[08.05.2008] - Das zweite Nosferatu Konzil

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Schleim. Ja, die Geißel der meisten Nosferatu. Er trat an Stellen des Körpers hervor, an denen man ihn nicht erwartete. Bei dem einen kam er aus eitrigen Beulen, bei dem anderen aus dem Mund. Madame?! Delta konnte garnicht ausdrücken, wie sie nicht seine Madame war.

"Nenn mich Delta, aber spar dir das Madame - bitte!"

Das war natürlich auch für Nagaj keine geringfügige Information. Vielleicht würde er so doch noch fündig werden, wenn er herausfinden will mit wem er es bereits in der gestrigen Nacht zu tun hatte. Ihn zu googlen wäre sicher vergleichsweise einfach.

Delta war inzwischen etwas verwirrt. Sie hatte ja bereits einen kleinen Einblick in Nagajs Zurschaustellungen bekommen, doch es wirkte nun plötzlich so als wären alle wegen ihm hier, als hätte er dieses Clanstreffen einberufen und nicht wegen des Priscus dieser kleinen aber schrecklich hässlichen Gemeinschaft. Es wirkte einstudiert, wie ein Vorstellungsgespräch. Es fing beim Auftreten an und ging mit dieser angestengt fehlerfreien Begrüßung weiter und mündete geradewegs in dem vermeidlichen Beginn einer Ansprache. Ein Nosferatu sollte ein Näschen dafür haben, wenn etwas faul ist.

"Ok, was ist hier los?"
 
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Lurkers Blick folgte Delta mit unverhohlenem Interesse. Wenn es auch eher eine nüchterne Betrachtung war, nicht die mit Geschlechtstrieben durchsetze eines echten, lebendigen Mannes. Sie strahlte eine verkommene und verruchte Art von Sex aus, die vermutlich auch durch ihre menschliche Maskierung sickerte, wie fauliges Grubenwasser. Es war jene heimliche Leidenschaft, die man spürte, wenn man eine eitrige, schwärende Wunde betrachtete, bei der ein Teil des Verstandes flüchten wollte und dafür sorgte das man würgte und sich wegdrehte, doch dann erschrocken feststellte, dass man ja doch hinsah und sich fragte, wie es sein würde darin herum zu puhlen. Meistens verschloss man diesen abartigen Teil dann tief in seinem Innerem und würde niemals zugeben, das man dieses heiße Pochen in seinem Unterleib spürte, wo eigentlich Abscheu vorgeschrieben war. Es war eine dunkle, böse Art von Lust, so alt wie der Reigen der Fortpflanzung selbst. Verdorben und Verboten. Genau das, was die Menschen rasend machte. Für eine Nosferatu war Delta praktisch so etwas wie ein 'Prachtweib'.

Wir sind die Ersten.

Bestätigte er ihr dann auch knapp und wollte gerade fragen wie es ihr ergangen war, da trafen kurz hintereinander die beiden Anderen Neuzugänge ein. Zuerst der ewig korrekte Doktor und ganz kurz hinter ihm, Nagaj.

Guten Abend.

Wenig salbungsvoll was der Herr Primogen da mit seinem rostigem Krächzen von sich gab, aber eine taugliche Formel die er da benutzte. Freundlich genug, dass sich Thürmer willkommen geheißen fühlen durfte. Auch er bekam die einladende Geste sich dazu zu gesellen.

Nagajs großer Auftritt hingegen schien nicht so recht zünden zu wollen. Auch wenn er mit platschenden Schritten und dramatischem Schwung bis in die Mitte getreten war und dort auftrug, als gelte es für eine Shakespear Rolle vorzusprechen, erntete er von mindestens einem der Anwesenden eine leicht schräge, haarlose Augenbraue die hochgezogen wurde.

Dann verpuffte der Rest der großen Geste in Deltas kurzem, schnappendem Satz. Richtig, da war doch etwas gewesen zwischen diesen beiden Mitgliedern ihrer großen, glücklichen Familie. Diese zwei Exemplare hatten sich bereits ein wenig in die Wolle bekommen. Zumindest glaubte er dies herausgehört zu haben.

Was auch immer Nagaj dachte das sein Status wäre, für Finstertal und für Lurker, war er ein neues Gesicht. In der Regel war das, was man 'draußen' getrieben hatte hier in kürzester Zeit Schall und Rauch. Diese Stadt war gefährlich und schrecklich, aufregend und großzügig, anders und böse, vertraut und gnädig. Finstertal war Heimat und spielte so sehr sein eigenes Spiel, dass man nur mitspielen oder untergehen konnte. Wer draußen eine große Nummer sein mochte, dem konnte es passieren, dass er feststellte hier in dieser Stadt plötzlich am Ende der Nahrungskette zu landen. Umgekehrt, mochte ein ehemaliger, kleiner Handlanger der Camarilla plötzlich als Kriegsherr auf dem Thron landen.

Lurker wartete ab, ob sich die beiden Neuen jetzt direkt in die Haare kriegen wollten und er ließ dem Anderem Nosferatu die nötige Zeit und den nötigen Platz um sich Delta gegenüber zu erklären, oder nicht. Ruhig und gelassen hockte der Nosferatu, der nicht so alt war wie viele andere Primogene und der doch schon soviel gesehen und soviel bestanden hatte auf dem Boden, mit der Geduld einer fetten, schwarzen Spinne.

Das hatte ihn Finstertal gelehrt. Was hatte es wohl für die 'Neuen' in Petto?
 
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Auf Deltas holprige Frage schloss Nagaj für einen kurzen Moment die Augen. Innerlich blendete er die Zwischenfrage aus und fuhr dann wieder ungestört mit seiner Rede fort. Auffällig war, dass er sehr viel Gestik und Mimik einsetzte, um seinen Worten mehr Nachhaltigkeit zu verleihen. Er schien geübt darin zu sein. Die Bewegungen passten stets zum Gesagten und verdeutlichten die Aussagen immer weiter.

"Wie Ihnen allen bekannt sein dürfte, macht sich Clan Nosferatu Sorgen um seine Mitglieder in Finstertal. Ich wurde abgesandt, um Nachforschungen anzustellen und was ich dabei herausgefunden habe, ist beunruhigend. Die Stadt befindet sich im Krieg, die politische Situation ist mehr als chaotisch und Clan Nosferatu wurde allem Anschein nach stark dezimiert. Teil meiner Aufabe ist es herauszufinden, welche Nosferatu unter welchen Umständen verschieden sind. Doch mehr dazu später. Herr Doktor Thürmer und ich haben den Verdacht, dass hinter dem Tod des ehemaligen Prinzen Buchet mehr stecken könnte, als bisher angenommen wurde. Während ich mich in meiner Deckidentität auf die Suche nach allgemeinen Informationen machte, wurde ich damit beauftragt, den mysteriösen Tod von Herrn Buchet aufzuklären. Den naheliegendste Anhaltspunkt stellt dabei die pathologische Abteilung des Stadtkrankenhauses dar, in welcher sich die toten Diener Buchets befinden sollen. Es gibt den begründeten Verdacht, dass dies nicht die echten Diener Buchets waren. Ich werde diese Ungereimtheit persönlich untersuchen. Hinzu kommt, dass ich in der Unterwelt Finstertals auf einen magisch verschlossenen Tresor stieß, der allem Anschein nach Herrn Buchet gehört, beziehungsweise gehörte. Wir benötigen definitv die Zahlenkombination. Ich habe bereits versucht, den Tresor mit schwerem Gerät zu öffnen; leider erfolglos. Der magische Schutz verhinderte dieses Unterfangen. Wenn wir unsere Position innerhalb der Stadt erfolgreich ausbauen und festigen möchten, müssen wir den Tod Buchets restlos aufklären und die Informationen gewinnbringend für uns einsetzen. Eine Alternative dazu gibt es nicht.

Um als Gemeinschaft effektiv zu arbeiten, müssen wir persönliche Differenzen beilegen und uns vollständig auf das eigentlich Ziel - dem Wohlergehen aller Mitglieder von Clan Nosferatu - konzentrieren."

Nagaj drehte sich zu Delta um.

