AW: Thema: "Rollenspiele" erschöpft?
Savage Worlds ist ein generisches, aber KEIN UNIVERSELLES Rollenspielregelsystem.
Wer das einmal realisiert hat, dem ist klar, daß SW vieles kann, was in seinem Anwendungsbereich der mit groben Pinselstrichen gemalten Settings, der schnellen Action-Szenen, der geringen Buchhaltung und des schnellen Settingwechsels an Anforderungen existieren.
Savage Worlds ist aber nicht Harnmaster, nicht Rolemaster, nicht GURPS, nicht Ars Magica, nicht ...
Es hat keinen Anspruch ein Setting in den letzten Detailtiefen auszuloten - warum auch? Das nächste coole Setting ist doch gleich um die Ecke.
Zogi, the High Priest: Do you, Ming the Merciless, Ruling Roleplayer of the Universe, take this Setting to be your Gameworld of the Hour?
The Emperor Ming: Of the hour, yes.
Zogi, the High Priest: Do you promise to use it as you will?
The Emperor Ming: Certainly!
Zogi, the High Priest: Not to sell it on Ebay?
[Ming glares at Zogi]
Zogi, the High Priest: Uh, until such time as you grow weary of it.
The Emperor Ming: I do.
SO gehen Savages mit ihren Settings um. - Kein Lehrstuhl für Aventuristik, kein "Get Gregged" der Gloranthophilen, keine MONOGAMIE!
"Wer zweimal durchs selbe Setting rennt, der gehört zum Establishment!"
Skalierbarkeit - eine der Stärken von Savage Worlds:
Skalierbarkeit - SW hat schnelle, abstrakte Regeln die alles möglich machen (was grundsätzlich schonmal super ist), es mangelt aber an Optionen, wenn ich die Dinge detailierter oder variiert haben will.
Es mangelt nicht etwa an Optionen, die Dinge detaillierter oder variierter zu machen. - Die sind einfach NICHT DA.
Warum? - Das ist doch nicht Skalierbar! - Ich WILL mein Rollenspiel im Submicromaßstab spielen können. Hartwurst? Das ist noch viel zu grobgranular und mangelt an Details. Es MUSS einfach detaillierter sein.
Kampfrunden im Zehntelsekunden-"Tick", einen "Urinate"-Skill, usw. - Das ist alles unterhalb des Ansatzpunktes von Savage Worlds.
Savage Worlds startet auf einer gewissen (zwar immer noch variierbaren, aber eben nicht beliebig fein herunterschraubbaren) Detailebene und skaliert von dort aus AUFWÄRTS, also ins Grobe, endlos weit. - Vom detaillierten Revolverduell in DL:R bis zu Massenschlachten von Großkampfraumern ist alles drin.
Aber feiner als den ausgetragenen Staring-Contest im Rahmen eines Revolverduells wird es nicht.
Wer feiner möchte, oder wer feiner braucht, der muß woanders suchen.
Man schaue sich mal die - eigentlich sogar immer noch ziemlich lange - Fertigkeitsliste bei Savage Worlds an und vergleich das mal mit der Fertigkeiten-PEST, die andere Regelsysteme ihren Spielern zu BEHERRSCHEN zumuten.
Wollte man Savage Worlds in diese Richtung "skalieren" lassen, dann wird SW an Fahrt verlieren, mehr Buchhaltungsaufwände, mehr Kleinscheißigkeit und einfach mehr Zeitverschwendung und WENIGER ABENTEUER aufweisen. - Und das kann KEIN Savage jemals wollen.
Ich mag z.B. das Konzept von ED, das man Skills kauft und dadurch levelt, statt durchs Leveln Skills zu bekommen - mMn ein Konzept, das gerade bei levelbasierter Magie/Psionic... (also bei SW: Supernatural Powers) gut greift.
Du "kaufst" Dir für 5 XP ein Edge. Das bringt Dich um 5 XP höher in Deinen Gesamterfahrungspunkten. Dadurch hast Du einen Level-Up gemacht.
