. Warum nicht… es hatte sich ja bewährt.

Lurker sprach von dem Ding unter der Mine. Enio speicherte die Information ab aber das Ganze erschien ihm momentan nicht weiter wichtig. Zumal seine Vorgehenweise in dieser Sache für ihn glasklar war. „Na wenn es da unten ist, dann ist es vielleicht am einfachsten wenn wir es da unten lassen. Ich verspür keinen Drang für Höhlenforschung. Wäre nicht der erste Bereich den wir einfach absperren. Falls uns einmal total langweilig sein sollte, können wir das ja nochmal überdenken und auf Abenteuerreise gehen. Momentan hab ich das nicht vor.“ Vielleicht sah der Turiner das ja zu pragmatisch und kümmerte sich ein klein bißchen zu wenig um scheinbare Bedrohungen aber unter Umständen war seine Vorgehensweise ja gar nicht so verkehrt. Es hatte ja auch keiner das dringende Bedürfnis einfach aus Spaß und Zeitvertreib in der Ruine der alten Klapse zu übertagen. Manche Gegenden vermeid man eben und die Mine klang jetzt sowieso nicht nach einem interessanten Ausflugsziel.

Enio kam wieder zurück auf wichtige Themen. „Wenn der mächtige Vertreter aus Wien dieser Grimm sein soll, dann habe ich ihn noch kurz getroffen in der Nacht als ich abreisen mußte. Ich werd ihn ja dann wohl noch kennenlernen. Das er ebenfalls hinter Ziege her ist weiß ich bereits. Wurde mir in der Akademie gesagt. Gibt es irgendein Grund warum der Älteste ihres Clans und ich uns irgendwann einmal begegnen müssen oder reicht es wenn wir voneinander wissen?“ Man konnte da relativ gut heraushören, daß der Brujah kein sonderlich großes Interesse hatte dem Alten zu begegnen. Wenn es sein mußte und etwas bringen würde, dann war es eben notwendig aber als Kainskind läuft man nicht bewußt und absichtlich einem Ahn oder Methusalem der Nosferatu über den Weg um nur mal „Hallo“ zu sagen. Zu wissen das man ein gemeinsames Ziel verfolgte und der Alte Lurker unterstützte reichte Enio vorläufig.

Enio nahm die Aufforderung des Verborgenen an etwas über die Müllkippe zu flanieren und schlenderte neben Lurker zwischen den Müllhaufen hindurch. Ohne Ziel und ohne Hast. Enio brachte immer Zeit mit, wenn er sich mit Lurker unterhielt. Die letzten Nächte brachten viel Gespräche mit sich und Enio mußte sich viel erklären. Da war es eine Wohltat etwas zuzuhören und sich informieren zu lassen. Die Sache mit Caitlin und wer wen wofür vernatwortlich macht sah Enio tatsächlich relativ gelassen. Auserdem wollte er sich bei dieser Sache einfach persönlich überzeugen welcher Finger auf ihn deutetet und ihm oder eben Lurker die Schuld zuwies, daß Ziege jetzt… unpässlich war. „Wir sollten uns in der Sache mit Ziege jedenfalls nicht zu schnell hinter der Deckung vorwagen. Solange es keine konkrete und offizielle Vorwürfe gibt sehe ich keinen Grund zu reagieren oder mich mit irgendjemand überhaupt darüber zu unterhalten. Caitlin hat mir Zieg überreicht aber mir ist schon schleierhaft wie sie wissen sollte, daß ich ihn Ihnen oder Clan Nosferatu übergeben habe. Ich habe weder ihr noch sonst irgendjemandem etwas darüber gesagt. Seis drum… ich wurde jedenfalls bereits vor meiner Abreise von Galante und dieser Sybille beauftragt Ziege wiederzubeschaffen und habe mich schon vor ein paar Tagen dumm gestellt und gesagt, daß er sich meinem Zugriff entzogen hat. Was selbstverständlich nicht gelogen war, weil ich unter Garantie niemals wieder den Platz finden würde an dem wir ihn abgeliefert haben.“ Wenn man jetzt zwischen den Zeilen lesen wollte, könnte man gut hineininterpretieren, daß Enio auch sehr einfach die Möglichkeit hatte seinen Hals aus der Schlinge zu ziehen und ebenfalls mit den Fingern auf die Verborgenen deuten konnte. Aber euer Ehren… ich hab Ziege doch nur zur Aufbewahrung den Nosferatu gegeben. Mir war ganz und gar nicht klar, daß sie ihn behalten wollen und nicht mehr an uns herausrücken. Das ist gemein und hinterhältig. Ich protestiere energisch! Das war sicherlich nicht die Art von Enio aber es war auch nicht unbedingt die Art sich offen gegen die Wünsche der Camarilla zu stellen und den Zorn mehrerer Justikare bewußt auf sich zu ziehen. Man konnte umständlicher Selbstmord verüben und wesentlich erfolgloser.
„Ich werde mich auf jeden Fall recht bald mit Caitlin treffen müssen und dann werden wir das einfach mal unter uns durchkauen. Sie wird mir sicherlich nicht alle Hintergründe und Motive darlegen aber sie wird mir gegenüber bei einem Gespräch unter 4 Augen sicher nicht erzählen wollen, daß ihr Ziege gestohlen wurde. Wenn doch… naja wir werden sehen.“ Schon alleine in dem wir werden sehen lag die Interpretation des von Lurker angedachten Krawallmacher-Dienstwegs.