"Delta, wir haben uns gestern Nacht auf dem falschen Fuß erwischt, aber ich denke, dass Sie ebenfalls ein Interesse daran haben, dass der Clan in Finstertal wieder sicher ist und ungestört seine eigenen Ziele verfolgen kann. Mir persönlich kann es völlig egal sein, was mit dieser Stadt im Allgemeinen passiert. Es ist mir aber nicht egal, dass meine Familie ermordet, verfolgt und bedroht wird. In Anbetracht meiner Tätigkeit und meiner Position innerhalb des Clans ist es meine Aufgabe und mein Interesse zu gewährleisten, dass alle Clansmitglieder dieser Stadt wieder in Sicherheit existieren können. Anstatt uns auf einen privaten Kleinkrieg einzulassen, müssen wir in diesen schweren Zeiten zusammenhalten und uns gegenseitig unterstützen."

Nagaj drehte sich wieder zurück in seine Ausgangsposition und hatte nun wieder die gesamte Gruppe im Blickfeld. Seine Gesten wurden immer ausschweifender.

"Nur wenn wir als Gemeinschaft funktionieren, kann sich der Clan in Finstertal wieder erholen und ich werde mein Möglichstes tun, um dies Realität werden zu lassen. Ob wir es wollen oder nicht, wir sind Ausgestoßene! Verachtet, gemieden und in die Dunkelheit verbannt. Wir können niemandem außerhalb der Familie trauen. Wir müssen zu unseren Wurzeln zurückkehren und das innere Feuer aller Schwestern und Brüder neu entflammen. Wir müssen gefürchtet und gleichzeitig unverzichtbar sein. Nur auf diese Weise ist es möglich, dass wir allein bestimmen, wer auf einen Thron steigt und wer nicht. Wir müssen es sein, die entscheiden, wer das größere fiktive Kuchenstück bekommt. Lasst die Tremere, die Toreador und die Ventrue sich doch gegenseitig die Schädel einschlagen, solange wir die eigentliche, echte Macht haben. Und wir werden sie haben, wenn wir nun kooperieren und eine feste Gemeinschaft bilden.

Es gab da mal ein sehr bewährtes System, dass ich in meiner Zeit in Berlin kennenlernen durfte. Der Clan operierte stets aus dem Schatten heraus und es gab nur eine einzige Möglichkeit für die anderen Clans, um die Nosferatu zu kontaktieren. Die Nosferatu wählten einen offiziellen Fürsprecher, der sämtliche Verhandlungen und Geschäfte mit den anderen Clans übernahm. Dieser genoss einen sehr speziellen Status, welcher es ihm ermöglichte, alles zu fordern, was die Nosferatu wollten. Wann immer sich der Fürsprecher mit anderen Clans traf, warteten die anderen bereits in den Schatten, waren bereit, um sofort zuzuschlagen, falls jemand den Fürsprecher angreifen wollte. Die Nosferatu Berlins wurden auf diese Weise zu einem Mythos, einem Mythos, den jeder außenstehende Kainit der Stadt fürchtete. Am meisten hat man Angst vor dem, was man nicht sehen kann.

Dieses Konzept ist übertragbar auf nahezu jede Stadt, jedoch setzt es den absoluten Zusammenhalt des Clans voraus. Ich glaube daran, dass wir dazu in der Lage wären. Wir müssen eine Einheit bilden und zu dem werden, was wir eigentlich schon längst sein sollten. Das Rückrat der Stadt, die Gemeinschaft, welche Regierungen auferstehen und bei Bedarf wieder zusammenbrechen lässt. Ich glaube daran, dass wir alle genügend Potential besitzen, um dies erreichen zu können.

Wenn Sie alle meinen Ausführungen folgen konnten und meinen Vorschlag als akzeptabel und logisch betrachten, schlage ich vor, dass ich dieses Amt für die Zeit meines Aufenthalts in Finstertal bekleiden sollte. Ich habe wahrscheinlich von uns allen die besten Qualifikationen dafür. Ich bin politisch sehr bewandert, verstehe etwas von Etikette und habe bereits früher Verhandlungen geführt und interne Investigationen geleitet. Außerdem dürfte mein Status innerhalb der Camarilla dazu beitragen, dass unseren Forderungen schnell und reibungslos Folge geleistet wird. Mein Aufenthalt in Finstertal wird nur temporär sein und um so schneller wir Stabilität und Sicherheit für den Clan herstellen, bin ich wieder weg. Ich möchte euch in meiner Tätigkeit für unsere Ältesten nur einen kleinen Schubs in die richtige Richtung geben. Man könnte es als Starthilfe für einen Neuanfang betrachten."

Nagaj beendete seinen Vortrag, indem er eine Mentholzigarette aus seiner Hosentasche nästelte. Er zündete sie sich an, pustete theatralisch eine Rauchwolke an die Decke des Containers und blickte sich um. Er sah jedem für einige Sekunden tief in die Augen. Sein Blick schien sie dabei zu durchborhren. Dieses merkwürdige Glitzern war wieder zu sehen. Versteckt hinter der milchigen und leblosen Fassade.
 
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Delta fiel die Kinnlade runter. Sie blinzelte halb geschockt, halb ungläubig über das, was sie gerade gehört hatte. Der Zahnstocher hing ihr noch gerade so baumelnd an der Lippe. Das war echt harte Kost. Und dann plötzlich musste sie lachen. Anders hätte sie wirklich nicht darauf reagieren können.

"Ich fass es ja nicht. Der Super-Spion wittert seine Chance und will sich zum Ansprechpartner aller Nosferatu aufschwingen. Was für eine Überraschung.
Vielleicht solltest du auch mal erwähnen, warum wir uns gestern in die Wolle bekommen haben, dann würde vielleicht auch deutlich werden, wie beeindruckt ich von deinem Vorschlag bin."

"Du bist doch tatsächlich erst die zweite Nacht in der Stadt und spielst dich sofort auf als wärst du jemand. In Berlin magst du vielleicht jemand gewesen sein, aber hier solltest du vielleicht erstmal 'ne Nummer ziehen wie jeder andere auch. Du willst der Ansprechpartner der Nosferatu sein? Wieviel weißt du denn bitte von den Anwesenden Nosferatu? Was sagt dir - ausser deinem Ego - dass du wirklich der Beste für den Job bist? - Vielleicht bin ich das ja?"
Sie würde ihn nicht machen.

"Du kommst mit Familie, dem Wohle des Clans, einem gemeinsamen Interesse. Aber alles was ich verstehe ist: Ich, mein Wohl, mein Status, mein Können, mein Interesse und so weiter und sofort.
Das war der Grund, warum du gestern schon sehr kräftig am Ohrfeigenbaum gerüttelt hast und noch immer rüttelst."

Es war echt merkwürdig. Delta hatte nie einen anderen Nosferatu gesiest. Es war nie notwendig, weil Sie sich wirklich als eine Familie verstanden. Doch der Kerl kannte gerade erstmal ihren Namen und wie er ihn aussprach erzeugte Unbehagen bei ihr.
 
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Langsamen Schrittes stapfte Nagaj zu Delta herüber und blickte direkt auf sie hinab. Es war Zeit, um ein Zeichen zu setzen...

"Deine leeren Phrasen beeindrucken mich nicht, Delta. Und deine Behauptung, dass ich so tun würde, als wäre ich jemand, ist faktisch falsch. Ich bin jemand - im Gegensatz zu dir. Ich habe jahrzehntelang für den Clan gekämpft und habe jede Nacht meinen Hals riskiert, nur damit meine Familie geschützt ist. Was hast du denn je für den Clan getan? Hast du überhaupt jemals etwas getan, was nicht deinen persönlichen Zielen genützt hätte? In meinen Augen bist du nur ein verzogenes Kind. Anstatt nachzudenken, fährst du hier deine pseudo-anarchistische Schiene; tust so, als würdest du dich gegen das große, böse Regime auflehnen, indem du mir ins Gehege kommst. Die Tatsache, dass du in keinster Weise für ein internes Amt zu gebrauchen bist, hast du gerade mal wieder sehr deutlich unter Beweis gestellt. Lass mich dir etwas sagen; und ich möchte, dass du ganz genau zuhörst, denn ich werde es nur ein Mal sagen..."

Nagaj bückte sich langsam nach unten, bis er und Delta auf gleicher Augenhöhe waren. Sein Augen formten sich zu kleinen, schmalen Schlitzen.