Die grobe Granularität bei SW stellt mit einem Level-Up ja auch GROSSE BROCKEN an Charakterfähigkeitenzuwachs einem KLEINSCHRITTIGEN Stufensystem gegenüber. - Man bekommt jede zweite Spielsitzung (mindestens) einen Level-Up, für den man sich meist EINE neue Fähigkeit (bei Skills auch mal zwei) aussuchen kann.
Wenn man den "Grad" einer Spielerfigur wie in Midgard durch feinstgranulares Akkumulieren von mehreren Arten XP plus deren aktiv als Spielinhalt auch in-game betriebener "Umsetzung" mit Geld, Zeit und eben XP in GFP anhand des Überschreitens von Schwellenwerten an GFP bestimmt, dann kann man das machen. - Das ist aber so UNSAVAGE, wie es geht.
Bedenke:
Auch "unzerbrechliche" Kämme kann man soweit biegen, daß sie eben DOCH brechen.
Man kann ein Regelsystem wie Savage Worlds, das einen sehr weiten, aber NICHT unendlichen(!), Anwendungsbereich hat, auch versuchen solange zu verbiegen oder in die "Gußformen" anderer Regelsysteme reinzuklopfen, bis es bricht. - Aber was hätte man dann davon?
Für andere Vorlieben gibt es doch eine FÜLLE an anderen Rollenspielen, die genau den eigenen Geschmack an Granularität, Details, Micromanagement bieten. - Man muß sich keinen Formel 1 Wagen kaufen und sich dann beschweren, daß der Dachgepäckträger für die Skier und die Hängerkupplung für den Wohnwagen nicht gut passen.
Ebenso finde ich das Prinzip von Technology-Trees in (PC-)Strategiespielen gut übertragbar, zwar wird auch hier mittels "Prerequisits" bereits etwas getan, aber doch eher nur im kleinen Stil.
Gleicher Punkt: Noch mehr Details sind es NICHT WERT. - Die blähen nur Teile eines Regelsystems auf, die ständig benutzt werden, und die AUF GESCHWINDIGKEIT hin optimiert wurden, und nicht auf Detailtiefe.
Beispiel für Totgeburten: Das Cortex-Regelsystem des Serenity-Rollenspiels gleicht auf den ersten Blick Savage Worlds (wie eine Apfelsine einem Apfel gleicht). Daher fingen Leute an die Fertigkeitsspezialisierung über d6 an Fertigkeitswert hinausgehend aus Serenity-RPG in ihr SW zu stopfen. Und merkten, daß sie bei dieser Spezialisierung eigentlich mehr Skillpunkte bei Charaktererschaffung und mehr Skillsteigerungen bei Level-Ups bräuchten, sowie daß sie plötzlich die SW-Edges, die im Original OHNE diese feinergranulare Unterscheidung z.B. Shooting als nur einen einzigen Skill aufgefaßt hatten, multiplizieren mußten - prinzipiell für jede Spezialisierung, die auf Edges oder Hindrances Auswirkungen hat, splitteten sich diese Edges/Hindrances auf.
Resultat: Man spielt doch wieder mit dem normalen Savage Worlds Regelsystem und dessen Granularität ODER mit Serenity-RPG. - Regelmechanismen auf diese Art zu verwursten führt im Ergebnis zu einem Resultat, welches SCHLECHTER ist als jedes einzelne der Ausgangs"materialien" für sich genommen.
Sagte ich schon:
"Don't convert the system! Convert the setting."?
Kampagnen-Werkzeuge - eine der Stärken von Savage Worlds:
Kaum ein Rollenspiel liefert den Spielleitern soviel Material und Hilfestellungen für den Kampagnenbau wie Savage Worlds mit seinem Baukasten-Charakter.
Kampagnen-Werkzeuge - SW bietet mit seinen PlotPoint-Kampagnen und Savage Tales bereits ein modulares Baukastenprinzip für Kampagnen,
Nicht ganz. - Es bietet BEISPIELE, wie man eine Kampagne als lose gekoppelte Plot-Point-Kampagne bauen kann. Es bietet BEISPIELE, wie man eine Kampagne auf Basis von Abenteuer-Generatoren bauen kann. Es bietet ein Beispiel (Evernight), wie man eine stinknormale lineare Kampagne bauen kann.
