[08.05.2008] - Das zweite Nosferatu Konzil

AW: [08.05.2008] - Das zweite Nosferatu Konzil

Wenn das, was der Primogen gerade erzählte wirklich wahr war (und daran ließ er wenig Zweifel), dann waren die Wölfe wirklich ihr kleinstes Problem...
Thürmer hatte viel über den Sabbat gehört, auch über die Tzimisce, aber ein Tzimiscehexer, der seine Wiederauferstehung plante, um seinen ehemaligen Besitz zurückzuerlangen und dabei über sehr viele Leichen ginge...
Das toppte alles. Was galt es nun zu tun ?

Aussitzen schied aus, ein Problem, das man aussitzen konnte, war keins und wenn der Hexer keins war, was dann ? Außerdem würde der Kampf zu dem es schließlich kommen mußte keiner sein, der Unbeteiligte kannte, soviel war klar. Blieben also nur Flucht oder Kampf.

So war Thürmers erster Impuls dann auch, sich auf eine Flucht vorzubereiten... Immerhin war er ein alter und schwacher Mann, trotz der Vorzüge seines jetzigen Daseins kaum zu vergleichen mit dem schon nicht mehr ganz jungen Thürmer, der seinerzeit mehr Schlachten, Kämpfe und andere Widrigkeiten überlebt hatte (wenn auch oft nur knapp), als er überhaupt für möglich gehalten hatte. Was konnte er schon ausrichten ? Er war Akademiker, ein Kämpfer hatte er nie sein wollen. Vor allem, da er gegen einen Hexer, der mächtige Magie ins Feld führte, nicht würde bestehen können. Zudem hatte er ja keinen Grund, die Probleme Finstertals zu den seinen zu machen, er hatte schließlich nur einen Zwischenhalt eingelegt, war sozusagen nur auf der Durchreise. Wen würde es wundern, wenn er verschwände ? Er müßte nur an den Wölfen vorbei aus der Stadt heraus und war gerettet... Lieber ein lebendiger Feigling als ein toter Held, so hatte er es schon zu Lebzeiten gehalten.

Zu Lebzeiten !

Hatte er nicht auf die heilige Schrift geschworen, sich zu ändern ? Hatte er nicht gelobt, seinen Fluch zu nutzen, um seine Verfehlungen und Verbrechen zu bereuen, und nicht, sie zu wiederholen ?
Wieviele wollte er noch seine Schlachten schlagen lassen ? Wie lange wollte er noch davonlaufen vor dem, das ihm bestimmt war ?
Er hatte selbst festgestellt, daß er bisher alles, was das Leben ihm entgegenwarf, irgendwie überstanden hatte. Warum also nicht auch den Hexer ? Er hatte selbst gesehen, wie stark ein Mann, eine Frau, sogar ein Kind den Verlauf eines Gefechts beeinflussen konnte. Warum also nicht auch ein alter Studierter ? Er selbst hatte sich anerboten, des Herren Werk zu tun, wenn sich die Gelegenheit bot.
War es keine solche Gelegenheit, die Blasphemie aufzuhalten, die eine Wiederauferstehung des Hexers darstellte ? War es keine solche Gelegenheit, den Hexer dem ihm bestimmten Tod zuzuführen, um den er den Herrn und die Schöpfung mehrfach betrogen hatte ?
Insofern war das Tun des Hexers so gut wie ein Wink mit dem Zaunpfahl von wirklich ganz oben... Sein Entschluß stand fest.

Dann holte ihn ein leises Knacken wieder in die Realität zurück. Als er nachsah, woher das Geräusch gekommen war, sah er, daß er die Hand zur Faust geballt und den Bleistift darin zerbrochen hatte.
Schnell ließ er das einzige sichtbare Indiz für seinen inneren Kampf unauffällig in der Tasche verschwinden und ersetzte es durch einen heilen Stift. Mit etwas Glück hätte niemand etwas gemerkt...
 