Es gab noch einen anderen Punkt zu klären. Dabei spielten weniger Fakten eine Rolle sondern tatsächlich die persönliche Meinung von Lurker. „Was anderes… wie sehen sie momentan die Chance, daß Buchet ungeschoren hier wieder an oberste Poition kommt? Was genau haben wir eigentlich gegen ihn in der Hand auser den Aussagen von Ziege selbst? Oder was genau ist eigentlich aus den Aufzeichnungen des … von Buchet geworden. Wollte sich nicht da die Harpyie darum kümmern. Stehen da denn belastende Dinge drin die wir Buchet aufs Brot schmieren können? Ich für meinen Teil werde jedenfalls nicht tatenlos zusehen wie sie den Toreador ungeschoren davon kommen lassen und ihn für den Packt mit Zacharii oder Ziege selbst am besten noch belohnen.“ Enio hatte Lurker eine persönliche Frage gestellt aber im gleichen Zug seine eigene Meinung zum besten gegeben. Somit hatte er selbst seine Hosen zuerst heurntergelassen… wenn man so wollte. Es sah zumindest so aus als ob der Brujah-Primogen keine Ambitionen hatte froh zu sein, daß Buchet diese ganze Misere überdauert hatte. Wie stand es um den Nosferatu?
 
Häufig war Schweigen in einer Unterhaltung etwas das beide Seiten zu vermeiden suchten wie der Teufel das Weihwasser, weil es in einem Kommunikationssystem immer unangenehm war wenn zwischen dem Smalltalk plötzlich aufblitze das man sich ja eigentlich gar nichts zu sagen hatte. Das musste man bei Enio aushalten können.
Anfangs hatte der Nosferatu noch angenommen, dass es ein rhetorischer Trick des Anderen war, denn so ein provoziertes Schweigen konnte man wunderbar dazu nutzen den Gesprächspartner dazu zu bringen, dass er es füllen wollte und dabei mehr ausplauderte, als er es eigentlich vor hatte. Tatsächlich war es aber einfach nur eine Macke des Brujah Primogens und mit Macken und Schrullen konnte man gut leben, wenn man dem Clan der Verborgenen angehörte.
Das Thema Zieglowski ließ Lurker unkommentiert. Solange bis der Turiner zu dem Blutsklaven wollte, gab es am Status Quo auch aus seiner Sicht nichts zu ändern. Wenn der Nosferatu auch anderer Meinung war, was das herumexperimentieren anging, aber das war eine Angelegenheit, um die er sich später kümmern wollte.
zu dem Minen Gespenst blieb ihnen wohl nichts weiter übrig als eben ihre mondänen Mittel, daher nickte er einfach nur auf Paretos Ausführungen. Auch hier hatte er andere Pläne, die sich aus dem Erlebten für ihn ergeben hatten, aber das war eine Sache die er mit Kiera klären würde und die hier nichts zu suchen hatte.
Die Frage nach einem Grund für den Italiener sich mit Evangelistos zu treffen beantwortete er dann genauso simpel mit einem Kopfschütteln. Enio war Klug genug sich nicht mit einem uraltem Nosferatu Monster zu treffen, wenn es nicht unbedingt sein musste. Für genauso Intelligent hatte Lurker ihn auch gehalten. Genau so konnte man in dieser Stadt ein paar Jahre alt werden.

Genau das habe ich bislang auch so gehandhabt. Es sind keine offiziellen Fragen zu dem Zuhälter gekommen, also gab es keinen Grund für Antworten. Viel wichtiger finde ich aber die Frage, woher die Tremere dann ihr Wissen hat. Offensichtlich hat sie ihnen dann nachspioniert.

Über den möglichen Rückzug des Ex-Sheriff aus ihrem Handel machte er sich gelinde gesagt wenig Sorgen. Wenn der Oberkrawallschläger das täte, würde er damit die Chance verspielen den Wiedergänger persönlich zu killen und er hatte schon klar gemacht, dass er sich lieber mit der ganzen Stadt anlegen würde, als darauf zu verzichten. Martin Zieglowski hatte eine Menge Leuten vor den Kopf gestoßen und die meisten hatten sich das gefallen lassen von ihm angespuckt zu werden, aber bei aller äußeren Ruhe und 'Sonnenbrillen-bei-Nacht' Tragerei war Enio immer noch Brujah. Auch wenn das Feuer seines Blutes oft eher wie eine Glut erschien, anstatt wie eine Flamme, hieß das nicht, dass man ihn ärgern sollte. Glut war beharrlicher als offenes Feuer.

Dann wurde es politisch.

Seine Chancen sind leider ausgezeichnet. Er hat die Stimmen der Tremere, die doppelt zählt, dafür hat er gesorgt, der Rosen natürlich, der Könige, da man die Auvergne zur Primogena gemacht hat, der Caitiff, da Helena O' Neil wohl seine stärkste Fürsprecherin ist und die einzige wirklich harte Gegenstimme, die Gangrel, ist raus. Der Clan des Mondes, also unsere Geißel, wird sich politisch korrekt und konform verhalten und sie waren zufällig aus der Stadt. Ich hätte also wahrscheinlich höchstens energisch protestieren können.

Sarkasmus troff teerig von der krächzenden Stimme des Anderen herab.

In den Aufzeichnung von Buchett sind natürlich die Geständnisse alle fein säuberlich enthalten, aber einen unzensierten Zugriff darauf hat es schon damals nicht gegeben und ich vermute das man mit der Mehrheit im Rat jetzt auch durchsetzen wird, dass die Tagebücher noch tiefer im Keller versteckt werden, als das bisher schon der Fall war. Natürlich als Schutz für die Clansinteressen der Rosen. Der einzige der bis vor einigen Tagen noch eine Chance gehabt hätte hier auf den Thron zu kommen waren sie und unter uns würde ich das jetzt, nachdem sie für einige Tage kalt gestellt wurden, nicht mehr empfehlen.

