AW: [08.05.2008] - Das zweite Nosferatu Konzil
Das freundliche Wort blieb zwar aus, aber ihr Vater ließ sie natürlich nicht ohne ein Nicken und ein versonnenes Lächeln stehen. Sie waren hier unter Freunden und daher konnte Stray im Grunde kaum etwas falsch machen. In anderen Kreisen der Untoten war es Gang und Gäbe, dass man andauernd aufpassen musste alles korrekt zu handhaben und zu sagen, aber wenn man aussah wie vergammelte Schlachtabfälle und sich in einem ausrangiertem Wagon auf einem Müllplatz traf, wäre es wohl dämlich sich zu benehmen als wäre man auf einer Soiree. Sicher brannte die kleine Caitiff darauf hier und jetzt ein Ergebnis zu bekommen, aber es war den Anderen wohl nicht zu verdenken, wenn diese sie erst selber ausführlicher kennenlernen wollten.
Schließlich bekam sein Blick etwas in sich gekehrtes und es war unschwer zu erkennen, dass sich der Nosferatu sammelte. Wo fing man an? Wie fand man überhaupt eine richtige Beschreibung für dass, was sich hier tat? Konnte man etwas, das wie die alptraumhafte Version eines düsteren Märchens klang überhaupt in so etwas wie einen sinnvollen Bericht packen? Erstmal ein paar Worte zu den weltlichen Monstern.
Ich hoffe mir unterstellt niemand Effektheischerei, wenn ich unsere Lage mal ganz meldodramatisch mit 'wir sind im Krieg' beschreibe, denn das sind wir. Der mittlerweile verschollene Regent dieser Stadt, Prinz Oliver Buchet, hat vor langer Zeit ein irrsinniges Abkommen mit einer Horde Werwölfe geschlossen, die außerhalb der Stadt hockten und irgendetwas bewachten. Es gab eine Art Waffenstillstand, aber wie man sehr gut sieht, war das nur ein wackeliger Frieden und jetzt haben sich die Bestien entschieden uns doch zu vernichten. die Gründe für ihren Hass auf uns sind wohl nicht nur Vergangenheit sondern wohl auch im Bereich der Legenden verhaftet, aber sie sind auch einigermaßen egal. Wenn ein drei Meter großes Monster hinter euch her ist, mit Pranken so groß wie Reifen, ist es unerheblich warum es euch zerreißen will. Diese Tatsache zeigt eigentlich nur sehr deutlich, dass man die Viecher hätte ausräuchern sollen, als sie noch keinen Brückenkopf in der Stadt hatten, anstatt mit ihnen dämliche Friedensverträge zu schließen, aber auch das ist vergossene Milch und ich hoffe, dass wir noch Gelegenheit bekommen die Sache nachzuholen.
Die Neue Führung, wie auch immer sie aussehen würde, würde zumindest einen heimlichen Berater haben, der stark dafür plädieren würde die Brut auszuradieren, bevor man wieder Ärger mit ihnen bekäme. Erstaunlich genug, dass der Krieg mit den Werbestien ihre geringere Sorge sein sollte und dass man bei einem Krieg mit solchen Monstern noch von den handfesteren Problemen sprach, aber immerhin waren die Dinger aus Fleisch und Blut. Jetzt kam der schwierige Teil.
Für jede andere Stadt auf unserer Mutter Erde Angesicht, wäre das eigentlich schon Problem genug. Seid euch aber gewiss, dass es für diese Stadt gerade mal der Zuckerguss auf der Torte ist. Für die Dinge die die ich euch nun erzähle müssen wir allerdings noch ein wenig weiter in die Kiste mit den Schauermärchen greifen. Viele von euch haben von den Lykanthropen immerhin schon einmal gehört und sei es nur als Warnung sich von ihnen fern zu halten. Das was ich euch aber nun zu erzählen habe, wird wie schlecht gesponnenes Seemanns Garn für euch Klingen. Ich werde versuchen so sachlich und neutral bei den 'Fakten' zu bleiben wie es möglich ist, aber natürlich wird der Begriff 'Fakten' arg strapaziert, wenn ich euch gleich eine verdammte Spukgeschichte auftischen muss. Es wird wie Geisterjäger Latein klingen aber hört es euch erst bis zum Ende an und seid gerne so skeptisch wie es angemessen ist. Aber täuscht euch in einem nicht....Die Dinge in die ich euch gleich einweihe sind tödlicher Ernst und keine Räuberpistole über schwebende Nebelerscheinungen oder Stimmen aus Abflüssen.
