Distanziert, wie durch Watte nahm sie die Worte des Fremden wahr. Langsam, zeitlupenhaft wandt sich ihr Kopf, fast als könnte er sich völlig unabhängig vom Körper in jede nur erdenkliche Richtung drehen. Ihre Augen verengten sich, blickten ihn stahlhart an. Fast hatte er das Gefühl, als würde sich ihre Farbe leicht ändern, von einem warmen, gütigen Lila in eiswasserkaltes Blau. Dann verflog die Illusion auch schon wieder. Ein breites, zuckersüßes Lächeln erschien auf dem zierlichen Gesicht und Gretchen griff mit beiden Händen nach Hals Rechter.
"Yo! Homie! I'm in da house now, Alter, jetzt steigt hier die Partie! Is' ja ne fette Hood hier, für die Hütte haben sie sicherlich ordentlich Asche lassen müssen, Mann!"
Und während sich ihre Zunge gewandt durch die dreckigste Gossensprache pflügte, die sie in der Münchner Unterwelt hatte aufschnappen können, bewegte ihre Linke die Hand Hals so, dass sie und der Nosferatu bald einen der kompliziertesten Nigger-Claps wechselten, den sich je eine Gang ausgedacht hatte.
Eine letzte Bewegung, mit einer schwungvollen Geste kamen die Hände wieder frei, Gretchen nutzte den Schwung, ihre Hand direkt unter Hals Nase zu bugsieren, schnalzte laut mit den Fingern und bohrte ihm fast den Zeigefinger ins Nasenloch.
Ihre Stimme klang plötzlich gar nicht mehr so kumpelhaft, nahezu schneidend, eiskalt. Und auch diese kühle Farbe in ihren Augen war wieder da.
"Sieht er nun, wie unangebracht solche Umgangsformen hier sind? Benehme er sich und unterlasse er diese Gossensprache! Wenn er schon zu einer Festivität der nobleren Kreise geladen ist, so achte er zumindest auf die Benimmregeln, die die restlichen Gäste an den Tag legen und schaue er sich einige davon ab! Dann könnte er beim nächsten Mal zumindest den Anschein erwecken selbst welche zu haben! Und nun hinfort mit ihm!"
Eine letzte herrische Geste mit dem scharfen Fingernagel vor Hals Riechzinken, dann wandte sich Gretchen mit einem Wirbel aus Kleid und Frisur zum Gehen herum, hielt aber noch einmal inne und drehte sich wieder zu ihm herum.
Geistesabwesend zupfte sie einen imaginären Fussel von Hals Schulter und tätschelte ihm die Wange.
"Grete Worre, aus München, Schätzchen, schön Dich kennengelernt zu haben." Die Stimme klang gar nicht mehr so herrisch, eher großmütterlich und fürsorglich. Sie lächelte süß und wandt sich wieder zum Gehen, um sich zum Herzen der Feier zu begeben.