Hoppla? Kaltgestellt? Aber ja, im Grund hatte es keinen vernünftigen Grund gegeben den Turiner ausgerechnet zu dem Zeitpunkt abzuziehen wo er am meisten in der Stadt zu tun hatte und auch hätte tun können. Vermutlich hatte ihn da jemand beschützt, indem er aus der Schusslinie geholt worden war.
 
Lurkers nicht-kommentieren, Nicken und Kopfschütteln war für die angesprochenen Themen und die gestellten Fragen für Enio völlig ausreichend. Ein anderer hätte vielleicht drauf losgeplappert und den Italiener versucht von einer anderen Meiung zu überzeugen oder einfach nur seinen Senf zum Besten zu geben aber der Brujah und der Nosferatu behielten ihren Kurs des effizienten Minimalismus in ihrer Konversation bei und das offenbar in gegenseitigem Einverständnis. Dabei konnte man sicher nicht behaupten, daß sie aufgrund jahrelanger Übung ein eingespieltes Team waren.

Enio versuchte sich daran zu erinnern was das für eine Nacht war in der Ziege nach unten gebracht hatten. Leider erinnerte er sich zu gut daran. Die Nacht war der pure Horror gewesen. Schatten huschten in den Augenwinkeln und es gab keine dunkle Ecke in der Stadt, die nicht auch für ein abgebrühtes Kainskind wie Enio so bedrohlich wirkte als wenn ein Übergang in die Hölle genau dort zu finden war. Der Nachthimmel war in ein kränkliches Grün getaucht und drückte beängstigend auf das Gemüt. Die Membran in eine andere Dimension voller Schrecken und Leiden schien nur noch hauchdünn zu sein und von überall her kamen Geräusche und Einflüsterungen die unheilvoll die letzte Nächte verkündeten. Aber es war nicht das mystische Gehenna oder anderer Mumpiz. Die Nächte gingen schwanger mit einem anderen Namen und das war kein andere als Zacharii. Der Unhold! Tzimisce... Koldune... mitlerweile nur noch Asche.
War in dieser Nacht tatsächlich jemand hinter Enio her gewesen und hatte ihn im Auftrag von Caitlin verfolgt? Oder war sie sogar selbst hinter ihm her gewesen um zu wissen wohin Enio den Wiedergänger brachte? Hatte das wirklich jemand gewagt? Wenn ja dann gebührte demjenigen sicherlich auch eine gehörige Portion Respekt für seinen Mut. Mehr aber auch nicht! „Hmm... bevor ich da lange drüber spekuliere, werde ich Caitlin einfach zur Rede stellen. Mal schauen was sie zu sagen hat. Ich werde das aber wohl direkt nach unserem Gespräch machen. Bevor ich zur Akademie gehe und dort die Käfer aus dem Laub schüttel. Mir kommt das alles merkwürdig vor und ergibt keinen Sinn. McKinney hat mir Ziege übergeben und soll mir danach hinterhergelaufen sein um herauszufinden wohin ich ihn bringe? Nur um nachher zu hehaupten die Nosferatu haben Ziege in ihrer Obhut?“ Es klang schon komisch aber der Brujah kannte seine Stärken wie seine Schwächen und eine Schwäche war definitiv nicht immer ganz durchzublicken und komplizierte Pläne erst zu erkennen, wenn jeder andere gecheckt hatte um was es ging. Nicht immer aber oft.
Ein nichtssagendes Achelzucken schloß die Auführungen des Ex-Sheriffs, der noch nicht einmal wußte, daß er Ex-Sheriff war, ab. Das Gespräch mit Caitlin würde weitere Einzelheiten bringen.

Die Sache mit Buchet durfte aber auf keinen Fall einfach so unter den Tisch gekehrt werden. Der Brujah-Ahn war lange genug dabei um zu wissen, daß nur allzu oft Verfehlungen von Prinzen mir-nichts-dir-nichts unter den Tisch gekehrt wurden. In dieser Angelegenheit war er sehr gespannt wie sich die Archonten verhalten würden. Vor allem wenn man sie mit offiziellen Protesten konfrontierte, die sie nur schwerlich einfach ignorieren konnten. Wie und in welcher Form Enio die vorbringen wollte wußte er selbst noch nicht aber er wollte ganz sicher nicht die Sache unter den Teppich kehren lassen. Wenn Galante und die Ventrue-Blondie nicht ganz doof waren, dann wußten sie mitlerweile wer Enio wegbeordert hatte und das ihr Handeln hier in Finstertal von den anderen Clans ebenso beobachtet und bewerten wurde. „Das mit Buchet wird sich zeigen. Ich werde wohl mal abklopfen müssen wer wie steht und mit welchen Meinungen man zu rechnen hat. Ich bin mir nämlich nicht so sicher, daß der verdammte Belgier einfach so reinspazieren kann und mit einer „War was?“-Mine wieder auf den Thron steigen wird. Letztendlich wird es sehr interessant sein zu erfahren was denn Galante selbst über die Sache denkt. Werd ihn wohl mal fragen müssen.“
Enio gab etwas auf Lurkers Meinung in diesen politischen Dingen, sonst hätte er ja auch nicht gefragt. Er glaubte, daß der Nosferatu von solchen Dingen wesentlich mehr verstand als Enio selbst. Aber manchmal mußte man sich selbst vergewissern um sich ein Bild machen zu können. „Ja... kalt gestellt. Kann man wohl so sagen. Clan Brujah hat in diesem Spielchen seine Deckung noch nicht verlassen und ich muß zugeben, daß ich nicht weiß ob sie das überhaupt vor haben. Im mir-gut-zureden waren sie auf jeden Fall toll!“ Jetzt war es Enio der sarkastisch klang. Entweder war der Italiener ein toller Schauspieler oder er wußte wirklich nicht wie sein Clan in dieser ganzen Angelegenheit stand und ob die Brujahs hier überhaupt etwas zu melden hatten.

