AW: Vampire Live – Requiem contra Maskerade?
Domänengebundenheit schön und gut, aber eine Interdomänen-Struktur der Bünde wäre vieleicht nicht das Schlechteste. Man sollte nur nicht übertreiben.
Dazu mal aus einem anderen Forum (das "Problem" der Domänengebundenheit sehen nämlich offenbar viele):
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Schön und gut - aber wie, bitte schön, soll mit dem Requiem-Grundsatz alles auf Domänenebene, kein großes Überwerk und *Vampire reisen nicht gern* und gehen jedes Mal sozusagen fast in Rage, wenn sie wen neues treffen, überhaupt ein Verbundspiel IT gemacht werden, wo die Charaktere *umherreisen*??
Nach dem kleinen Grundsatzverständnis was mir bisher von Requiem eingängig gemacht wurde widerspricht eben jenes nem prinzipiellen Grundsatz. Also würde man doch de facto eh wieder beim Einzeldomänenspiel anstelle eines Verbundes landen, *eben weil* es kein Überwerk und tralala gibt?
Jein.
Du hast völlig Recht: Verbundspiel, d.h. "überregionales Spiel" macht per se bei Requiem weniger Sinn als bei Maskerade (wobei angemerkt sein darf, dass es inplay betrachtet auch bei Maskerade nie sonderlich viel Sinn gemacht hat (außer für überregionale Amtsträger)).
In der Umsetzung für ein überregionales Live-Spiel bedeutet das Requiem-System zunächst einmal, dass der FOKUS immer auf der lokalen Ebene liegt: Jede Domäne spielt erstmal und vor allem "für sich", muss also auch eigenständig tragfähig spielen können (Schluss mit Kleinstdomänen aus 2 SLs und 2 Spielern).
Das Überregionale ist weniger bedeutsam, ist ein "EXTRA" zum lokalen Spiel.
Und dieses will besser gestaltet - das bedeutet: besser begründet und actiongerechter geschaffen - sein.
Im überregionalen Maskerade-Play sieht die "Begründung" für die Interaktion von Charakteren über Domänengrenzen hinweg doch für gewöhnlich so aus:
"Hi, ich bin der Schorsch vom Clane Borschtsch aus der Domäne so-und-so, heut bin ich mal bei euch zu Gast, weil ich mal schaun wollt wie's bei euch so ist"
Bzw. bei neu aufgestellten SCs, die ins Domänenspiel kommen:
"Hi, ich bin der Schorsch vom Clane Borschtsch, bisher lebte ich in Domäne so-und-so, ab heut lerb ich hier, weil, ich dacht mir, warum nicht?"
Bei Maskerade gibt es keine speziellen Gründe, die dich daran hindern, aus einer Bierlaune heraus in eine andere Domäne umzuziehen oder diese mit nichtigsten oder auch völlig ohne Gründe zu besuchen.
Wozu dich Requiem mit den o.g. Gründen ZWINGT, ist, es BESSER zu machen. Eine GESCHICHTE zu erzählen. Und GRÜNDE zu schaffen, die deinen Charakter TROTZ der ganzen Dinge, die dagegen sprechen, in eine andere Domäne gehen bzw. zu dieser Kontakt aufnehmen lassen.
Mit diesen Gründen und Geschichten aber entstehen zwangsläufig auch sofort MOTIVATIONEN - und mit diesen: PLOTS.
Ein Beispiel:
Das gerade beginnende überregionale Requiem-Spiel zwischen Berlin und Lübeck begann, indem die Orgas beider Domänen eine Charakter-Verlinkung besprachen: Ein neuer SC in Lübeck, Mitglied der Lancea Sancta, hat inplay vorher in Berlin gelebt. Er hat in Berlin sein Noviziat beendet und wurde dann nach Lübeck geschickt, um von der dortigen Lancea Sancta neue Lehren zu erhalten und für seine Berliner Abtei Kopien der Lübecker Schriftwerke des Glaubens anzufertigen.