"Du hast nicht die geringste Ahnung, worum es hier eigentlich geht. Benutze zur Abwechslung deinen Verstand und überlege ganz genau, was du hier eigentlich tust. Du beleidigst einen Ancilla deines Clans, du beleidigst einen offiziellen Vertreter deiner Ahnen und tust so, als hättest nur du allein die Welt verstanden? Egal was du tust, du wirst das System der Camarilla niemals besiegen. Niemand kann das. Aber man kann es verändern, und zwar von innen heraus. Was glaubst du, was ich hier mache? Urlaub? Ich bin hier, um verzogene Kinder wie dich vor der sicheren Vernichtung zu bewahren. Würde ich nicht für den Clan arbeiten, hätte ich dich wie ein Blatt Papier in tausend kleine Fetzen zerrissen. Aber ich arbeite für den Clan und das bedeutet, dass ich dir hier und jetzt eine einzige Chance gewähre, um dich für das, was du sagtest, zu entschuldigen und fortan für den Clan zu kämpfen. Tust du es nicht, solltest du wohl besser deine Koffer packen und gehen. Ich werde nicht zulassen, dass jemand die Zukunft meiner Familie sabbotiert. Um dem Gemeinwohl des Clans zu dienen, würde ich über Leichen gehen!"

Nagaj zog an seiner Mentholzigarette und pustete Delta eine dicke Rauchwolke ins Gesicht. Danach erhob sich wieder zu seiner vollständigen Größe.

"Lege dich niemals mit mir an, junges Ding, oder ich werde dafür sorgen, dass du dich Zeit deiner Existenz nie wieder bei einer Nosferatu-Gemeinschaft innerhalb dieses Landes blicken lassen kannst, ohne dass man dich nicht augenblicklich in Brand stecken und deine Asche in alle Winde verstreuen würde. Mein Einfluss ist garantiert größer, als du es dir überhaupt in deinen kühnsten Träumen vorstellen könntest."

Nagaj ging zurück in die Mitte des Raumes und war nun bereit, um auf Trick 17 zurückzugreifen; den Gegner mundtot machen... Wieder gestikulierte er mit ausschweifenden Handbewegungen und seine Stimme nahm nun einen verhöhnenden Ton an.

"Meine Herren, wir haben es hier mit einem vorlauten Kind zu tun, das in seiner blinden Verzweiflung nicht begreifen kann, was die derzeitige Sachlage ist. Sobald meine Nachforschungen in Finstertal beendet sind und der Clan wieder stabil ist, werde ich gehen. Das Kind scheint dies jedoch nicht verstehen zu wollen und versucht alles, um dem Gemeinwohl im Wege zu stehen. Es projeziert seine Wut auf das System auf meine Person und versucht somit meine guten Absichten in den Dreck zu ziehen, anstatt etwas positives zur Gemeinschaft beizutragen. Natürlich könnte ich meinen Status dazu missbrauchen, um dem Kind eins auszuwischen, aber ich bin zu alt für solch lächerliche Spielchen. Delta, es wäre angebracht, wenn du vor mich trittst und dich bei mir entschuldigst. Wenn du dies tust, werde ich dir augenblicklich all deine Verfehlungen vergeben. Tust du es nicht... nunja, dort ist die Tür!"

Nagaj nahm eine stoische Körperhaltung an und wartete gespannt darauf, wie sich Delta entscheiden würde.
 
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Wie lange war es eigentlich her, das alles einfach gewesen war? Es war eine Sache, dass man sich in diesem munterem Kabinett das sich 'Primogensrat' hieß mit den Lamettatigern der anderen Blutsauger Fraktionen zanken musste. Aber das hier war neu. Streit innerhalb der Familie war nichts ungewöhnliches, auch das ein junger Emporkömmling sich produzierte kam vor. Für gewöhnlich kurierte es diese Personen eine Woche lang in einem Loch voller Schlamm und Wasser eingemauert zu werden.

Lurker hasste den Gedanken, hier den großen 'Erstgeborenen' heraus hängen zu lassen und darüber zu lamentieren, dass er derjenige zu sein hatte, der diese Gesprächsrunde eröffnete und das er hier ja der Chef zu sein hatte. Reine Ironie, dass sein Bruder von Respekt vor Amt und Status predigte. Er gab einen Rattenschiss auf diesen Titel, den er unter ohnehin dubiosen Umständen geerbt hatte. Er konnte sich auch nicht erinnern, dass einer seiner Geschwister, die diesen Unfug vor ihm inne hatten, jemals viel darauf gegeben hatte. Weder der brummige, von der Welt abgekehrte Reißer, noch die vornehme, elegante Marie.

Allerdings hatten die auch nicht das Problem gehabt, einen impertinenten, jungen Schnösel vor sich zu haben, der noch nicht einmal eine ganze Nacht in der Stadt hinter sich hatte und dann schon alle Anderen für unfähig erklärte, sich selber derartig zelebrierte und oben drein seinen Geschwistern drohte und sich hier allgemein benahm wie die Axt im Walde. Wo kamen solche Schmocks nur her? Lurker wäre für so etwas seinerzeit fürchterlich verprügelt worden. Für deutlich weniger eigentlich.
Ein anderer Teil von ihm war außerdem der Meinung, dass man eine Dame nicht so behandelte. Auch wenn Delta diesen Teil vielleicht nicht leiden wollen würde, aber er kam nun mal aus einer anderen Zeit.

Wo sollte man nur anfangen diesen Unsinn aufzulösen? Nicht nur das er selber in durchaus gutem Kontakt zum Clan stand und daher stets bestens informiert war, wie verdammt nochmal jeder Verborgene, es gab auch bereits nicht wenige Untersuchungen rund um das Verschwinden des Rosenprinzen zu Finstertal. Lurker selber hatte sie geführt und in einem Bericht verfasst, wie er das nun schon seit 4 langen Jahren tat. Länger als irgend ein Nosferatu seit der alten Geißel Reißer. Wahrscheinlich hatte das Bürschlein einen von diesen Computern aufgeklappt, lustlos drei Worte hineingetippt und sich dann vor selbstzufriedener Freude eingenäßt, weil er nichts gefunden hatte. Recherche würden wir dann wohl auch noch mal lernen müssen.

Die rotzige Selbstverständlichkeit mit der ihr neuester Superagent davon ausging, dass Clan Nosferatu in dieser Stadt keine Rolle spielte war dann schon beinahe beschämend. Zwar sprach es für Lurker, wenn jemand seinen Einfluss nicht bemerkte, oder noch nicht mal ahnte, aber da Nagaj eher von ignoranter Blindheit geschlagen schien wollte er sich das nicht so recht als seinen Verdienst für besonders schlaues Vorgehen ankreiden. Schon lange hatte er ausdauernd und leise seine Position beim Sheriff der Stadt gefestigt, sich für diesen Wertvoll gemacht und sogar unter Einsatz seiner eigenen Haut seinen Stein bei Pareto ins Brett geklemmt. Sollte der Brujah nicht der dauerhafte Herrscher Finstertals werden, hatte er sich außerdem noch als Verbündeter der Lady Noir etabliert. Er hatte also seine Fühler in jedem möglichem Honigtöpfchen, damit der Clan der Verborgenen eine größere Rolle in den Geschicken der Stadt spielen würde, wenn es soweit war eine neue Herrschaft auszurufen.

Es gab eigentlich nur eine Sache die seine Beförderung durch die Seneschall bewirkt hatte. Er fühlte sich verantwortlich für seine Geschwister. Darum würde er nicht zulassen, dass sie sich hier und jetzt an die Kehle gingen. Nicht in seinem Container. Nicht in seiner Domäne. Nicht in seiner verdammten Stadt.
Das dem Neuem Einfühlungsvermögen fehlte hatte er bereits eindrucksvoll bewiesen. Da war es kein Wunder, dass er überhaupt nicht zu bemerken schien, dass Lurker ihn nicht angesehen hatte, als er versuchte jedem Anwesendem in die Augen zu schauen. Der Blick des Nosferatu war irgendwo auf den Boden gerichtet, wenn er auch nicht wirklich hin zu sehen schien, sondern eher in sich gekehrt und konzentriert wirkte. Er schritt ein, bevor Delta auf die Idee kam dem Anderem ein paar hübsche Andenken ins Gesicht zu zaubern.

Das reicht.