AW: [08.05.2008] - Das zweite Nosferatu Konzil

Tatsächlich gab es einen Moment des Schweigens und er ging ausgerechnet von Lurker selber aus. Der Ziehvater der Adoptiv Nosferatu blickte wie vom Donner gerührt auf seine Tochter. Eigentlich hätte er nicht überrascht sein sollen, denn er hatte schon länger gewusst, dass sie nicht das laute, prollige Mädchen war, das sie immer voraus schickte um Verhandlungen zu führen. Was sie sagte war klug. Gut durchdacht und es entsprach mehr als nur ihrer Natur, dem Wesen ihres Clans. Gerade in diesen Nächten, in denen jedes mal wenn er sich erhob und das Bewusstsein aus dem Tod des Tages zurück in den bizarren Leichnam kroch, den es sein Zuhause schimpfte, sich alles in seinem Geist ausgewaschen und mit rostigen Nägeln leergekratzt anfühlte und er glaubte, dass der dämmrig dröhnende Druck auf seine Gedanken ihn einfach an den Boden heften würde, gerade da, war einfach liegen bleiben die willkommenste Idee.

Sie konnten sich zurückziehen und einfach hinab gehen in die barmherzige, kühle, feuchte Finsternis tief in den Eingeweiden Finstertals. Dort konnten sie ruhen, im Schoße der Stadt, und einfach alle Mühsal und allen Ballast ablegen. Sollten doch diesmal die Anderen kämpfen. Sollte Zacharii doch seinetwegen nochmal ein oder zwei Jahrhunderte des Schreckens bekommen, in denen er das Leben aus dem Mark dieser Welt saugen konnte. Irgendwann würden sich die Heerscharen doch zusammenfinden und ihn vernichten. Wenn sie dann irgendwann zurückkehrten in die Welt des Lärms und des künstlichen Lichtes, dann wäre die Realität eine völlig andere. Sie hatten alle Zeit der Welt, sollte der verfluchte Koldune doch Sandburg haben. Wenn sie erstmal erneut zertreten war, würden sie als die Erben seiner Asche erneut aus ihren Höhlen kriechen und sich bis dahin erholen.

Strays Vorschlag war vernünftig und vielleicht war es sogar das richtige. Zumindest wenn man es dem Verstand gestattete zu entscheiden.

Der Augenblick ging vorüber und nun war zu erkennen, dass es keine Schrecksekunde gewesen war. Die Augen des Primogens füllten sich mit einem stolzem Funkeln. Aber Stray war gleichzeitig auch der Grund warum er diesem Gedanken nicht folgen würde. Bis vor wenigen Tagen wäre noch beinahe alles eine Option gewesen. Verstecken, die Füße still halten, sogar Zusammenarbeit mit dem größerem Monster. Aber dann hatte sich der Unhold an Jenny Färber vergriffen und sie bedroht und verletzt. Niemand tat das und überlebte. Kein Vampir, kein Geist und nicht der Höllenfürst persönlich. Mochte er noch so müde werden, oder verstümmelt, mochte der Koldune ihn mit entsetzlichen Träumen jagen und mit Phantasmen heimsuchen, er würde nicht aufhören ihn zu jagen für das was er getan hatte.

Nein.

Das Wort rollte sich in dem Container aus wie eine Peitsche und hallte metallisch Zischend von den Wänden wieder. In diesem einem Wort lag deutlich sein Widerwille, seine Abscheu und seine Weigerung den Mann entkommen zu lassen, der seine Tochter angegriffen hatte. Lurker schüttelte energisch den Kopf, aber seine Stimme wurde deutlich sanfter, als er fort fuhr.

Nein, das ist keine Option.

