Martin seufzte tief.
So wenig... Viel zu wenig
Er nickte dennoch leicht.
Nina würde er nicht erreichen können. DEr Brujah? Vielleicht. Carola? Sie... ebenfalls nur ein vielleicht.
Zu viele Unsicherheitsfaktoren.
Egal. Sie sind hier. Aus irgendeinem Grund hat sie sein Schicksal gekümmert.
Mit einem traurigen Lächeln erhob sich Martin.
Zeit für eine Rede
Er räusperte sich.
"Marco ist tot.
Er überschritt vor 5 Tagen endgültig die Schwelle des Todes.
Leider glaube ich nicht an ein Leben nach dem Tod. Vor allem nicht für solche, die unser Blut teilen. Dies ist also das einzige was von meinem geschätzten … nein… geliebten Freund übrig blieb."
Mit bedächtigen Schritten war Martin weiter gegangen, so dass er bei dem letzten Satz hinter die Urne getreten war, in der das Verbliebene von Marco war.
"Zwei Jahre kannte ich ihn. Schall und Rauch! Und doch gab mir der Sand im Stundenglas der Zeit mehr Zeit ihn kennenzulernen als jedem anderem hier.
Was kann man über Marco sagen?
Marco war ein Musiker und so will ich auch mit einem Lied beginnen.
Ich hörte es dereinst von Marco selbst und seit seinem Tod kam es mir immer wieder in den Sinn. Mit diesem Lied kann ich die Trauer, die mein Herz erobert hat wohl am besten ausdrücken." Martin räusperte sich kurz und begann dann zu singen. Die ersten Worte waren nicht ganz in der richtigen Tonlage, doch dann wurde seine Stimme zu einem dunklen Heldenbariton, der die ganze Umgebung zum vibrieren brachte.
"An angelface smiles to me
Under a headline of tragedy
That smile used to give me warmth
Farewell - no words to say
Beside the cross on your grave
And those forever burning candles
Needed elsewhere
To remind us of the shortness of your time
Tears laid for them
Tears of love tears of fear
Bury my dreams dig up my sorrows
Oh Lord why
The angels fall first?
Not relieved by thoughts of Shangri-La
Nor enlightened by the lessons of Christ
I'll never understand the meaning of the right
Ignorance lead me into the light
Needed elsewhere...
Sing me a song
Of your beauty
Of your kingdom
Let the melodies of your harps
Caress those whom we still need
Yesterday we shook hands
My friend
Today a moonbeam lightens my path
My guardian"
Martin wartete kurz und lies den letzten Ton des Liedes nachwirken.
Ich hoffe ich habe es nicht Marcos Feuer beraubt. Es ist so lange her, dass ich Musik gemacht habe.
"Warum fallen die Engel als erste. Wenn Marco ein Engel war dann sicher keiner im herkömmlichen Sinne und doch war der Funke den wir Leben oder auch Leidenschaft nennen größer als in jedem anderen hier. Ja sogar mehr als in den Meisten, die noch wahrhaftig leben.
Es ist diese Leidenschaft, die er empfand, um die wir ringen sollten.
Dieser Musiker wurde vor zwei Jahren in ein Dasein gebracht, welches seine Augen noch nicht lange genug schauen konnten um zu entscheiden, ob es eine Welt ist, in der er sein will. Seine Leidenschaft schaffte es ihn zu einem Sprung über seinen Schatten zu befähigen zu dem nur wenige fähig sind. Er schaffte es diejenige zu lieben, welche Schuld an seinem Zustand war, ohne durch ein blutrotes Seil dazu gezwungen zu werden. Solche Güte ist heutzutage schwer unter den Strahlen der Sonne als auch des Mondes.
Wir sollten versuchen nach dieser Güte zu streben.
Marco war für diese Liebe bereit in eine Welt hinaus zu gehen, die nicht nur brutal und Angst einflössend war, sondern auch nach Regeln spielte, welche der Leidenschaft und Güte in ihm mehr als nur widersprachen. Er war sogar bereit sein Dasein dafür zu opfern nicht eine Hand breit von seinen Prinzipien abzuweichen, in der Hoffnung die Regeln zu ändern.
Würden wir doch auch immer solche Integrität zeigen."
Martin schwieg kurz. Er hatte Marco sehr positiv dargestellt. Besser als ihn manch andere vielleicht gesehen hatten. Er sprach aber nicht um ihn hoch zu loben so. Die Worte zeigten das Bild das er von Marco hatte, ja vielleicht schon immer gehabt hatte.
Und doch…
" Halt!
Ich spreche in Trauer um einen lieben Freund. Doch Trauer ist nicht was Marco in den Tiefen Kammern unserer Herzen sucht.
Zu einer anderen Begebenheit hörte ich einmal jemanden etwa folgende Worte. Ich denke sie passen hier ebenso.
’Sollte ich sterben und dich zurücklassen, sei nicht wie andere verbittert niedergeschlagen. Die wachen im stillen Nebel lange und vergießen Tränen. Gehe du ins Leben zurück und lächle für mich. Stärke dein Herz und deine zitternde Hand, um etwa zu tun, das andere Herzen als deines tröstet. Vollende meine unvollendeten Aufgaben, die mir so wichtig waren, und ich werde dir darin vielleicht Trost geben.’
Mögen wir versuchen Marcos Leidenschaft, Güte und Integrität in uns selbst wieder zu finden und damit für eine Gesellschaft eintreten, die man wahrhaftig für gut halten kann."
Jeder der auch nur annähernd zugehört hatte würde erkennen, dass Martin direkte Kritik an der Camarilla übte. Martins Hoffnung jemanden zu finden, der mutig genug war Seite an Seite mit ihm zu kämpfen und sei es im Verborgenen, war sehr klein. Trotzdem musste er daran festhalten, auch wenn er notfalls alleine in eine aussichtlose Schlacht ziehen würde.
Nach einigen Sekunden, die er noch verharrte, verließ Martin seinen Platz hinter der Urne Marcos und mischte sich unter die Anderen.
Die Musik im Hintergrund schien langsam lauter zu werden bis sie wieder hörbar wurde.