Die Stimme des Verborgenen schnalzte wie eine Peitsche. Sie klang scharf und eindeutig genervt und erbost. Er würde dieses Theater jetzt beenden. Soviel stand fest und war aus diesen einfachen zwei Worten so unumstößlich heraus zu hören, dass jedem klar sein konnte, dass die Beteiligten nur noch die Wahl hatten wie unangenehm es für sie werden würde.

Erst wenn er sich sicher war, dass er die Aufmerksamkeit dieser aufgeblasenen Person hatte, wies er mit einem langem, Spinnenbeinartigem Finger auf den Boden neben Thürmer. Immer noch sah er niemanden an, sondern starrte blicklos aus den Boden.

Setz dich.

Obwohl sein Lispeln munter säuselnd um seine riesigen Schneidezähne tänzelte hatte sich eindeutig Stahl in seine Stimme geschlichen. Stahl, auf dem sich gleich Raureif bilden würde, so kalt war die Stimmung.
 
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Lurker bewies Timing, das musste man ihm lassen. Nagaj war den Bruchteil einer Sekunde davon entfernt einen Fuss ins Gesicht zu bekommen. Er wäre an die endgegengesetzte Wand geflogen und in den nächsten Sekunden hätte sich entschieden, was sein Status gegen Deltas Blutmacht auszusetzen hatte. Sie wusste, dass sie mehr drauf hatte und hatte sicher keine Skrupel es zu zeigen, wenn es notwendig war.
Lurker nahm ihr die Entscheidung ab. Die Abreibung würde weit "nachhaltiger" werden. Er würde schon bald herauszufinden, wozu Delta wirklich in der Lage war. Über die ganzen bequemen Möglichkeiten dachte sie garnicht erst nach. Sie brauchte ihren Vater nicht, um diesen Pimpf zu beeindrucken und ruhig zu stellen. Sie brauchte nicht ihren Ruf bei den Ventrue gefährden, um dieser Laus die Kur seines Lebens zu verpassen. Wem interessiert schon Status. Status bedeutet nur das du zu laut bist, sodass jeder erfährt, was du getan hast.

Delta warf Lurker einen Blick zu. Sie biss sich auf die Zunge als sie sah wie er einfach nur da saß und nichts weiter sagte als das. Dieser Kerl ließ sich herablassend über seine Arbeit aus. Delta kannte viele seiner Berichte, zumindest die zugänglichen, und hatte sie im Vorfeld verschlungen. Dieser Super-Spion mit Zuhälterallüren hatte es kein Stück für nötig gehalten und spielt sich jetzt auf wie... ach scheiße, das ist ihr noch nicht untergekommen. Delta hatte einerseits mehr erwartet von Lurker, andererseits genau das.

Sie drehte sich wieder Nagaj zu. Ihr Ausdruck war eine Mischung aus 'Klar. Alles was du sagst!' und 'Klopapier ist für den Arsch, aber dein Gesicht hats dringend nötig'.
"Wie gesagt... du hast überhaupt keinen blaßen Schimmer, was du tust und wen du gedenkst hier zu vertreten. Du musst den anderen nicht erklären, wer oder was ich bin. Lurker und Jennifer wissen es bereits - und irgendwas sagt mir das der Doc es auch früher erfährt als du. Im Gegensatz zu dir haben wir alle unsere Hausaufgaben gemacht. Du kennst seit 2 Minuten meinen Namen und bildest dir schon dein Urteil über mich... Naja, das spricht für deine sogenannten Qualitäten?" Seine Anmassung sie zur Türe zu bitten, wenn sie sich nicht entschuldigt, belächelte sie nur.

Delta grinste sich einen und ließ das ganze erstmal sacken. In der Zwischenzeit sollte Nagaj sich gesetzt haben, wenn er Wert auf Lurkers Domäne nahm, aber selbst wenn nicht, würde sie ihm zeigen, was es heisst seine Hausaufgaben zu machen. Ausserdem könnte man so etwas von Nagajs Lieblingsthema (Ihm!) ablenken. Vielleicht konnte man ja den Auftritt von Nagaj durch Arbeit vergessen - zumindest für einen Moment.
"Die beiden Männer in Buchets Wagen waren gefesselt. Butch soll wohl ein ziemlicher Fettsack gewesen sein und wenn er nicht die ganze Packung Speckweg-Super-Diät-Pillen geschluckt hat, die unser Super-Spion für sein Gehirn benutzt..." Delta streckte ihn barsch die Zunge raus. "...dann ist wohl klar, dass es sich bei den Brikets in der Leichenschauhalle nicht um die Ghule des Prinzen handelt.
Das Küken Noooir wollte es den Köttern mit einem Laster voller Giftmüll heimzahlen. Blöderweise war es dann auch genau der Laster, der die Limosine des Prinzen gerammt hat. Uii, was für eine Überraschung.
Und da Noooir mittlerweile zum Lasombra mutiert scheint, zumindest wenn es stimmt, was ich von der Ruine gehört habe, und nimmt man dazu das Buchet und Noooir ach so verliebt waren, dass der schnulzige Toreador sie gleich zu seiner Braut nahm und sie auch noch als seine Brut ausgab, gibt es wohl nur eine plausible Erklärung: Er stand unter einem Blutsband. - Aber dazu weiß Lurker sicher mehr, nachdem er gestern zur Primogensitzung geladen war." Sie betonte das Wort Primogen so deutlich, dass jeder verstehen musste, dass es für Nagaj bestimmt war. Sie warf Lurker einen kurzen Blick zu und schmunzelte dann sehr selbstsicher vor sich hin, während sie Nagaj fixierte. Es war als wolle sie ihm entgegenwerfen: 'Und wieviel davon hörst du zum ersten Mal, du Null?'

Delta zeigte auch dieses Mal, dass sie ihre Hausaufgaben gemacht hat. Sie hatte Lurker ja bereits bei ihrem Treffen gezeigt, dass sie sehr wohl wusste, was in der Stadt abgeht. Aber woher wusste sie das mit Noir? Wer aufpasste, merkte das sie verriet, dass sie einen Kontakt an der Ruine hat, aber selbst das war Spekulation.

Ach, habe ich erwähnt, dass ich mit der Geißel befreundet bin und dir dein Leben zur Hölle machen werde, bevor ich seins zur Hölle mache?!...
In Gedanken brach Delta Nagajs Genick und ernährte sich von seinem Blut als sei es ein Wasserspender.
 
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"Gut, dann ohne die Madame."

Thürmer setzte sich, produzierte einen Block und einen Stift und begann, sich Notizen zu machen. Daß Nagaj seine Rede dann doch in der Form hielt, ließ ihn kaum merklich den Kopf schütteln, als Lurker eingriff...

Thürmer hatte ihn ja gewarnt...
 
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Nagaj zückte Bleistift und Papier. Er ignorierte die anderen völlig und kritzelte etwas auf seinen Notizblock. Er riss den Zettel ab, faltete ihn einmal in der Mitte und steckte ihn in seine Tasche.
Mit einem mehr als unheimlich klingendem "Adieu..." auf den Lippen verließ er den Container. Die schwere Metalltür fiel kreischend hinter ihm ins Schloss...

Draußen ließ er den Zettel direkt vor der Tür zu Boden segeln. Er blickte sich kurz um, verdunkelte sich und verschwand...wahrscheinlich für immer.
Ich werde den Ältesten berichten müssen, dass ihr Verrat an der Camarilla begangen habt. Viel Glück; ihr werdet es brauchen. Mein Wort mag in Finstertal wenig bedeuten; außerhalb der Stadt wiegt es jedoch um so mehr.
-N.
PS: Danke für die letzten Puzzlestücke. Sie werden den Ahnen sicher dienlich sein.
 
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Endlich hob er den Blick und sah hinüber zu Delta. Eigentlich sollte sie es nicht nötig haben 'wer-ist-der-bessere-Nosferatu' zu spielen. Genauso wie die Andeutungen dass Lurker seine Arbeit schlecht gemacht hätte von ihm abprallten, weil seine Taten für sich sprachen, hätte sie sich zurück lehnen können. Aber der Berliner hatte sie bedroht und angefeindet, daher mochte man es so sehen, dass sie ihm zumindest diese Retourkutsche schuldig sein mochte. Nun waren sie für sein Empfinden quitt.