Enio hatte aber noch etwas anderes auf Lager was er sich seither noch aufgespart hatte. „Es gibt da meiner Meinung nach noch etwas anderes das wichtig ist. Auser das Problem hat sich mitlerweile schon erledigt. In der Nacht als ich abfliegen mußte, trafen wir uns noch zu einer Sitzung. Diese Sitzung wurde durch ein altes Mondkind gestört, das sich hier wohl breit gemacht hat und mit der Gehennaflagge durch Finstertal läuft. Wurde der Alte noch einmal gesehen? Treibt der noch sein Unwesen hier?“ Enio machte sich keine Illusionen. Entweder war der Malkavianer vernichtet oder er war immer noch hier und eine große Gefahr. Enio vergaß so schnell nicht, wenn jemand in seinen Geist eindrang und ihm Dinge zeigte, die er nicht sehen wollte. Politik hin oder her... aber der Malkavianer war eine fassbare, reale Bedrohung gewesen und sein Auftauchen bei der Sitzung und seine Attake hatte Enio als klare Kriegserklärung betrachtet. Wie sahen die anderen Finstertaler Vampire das? Waren sie bereits zu abgestumpft vom dauernden Todeskampf und dem ständigen Entgegentreten der endgültigen Vernichtung als das sie einen alten Malkavianer, der sie angegriffen hatte nicht mehr ernst nahmen? Hoffentlich nicht!
 
Und so schlenderten sie in der romantischen Atmosphäre der gärenden, schimmelnden und zerfallenden Abfallheide, mit ihren erstarrten Wellenkämmen aus Unrat, idyllisch dahin. Bestimmt hätten sie sich auch gegenseitig bei Herzblatt auserkoren, so einig wie sie sich hier austauschten. Natürlich gehörte es bei einem Nosferatu der etwas auf sich hielt zum Service auch einfach dazu, dass er wusste was der Kunde wünschte und in diesem Fall wünschte der Kunde kein Gespräche wie bei einem Friseur Termin, vollgestopft mit den wildesten Räuberpistolen und wildesten Kapriolen. So hatte Lurker dem Turiner bislang erspart darüber zu fachsimpeln was welches Zicken von wem in welche Richtung wohl etwas bedeuten mochte. Tatsächlich waren sie hier aber wirklich einer Meinung, auch wenn Angehörige eines anderen Clans solche Dinge ganz sicher für enorm wichtig hielten, würde der Nosferatu den Anderen nicht mit derartigem Kram behelligen, welchem Untoten die Unterhose zu doll kneifte.
Aber es wäre auch unwahr zu behaupten gewesen, dass der Verborgene nicht froh war, dass der Verbündete Brujah wieder in der Stadt war. Die Anzahl an Leuten die rund genug liefen um mit ihnen ernsthaft zu arbeiten war gering genug und der griesgrämige Spaghetti gehörte nun mal dazu, seit er sich als handfest und tauglich bewiesen hatte.

Das mit der Mc Kinney ist eigentlich gar nicht merkwürdig. Sie hatte keine andere Wahl in dieser Nacht, als gegen die Interessen ihres Clans zu handeln und den Blutsklaven zu übergeben.

Alles weitere würde Enio dann gerne direkt mit Caitlin ausmachen dürfen. Die Versuchung bei diesem Gespräch dabei zu sein, war nun wiederum für Lurker enorm groß.

Paretos hohe Meinung über die Politik Kenntnisse Lurkers hätten diesen wohl auflachen lassen. Tatsächlich war Stray, seine Tochter politisch wahrscheinlich deutlich bewanderter als er, der sich immer nur auf seine Instinkte verlassen hatte. In jeder anderen Stadt, in der nicht ständig Krieg gegen die Hölle herrschte, wäre der Nosferatu, der alleine deswegen zum Primogen und Ahn ernannt worden war, weil er als letzter übrig geblieben war, wäre er vermutlich schon lange unter gegangen. Auch wenn er besser geworden war, seit seine Position ihn dazu zwang immer zwischen dem Kampf gegen die Kreaturen der Finsternis und den Sitzungen im Rat hin und her zu springen. Verdammt, brauchte er Urlaub.
Auf die Frage nach den Ränke des Clans der Gelehrten winkte der Verborgene dann aber einfach nur ab und ein knirschendes, trockenes Geräusch, das wohl Lurkers Äquivalent zu einem 'Hah!' darstellte, war das einzige was er dafür übrig hatte. Der Brujah konnte sich sicher denken, dass sein Gesprächspartner noch viel weiter davon entfernt war wirklich zu wissen, was sein eigener Clan plante.
Konnte ein Plan so geheim sein, dass plötzlich niemand mehr von ihm wusste? Und hörte er dann auf zu existieren, oder war es nur umso unheimlicher wenn er aufging? So als wenn ein Plan, oder eine Idee, ein Eigenleben entwickelte um sich von den Ränkeschmieden die die ihn iniziert hatten zu befreien?

Ich wäre wirklich gerne dabei, wenn sie den Monsignore danach fragen.

Es wäre sicher spannend zu erleben, wenn dieser versuchen würde eine diplomatische nicht Antwort wie 'wir-müssen-das-alles-natürlich-gründlich-untersuchen-und-zu-einem-gerechtem-Urteil-zu-kommen' absondern würde und ein übermäßig diplomatischer Enio ihn zart und gar nicht drängend darauf hinweisen würde, dass Buchett nicht dabei erwischt worden ist wie er heimlich seinen Wintergarten am Bauamt vorbei gemogelt hat, sondern sich einem verdammten Dämonen eingelassen hatte um einem altem Tzimisce Diener das Geheimnis der verdammten Unsterblichkeit zu entreißen und dabei völlig die Kontrolle über eben diesen Blutsklaven verloren und beinahe die ganze Stadt, wenn nicht noch mehr ausgelöscht hätte.
Was sollte man dazu auch bitte noch sagen? Aber seine Party Häppchen waren immer so grandios?