Erst nachdem der Blick aus den schmutzig trüben Pupillen Lurkers jeden Anwesenden einmal kurz bedacht hatte fuhr er fort.
Die Geschichte begann vor vielen hundert Jahren und sie handelt von Finstertal. In jenen vergangenen Zeiten waren viele Strukturen und Dinge die wir heute für selbstverständlich halten noch nicht so sehr in Stein gemeisselt wie uns die Camarilla dies glauben lassen will. Zu dieser Zeit war es möglich, dass ein altes, osteuropäisches Adelsgeschlecht, das aus unseresgleichen bestand, viele Herrschaftsgebiete sein eigen nannte. In unseren heutigen Nächten hat sich aus diesen alten, herrschaftlichen Wesen das heraus destilliert, was wir 'Unholde' nennen. Former, Tzimiscen, Clan des Drachen, ganz wie es euch beliebt. In diesen Zeiten, war es also möglich, dass ein solcher Vertreter unserer Art Herrscher über diese Region war, ähnlich wie es Prinz Buchet war. Ich lasse die Details weg so sie es denn möglich ist und umreiße sie nur. Jener Herrscher lag genauso im Krieg mit den Wolflingen, wie wir heute und auch er musste furchtbare Verluste hinnehmen. Es ist schwer zu sagen, ob dieser Vampir bis dahin das war, was unter den Menschen als gewöhnlicher Lehnsherr angesehen wurde, oder ob er schon damals als grausamer Tyrann verschriehen war, ob er durch den Krieg und seinen Verlust Wahnsinnig wurde oder schon zuvor das Land mit seiner Schändlichkeit geißelte, es ist noch nicht einmal gesichert, dass er nicht schon immer den Samen des Wahnsinns in sich trug, wie er viele unserer Art nach Jahrhunderten heimsucht. Fest steht nur, dass der Krieg und sein Verlust eine Art Wendepunkt in seiner Geschichte waren und so etwas wie der Beginn seiner dunklen Epoche. Er verlor seine geliebte Frau und konnte das nicht hinnehmen. Also begann er zu forschen und suchte einen Weg sie zurück zu holen.
Soweit also zum ersten Akt. Die Grenzen des Märchen waren gesetzt, alle Müllerstöchter, Könige und Schafsfressende Wölfe waren großzügig auf Weiler, Wälder und Throne verteilt, die Geschichte konnte ihren Lauf nehmen. Wäre das ganze Thema nicht so lethal ernst, selbst für ihresgleichen, die bei Dingen rund um das sterben wenig zu befürchten hatten, konnte man es sicher komisch finden und sich fragen, wann der erste aufstand und sich einen Kakao zur Märchenstunde holte.
Wir wissen nicht, ob er dem Clan der Könige in der Nachbarschaft einfach nur zu mächtig wurde, oder ob einige seiner Experimente aus seinen Kellern gekrochen sind und das Umland terrorisiert haben, wir wissen nur noch, dass die Blaublüter zum Angriff geblasen und den Koldunen, so nennt man die Hexenmeister aus dem Clan der Fleischformer, vom Thron stießen und ihn verbannten. Unser Feind ist aber nicht ein mächtiger alter Vampir und hier beginnt die Geschichte abstrus zu werden. Zacharii te Zoudloch, so hieß der Unhold, wurde schließlich vernichtet. Tatsächlich mittlerweile schon zweimal, aber ich greife vor. Irgendwann hat ihn irgendwer erwischt und seiner körperlichen Existenz ein Ende bereitet. Wenn ich schon eine so sperrige Formulierung wähle, könnt ihr euch sicher denken welche Richtung ich jetzt einschlage. Jahrhunderte später, etwa zu der Zeit als ich in dieser Stadt ankam, trieb etwas sein Unwesen, was wir wohl als den Geist des Vernichteten Zacharii bezeichnen müssen.