Immer noch wartete er, dass Nagaj sich zu ihnen setzen mochte, aber genauso ungestüm und sprunghaft wie er sich bislang gezeigt hatte schien er nun weiter machen zu wollen, indem er sich auf dem Absatz umdrehte und die Besprechung verließ, noch bevor sie eigentlich begonnen hatte. Kein offizielles Wort war gewechselt worden.

Nachdenklich starrte der Nosferatu auf die sich schließende, schwere Metalltüre. Seine Gedanken quälten sich mühsam durch den suppigen Nebel der Mattigkeit, die immer noch nicht recht verschwinden hatte wollen. Schon als das Bewusstsein heute Nacht in seinen untoten Körper geströmt war und er sich gefühlt hatte wie ausgewrungen, war ihm klar gewesen, dass dies wohl nicht die beste Nacht werden würde.

Menschliche Gesten wie das Reiben der Nasenwurzel oder der Augen würden ihm aber nicht helfen. Er musste zur Ruhe kommen und seinem rasendem Geist eine Pause gönnen. Ein wenig Arbeit verteilen, auf andere Schultern und so den Kopf frei bekommen, das würde helfen. Es war nicht sein Körper der müde war, denn das konnte dieser gar nicht, sondern sein Verstand.

Wäre dies hier anders gelaufen, wenn er ein besserer Anführer wäre? So wie Dimitri, sein Bruder einer war? Oder so wie der Sheriff? Pareto war ungewöhnlich helle für einen Brujah, aber immer noch ein Freund einfacher Taktiken und unsubtiler Methoden. Trotzdem war er eine Führungspersönlichkeit und hatte etwas an sich, dass die Leute sich hinter ihm scharen ließ und das Lurker ihm voller Neid anerkennen musste.
Der Nosferatu war kein sonderlicher Charismatiker und auch kein Naturtalent im führen. Er hatte diesen Posten erhalten, weil er ein Überlebenskünstler und am Ende einfach als einziger übrig geblieben war. Vielleicht genügte das einfach nicht, für das was er hier tat. Vielleicht weigerte er sich deshalb in seinem Innerem diese Rolle wirklich anzunehmen und auszufüllen. Weil er tief in seinem Innerem wusste, dass er dieser Sache niemals gerecht werden konnte.

Lurker schüttelte ganz sachte den Kopf.

Schade...die Rede war eigentlich ganz gut.

Er sparte es sich, diese Gedanken auszusprechen. Wenn sein Kommentar so lapidar und banal ausfallen würde, war es besser gar nichts zu sagen. Die Wahrheit dieses Satzes würde wie einfacher Sarkasmus klingen, wenn er ihn nun einfach so aussprach.

Er sammelte sich. Es kam auf ihn an. Er war nicht der Richtige für diese Sache, aber er war nunmal hier und zumindest im Augenblick der einzige der ihn machen konnte. Also würde er nicht jammern, oder lamentieren, sondern sie so gut machen wie ihm dies eben möglich war. Er hoffte das der Andere dort draußen nicht alleine und auf eigene Faust loszog. Sonst wäre er ziemlich sicher bald doch ein weiterer Name auf der Liste der Gefallenen. Es gab nur eine Sache, die einsamer war als ein Augestoßener. Ein Ausgestoßener, der nicht zu den anderen Ausgestoßenen gehören wollte.

Wenn das dann also geklärt wäre...wir warten noch bis wir vollzählig sind und dann beginnen wir. Vielleicht möchtet ihr ein wenig von euch erzählen?

Immerhin kannten sie sich nicht übermäßig gut. Nosferatu waren keine großen Plaudertaschen und erzählten sich nicht unbedingt gegenseitig von ihren Hobbys. Aber es gab immer ein paar Dinge die man sich untereinander zu erzählen hatte. Wenn man zu den Verborgenen gehörte, fand man nicht oft Gelegenheit zu einem Gedankenaustausch. In der Regel war dies nur innerhalb der Familie möglich.
 
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Thürmer sah Nagaj nach, als er den Container verließ. Er hatte den Berliner in puncto Kritikfähigkeit und Begeisterung für die Sache anscheinend doch etwas zu hoch eingeschätzt. Anstatt den durchaus positiven ersten Eindruck zu verstärken, und so seiner Sache und seinen Chefs zu Ansehen und Glaubwürdigkeit zu verhelfen, hatte Nagaj den Kampf für seine Sache, die er im Auto noch recht konsequent vertreten hatte, viel zu schnell aufgegeben. So hatte er nach Thürmers Meinung nicht nur seinem Ansehen und dem seiner Oberen schweren Schaden zugefügt (jedenfalls in Finstertal), sondern auch Thürmers Meinung über den politischen Debattenzirkus ein weiteres Mal bestätigt und vorschnell die Sitzung verlassen. Und das, wo man hier jeden Mann brauchte...

Schade drum, dachte Thürmer, ein guter Mann weniger !

"Wenn ich darf, Boß ?" wandte er sich an seinen Primogen.
Da dieser anscheinend keine Einwände hatte, erhob sich Thürmer und begann.

"Wie ihr sicherlich wißt, ist mein Name Dr. Alfons E. Thürmer. Ich bin Neonate aus New Orleans, wo ich gezeugt wurde, und den Großteil meines bisherigen Lebens verbracht habe. Im Rahmen der Rückkehr in meine alte Heimat bin ich auf der Durchreise hierher gekommen, und gedenke mich nach meinen Fähigkeiten am Ort einzubringen."
 
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Jede tote und untote Zelle ihres Körpers rief Nagaj nach: 'Schmock!' Dann fielen sie in einen Chor und trällerten fröhlich 'Auf Wiedersehen. Auf Wiedersehen.' Doch trotz dieses Hochgefühls blieb ein fader Beigeschmack zurück. Sie wollte diesen Kerl nicht einfach so davon kommen lassen. Er markierte hier kräftig sein Revier und genauso unverschämt 'verpisst' er sich wieder. Er zieht einfach ab und das war es dann? Keine Lektion? Keine Abreibung? - Boah, ey. Mehr blieb dazu nicht zu sagen. Jeden Menschen trifft man zweimal, sagt man. Er sollte wünschen, dass dies auf Delta nicht zutrifft.

Delta konnte sich das gehässige Lächeln nicht verkneifen. So war sie nunmal: boshaft und schadenfroh, aber besonders nachtragend. Vielleicht war es unverschämt in diesem Moment, aber sie war sich sicher: Wenn die anderen nur den Hauch eines Verstands besaßen, würden sie ihr zustimmen und froh über diesen "Gewinn" sein. Als Verlust war das nun wirklich nicht zu bezeichnen.

Dann stellte sich Thürmer vor. Viel erzählte er nicht gerade von sich. Gut. Das stellte sicher, dass er sich nichts auf sich einbildete, und das Delta nicht viel vergessen konnte, was eh keinen interessierte. Er hat zudem die Rangordnung akzeptiert, die von vornherein ausser Frage stand - auch wenn er sie etwas zu 'zelebrierten' schien.

"Delta. Kind des Primogen von München und - " Sie zögerte einen Moment, um den richtigen Ausdruck zu finden. "- mittlerweile auf eigenen Beinen unterwegs. Mein Aufenthalt hier ist eine Mischung aus persönlicher Neugier und einer auferlegten Verpflichtung, aber nichts was der Rede wert wäre."

"Du bist also Arzt?"
 
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Thürmer lachte leise. Es war doch immer dasselbe: Für die meisten Leute waren alle Doktoren erstmal Ärzte.
Natürlich half nicht, daß er sich meist nicht mit dem vollen Grad vorstellte, sodaß Annahmen über seine Profession Übung für den Zuhörer blieben. Aber er war nicht nachtragend, was das anging. Das brachte schließlich nichts.
Also hatte er sich angewöhnt, es mit Humor zu nehmen.

"Nicht ganz, ich bin Anwalt. Ich hoffe, mein Ansehen hat deshalb den Raum nicht grade durch den Boden verlassen. Schließlich sind wir zumindest bei den Menschen beliebt wie Fußpilz..."

Auf die Reste seiner Visage schlich sich etwas, das wohl ein Grinsen sein sollte...
 
