AW: [10.6.06] DER BALLsaal
„Meine sehr verehrten Damen und Herren! Darf ich um Ruhe bitten!“
Romero war aus der Menge nach vorne getreten und stand nun auf dem Theaterpodest an der Westwand. Neben ihm stand ein imposant wirkender Flügel, dessen strahlendes Weiß nur durch die auf ihm liegende, gläserne Violine beeinträchtigt wurde.
Selbst die unbedeutend anmutende Zusammenstellung dieser beide Instrumente hatte etwas künstlerisch durchdachtes und hinterließ bei einem geneigten Betrachter ein unterschwelliges Gefühl der Harmonie.
„Ruhe Bitte!“ etwas eindringlicher wiederholte der Ghul seine Aufforderung an die Gäste. Als der allgemeine Geräuschpegel endlich abebbte fuhr er fort.
„Seine Exzellenz Prinz Buchet!“ mit diesen deutlichen Worten und einer direkt darauf folgenden, ausladenden Handbewegung verschwand er galant in den Hintergrund.
Nur Augenblicke später erschien Prinz Buchet aus dem abgedunkelten Hintergrund heraus, auf der Bühne. Neben ihm trat, in einem ausgesprochen anmutig wirkenden Kleid, die Primogena der Ventrue Melissa de l'Abricotier, ins Rampenlicht der Bühne. Sie hatte nach Art der französischen Mode des achtzehnten Jahrhunderts ihr linke Hand sanft auf die des Prinzen gelegt. Dieser hielt seine Rechte hingegen leicht angewinkelt und grade genug angehoben, dass die Dame sich entspannt von ihm führen lassen konnte.
Als das edle Paar in etwa die Mitte der Empore erreicht hatte, blieb Melissa stehen und überließ dem Regenten für seine geplante Rede den Vordergrund.
Eine Welle leichter Präsenz wogte durch den Raum und ließ auch den letzten noch heimlich schwatzenden Kainiten verstummen.
„Sehr verehrte Gäste, liebe Freunde, Anwesende und Untertanen. Ich möchte sie hiermit in meinem bescheidenen Heim zum diesjährigen Sommernachtsball bei Hofe begrüßen.“
Der Regent ließ eine kurze Pause folgen, um seinen Gästen die Möglichkeit einzuräumen ihm den guten Sitten nach, zu applaudieren.
„Bevor wir aber zum angenehmen Teil übergehen können, lassen sie mich zuvor ein oder zwei wichtige Worte an sie richten.
Wie sie alle wissen hatten wir in den letzten Tagen und Wochen einigen Unbill zu ertragen. Sei es die versehentliche Reise einiger unserer unglücklicheren Kainiten nach Mexiko City, die unheiligen Kämpfe gegen unsere Brüder und Schwestern aus Finsterburg oder auch die so eben erst überstandenen Überfälle des Sabbats auf unsere geliebte Stadt.
Doch dank des ehernen Zusammenhalts eines jeden von ihnen und durch das entschlossene Handelns aller tapferen Kainiten dieser meiner Stadt, konnte ein jedes dieser tödlichen Probleme und auch mehr..., erfolgreich überstanden werden. Glücklicherweise haben wir in diesem Zusammenhang nur wenige, nichts desto weniger sehr bedauernswerte Todesfälle zu beklagen. Lassen sie uns also für eine Minute im stillen Gedenken verharren und unserer Gefallenen Brüder Ashton Price und Ignatius Chemoiz gedenken.“
Stille Pause von exakt sechzig Sekunden.
„In diesem Zusammenhang möchte ich stellvertretend für alle die die in der Vergangenheit Großes geleistet haben, drei unserer Freunde besondere Ehrungen zu teil werden lassen.
Zum einen wäre da die allseits beliebte und geachtete Primogena der Ventrue, Miss Melissa de l'Abricotier. Sie hat sich in der vergangenen Zeit in hohem Maße hervorgetan und in einem so beispielhaften Handeln ihre Treue zu mir und den beiden Stadthälften bewiesen, dass ich mich entschlossen habe sie von dieser Minute zu meinem neuen Seneshall zu ernennen. Sicherlich werden durch diesen auch symbolischen Akt die beiden Stadthälften noch näher und sicherlich endgültig zusammengeschweißt. Ich bitte also den nun folgenden Applaus allein dieser bemerkenswerten Frau zu widmen."
