AW: [08.05.2008] Die Gosse ruft...
Estebans blick verharrte starr in der Gasse. Sie erreichten den abgelegenen Parkplatz. Esteban hielt an und Blickte Richard mit ernster Miene an.
"Das bleibt unter uns, klar? Es passierte, als Julian und ich ein paar Leute aufmischen sollten, die es sich mit dem Prinzen von Frankfurt verscherzt hatten. An Gerüchten kam mir alles Mögliche zu Ohren; nur klare Fakten kannte ich keine. Ich war damals erst drei Jahre lang ein Gangrel und hatte kurz vorher gelernt, wie ich Klauen ausfahren und mit ihnen kämpfen konnte. Julian hatte es mir einige Wochen zuvor beigebracht. Wir fuhren in ein ziemlich dreckiges Viertel, welches bekannt für Bandenkriminalität und Drogenhandel war. Ich wusste zu dem Zeitpunkt nicht, mit was für Leuten wir es genau zu tun bekommen würden, also ging ich vom Schlimmsten aus. Wir hielten vor einem alten Lagerhaus in einer Seitenstraße und ohne Vorwarnung trat Julian die Eingangstür ein und eröffnete das Feuer mit seinem Revolver. Ich stürmte hinterher, blickte einem Fremden direkt in die Augen und traf ihn instinktiv mit meinen Klauen am Hals. Er brach augenblicklich zusammen. Vor Julian lag ein scheinbar Toter. Julian verschenkte keine einzige Sekunde. Er schlug einer weiteren Person so hart mit der linken Faust gegen den Kiefer, dass ein lautes Knacken zu hören war und ein Schwall von Blut und Knochensplittern ergoss sich auf den Boden. Es waren noch zwei weitere Leute im Raum. Sie waren so geschockt, dass sie nicht wussten, wohin sie fliehen sollten. Julian traf einen von ihnen mit einem Kopfschuss aus seiner Magnum und ehe ich es überhaupt realisierte, gruben sich meine Klauen in den Unterleib des letzten Verbliebenen. Ich sah direkt in seine weit aufgerissenen Augen. Dieser Blick warf mich völlig aus meiner Umlaufbahn. In diesem Moment realisierte ich, dass diese Typen nicht den Hauch einer Chance gegen uns hatten und dass der Prinz einfach nur ein klares Signal an alle senden wollte, die sich seinen direkten Befehlen widersetzten. Ich wusste, dass sich Julian von vornherein darüber im Klaren war und mir absichtlich nichts sagte. Mich überkam ein Gefühl des grenzenlosen Hasses. Ich war hin und hergerissen zwischen Ohnmacht und Wut. In diesem einen Moment war mein Hass so immens, dass ich auf Julian losging. Er schien jedoch auf eine solche Situation vorbereitet gewesen zu sein; jedenfalls war es für ihn kein Problem, auszuweichen und mich letztlich zu überwältigen. Dann gingen alle Lichter aus. Das nächste, woran ich mich erinnerte, war, wie ich zu Hause aufwachte. Julian saß neben mir. Meine Augen schmerzten und meine Wahrnehmung war eine andere. Julian nahm sich meine Autoschlüssel und sagte mir, dass ich mitkommen solle. Wir fuhren eine Weile planlos umher, bis er mir sagte, was passierte. Er deklarierte es als wichtige Lektion. Einerseits um zu lernen, mich niemals den Befehlen der Obrigkeit zu widersetzen und andererseits, um niemals wieder die Kontrolle über mich zu verlieren. Bis heute bin ich wütend auf Julian wegen dem, was in jener Nacht geschah..."