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Irgendetwas polterte plötzlich, Sachen fielen lautstark zu Boden, dann folgten einige Flüche denen selbst Hafenarbeitern ihren Respekt gezollt hätten.
Nur Augenblicke später trat Jenny zu der Versammlung. Ihre Augen glommen noch von der verrauchenden Wut ihres kleinen Mißgeschicks, ihr Mund aber hatte sich bereits auf das Strahlen einer freudigen Begrüßung eingestellt. So grinste sie die Gruppe freudig mit böse funkelnden Augen an. Eine erstaunliche körperliche Leistung zu der wohl nur in der Lage war, wer ein Gefühlsachterbahnchaos wie die junge Anarche sein Eigen nannte.

"Hallo ihr Süßen! Bin spät dran, ich weiß! Habe mich auch voll beeilt, aber dann habe ich mir mein scheiß Knie aufgeschlagen. Direkt vor der Tür, gehört einem von euch diese kack Stange dort draußen?"

Sie nickte mit dem Kopf in die angegebene Richtung.

"Man tut das weh. Öhm, ... habe ich schon viel verpasst?"
 
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Für gewöhnlich begrüßte Lurker seine Ziehtochter mit einer Umarmung, aber da die Runde bereits auf dem Boden saß und sie alle nur noch darauf warteten anfangen zu können, schmunzelte er nur sachte und deutete mit derselben Geste einladend auf den Boden, mit der er alle anderen Familienmitglieder auch aufgefordert hatte. Er ging aber nicht weiter auf ihren rumpeligen Auftritt ein. Er wusste, dass sie nervös bis aufgeregt war. Wenn es auch freudige Erregung sein mochte, so wusste er doch um ihre Furcht hier nicht vollkommen willkommen zu sein. Unter den Verborgenen war sie bislang stets akzeptiert gewesen, allerdings hatte diese Gruppe auch nur aus drei, in den letzten Nächten sogar nur aus zwei Mitgliedern bestanden. Zuletzt nur sie und ihr Vater. Nun gab es aber viele Neuankömmlinge des Clans, wenn auch einer der Neuzugänge bereits wieder die Flucht ergriffen hatte. Stray reagierte auf solche Dinge immer noch wie früher. Sie wurde laut und überspielte ihre Unsicherheit mit einem görenhaftem Grinsen und Plappern. Für Lurker stand allerdings fest, dass man hier, im Kreise der Familie, kaum etwas falsch machen konnte. Daher wartete er bis sich seine Tochter hin gesetzt und ihren inneren ZappelPhillip einigermaßen im Griff hatte.

Hallo Stray. Jetzt, wo wir vollzählig sind, fangen wir an. Ich bin Lurker und sitze für uns im Primogensrat. Allerdings erst seit wenigen Nächten. Unsere Primogena, Marie Wegener, deren Namen ihr wahrscheinlich noch genannt bekommen habt außerhalb der Stadt, hat sich zurückgezogen und in die Ruhe ihres Grabes begeben. Man könnte sagen, die Dinge die ihr in dieser Stadt zugestoßen sind, haben ihren Tribut von ihr gefordert. Ich selber bin seit vier Jahren in dieser Stadt und wurde aus Prag, wo ich meine Zeit als Mündel verbracht habe, nach meiner Lossprechung direkt hier her beordert. Seit dieser Zeit nenne ich dieses Irrenhaus von einer Stadt meine Heimat und darum bin ich auch immer noch hier. Zu den aktuellen Ereignissen werde ich euch gleich ausführlich informieren. Erst geben wir meiner Tochter noch die Zeit sich euch kurz vorzustellen, dann sollt ihr erfahren wo wir alle stehen.

Es mochte der kleinen Caitiff auffallen, dass ihr Vater von vollzählig sprach, obwohl jemand fehlte, von dem sie bereits wusste. Ob sie gerade in der Laune war nach Nagaj zu fragen, oder ob sie diese Tatsache als 'wer zuletzt kommt, verpasst das Erste' verbuchen und später, im kleinerem Rahmen nach diesen Dingen fragen würde, war nun ihr überlassen.

Lurker unterdessen war recht zufrieden mit seiner Einleitung. Wenn auch die theatralische Einlage zum Beginn ihn ein wenig aus der Fasson gebracht hatte, glaubte er jetzt die richtigen Worte gefunden zu haben. Immerhin hatte er im Primiogensrat, im Haus des Prinzen die Zähne auseinander bekommen und hier war er nicht derartig auf dem Prüfstand.

Kunststück. Niemand mit einer Unze Verstand würde im Augenblick mit dir tauschen wollen.

Der Nosferatu gönnte sich ein grimmiges Lächeln. Er hatte tatsächlich immer noch eine leise Hoffnung. Eine Hoffnung, dass diese hier in der Stadt bleiben und für ihr Blut einstehen würden. Dass sie etwas bewegen konnten und am Ende endlich einmal mit Einfluss, Macht und Gewinn da stehen würden. Auch wenn er schon den ersten Rückschlag an diesem Abend erlitten hatte und sich wohl nicht wundern dürfte, wenn auch diese hier sich bald wieder verabschieden würden, weil Finstertal einfach der verdammte Vorhof zur Hölle zu sein schien, er musste hoffen. Zur Not würde es auch alleine tun, aber er würde Lügen, wenn er nicht vor sich selber eingestünde sich insgeheim mehr Schultern zum stemmen der Aufgaben zu wünschen.
 
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Ach du je!

Ein scheues Grinsen schlich über Jennys Gesicht und ließ sie für den Bruchteil einer Sekunde verletzlich wirken. Nur einen Augenblick später hatte sie sich aber wieder unter Kontrolle.

"Ok, danke Vater!"

Unsicher ob es so richtig war, erhob sie sich aus ihrem Schneidersitz und stellte sich hin.

"Also mal für alle die es noch nicht wissen. Ich heiße Jennifer Färber, die meisten nennen mich aber einfach Jenny. Für alle aus dem Clan heiße ich Stray. Äh, hallo...! Sollte irgendwer es für unhöflich halten, dass ich bisher darauf verzichte die Maske des hübschen schwarzhaarigen Mädchens fallen zu lassen... Das ist mein richtiges Gesicht! Ich bin, wie daran unschwer festzustellen ist, also keine richtige Nosferatu. Zumindest nicht vom Blute her, alles andere stimmt aber! Ich bin als Caitiff geboren und wäre sicherlich bereits in den ersten zwei Tagen draufgegangen, wenn nicht einer von euch sich meiner erbarmt hätte. Es war in Hamburg und der Mann der mich vor dem Tod in der Sonne gerettet hat, hieß Cockroach. Er lehrte mich alles was ein Nosferatu wissen muss. Ich kenne die Geheimnisse, die Zeichen, die Tricks und die verborgenen Wege."

Unsicher wie sie weitermachen sollte, unterbrach sich die junge Frau.
Für einen Moment lang suchten ihre Blicke die ihres Vaters. Als sie sie fand, beruhigte sie sich zusehends.

"Ich bin weder ein Mitglied der Camarilla, noch bin ich ein Freund dieses lächerlichen Vereins. Ich selbst betrachte mich als unabhängig, andere nennen mich eine Anarche. Mir ist klar, dass es den meisten von euch genauso geht, ich erzähle also nichts neues. Aber der Einwand hilft mir zu erklären was ich sagen will. In Hamburg bekam ich schnell Ärger und musste irgendwann Hals über Kopf fliehen. Ich irrte ein wenig umher und landete schließlich hier in Finstertal. Der Stadt die ich nun bereits seit etwas mehr als zwei Jahren mein Zuhause nenne. Finstertal ist ebenso der Ort an dem ich eine neue Familie fand, angeführt von meinem geliebten Vater Lurker der mich so nett vorgestellt hat."

Jenny verzichtete ganz bewusst darauf ihn ihren Ziehvater zu nennen.
Sie hasste dieses Wort.

"Wenn mich also auch diverse Dinge von euch unterscheiden, so möchte ich doch das ihr wisst, das ich aus tiefstem Herzen eine der Euren bleibe! Und äh... ja... das war es dann auch schon... Danke!"

Verlegen grinsend setzte sie sich wieder hin und sah in die Runde.
Hoffentlich hatte sie sich jetzt nicht zu sehr blamiert...?
 
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Thürmer verfolgte Jennys Vorstellung genau. Daß sie adoptiert war, schien ihn entweder nicht sonderlich zu stören, oder er versteckte das ziemlich gut. Auf jeden Fall hatte er auch das Notizzeug weggelegt, das er wieder aufnahm sobald Jenny geendet hatte. Er machte auch nur eine kurze Notiz, anscheinend wollte er eine Art Protokoll der Sitzung anlegen oder so etwas...