Aber meine persönliche Einschätzung, geben sie dem momentanen Prinzen eine Chance. Bei allen Krisen die über diese Stadt schon hereingebrochen sind, haben sich Buchett, Johardo und Konsorten immer verdrückt und auch die letzten Archonten die ich gesehen habe, haben darauf geachtet immer erst nach dem großem Knall hier aufzutauchen. Aber dieser Mann hat nicht nur dem Kampf zur Ablenkung gegen die Werwölfe beigewohnt, sondern ist anschließend noch persönlich in dieses Höllenloch von einem Bergwerk hinabgestiegen um persönlich Unterstützung zu leisten. Ich bin weit davon entfernt auf irgendwelche Mannbarkeitsrituale zu klopfen, oder zu behaupten dass nur derjenige eine Daseinsberechtigung hat, der sich als großer Krieger im Kampf mit dem Speer gegen das Monster bewiesen hat, aber Galante hat es nun mal getan. Ich habe den Eindruck, dass ihm an Stabilität und Frieden in Finstertal gelegen ist. Vermutlich wird die Liebe nicht so weit gehen, dass er hier bleiben möchte oder die Stadt aus der Hand der Rosen geben will, aber immerhin, dass man ihm zuhört, hat er sich verdient.

Hatte der Stinker gerade tatsächlich ein Plädoyer für die Toreador und den Prinzen gehalten? Vielleicht hatte man den armen Kerl Gehirn gewaschen? Oder Gefoltert? Oder bekam Enio nur genau das, was er wirklich wollte? Eine Einschätzung die auch dann einigermaßen fair blieb, wenn man bislang nur Verachtung für das Thema übrig hatte.

Als Enio die Begegnung mit dem alten Mondkind ansprach, blieb der Nosferatu allerdings für einen Moment stehen und wirkte verwundert. Allerdings über sich selber, denn er hatte dieser Sache eigentlich wenig bis keine Bedeutung mehr bei gemessen. Vielleicht, weil er schon einmal einen sehr mächtigen und Alten der Wahnsinnigen, namens Tiberius Coen, kennengelernt hatte und der damalige Primogen Chezmoi ein regelmäßiger Umgang für ihn war. Die Irren waren ebenso Ausgestoßene wie die Kanalratten, daher war eine Verbrüderung hier wohl kein Wunder.

Nein, von dem hat man nichts mehr gehört, oder gesehen. Ob er noch in der Nähe ist, oder schon wieder Meilen entfernt, wer weiß. Solange er sich nicht ein weiteres Mal zeigt, glaube ich noch nicht einmal, dass er uns absichtlich gestört hat.

Anscheinend sah der Kanalprimogen das Thema da sehr entspannt. Ein Angriff war das ganz sicher nicht gewesen, sonst hätte er den Verstand der Meisten einfach in Schlacke verwandelt.
 
Enio wiederstand der Versuchung sich erneut eine Kippe anzuzünden um dem Palaver eine zerstreuende Komponente hinzuzufügen und die Sache womöglich ein bißchen menschlicher wirken zu lassen. Aber die beiden Kainskinder schlenderten durch das Dunkle und irgendwie kam es dem Brujah gerade falsch vor sie durch künstliches Licht – und sei es nur eine Zigarettenglut und das kurze Aufflammen eines Feuerzeuges – zu durchbrechen. Daher lies er es und sah nach vorne ins Nichts als Lurker weitersprach. Ein nachdenklicher Blick wanderte zu einem kleineren Müllhaufen am Rand als Lurker die fehlende Möglichkeiten der Regentin erwähnte. Da der Haufen nicht weglaufen konnte, lies er es über sich ergehen und schaffte es auch nicht zu erschaudern… wie es nunmal die Art von Müllhaufen ist blieb er einfach so wie er war. Enio kam während seinen Überlegungen zu dem Entschluß, daß der Nosferatu warscheinlich recht hatte. Klar. Er war Kriegsherr gewesen und hatte Ziege gefordert. Caitlin hatte ihn bereitwillig ihm übergeben und nicht ein einziges Mal versucht Enio davon zu überzeugen, daß Ziege bei ihr am besten aufgehoben war. Taktik? Vielleicht…. vielleicht aber auch nur Unkenntnis. Das war jetzt egal. Enio würde es herausfinden. Ein Schulterzucken folgte und damit war das Thema vorläufig vom Tisch.

Erst als Lurker den eingesetzten Prinzen erwähnte sah Enio zu dem Kleiderhaufen, der irgendwie immer hart an der Grenze zur normalen Wahrnehmung zu sein schien. Manchmal mußte man einfach genau hinschauen um sich sicher zu sein, daß man nicht alleine zwischen Müll herumlief und Selbstgespräche führte. Aber nein der Verborgene war noch da. Enio Pareto war sich für einen kurzen Moment nicht sicher ob Lurker seine Worte ernst gemeint hatte oder ob er die Idee von Enio Galante anzusprechen einfach zu lustig fand um sein Gesagtes nicht mit einer gehörigen Portion Ironie zu schwängern. Unabhängig davon ob dem nun so war oder nicht reagierte Enio in leinster Weise darauf und sprach auch dem Nosferatu keine Einladung aus dem Gespräch beizuwohnen. Ein so guter Teamspieler war der Brujah nun doch wieder nicht auch wenn Finstertal ihm sein Einzelgängerdasein ein Stück weit ausgetrieben hatte. Leider!