Kurze künstlerische Pause.
"Als nächstes möchte ich meine liebe alte Freundin Cat, Primogena des Clans der Gangrel und allseits bekannte und beliebte Sheriff der Stadt, erwähnen. Als Zeichen meiner Ehrerbietung erlaube ich ihr, sich von dieser Stunden an, einen Menschen als Kind zu erwählen und ihm im Sinne der Camarilla als einen der ihren großzuziehen. Sicherlich dient dieser Akt auch dazu, ihrem nicht immer gänzlich vollkommenen Verantwortungsgefühl den letzten Schliff zu verleihen!
Als nächstes ein Wort zu einem weiteren Ventrue, der es wie kein anderer verstanden hat, sich für die Verteidigung Finstertals einzusetzen und stets das eigene Wohl missachtend, an vorderster Front gegen jeden nur erdenklichen Feind gekämpft hat. Mister Alexander Stahl bekommt als Belohnung für seine herausragenden Verdienste von mir das Rotlichtviertel als private Jagddomäne zugesprochen. Er unterliegt damit auf diesem Gebiet allen bekannten Rechten und Pflichten der Traditionen.“
Wieder pausierte der Regent um den drei angesprochenen den Genuss des aufbrausenden Applauses zu gewähren. Erst als auch der letzte Zuhörer wieder verstummt war, fuhr Buchet mit seiner Rede fort.
„Abschließend noch zwei Dinge meine lieben Freunde, Gäste, Anwesende und Untertanen.
In der hierauf folgenden Besprechung des Ältestenrates wird die Neuverteilung der Domänen und die eventuelle Vergrößerung des Rates besprochen. Ich bitte hierzu alle veramteten Ancillae sich in rufweite aufzuhalten, falls die Primogene im Laufe der Besprechung ihrer bedürfen. Die Ergebnisse der Domänenverteilung können ab zwei Uhr bei Miss Cruiz im Salon eingesehen werden. Diesbezügliche Fragen bitte ich ausschließlich an die bekannten zuständigen Clansältesten zu richten.
Nun aber zum letzten und wichtigsten Punkt meiner kleinen Ansprache.
Wie sie alle wissen haben in den letzten Wochen unzählige Probleme die Grundfeste unserer Stadt bis aufs Mark erschüttert. Im Zuge dessen wurden beinahe alle Traditionen verletzt und versehentlich, oder gar bewußt, mißachtet. Die Tradition der Maskerade dürfte dabei am meisten gelitten haben, wenn auch sicherlich kaum durch das besondere zutun der hier seßhaften Kainiten.
Nichts desto trotz dürfte einem jeden von ihnen bereits aufgefallen sein, dass erste sterbliche Subjekte begonnen haben nach uns und unserer Art zu forschen!!
Daher höret nun also meinen Entschluß:
Ab sofort wird jeder, und ich wiederhole es an dieser Stelle ganz bewußt um Mißverständnisse zu vermeiden, JEDER noch so kleine Bruch der Traditionen aufs strengste unter Strafe gestellt. Größere Brüche der Maskerade, seien sie nun beabsichtigt, oder auch nur aus einer kleinen Unachtsamkeit heraus geschehen, werden ohne großes Aufhebens mit dem endgültigen Tode bestraft.
Hierzu berufe ich für die Zeit der Abwesenheit unserer geschätzten Geißel Herrn Viktor Thorson, die Nosferatu Miss Lena Karachek als dessen vorübergehende Vertreterin ins Amt der Geißel. In dieser Position wird sie mit allen damit zusammenhängenden Rechten bis auf Widerruf verbleiben
Abschließend möchte ich mich für die rege Anteilnahme an diesem bescheidenen Ball bedanken und mich fürs Erste von ihnen verabschieden. Vielen Dank, der Ball ist hiermit eröffnet!“
Mit einem begeisterten Lächeln drehte Buchet sich leicht ein und streckte Melissa die Hand entgegen. Aus den Lautsprechern erklangen die ersten Takte des Walzer-Scherzo A-Dur' (Tschaikowski, 1889).
„Darf ich bitten?“