Jenny bekam dann auch ein freundliches Nicken, entweder als Willkommensgruß, als Reaktion auf ihre Vorstellung, oder beides.
In Gedanken jonglierte er etwas mit den gehörten Zahlen: Vier Jahre und zwei Jahre, wie lange Delta hier schon lebte, wußte er nicht, aber anscheinend auch schon länger. Nicht, daß er sich mit seinem Status als "Frischfleisch" des Clans nicht schon näher beschäftigt hatte, oder daß das ein Problem für ihn war, schließlich gab es Clans, die eine um einiges stärker entwickelte Hierarchie hatten und diese auch durchsetzten. Aber jetzt war es sozusagen offiziell und unwiderruflich.

Er war jedenfalls gespannt, in welche Richtung sich die Versammlung noch entwickeln würde. Es versprach auf jeden Fall, interessant zu werden.
 
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Kaum jemand der Anwesenden zeigte eine erkennbare Reaktion.

Jenny war verunsichert, weil sie nicht sagen konnte ob dies Verhalten einer Abneigung ihrer Person gegenüber entsprang oder eher der zrückhaltenden Natur der Nosferatu selbst entsprang. Trotzdem könnte sie in dieser Sekunde nichts mehr gebrauchen als ein positives Wort.

Die Nosferatu sollten ihr ja gar nicht freudestrahlend um den Hals fallen, aber ein kurzes: "Na gut wenn's sein muss spiel halt bei uns mit. Fass aber nix an und bring keine Kumpels mit nach hier unten!", wäre für ihr angeschlagenens Selbstwertgefühl in dieser Sekunde durchaus hilfreich. Jenny bemühte sich soviel Gleichgültigkeit und Ruhe auszustrahlen wie es ihr nur irgend möglich war, trotzdem wanderten ihre Blicke hilfesuchend zum Vater.

Konnte, ... musste sie noch etwas sagen?
 
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Das freundliche Wort blieb zwar aus, aber ihr Vater ließ sie natürlich nicht ohne ein Nicken und ein versonnenes Lächeln stehen. Sie waren hier unter Freunden und daher konnte Stray im Grunde kaum etwas falsch machen. In anderen Kreisen der Untoten war es Gang und Gäbe, dass man andauernd aufpassen musste alles korrekt zu handhaben und zu sagen, aber wenn man aussah wie vergammelte Schlachtabfälle und sich in einem ausrangiertem Wagon auf einem Müllplatz traf, wäre es wohl dämlich sich zu benehmen als wäre man auf einer Soiree. Sicher brannte die kleine Caitiff darauf hier und jetzt ein Ergebnis zu bekommen, aber es war den Anderen wohl nicht zu verdenken, wenn diese sie erst selber ausführlicher kennenlernen wollten.

Schließlich bekam sein Blick etwas in sich gekehrtes und es war unschwer zu erkennen, dass sich der Nosferatu sammelte. Wo fing man an? Wie fand man überhaupt eine richtige Beschreibung für dass, was sich hier tat? Konnte man etwas, das wie die alptraumhafte Version eines düsteren Märchens klang überhaupt in so etwas wie einen sinnvollen Bericht packen? Erstmal ein paar Worte zu den weltlichen Monstern.

Ich hoffe mir unterstellt niemand Effektheischerei, wenn ich unsere Lage mal ganz meldodramatisch mit 'wir sind im Krieg' beschreibe, denn das sind wir. Der mittlerweile verschollene Regent dieser Stadt, Prinz Oliver Buchet, hat vor langer Zeit ein irrsinniges Abkommen mit einer Horde Werwölfe geschlossen, die außerhalb der Stadt hockten und irgendetwas bewachten. Es gab eine Art Waffenstillstand, aber wie man sehr gut sieht, war das nur ein wackeliger Frieden und jetzt haben sich die Bestien entschieden uns doch zu vernichten. die Gründe für ihren Hass auf uns sind wohl nicht nur Vergangenheit sondern wohl auch im Bereich der Legenden verhaftet, aber sie sind auch einigermaßen egal. Wenn ein drei Meter großes Monster hinter euch her ist, mit Pranken so groß wie Reifen, ist es unerheblich warum es euch zerreißen will. Diese Tatsache zeigt eigentlich nur sehr deutlich, dass man die Viecher hätte ausräuchern sollen, als sie noch keinen Brückenkopf in der Stadt hatten, anstatt mit ihnen dämliche Friedensverträge zu schließen, aber auch das ist vergossene Milch und ich hoffe, dass wir noch Gelegenheit bekommen die Sache nachzuholen.

Die Neue Führung, wie auch immer sie aussehen würde, würde zumindest einen heimlichen Berater haben, der stark dafür plädieren würde die Brut auszuradieren, bevor man wieder Ärger mit ihnen bekäme. Erstaunlich genug, dass der Krieg mit den Werbestien ihre geringere Sorge sein sollte und dass man bei einem Krieg mit solchen Monstern noch von den handfesteren Problemen sprach, aber immerhin waren die Dinger aus Fleisch und Blut. Jetzt kam der schwierige Teil.

Für jede andere Stadt auf unserer Mutter Erde Angesicht, wäre das eigentlich schon Problem genug. Seid euch aber gewiss, dass es für diese Stadt gerade mal der Zuckerguss auf der Torte ist. Für die Dinge die die ich euch nun erzähle müssen wir allerdings noch ein wenig weiter in die Kiste mit den Schauermärchen greifen. Viele von euch haben von den Lykanthropen immerhin schon einmal gehört und sei es nur als Warnung sich von ihnen fern zu halten. Das was ich euch aber nun zu erzählen habe, wird wie schlecht gesponnenes Seemanns Garn für euch Klingen. Ich werde versuchen so sachlich und neutral bei den 'Fakten' zu bleiben wie es möglich ist, aber natürlich wird der Begriff 'Fakten' arg strapaziert, wenn ich euch gleich eine verdammte Spukgeschichte auftischen muss. Es wird wie Geisterjäger Latein klingen aber hört es euch erst bis zum Ende an und seid gerne so skeptisch wie es angemessen ist. Aber täuscht euch in einem nicht....Die Dinge in die ich euch gleich einweihe sind tödlicher Ernst und keine Räuberpistole über schwebende Nebelerscheinungen oder Stimmen aus Abflüssen.

Erst nachdem der Blick aus den schmutzig trüben Pupillen Lurkers jeden Anwesenden einmal kurz bedacht hatte fuhr er fort.

Die Geschichte begann vor vielen hundert Jahren und sie handelt von Finstertal. In jenen vergangenen Zeiten waren viele Strukturen und Dinge die wir heute für selbstverständlich halten noch nicht so sehr in Stein gemeisselt wie uns die Camarilla dies glauben lassen will. Zu dieser Zeit war es möglich, dass ein altes, osteuropäisches Adelsgeschlecht, das aus unseresgleichen bestand, viele Herrschaftsgebiete sein eigen nannte. In unseren heutigen Nächten hat sich aus diesen alten, herrschaftlichen Wesen das heraus destilliert, was wir 'Unholde' nennen. Former, Tzimiscen, Clan des Drachen, ganz wie es euch beliebt. In diesen Zeiten, war es also möglich, dass ein solcher Vertreter unserer Art Herrscher über diese Region war, ähnlich wie es Prinz Buchet war. Ich lasse die Details weg so sie es denn möglich ist und umreiße sie nur. Jener Herrscher lag genauso im Krieg mit den Wolflingen, wie wir heute und auch er musste furchtbare Verluste hinnehmen. Es ist schwer zu sagen, ob dieser Vampir bis dahin das war, was unter den Menschen als gewöhnlicher Lehnsherr angesehen wurde, oder ob er schon damals als grausamer Tyrann verschriehen war, ob er durch den Krieg und seinen Verlust Wahnsinnig wurde oder schon zuvor das Land mit seiner Schändlichkeit geißelte, es ist noch nicht einmal gesichert, dass er nicht schon immer den Samen des Wahnsinns in sich trug, wie er viele unserer Art nach Jahrhunderten heimsucht. Fest steht nur, dass der Krieg und sein Verlust eine Art Wendepunkt in seiner Geschichte waren und so etwas wie der Beginn seiner dunklen Epoche. Er verlor seine geliebte Frau und konnte das nicht hinnehmen. Also begann er zu forschen und suchte einen Weg sie zurück zu holen.