Enio lauschte den Ausführungen von Lurker und war tatsächlich ein wenig überrascht, daß der hässliche kleine Mann fast eine kleine Laudatio für den Toreador hielt. Aber gerade weil es nicht so alltäglich klang was da aus dem Mund von Lurker kam, mußte es was bedeuten und Galante hatte offenbar eine kleine Nische gefunden, die von keinem Klischee ausgefüllt werden konnte. Jedenfalls was den Deputy betraf. Der Archont hatte auch auf Enio auf den ersten Blick nicht unbedingt einen schlechten Eindruck gemacht, auch wenn ihre erste Begegnung unter keinem guten Stern gestanden hatte. Enio würde dem Toreador ganz sicher eine Chance geben. Die hatte jeder. „Klar… ich hab nicht vor ihn als Feind zu betrachten. Das er hier aktiv und effektiv geholfen hat spricht sicherlich für ihn. Es wird sich zeigen welchen Standpunkt er vertritt, wenn es um Buchet geht und wie die Camarilla mit seinem Verhalten umgeht. Archont wird man eigentlich nicht einfach so. Entweder man ist ein intrigantes, skrupelloses Arschloch oder man ist fähig. Oder manchmal einfach beides. Schauen wir mal wie schnell sich Galante von Buchet weichkochen läßt oder ob er ernsthaft daran interessiert ist der Sache mit Ziege und Zach auf den Grund zu gehen. Antonia kann ich in dieser Hinsicht nur schwer einschätzen. Klar… sie kommt vom gleichen Clan wie Buchet aber vielleicht hat sie bei der Sache ja auch etwas über ihren Herren gelernt.“ Langsam ging das Gepräch über einen Hauch von Geplapper zu bekommen und daher sprach der Turiner einfach nicht mehr weiter. Es war alles gesagt und jetzt galt es an weitere Informationen zu kommen und mit anderen zu sprechen. Lurker und Enio würden sich sicherlich noch weiter mit dem Thema auseinandersetzen dürfen.

Der Brujah-Ahn war etwas überrascht von der Sorglosigkeit seines Gesprächpartners was den Malkavianer anging. Er nahm es wohl selten persönlich wenn jemand in seinem Kopf herumspukte und Erinnerungen hoch kommen lies, die lieber ganz ganz unten bleiben sollten. „Im optimalen Fall haben sie recht. Aber ich glaube nicht an den optimalen Fall. Es tauchen natürlich immer genug Spinner auf und faseln von Gehenna oder dem Marschmellow-Mann aber der Typ ist mal einfach so in eine Sitzung des Ältestenrates gelaufen und hat seine Macht demonstriert. Wobei ja noch keiner sagen kann ob das nur das untere Ende war. Wenn sie recht haben und der Typ nie wieder auftaucht, dann soll mir recht sein aber in jedem anderen Fall sehe ich ihn als ernsthafte und akute Bedrohung. Es sei denn man hat Gefallen daran gefunden an dem was der Irrsinn des Alten einem gezeigt hat und will mehr davon. Ja… dann kann man sich ruhig zurücklehnen und vorsichtshalber zur nächsten Primogensitzung Popcorn oder Chips mitbringen.“ Enio würde aber liebe eine Granate werfen und im schlimmsten Fall sogar genau das tun. Der Brujah hatte nicht so sehr viel übrig für Malkavianer. Er hasste sie nicht und sie bekamen oft genug eine Art Bonus bei ihm aber das betraf nicht unbedingt die alten und gefährlichen unter ihnen.

Enio wandte sich dem Nosferatu zu und sah in das dunkle Loch der Kapuze wo man ein Gesicht erahnen konnte. „Haben wir denn in den letzten Nächten größere Verluste erlitten? Gibt’s den Duke eigentlich noch? Was macht Jenny?“ Enio klang nicht besorgt. Aber Enio klang meistens überhaupt nicht… wenn er nicht gerade ärgerlich klang. Dennoch wollte er sich nach Jenny erkundigen und wenn ihm einer etwas über die Nervensäge sagen konnte, dann Lurker.
 
Tatsächlich erinnerte er sich sehr deutlich an das, was der Malkavianer ihn hatte sehen lassen, aber es war nicht die Art der Mondkinder in den Verstand anderer zu greifen und dort irgendetwas zu verdrehen. Meistens rissen sie nur in einer ruckartigen Bewegung das Tischtuch weg, so dass der hässliche, alte Tisch unter dem feinem Silberbesteck zu Tage kam.
Wahrscheinlich war für die meisten nur eine Sache erschreckender als der Gedanke, dass jemand in ihren Geist griff und diesen manipulierte und das war, wenn jemand die mühsam selber errichteten Manipulationen und Selbstäuschungen aufhob. Man musste bei niemandem sehr viel Zuckerguss wegkratzen bis Eiter kam.
Lurker hatte schreckliches gesehen durch das Mondkind. Schreckliches, dass er getan hatte. Schreckliches das in ihm kauerte, wie eine fette, böse Made in einem morschem Stamm. Schreckliches, das er akzeptierte.
Aber das wenigste das die Irren taten machte wirklich Sinn, bis es zu spät war, daher würde er einfach weiter auf dem Karussell mitfahren, bis der Clown das nächste Mal vorbeikam. Wenn es dann etwas wichtiges gab, konnte man immer noch schauen um was es ging. Aber um jetzt noch eine Fürsprache über den Mondclan zu halten, dazu war für heute nicht mehr genug guter Wille vorhanden. Enio würde es auch gar nicht hören wollen und der Nosferatu kannte die Mondkinder gut genug um eine Verteidigung gar nicht erst zu versuchen. Man stand immer ein wenig blöd da, wenn man für einen dieser Typen Partei ergriff und dieser dann irgendwann mitten in die Beteuerungen wie nett man eigentlich war plötzlich fragte ob sonst noch jemand Augenlider sammelte.

Ich halte die Augen offen.