Das sind BEISPIELE aber KEINE "Baukästen". -
Der Baukasten ist das GRUNDREGELWERK!
Im Grundregelwerk wird das fundamentale Vorgehen bei der Erschließung eines EIGENEN oder eines FREMDEN (Conversions!) Settings für Savage Worlds dargelegt. - Ich habe nach einigen Jahren stetiger Erstellung einer Vielzahl an Conversions für den Hausgebrauch die praktische Erfahrung gemacht, daß die Empfehlungen im Spielleiterteil des Grundregelwerks (besser die in der Revised Ed, da die SW:EX hier ärgerlicherweise gekürzt ist) ALLES sind, was man für den Bau eigener Kampagnen BRAUCHT.
Braucht, nicht etwa "haben will". - Wollen kann man immer noch mehr. Z.B. die Toolkits, weil sie einem Arbeit abnehmen.
dennoch wird hier vorgegeben statt Hilfe zur Selbsthilfe geleistet.
Nun, ein KAMPAGNENBAND ist eben KEIN Baukasten, sondern erst einmal ein Kampagnenband. - Daß mittels der z.T. mehrfachen Abenteuergeneratoren in Savage-Settingbüchern auch jede Menge eigener Kampagnen gestrickt werden können, ist zwar der Fall, doch ist das ein netter Zusatz, nicht jedoch die Hauptfunktion eines Savage Settingbandes.
Irgendwann ist das Setting durch, und wenn man dann im Setting verweilen will, muß man als SL doch wieder bei Null anfangen.
Und warum sollte man im Setting "verweilen" wollen? - Die klassischen Plot-Point-Kampagnen in Savage Settings "retten die Welt" - d.h. das Setting ist DURCHGESPIELT.
Klar kann man auch noch nach Saurons Ableben in Mittelerde spielen, bis sie irgendwann mal die industrielle Revolution bekommen werden. - Doch "the Good Parts" sind hier bereits allesamt abgehakt.
Savage Worlds bietet natürlich das Potential mehr aus den mit grobem Pinselstrich gezeichneten Savage Settings, für die nur soviel Information veröffentlicht wird, daß es reicht die Plot-Point-Kampagne durchzuspielen, herauszuholen. - Aber das wäre alles mehr Detail zu einem Setting, wo der HAUPTKONFLIKT in der Spielwelt bereits durch die PP-Kampagne gelöst wurde.
Verlagspolitik: Wozu lauwarme "Die Rückkehr der zurückgekehrten Rückkehrer-Mumie: Reloaded - Teil 2"-Settingbände produzieren, wenn noch jede Menge anderer NEUER und FRISCHER Settings auf das Licht des Tages warten?
Savages sind in den meisten Fällen keine Setting-Monogamisten, die einmal "Ja" zu einem Setting gesagt haben, und dann nie wieder ein anderes anfassen wollen. - Bei Savages ist "Aventuristik" als Wissenschaft oder "Gloranthaphilie" als psychische Störung nicht zu finden.
Keinerlei Werkezeuge oder Bausteine zum Worldbuilding.
Grundregelwerk: Spielleiterkapitel. - Alle Toolkits. - Alle Spielleiterkapitel der Settingbände.
Was fehlt Dir denn noch? - Just add you own imagination. Stir. Play. (Man beachte: KEINE langwierigen Berechnungen des Albedo-Faktors, kein Wurzelziehen beim Spielweltbau, keine historischen Recherchen über das Handwerkswesen der Hethiter. - Alles nicht notwendig. Nur das Notwendige ist notwendig.)
Zum Charakterhintergrund in Spielerselbstbestimmung:
Mehr Tiefgang für Charaktere - SW überlässt es dem Spieler, wie ausgestalltet der Charakter-Hintergrund daher kommt.
Toll, nicht? - Endlich wird dem Spieler überlassen, Entscheidungen über seinen Charakter und dessen Hintergrund zu treffen.
Es gibt KEINE verpflichtenden 20-Seiten-Charakterhistorien-Schulaufsätze, es gibt keine idiotischen Mischungen aus Herkunftsregion, Stand, Beruf, Karriere (Thorwaler sind alle IDENTISCHE KLONE!).