Soweit also zum ersten Akt. Die Grenzen des Märchen waren gesetzt, alle Müllerstöchter, Könige und Schafsfressende Wölfe waren großzügig auf Weiler, Wälder und Throne verteilt, die Geschichte konnte ihren Lauf nehmen. Wäre das ganze Thema nicht so lethal ernst, selbst für ihresgleichen, die bei Dingen rund um das sterben wenig zu befürchten hatten, konnte man es sicher komisch finden und sich fragen, wann der erste aufstand und sich einen Kakao zur Märchenstunde holte.

Wir wissen nicht, ob er dem Clan der Könige in der Nachbarschaft einfach nur zu mächtig wurde, oder ob einige seiner Experimente aus seinen Kellern gekrochen sind und das Umland terrorisiert haben, wir wissen nur noch, dass die Blaublüter zum Angriff geblasen und den Koldunen, so nennt man die Hexenmeister aus dem Clan der Fleischformer, vom Thron stießen und ihn verbannten. Unser Feind ist aber nicht ein mächtiger alter Vampir und hier beginnt die Geschichte abstrus zu werden. Zacharii te Zoudloch, so hieß der Unhold, wurde schließlich vernichtet. Tatsächlich mittlerweile schon zweimal, aber ich greife vor. Irgendwann hat ihn irgendwer erwischt und seiner körperlichen Existenz ein Ende bereitet. Wenn ich schon eine so sperrige Formulierung wähle, könnt ihr euch sicher denken welche Richtung ich jetzt einschlage. Jahrhunderte später, etwa zu der Zeit als ich in dieser Stadt ankam, trieb etwas sein Unwesen, was wir wohl als den Geist des Vernichteten Zacharii bezeichnen müssen.

Das war die Stelle an der die Zuhörer sich wohl abwenden würden, ungläubig schnaubten oder dem Ezähler ordentlich den Vogel zeigen würden. Der Nosferatu hob eine seiner Hände mit denen spinnenbeinartigen Fingern um etwaigen Protest zu unterbinden. Auch wenn er niemandem eine Unglaubensbekundung zu diesem Zeitpunkt übel genommen hätte, musste er diesen Teil abschließen. Schließlich war er immer noch in der Vergangenheit verhaftet mit seiner Geschichte und hatte noch einen Weg bis zu der heutigen Nacht vor sich. Er hoffte, dass die Geschichte knapp genug gehalten war um niemanden zu verwirren, aber ausführlich genug, um alle ins Bild zu setzen. Stray kannte sie bereits, aber er hatte festgestellt, dass die unruhige kleine Adoptiv Nosferatu zwar nicht genug Sitzfleisch besaß um auch nur eine Bühnenpause zu überstehen, aber stundenlang gebannt zuhören konnte, wenn er eine Geschichte zu erzählen hatte, die sie spannend fand.

Hört mich erst an. Was ich erzähle sind Dinge die mir wirklich und wahrhaftig selber passiert sind. Es sind keine alten Geschichten aus dritter Hand, von seltsamen Alten, die in Erdlöchern hausen und fiebrige Phantasien aus vergangenen Zeiten fabulieren. Zacharii legte einen Fluch über Finstertal und die Menschen verloren ihren Lebenswillen. Sie wurden lethargisch, schleppten sich nur noch dahin, blieben irgendwann ganz liegen und starben einfach weg. Mit ihrem schwindendem Lebenswillen verlor auch ihr Blut seine Essenz. Es nährte den Fluch der seinerseits auf jedem von uns liegt nicht mehr und hatte nicht mehr die Kraft uns nähren. Dünner und dünner wurde es, bis wir es kaum noch schafften andere Dinge zu tun als einen Menschen nach dem anderem auszuzehren und das Phantom zu bekämpfen. Am Ende gelang es, irgendwie, wir besiegten den Spuk, zumindest dachten wir das, so wie es die Angreifer vor so langer Zeit auch gedacht hatten. Der Fluch zumindest wurde gebrochen und für einige Zeit hörte man nichts mehr von dem Dämon Zacharii.... Bis heute.

Ja, so war das. Das unwirkliche Monster das in der Dunkelheit lauerte war ein alter Bekannter. Zumindest für einige von ihnen.

Irgendwie hat er es geschafft sich bis in die heutige Nacht zu retten. Er ist schwächer, als er es damals war. Zumindest noch, aber er hat vermutlich so lange gewartet sich zu zeigen, weil die Zeit für ihn spielt. Es steht also zu befürchten, dass er auferstehen will und erneut seine Stadt für sich beansprucht. Wenn das passiert, wird es hier definitiv zu eng für ihn und unsereins. Außerdem wird er von Rache getrieben und es ist ihm herzlich egal, ob irgendjemand von uns oder von den Menschen in dieser Stadt ihm überhaupt jemals etwas getan haben, er wird uns alle ausmerzen. Wem das noch nicht reicht, wir haben noch mehr. Die ehemalige Seneschall der Stadt, Magdalena Buchet, die kürzlich von ihrem Amt zurück trat, hat mitteilen lassen dass etwas...nennen wir es die Erinnerungen, oder stellen wir uns so etwas ähnliches vor wie einen Seelensplitter, oder wie immer man die Summe dessen was ein Wesen spirituell ausmacht nennen möchten, der Frau Zachariis in die Seneschall gelangt ist, als diese sich in eine Trance begeben hatte. Diese hat verlauten lassen, dass es ein bestimmtes Ritual gibt, dass man finden und zelebrieren soll, um ihren damaligen Ehemann endgültig zur Hölle fahren zu lassen. Gestern ist versucht worden dieses zu bergen, aber es misslang und der Unhold hat offenbart, dass er über ein durchaus mächtiges Instrument verfügt. Er ist in der Lage unseren Verstand zu manipulieren, uns Dinge sehen zu lassen, die nicht wirklich sind. Das geht soweit, dass er ganze Szenen nachstellen lassen kann. Für die Betroffenen ist es außerordentlich schwer zu durchschauen, ob sie gerade Opfer einer solchen Illusion geworden sind, oder nicht. Theoretisch könnten wir uns in diesem Augenblick in einer solchen Illusion befinden, auch wenn sich für mich meine und eure Anwesenheit echt anfühlt. Ich nehme an, dass Zacharii genau dies erreichen will. Er will, dass wir anfangen an der Realität zu zweifeln. Entweder weil ihn das stärkt, oder weil es uns lähmt und daran hindert ihn zu stören. An diesem Punkt stehen wir im Augenblick.

Meine Damen und Herren, wir danken für eine Aufmerksamkeit. Erfrischungsgetränke bitte im Foyer.
 
AW: [08.05.2008] - Das zweite Nosferatu Konzil

Unter den Anwesenden war neben Lurker wohl Jenny am Besten über dieses Thema informiert. Sie hatte bereits mehrfach an vorderster Front gegen Zacharii und seine Machenschaften gekämpft und war sogar Opfer seiner geistigen Attacken gewesen. Auch wenn sie den Koldunen dafür aus tiefster Seele hasste, sie persönlich wusste nicht wie man sich in dieser Situation nun am besten verhielt. Zacharii war ungemein mächtig und die Nosferatu hatten neben dem Kampf noch andere Optionen wie man mit solchen Dingen umging. Zaghaft richtete sie das Wort an Lurker.

"Wie sieht unsere Reaktion auf die derzeitige Lage aus? Kämpfen wir weiter wie bisher oder sitzen wir die Sache aus, bis alles überstanden ist?"

Zumindest Lurker müsste klar sein, dass Jenny mit 'wir' in diesem Fall nicht sich selber meinte. Aber es war eben eine Option die der Clan der Nosferatu schon häufig ergriffen hatte und sollte daher wenigsten einmal angesprochen worden sein.

"Rusalka hat sich ja auch schon zurückgezogen. Ich meine nur..."

Langsam bekam Jenny ein wenig Angst vor der eigenen Courage. Sie wurde von den meisten Anwesenden noch nicht als vollwertiges Mitglied akzeptiert, vielleicht sollte sie nicht zuviel reden. Langsam setzte Sie sich wieder auf den Boden und blickte verschämt auf den selben.
 
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