Schloss er darum das Thema um den Alten damit ab. Es konnte nicht schaden ein wenig mehr über den Malkavianer herauszufinden. Zumindest nicht solange dieser einen dabei nicht fand.

Jenny ist erst seit gestern wieder in der Stadt. Sie hat sich für ein paar Tage aus dem Staub gemacht und Dinge außerhalb der Stadt geregelt. Bestimmt hat sie Zeit für sie. Dieser 'Duke' ist, soweit ich das gestern mitbekommen habe, jetzt dem neuem Sheriff, einem Moishe ben Levy, unterstellt, weil sie nicht in der Stadt waren. Der Kerl hat leider im Hauptelysium eine Toilette zerstört und dort herum randaliert, weswegen er anscheinend dazu verdonnert wurde für diesen Ventrue zu arbeiten.

Überraschung! Und herzlichen Glückwunsch zur Degradierung. Der Verborgene sagte dies alles so beiläufig, und die Tatsache dass er es erst jetzt erwähnte machte deutlich, dass er auch nicht davon ausgegangen war das es besonders wichtig war. Er wusste schließlich nicht, dass Pareto als letzter davon erfuhr, dass er jetzt viel Zeit hatte in einem Schaukelstuhl auf der Veranda zu sitzen und in den Sonnenuntergang zu schaukeln, weil er schon in Rente war.
 
Die Caitiff und Wahl-Nosferatu war also auch nicht in der Stadt gewesen. Das steigerte jedenfalls die Warscheinlichkeit, daß nicht noch zu allem vorhandenen Mist noch allgemeine Randale und Anarchenrevolte dazu gekommen war seit er die Stadt verlassen hatte. Ein paar Nächte, die in anderen Städten manchmal vorbei gingen wie ein Lidschlag und so manch ein Vampir während der Zeit völlig vergaß einen Atemzug zu nehmen, konnte in Finstertal mehrere vollständige Stadtführung zum Sturz bringen und viele jahrhundertalte Kainskinder wie dürre Äste im Wind zerbrechen lassen. Finstertal fraß Schicksale wie eine Gottesanbeterin ihr Männchen nach dem Liebesakt. Beiläufig aber konsequent und mit der Gewissheit, daß es seinen Dienst getan hatte. Haps!!

Die Neuigkeiten vom Riesenbaby der Brujahs lies Enio fast auflachen. Aber eben nur fast! Ein leichtes und kaum hörbares Schnalzen mit dem Mundwinkel gab zu erkennen, daß der Brujah-Ahn die Situation womöglich komisch fand. Im Grunde war Enio jedenfalls froh, daß der Duke noch existierte und dabei sogar in... festen Händen zu sein schien. Unter den Fittichen des Sheriffs. In dem Fall lieber unter einem anderen als unter Enio. Der Italiener kam damit gar nicht klar für jemanden verantwortlich zu sein und im Grunde hatte ihn das schon in seiner Funktion als Primogen gestört. Sollte ben Levy sich ruhig die Zähne an Mark ausbeißen. Dann blieb für Enio schon mehr Zeit für das Wesentliche.
„Warum wundert mich das jetzt nicht? Als die Sheriff vor mir die Stadt verlassen hat, hat es keine Nacht gebraucht ehe ich dazu ernannt wurde. Diese Stadt hat einfach einen großen Verschleiß. Komischerweise könnte der Prinz wohl ein einziger für ein paar Wochen die verdammte Stadt verlassen und wäre nachher immer noch der Capo.“ Enio wußte wer dieser ben Levy war. Sie hatten zwar kaum mitenander zu tun gehabt aber es war nunmal auch eine Eigenart dieser Stadt, daß Kainskinder oft auf merkwürdige und auch schnelle Weise einander vorgestellt wurden und plötzlich etwas miteinander zu tun hatten. Dabei hatte es in der Vergangenheit schon die merkwürdigsten und skurilsten Konstellationen gegeben. „Sieht so aus als ob jemand das Ventrue-Gewohnheitssterben in Finstertal beenden wollte in dem er einen von denen als Sheriff eingesetzt hat. Mal schauen ob es funktioniert.“ Entweder machte der Turiner einen auf cool und rang um Beherrschung oder aber es war ihm tatsächlich gleichgültig, daß er nicht mehr der Sheriff dieser Stadt war. Man könnte sich fast einbilden, daß ein kleines bißchen Erleichterung sogar in seiner Stimme zu hören war. Naja... in der momentanen Situation war das vielleicht auch gar nicht so schwer nachvollziehbar. Wenn tatsächlich irgendjemand Enio Pareto aus dem Schußfeld bringen wollte, dann war ihm das wohl offensichtlich gründlich gelungen. Enio war jedenfalls in keinster Weise erschüttert oder fühlte sich abgesetzt. Blieb zu hoffen, daß er noch Primogen war. Die belange des Clans einem anderen zu überlassen lag nicht in seinem Interesse.
„Ich hoffe man hat nicht im Hansdstreich auch noch den Brujahs den Sitz im Ältestenrat genommen. Zutrauen würde ich es den Wichsern ja.“ Es schwang eine nichtgestellte Frage mit in dem was der Italiener gesagt hatte. Lurker würde sie wohl sicher trotzdem heraushören.

Da der Nosferatu Enios Frage nach Verlusten nicht mit einer Aufzählung von Namen beantwortet hatte, sondern einfach nichts dazu gesagt hatte, ging Enio davon aus, daß es keine Verluste bei den Auseinandersetzungen in den letzten Nächten gegeben hatte. Auch nicht schlecht. Der Brujah kümmerte sich zwar gewohnheitmäßig recht wenig um die Schicksale seiner untoten Kollegen aber wenn man Krieg führen mußte - und das war nunmal leider recht häufig der Fall gewesen seit Enio in diesem Scheißkafff war – dann tat man das am besten mit einer kleinen Armee und nicht mit 2 Toreador, die sich nicht darüber einig werden konnten welche Teetasse zu welchem Untersatz passte und warum die blaue Tischdecke unter keinsten Umständen aufgelegt werden konnte, wenn Tante Greta zu besuch kam.