Aber es war die Wut die aus ihm sprach, Gefühle, nicht sein Verstand. Tief in seinem Innerem fühlte er die Erinnerung an wilden Stolz und ungebändigten Kampfeswillen. Wie ein verblichener Schatten schimmerte das Blut das er mit seinem Bruder geteilt hatte, wie geheimnisvolle Umrisse am Grunde eines Teiches. Mehr zu erahnen als zu erkennen. Oft rief sich der Nosferatu Dimitris Stärke ins Gedächtnis, wenn er glaubte, dass seine eigene Kraft nicht reichte. Die Entschlossenheit des Anderen und sein absoluter Wille zum handeln, all das, was den Tzimiscen den er Bruder zu nennen gelernt hatte so viel größer gemacht hatte, als manch anderen in den letzten Nächten des ersten Fluches von Zacharii dem Verdammten.

Aber auch wenn uralter Zorn in seinen Adern kochte, die Stimme der Vernunft, die nun ausgerechnet von seiner Tochter kam, durfte nicht ignoriert werden.

Der Verborgene blickte hoch und sah wieder in die Runde. Dies hier war nicht der kleine, tapfere Haufen, dem er in diesen Nächten vor einigen Jahren angehört hatte. Sie waren auch nicht mehr die Verschwörerische, kleine Gruppe aus Vater und Tochter, die gemeinsam jede Entscheidung treffen konnten.
Wenn er sich entschloss zu kämpfen, dann würde er diese Entscheidung für alle treffen. Das war das Joch, das man ihm aufgebürdet hatte. Wenn er hier den Krieg erklärte, dann war es offiziell. Nicht mehr nur der kleine, zornige Lurker. Andere Familienmitglieder mochten die endgültige Vernichtung finden, für das was er hier tat. Er musste auch eine Entscheidung des Verstandes treffen. Er war Nosferatu.

Aber es ist Klug diese Möglichkeit zu bedenken. Wir werden die Stadt nicht Zacharii überlassen. Wir werden kämpfen. Aber auf unsere Art. Es wäre vielleicht taktisch geschickt, wenn sich ein oder zwei von uns verkriechen und in die Tiefe zurückziehen, so wie es die bisherige Erstgeborene getan hat. So hätten wir sie, wenn sie wieder erwacht und einen aus unserer Mitte, mit dem jetzigem Kenntnisstand. Dann hätte Marie unser Wissen und Unterstützung. Sie müsste nicht alleine wieder bei Null anfangen. Ich kann dieses Opfer von niemandem hier verlangen, aber wenn jemand sich einschließen und abwarten will, dann wäre das sicherlich der beste Weg. Es wäre auch nicht verkehrt, wenn jemand aus unserer Mitte los zieht und den Clan in anderen Städten rund um Finstertal informiert, alles berichtet was hier vorgefallen ist. Wir sind gerade genug für dieses Vorgehen. Einige von uns könnten kämpfen und einige könnten sich der Zeit überanworten und zur Ruhe begeben für später, oder die Stadt verlassen und andere warnen. Ich will jetzt von niemandem eine Antwort hören. Bedenkt jede dieser Möglichkeiten und zwar in Ruhe, mit allen Vorteilen und folgen. Dann erst will ich von jedem Wissen, was er zu unser aller Wohl tun wird. Morgen.

So ließ er ihnen tatsächlich die Wahl. Jeder konnte tun, was er sich zutraute und alle konnten ihr Gesicht wahren. Sicherlich war es ein beliebter Trick um nicht das Blut anderer an den Fingern zu haben, zumindest nicht vor dem eigenem Gewissen, aber er brachte es nicht fertig sie alle in eine Schlacht zu schicken die gefochten wurde, weil jemand sein Kind angegriffen hatte. Sie waren alle seine Familie, aber wer wollte schon einen Bruder zerschmettert in seinem Blut vor sich liegen sehen, in einem Kampf in dem es eigentlich um die eigenen Kinder geht? Wenn er einst vor seinen Richter treten würde, mochte dieser ihm ruhig vorwerfen, ein schlechter Anführer gewesen zu sein. Er war auch kein besonders guter Verteidiger der Stadt gewesen, aber immerhin war er da. So war es auch mit diesem Amt. Er konnte es nicht ausfüllen. Er konnte nur in dem Loch das entstanden war stehen und versuchen alles zusammen zu halten so gut es ging.
 
Zurück
Oben Unten