Der Ball hatte nun also tatsächlich weitaus weniger schlimm begonnen als er befürchtet hatte. Die Archontin hatte ihn kaum eines Blickes gewürdigt, geschweige denn das Gespräch mit ihm gesucht, sondern die unmittelbar hinter dem Nosferatu hereinkommenden Gäste und deren Begrüßug als dankbaren Rettungsanker aufgegriffen. Das machte sie direkt sympathisch. So hätte er also, wenn es nach ihm ginge, den Rest des Abends damit verbringen können in seiner Ecke zu stehen und ab und an Schrimps auf Leute zu schnippsen, die er nicht leiden konnte. So beobachtete er die diversen Auftritte seiner Mituntoten. Manche laut und anscheinend der Meinung, dass sie eigentlich eine Blaskapelle im Schlepptau haben sollten, andere leise und unauffällig. Er bemerkte Meyye und verdrängt zornig den Gedanken, dass sie wunderhübsch aussah in ihrem Kleid. Er nickte Enio zu, als er glaubte, dass dieser in seine Richtung sah und er erwiderte, mal mit einem kurzem Handzeichen falls jemand winkte, mal mit einem Nicken, wenn jemand ihn passierte, die Begrüßungen die ihn erreichten. Hoch interessant war natürlich Graf Dracula, der aus dem Musterkatalog für Hexenmeister gefaltet worden zu sein schien. Tatsächlich stellte sowohl er, als auch seine Satelliten sich schnell als Tremere heraus. So viele neue Blutmagier in der Stadt. Da war wohl jemand nervös. Mit einem süffisantem Grinsen, bei dessen Anblick sicherlich niemand getrauert hätte, dass der Nosferatu es mit niemandem teilte, überlegte er, ob der raubvogelartige Anführer des drei Gestirns sich absichtlich so aufblähte, damit niemand bemerkte wie die beiden Parasiten rechts und links von ihm abfielen und sich unter Volk mischten. Solange ihm niemand zu nahe kam, sollte es ihm aber recht sein.
Lediglich als Jenny das Riesenbaby stehen ließ, Lurker hatte sich bislang noch überhaupt nicht mit diesem Exemplar beschäftigt, hätte er beinahe seinen Posten verlassen. Es war eine Schande, sie sah wunderbar aus in so einem Kleid. Wie eine kleine Dame. Sie hatten viel trainiert und geredet, damit sich seine Tochter überhaupt dazu herabließ zu einem solchem Ereignis wie diesem hier aufzulaufen. Es war immer wieder schwierig sie davon abzubringen an Abenden wie diesen hier, keine Gegenveranstaltung steigen zu lassen und alle Vampire der Stadt ins Hovel einzuladen. Der Nosferatu musste sich ein leises Auflachen verkneifen.
Zum Teufel, vermutlich wäre diese Party besser besucht als der hier stattfindende Prinzenball.
Er unterdrückte den Impuls Stray hinterher zu laufen. Sie würde jetzt im Moment sowieso nicht reden wollen. Vermutlich würde sie sich an irgendetwas verausgaben und sich dann zum Nachdenken zurückziehen. Er würde sie später finden.
Ebenfalls neu und ihm noch völlig unbekannt, war ein kleiner Paradiesvogel, von dem man genauso gut hätte erwarten können, dass er zum Fenster herein geflogen käme. Wo die Hexenschwester der Regentin mit ihrem bunten Auftritt einfach nur farbenfroh wirkte, schaffte es diese Person eine feine Nuance unangenehmer zu sein. Es war beinahe als würde man beim Singen einen Ton ab und an ganz fein ins Schrille abgleiten lassen. Gerade genug um zu stören, aber zu unauffällig um genau zu betiteln was es war. Man hätte vielleicht sagen können, dass die Luft leise vibrierte um sie herum. Wenn sie ging, schien sie einen sanften Sog auszuüben.
Harold hatte anscheinend auch etwas in der Richtung gespürt und war zu ihr hinüber gegangen. Was jedoch dann folgte war so bizarr, dass Lurker sich zwischen lautem auflachen und grimmigem einschreiten hin und her gerissen fühlte. Wenn er es richtig interpretierte, führte die Kleine den anderen Nosferatu gerade wegen seiner schnodderigen Art ziemlich vor und ließ ihn dann auch noch stehen. Er unterdrückte den Impuls wie eine aufgeregte Glucke hinüber zu eilen um sie zu schelten. Auch wenn Hal es im zweifel verdiente, weil er bereits auf ihn den Eindruck gemacht hatte, dass er ein Meister des unangemessenen Auftrittes zu sein schien und dieses Mittel leider aber auch nicht gezielt einzusetzen vermochte, durfte niemand sich mit einem Nosferatu in der Öffentlichkeit derart anlegen in seiner Stadt. Glück für die Kleine das die Retourkutsche hierfür momentan auf seiner Prioritätenliste ziemlich weit unten stand, wie bedauernswert viele Dinge, denen er eigentlich mehr Beachtung zu kommen lassen würde.