Das war die Stelle an der die Zuhörer sich wohl abwenden würden, ungläubig schnaubten oder dem Ezähler ordentlich den Vogel zeigen würden. Der Nosferatu hob eine seiner Hände mit denen spinnenbeinartigen Fingern um etwaigen Protest zu unterbinden. Auch wenn er niemandem eine Unglaubensbekundung zu diesem Zeitpunkt übel genommen hätte, musste er diesen Teil abschließen. Schließlich war er immer noch in der Vergangenheit verhaftet mit seiner Geschichte und hatte noch einen Weg bis zu der heutigen Nacht vor sich. Er hoffte, dass die Geschichte knapp genug gehalten war um niemanden zu verwirren, aber ausführlich genug, um alle ins Bild zu setzen. Stray kannte sie bereits, aber er hatte festgestellt, dass die unruhige kleine Adoptiv Nosferatu zwar nicht genug Sitzfleisch besaß um auch nur eine Bühnenpause zu überstehen, aber stundenlang gebannt zuhören konnte, wenn er eine Geschichte zu erzählen hatte, die sie spannend fand.
Hört mich erst an. Was ich erzähle sind Dinge die mir wirklich und wahrhaftig selber passiert sind. Es sind keine alten Geschichten aus dritter Hand, von seltsamen Alten, die in Erdlöchern hausen und fiebrige Phantasien aus vergangenen Zeiten fabulieren. Zacharii legte einen Fluch über Finstertal und die Menschen verloren ihren Lebenswillen. Sie wurden lethargisch, schleppten sich nur noch dahin, blieben irgendwann ganz liegen und starben einfach weg. Mit ihrem schwindendem Lebenswillen verlor auch ihr Blut seine Essenz. Es nährte den Fluch der seinerseits auf jedem von uns liegt nicht mehr und hatte nicht mehr die Kraft uns nähren. Dünner und dünner wurde es, bis wir es kaum noch schafften andere Dinge zu tun als einen Menschen nach dem anderem auszuzehren und das Phantom zu bekämpfen. Am Ende gelang es, irgendwie, wir besiegten den Spuk, zumindest dachten wir das, so wie es die Angreifer vor so langer Zeit auch gedacht hatten. Der Fluch zumindest wurde gebrochen und für einige Zeit hörte man nichts mehr von dem Dämon Zacharii.... Bis heute.
Ja, so war das. Das unwirkliche Monster das in der Dunkelheit lauerte war ein alter Bekannter. Zumindest für einige von ihnen.
Irgendwie hat er es geschafft sich bis in die heutige Nacht zu retten. Er ist schwächer, als er es damals war. Zumindest noch, aber er hat vermutlich so lange gewartet sich zu zeigen, weil die Zeit für ihn spielt. Es steht also zu befürchten, dass er auferstehen will und erneut seine Stadt für sich beansprucht. Wenn das passiert, wird es hier definitiv zu eng für ihn und unsereins. Außerdem wird er von Rache getrieben und es ist ihm herzlich egal, ob irgendjemand von uns oder von den Menschen in dieser Stadt ihm überhaupt jemals etwas getan haben, er wird uns alle ausmerzen. Wem das noch nicht reicht, wir haben noch mehr. Die ehemalige Seneschall der Stadt, Magdalena Buchet, die kürzlich von ihrem Amt zurück trat, hat mitteilen lassen dass etwas...nennen wir es die Erinnerungen, oder stellen wir uns so etwas ähnliches vor wie einen Seelensplitter, oder wie immer man die Summe dessen was ein Wesen spirituell ausmacht nennen möchten, der Frau Zachariis in die Seneschall gelangt ist, als diese sich in eine Trance begeben hatte. Diese hat verlauten lassen, dass es ein bestimmtes Ritual gibt, dass man finden und zelebrieren soll, um ihren damaligen Ehemann endgültig zur Hölle fahren zu lassen. Gestern ist versucht worden dieses zu bergen, aber es misslang und der Unhold hat offenbart, dass er über ein durchaus mächtiges Instrument verfügt. Er ist in der Lage unseren Verstand zu manipulieren, uns Dinge sehen zu lassen, die nicht wirklich sind. Das geht soweit, dass er ganze Szenen nachstellen lassen kann. Für die Betroffenen ist es außerordentlich schwer zu durchschauen, ob sie gerade Opfer einer solchen Illusion geworden sind, oder nicht. Theoretisch könnten wir uns in diesem Augenblick in einer solchen Illusion befinden, auch wenn sich für mich meine und eure Anwesenheit echt anfühlt. Ich nehme an, dass Zacharii genau dies erreichen will. Er will, dass wir anfangen an der Realität zu zweifeln. Entweder weil ihn das stärkt, oder weil es uns lähmt und daran hindert ihn zu stören. An diesem Punkt stehen wir im Augenblick.
Meine Damen und Herren, wir danken für eine Aufmerksamkeit. Erfrischungsgetränke bitte im Foyer.