AW: Thema: "Rollenspiele" erschöpft?
@Nogger
Die Konzepte sind idR die selben, sollten es aber nicht sein - genau das ist der Grund für die schlechte Qualität so vieler Rollenspiele. Bevor die Mechaniken an sich stehen, sollte ein Spieledesigner zunächst ein Konzept entwickeln, das etwas taugt. Einige Forge-Spiele sind exzellente Beispiele für gute Konzeptarbeit. Wenn das Konzept verpfuscht ist, kann man sich die weitere Entwicklung des Spiels eigentlich sparen. Bevor man ein Küchengerät baut, sollte man sich ja auch darüber im Klaren sein, ob es eine Mikrowelle, ein Toaster oder etwas ganz Anderes sein soll.
Anschließend muss natürlich auch die konkrete Umsetzung erfolgen. Wenn die verpfuscht ist, ist das Ergebnis natürlich auch Müll.
Der Kern und die Schwierigkeit jeglichen Designs liegt im Schritt vom Konzept zum Werk. Es ist nicht schwierig, zu beschließen, ein trauriges Bild malen zu wollen und es ist auch nicht schwierig, Farbe auf die Leinwand aufzutragen. Das Entscheidende ist, die Farbe so aufzutragen, dass ein trauriges Bild entsteht.
Die meisten Rollenspiele haben zwar Konzept und Regeln, aber die Regeln stehen in keinem sonderlich intensiven Verhältnis zum Konzept. Und genau wie ein Bild, das seiner Intention nicht gerecht wird, ist ein Spiel, das seinem Spielziel nicht gerecht wird, schlichtweg scheiße.
Ich denke, er redet von den Regeln.
Ja, stimmt. Setting, Abenteuer, Kurzgeschichten und Romane von DSA und oWoD ließen sich natürlich nicht in einem Band unterbringen.
Meinst du (Cyberjinn) jetzt, das die Regeln eines Spieles auf das Setting oder die Ideen gründen sollten?
Setting und System sollten sich nach dem Spielziel richten. Bei (A)D&D ist das ein klassisches Kräftemessen zwischen Protagonisten und Antagonisten, bei Gurps die Simulation einer beliebigen Spielwelt und bei der oWoD angeblich das Erzählen von Geschichten zum Thema Entmenschlichung. Bei (A)D&D klappt das prima, bei Gurps größtenteils auch und bei der oWoD wurde es voll in den Sand gesetzt, weil WW leider nur stumpf von den beiden erstgenannten Spielen geklaut hat, die aber einen völlig anderen Anspruch haben. Hier und da wurden die Regeln etwas zurechtgebogen, aber aus nem Toaster kann man halt keine Mikrowelle bauen.
Ich komm grad nicht mit wegen AD&D und GURPS, da fehlt mir die Logik.
Fast alle gängigen Regeln stammen ursprünglich aus (A)D&D, wo sie auch am besten funktionieren. Punktegenerierung ist ne Gurps-Erfindung, wo das ebenfalls am besten funktioniert. Entsprechend sind das die einzigen beiden Spiele unter den bekannteren Rollenspielen, die mechanisch keine reinen Plagiate darstellen.
Doesn't matter at all. Natürlich kommen neue tolle Sachen raus, wär ja traurig wenn nicht. Ratten fand ich da bspw. auch ganz großartig. Aber trotzdem ist es ein Fakt, dass es das meiste (!) schonmal in einer sehr ähnlichen Variante gab und hier und da nur noch neue Regeln (die meistens auch nicht soo neu sind) und kleine Setting-technische Veränderungen hinzukommen. Die großen Sprünge oder Kombinationen sind alle bereits gemacht.
Ich gehe da auch gar nicht mal von irgendwelchen Fakten aus, dafür hab ich zu wenig Ahnung vom Markt. Aber wenn ich bspw. lese "Dystopisches Rollenspiel", bin ich schonmal demotiviert, weil selbst ich davon schon ne ganze Reihe gesehen hab. Das selbe mit Fantasy, Horror, Mystik, you name it. Degenesis bspw ist eine ganz tole Welt mit neuen Aspekten, Konflikten usw. Aber irgendwie kommt es mir so vor, als hätte ich das alles schonmal irgendwie gesehen. Und wenn ich dann dazu noch ein neues Regelsystem lernen muss, dass in den allermeisten Fällen (!) auch nur mittelmäßig ist, kann ich verstehen, warum sich die großen Verkaufszahlen doch sicher auf ein Dutzend Spiele verteilen, oder?
Wie gesagt, natürlich kommt neues, es wird kombiniert, erweitert, aber die grundlegenden Settings sind irgendwie alle schon da und imho auch übersättigt.
Nein, das Problem ist nicht, dass alle Möglichkeiten bereits ausgeschöpft wären, das sind sie bei Weitem nicht. Das Problem ist vielmehr, dass die meisten Rollenspiele aus zusammengeklauten, allenfalls kosmetisch veränderten Regeln bestehen.
Kann ich jetzt irgendwie nicht im geringsten nachvollziehen. Aber wenn ich das richtig verstehe, sollte D&D4 ja eine Offenbahrung für dich sein. Ich finde, bei einem guten Rollenspiel muss das alles zusammenkommen. Der psychologische Begriff Rollenspiel ist ursprünglich etwas, das mit großartigen Spielregeln wenig am Hut hat, und so verstehe ich auch das Rollenspiel-Spiel. Nur, dass es keinen direkten Zweck hat, außer dem Spaß.
Da missverstehst du den Begriff "Spiel".
Ein Spiel im Sinne der Spieltheorie und damit auch der Mechanismusdesigntheorie ist eine Kette von Entscheidungen mehrerer Teilnehmer, die sich in ihren Entscheidungen gegenseitig beeinflussen. Psychologisches Rollenspiel ist ebenso ein Spiel wie Schach, Twister, Verstecken oder Flaschendrehen.
(A)D&D ist deshalb ein vorbildhaftes Rollenspiel, weil es nicht versucht, etwas Anderes als ein Spiel zu sein. Polaris ist in diesem Punkt ebenso vorbildhaft. Bei Letzteren handelt es sich dabei um ein Erzählspiel, nicht um ein Wettbewerbsspiel.
Der wesentliche Unterschied zwischen einem Spiel und einem Buch besteht (laut Spieltheorie, Sozialwissenschaftler mögen da teils anderer Meinung sein) darin, dass beim Spiel Kommunikation aus Handlungen heraus entsteht, während beim Buch Handlungen aus Kommunikation entstehen. Obwohl sich beide Faktoren natürlich stets gegenseitig beeinflussen, kehrt das Spiel die konventionelle Reihenfolge von Kommunikation um.
DSA4 ist deshalb ein schlechtes Rollenspiel, weil es die grundsätzliche Funktionsweise von Spielen ignoriert und versucht, ein Buch zu sein. Da die Story eines durchschnittlichen DSA-Abenteuer unabhängig von den Teilnehmern existiert, kann es nicht Gegenstand des Spiels sein. Das wäre noch nicht weiter schlimm, wenn nicht der Fokus des Spiels auf genau diesem statischen Element liegen würde. So bleibt der Spielcharakter von DSA auf der Strecke und statt dessen ist ein Produkt daraus geworden, das sich als statische Erzählung behaupten muss - und fortschrittlicheren Medien wie Büchern, Filmen und Hörspielen unterlegen ist.