Ein andermal. Es wird eine Nacht kommen in der die Vorzeichen andere sind.
Hatte sie gerade zu ihm hinüber gesehen? Er legte den Kopf ein wenig schräg. Nein, sicher ein Irrtum.
Schließlich erbarmte sich der neue Rosenherrscher und betrat, angekündigt durch den Archonten Schoßhund, tatsächlich die große Bühne. Der Nosferatu wappnete sich innerlich gegen das Tosen der Bewunderung und die Brandung der Hochachtung, die gleich über ihn hinweg spülen würden, so wie es auch bei Buchett gewesen war, als dieser beim letzten Ball den Raum betreten hatte und es sich plötzlich so angefühlt hatte, als wäre einfach nicht genug Platz in dem riesigem Saal für den Prinzen und noch eine weitere Person. Was ihn dann aber traf war...unterwältigend.
Sicher, der Mann wirkte sympathisch und sicher, er bewegte sich mit einem selbstverständlichen Oevre von überlegener Macht, aber irgendwie fehlte ihm etwas. Seine Farben waren eine Spur zu blass und wenn man genau hinsah, mochte man den Eindruck bekommen als würden sie an den Rändern schon abblättern. Weder überschwemmte er den Raum mit seiner Bugwelle aus Charme, noch lud er die Luft mit irgendeiner Art von Spannung auf. Buchett war ein verdammter Rockstar gegen diesen Kerl. Der Interrims Prinz wirkte...wie ein Buchhalter.
Der Nosferatu brauchte nur ein nicht stattfindendes Blinzeln um diesen Galante dafür jetzt schon deutlich lieber zu mögen als den verfluchten Flitterprinzen Buchett, bei dem man sich immer erst eine Stunde nachdem er einen Raum betreten hatte traute darüber nachzudenken, warum man ihm nicht vor die Füße gespuckt hatte, obwohl man sich das doch so fest vorgenommen hatte. Sogar die kurze Einlassung über die Kunst, die der Monsignore fallen ließ, wirkte nebensächlich und eher desinteressiert. Und das von einer Rose. War es wirklich möglich, dass dieser Kerl andere Schwerpunkte hatte? Immerhin ließ er Raum um ihn auch direkt hassen zu können. Nicht nur aus der Ferne, wie seinen Vorgänger. In der verkorksten Gedankenwelt des Verborgenen war das ein Pluspunkt.
Also machte er sich schließlich auf, löste sich von seinem Beobachtungsposten und reihte sich nahe bei Enio Pareto ein, auf dem Weg zur Besprechung. Er verzichtete aber darauf den Brujah in irgendeine Art von Smalltalk zu verwickeln, oder auch nur ein 'guten Abend' an ihn zu richten. Man hatte sich nonverbal begrüßt und das würde beiden völlig reichen. Schimmelige Einigkeit auf dem alten Brot der Veteraneneinigkeit.
Als dann der Disput zwischen dem Raubvogel Tremere und der Mc Kinney ausbrach, brauchte Lurker keine Sekunde um zu schalten. Ein Hexer ging noch nicht mal auf das, für Untote nur sprichwörtliche, Klo, ohne vorher die Rangfolge abzuklären in der man abseilen durfte. Ganz sicher lieferte man sich nicht in aller Öffentlichkeit eine Szene, außer man wollte, dass alle Anderen diese Szene genau mitbekommen sollten. Aber der paranoide Nosferatu war sogar noch einen ungesunden Schritt weiter. Natürlich mussten die Hexer wissen, dass alle diese Zeremonie der Uneinigekeit erkennen würden. Also wollten sie nur, dass alle dachten, dass sie eine Showeinlage hinlegten.
Ablenkungsmanöver!
Anstatt also seine Aufmerksamkeit auf den Tumult zu richten, machte der Verborgene einen kleinen Schritt zur Seite, aus der Menge hinaus und wandte sich herum, dass er im Rücken Enio Paretos stand und richtete seine Aufmerksamkeit auf die Umgebung und die anderen Anwesenden. Wo waren die anderen Hexer und was taten sie? Schlich irgendjemand herum oder fiel ihm ins Auge? Sollten sich die anderen Vampire ruhig an dem kurzem Schlachtfest ergötzen, Lurker hielt nach allem anderem das unter dem Deckmantel dieser Arie geschah Ausschau. Erst als sich der Staub ein wenig gelegt hatte, setzte er seinen Weg in das Besprechungszimmer fort.