Aus den Aktionen des Spielers in Lübeck (er versuchte, seinen Bischof zu stürzen) ist nun ein Zwist zwischen der Lancea Sancta in Lübeck und Berlin erwachsen.
Der Berliner geistliche Führer des Sanktums - Matthäus - wird nun zu einem Disput nach Lübeck einladen, bei dem Vertreter beider Kirchengruppen ihre Differenzen klären und über Widersprüche ihres Glaubens streiten werden - natürlich öffentlich, denn der Glaube geht jedes Kind der Nacht an, und diese Chance, den anderen Vampiren gelebte Wahrheitsfindung und Einigkeit der Dunklen Kirche zu beweisen, will sich niemand im Sanktum entgehen lassen.
Im Schatten jener Versammlung könnten zugleich weitere Intrigen gesponnen werden: Mit den Vertretern der Lancea zweier Domänen hätte für wenige Nächte das Sanktum in Lübeck die absolute Gewalt inne - ein perfekter Zeitpunkt, um zu putschen und Feinde des Sanktums aus dem Weg zu räumen.
Dieses erahnend, bemühen sich ggf. auch Vampire anderer Bünde darum, ihre Bundesgenossen aus fremden Domänen nach Lübeck zu locken.
Ob sie damit Erfolg haben, wird davon abhängen, wie sehr sie ihren "Sieg" als "Sieg für die Sache" verkaufen können und ob sie über die Netzwerke der Bünde haben "Brieffreundschaften" zu anderen Vampiren schließen können, mit denen sie Gedankenaustausch betreiben.
Die Argumentation könnte so aussehen, dass, sollte das Sanktum von Berlin+Lübeck in Lübeck z.B. den Zirkel der Mutter "platt machen" können, das Sanktum zu Lübeck umgekehrt "den Rücken frei" hätte, ihren Geschwistern in Berlin denselben Gefallen zu tun. Der Berliner Zirkel hat also sehr wohl etwas davon, die Gefahr der Reise, das Risiko der Raserei gegenüber Fremden und dergleichen Nachteil mehr auf sich zu nehmen.
Again: Statt Besuche "einfach so, weil heut abend nix Besseres im TV läuft" zu machen (und somit zwar MEHR überregionale Abende zu schaffen, auf denen dafür aber WENIGER los ist bzw. wenig unmittelbar Sinnvolles passiert) müssen Besuche bei Requiem besser gestaltet und vorbereitet werden.
Dies sorgt zwar für WENIGER überregionale Abende, dafür aber für BESSERE.
Und plus: Wer als Spieler zu den Vielreisenden gehört (auch solche Extrem-Oft-Außerhalb-Spieler gibt's ja), dem eröffnet Requiem mit dem Quellenband NOMADS ein ganzes Sammelsurium an Ideen, warum ein Vampir auch im Requiem System von Domäne zu Domäne reisen könnte (ein Beispiel: Wer mit seinem Mekhet des Invictus gerne auf jeden überregionalen Domänenabend möchte, könnte sich das Konzept basteln, ein BOTE (Kurier) seines Bundes zu sein (der zu Recht fürchtet, überregionale Dialoge via Telefon oder Mail könnten abgehört werden))
*grins*
Also streng genommen isses doch so:
- Masquerade wird zu einem "schlechteren" Spiel, weil viele der Spieler sich wenig Mühe mit ihren Charakteren und ihren Hintergrundgeschichten geben...
(Zitat: "Hi, ich bin der Schorsch vom Clane Borschtsch aus der Domäne so-und-so, heut bin ich mal bei euch zu Gast, weil ich mal schaun wollt wie's bei euch so ist")
... obwohl eigentlich auch das System der Camarilla sie zwingen sollte, es besser zu machen.
- Masquerade wird zu einem "schlechteren" Spiel, weil sich SLs nicht überregional auf einen konsistenten Background einigen können / wollen. Eine "einfache" Lösung (die aber keiner will) wäre, Masquerade ohne Verbund in kleinen Einzelchroniken zu spielen...