„Also gut... dann werd ich wohl den Sheriff ebenfalls kurz aufsuchen müssen. Ich mach mich dann auch wieder vom Acker. S´gibt wieder mehr zu besprechen als mir lieb ist. Sonst noch was? Was wichtiges?“ Enio hatte sicher vergessen die eine oder andere wichtige Frage zu stellen. Aber vielleicht würde ja der Verborgene mitdenken.
 
Es war immer schwer aus dem alten Granitgesicht etwas heraus zu lesen. Das einzige dass der Brujah konsequent auszuschütten schien war schlechte Laune und das sogar an den eher guten Tagen. Das ständige Darmgrippe Gesicht, dass Enio zog war also im Grunde ein brauchbares Pokerface, wenn man davon absah, dass es auch hartgesottene Porkerrunden aufzuheben vermochte. Trotzdem glaubte Lurker kurz vor dem was der Andere sagte zu bemerken, dass Pareto gerade von ihm erfahren hatte wer der neue Sheriff war und wer der Alte.
Eigentlich hätte es ihn genauso wenig überraschen sollen das man dem Brujah nicht bescheid gegeben hatte wie es diesen nicht überrascht hatte, dass er aus Amt und Würden gehievt worden war. Die Bonzen verloren bei sowas keine Zeit, völlig richtig. Glücklicherweise hing das Herz des Ex-Sheriff nicht so sehr an Hut und Revolvergurt, dass er jetzt in eine Sinnkrise stürzte. Kein Wunder. So ein Amt in dieser Stadt, war ein permanentes jonglieren mit brennenden Kettensägen. Es brachte Bewunderer und Neider, aber wenn man mal den Halt verlor blieb nicht viel von einem über.

Es gab keine Sitzung mehr, daher hat ihrem Clan bislang noch keiner irgendwas abgesprochen. Das war alles wichtige Neue. Buchett sitzt mit seiner Frau zum Hausarrest in der Villa und die einzigen Verluste die wir hatten waren ein paar Sonntagsrebellen die sich kurz vor dem letztem Prinzenball aus dem Staub gemacht haben, als es hier haarig wurde. Die Maskerade ist mal wieder dünn wie fettiges Butterbrot Papier und daran werden wir wohl als nächstes arbeiten.

Anscheinend plante der Turiner in nächster Zeit einiges gerade zu rücken. Das würde bestimmt nicht langweilig werden. Fast schade, wenn man bedachte wie sehr sich der Verborgene eine richtig ereignislose, langweilige Nacht wünschte. Seit Wochen. So hob er also eine Hand zum Abschied und wies dem anderem den kürzesten Weg aus seinem Reich heraus.
Er würde gleich Stray informieren. Sie würde sich freuen und dann ganz sicher los schimpfen was für ein zerlumpter Mistbock der Italiener war. Ein warmes Lächeln teilt die zerklüfteten Züge im Schatten seiner Kapuze.
 
Enio vernahm durchaus mit einer gewissen Erleichterung, daß er scheinbar noch nicht als Primogen abgesetzt worden war oder Clan Brujah einfach ganz allgemein aus der Stadt verwiesen wurde. Es hätte einen in dieser Rosenstadt nicht gleich wundern müssen und nach dem was in den letzten 2 Woche hier so alles passiert war sowieso nicht. Camarilla-Willkür, Top-Down-Management, Forderungen die keiner nachvollziehen konnte, Prinzen, die sogar dem Paktieren mit Dämonen nicht abgeneigt waren, Archonten die eine Stadt übernahmen und dann bei der ersten sich bietenden Gelegenheit nichts Wichtigers zu tun hatten als Enio nach diesem miesen Stück Fleisch von einem Wiedergänger zu fragen. Klar doch… die Stadt liegt in Trümmern aber Herr Zieglowskie geht es gut und wir haben uns alle spitzenmäßig um ihn gekümmert. Keine Sorge!
Was für ein Witz!

Enio nickte abschließend auf die Worte des Nosferatu. Die Formulierung von Lurker hatte ihm gefallen. Das ändete leider überhaupt nichts daran, daß der Verborgene recht hatte und auch wenn Enio die letzten Nächte nicht hier war, so war doch in den letzten 2 Wochen so viel Wahnsinn über die Stadt gekommen, daß die Menschen das unmöglich alles ignorieren konnten. Der Mensch war äußerst fähig wenn es darum ging die Wahrnehmung dem Realitätstunnel anzupassen und einfach Dinge wegzuignorieren, die gerade mal nicht in das bestehende Weltbild passten. Aber das ging nunmal nur bis zu einem gewissen Grad.

Enio überlegte sich noch kurz ob er sich nach Marie erkundigen sollte, lies es aber dann doch bleiben. Wenn ein Nosferatu sich zurückzog um seine Wunden zu lecken und sich dafür in die tiefsten Tiefen der Stadt begab, dann kam er sicherlich nicht so schnell wieder. Enio hob keine Hand zum Gruß. Er wandte sich ab und gab ein deutlich vernehmbares „Danke“ von sich. Nicht weil der Verborgene ihm noch eine schöne Nacht oder freudige Nachrichten aus Glückskecksen gewünscht hatte, sondern weil er ihm wichtige Informationen gegeben hatte, die allesamt für seine weitere Vorgehensweise in dieser Nacht notwendig waren. Er wußte jetzt wo er dran war und was er in den nächsten Stunden zu tun hatte.
 
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