... und hier ist Requiem besser, weil es eigentlich kein überregionales Spiel gibt und somit keine gemeinsamen Backgrounds. Nur wird das Reisen Intime unlogisch und das Verbundspiel hat sich eigentlich erledigt...
In other words:
Das System Masquerade an sich ist schon ok, die Camarilla als System ist auch ok, es gibt nur auf den Spielen und im Verbund Probleme, weil sich die SLs nicht auf konsistente Backgrounds einigen können,
weil viele Spieler sich nicht ordentlich in die Camarilla-Regeln, die Traditionen und ihre Clans einlesen (wollen) und / oder zu faul sind, sich ausführliche und interessante Charaktergeschichten zu überlegen, die über den Schorsch aus Buxtehude, der mal auf Besuch ist, hinausgehen.
Und jetzt erklärt mir doch nochmal kurz, wie Requiem diese omnipräsente Spielerfaulheit in den Griff kriegen soll??
Das erinnert mich gerade so ein bisschen an das Gesetz, die Jugendgewalt in den Griff zu kriegen indem man Killerspiele verbietet
Jetzt bloß nicht völlig falsch verstehen:
Requiem ist bestimmt ein cooles System, mit dem man sehr stylische Stories und ambientige Spielabende auf hohem Niveau kreiren kann. Wenn ich die Zeit hätte, mich ausgiebig einzulesen, würde ichs gerne mal ausprobieren.
Mir fehlt nur gerade der Glauben, daß ein Umstieg auf dieses System irgendwelche vorhandenen Probleme lösen würde.
Wiederum: Jein.
Denn: Das Maskerade-System tut nichts aktiv dafür, dass Spieler und Orgas sich mehr anstrengen müssen.
Im Gegenteil: Mit der Titelstruktur, den klar formulierten Hierarchien und Werten wie "Clanprestige" etc. kann sich bei Maskerade jeder Depp (pardon) seinen Stand im Überregionalen Play vom Start weg "kaufen" und dann darauf pochen, dass es seitens aller anderen Spieler "schlechtes Rollenspiel"(tm) ist, seinen super-angesehenen Malk-Ancilla mit dem pinkfarbenen Teletubby-Kostüm nicht ehrfürchtig zu behandeln.
Was Requiem tut, ist das System solide auf solche Füße zu stellen, die ein Live-Spiel aktiv begünstigen, statt es - wie Maskerade - auf Schritt und Tritt zu behindern.
Bei Requiem kannst du dir keinen überregionalen Stand und Einfluss kaufen. Du bist nur exakt eine so große Nummer, wie du es dir durch dein wirkliches Spiel wirklich selbst erarbeitest.
Ob dein Charakter anerkannt oder sogar verehrt wird, hängt nicht länger von Offplay-Faktoren ab (gekaufter Titel, Stand, Amt, 5.000 Seiten Hintergrundstory inklusive "ich war Augenzeuge, als (setzen Sie ein beliebiges, eigentlich geheimes und nur wenigen Vampiren inplay, dafür allen Spielern offplay bekanntes Ereignis der Camarilla-Geschichte ein)") sondern nur davon, ob du deinen Charakter angemessen spielen und darstellen kannst.
Die "Verzerrung" zwischen Inplay und Offplay verschwindet weitestgehend.
Wenn du so willst, hat Requiem erkannt, dass es schlicht UNMÖGLICH ist, jeden Spieler dazu zu bringen (bzw. zu zwingen) sein volles Potenzial zu entfalten und volle Mühe in sein Spiel zu stecken.
Somit ist Requiem den Weg gegangen, jedem einzelnen Spieler (und dessen Charakter) die Mittel in die Hand zu geben, nasiges Verhalten bestrafen und tolles Gebaren beloben zu können:
Das System reguliert sich selbst. Und das INPLAY ebenso wie OFFPLAY.
Die Schere um alles "Hätte, Könnte, Würde" und "Eigentlich Müsste Jetzt" ist WEG!!!
Was ist, ist.
Was nicht ist, ist nicht.
AAS