Der Spieler darf sich selbst überlegen, OB, falls ja WIE TIEF, WIE UMFANGREICH und WIE DETAILLIERT er seinen Charakter auslotet.
Wer das für einen Nachteil hält, möchte seine Spieler vermutlich mehr gängeln und mehr in die dem Spielleiter genehmen "Plätzchenformen" stopfen, statt ihnen selbst Gestaltungsfreiheit zu geben.
Mindestens als optionale Komponente würde ich mir aber ein Lifepath-System (oder besser, Werkzeuge und Module zum erstellen von Lifepath-Systemen) oder eine System wünschen, indem der Charakter-Hintergrund auch regeltechnisch Auswirkung haben (wie bei 7th Sea u.ä.)
Zum Lifepath:
Normalerweise ist ein Life-Path-System ein auf ein bestimmtes SETTING bezogenes System zur Vorgeschichtenerzeugung mit Spielwertrelevanz. - Daher gehörten diese, wenn überhaupt, zu einem Settingband dazu.
Lifepath-Systeme nehmen den Satz "Denke Dir soviel über den Charakterhintergrund aus, wie Du magst", und machen das zur abendfüllenden, allwöchentlichen Deutschland-Sucht-Den-Charakterhintergrund-Show. - Dieses Mehr an Detail PASST aber nicht jedem Spieler.
Wenn ich mir einen coolen NE-Superschurken überlegt habe, inklusiver untoter, radioaktiver Spinne, die mich während ich kosmischer Strahlungen ausgesetzt wurde, als ich mein Erbe der Alten Götter entdeckte, dann möchte ich NICHT ein Life-Path-System, welches mich auswürfeln läßt, oder als Folge eines würfellosen Entscheidungsbaumes dahingelangen läßt, daß ich UNSUPER bin. - Das wäre MEGA-SUPER-SCHEISSE.
In manche Settings passen Zufallsgenerierungen gut rein: in Gamma World das Auswürfeln der Mutationen.
Bei Savage Worlds ist es aber doch so, daß man bei der Charaktererschaffung ZUERST den Schritt des Charakterkonzeptes hat. - Und alles, was nicht in diese Richtung führt, ENTWERTET die Mühe, die man sich mit dem Finden eines Charakterkonzeptes gemacht hat.
Life-Path ist längst nicht die "Silver Bullet" der Charaktererschaffung, sondern nur ein Aufblähen von "Denk Dir soviel an Hintergrund aus, wie Du magst."
Nebenbei: Es gibt ja den Savage Worlds Charakter-Builder-Toolkit, der zur Reihe der Fantasy-Toolkits gehört. Dieser stellt ein Life-Path-System dar, welches settingunabhängig (gedacht für D&D-like Fantasy mit Elfen, Zwergen, usw.) Charaktere über ihren Lebensweg mit Spielwerten, Attributen, Skills, Edges, Hindrances, Powers, Ausrüstung, Beziehungen usw. versorgt.
Das ist der am schlechtesten verkaufte Teil des Fantasy-Toolkits.
Warum nur?
Savages:
Wenn Du es Dir vorstellen kannst, kannst Du es auch spielen.
Zu den regeltechnischen Auswirkungen des Charakterhintergrundes:
Hast Du jemals Wiggys
Whispers from the Pit zu Common Knowledge gelesen? - Vermutlich nicht.
Common Knowledge ist der Zugriffsmechanismus via Regeltechnik auf ALLES, wirklich ALLES, was im Charakterkonzept angelegt worden ist und nicht ständig so wichtig ist, daß man dafür einen Skill, ein Edge, eine Hindrance gebraucht hätte.
Background Edges, Racial Edges, Professional Edges - Hier sind die detaillierteren und auch häufiger im Spiel relevanten Aspekte des Charakterhintergrundes zu finden.
Ein Red Knight in Evernight, ein Ordensritter des Brenner-Ordens in Necropolis, ein reicher Plantagen-Besitzer aus Georgia in DL:R - das hat ALLES sowohl "weiche" Effekte, wie auch harte, regeltechnische Auswirkungen.
Es hilft, sich das SW-Grundregelwerk immer mal wieder sehr genau durchzulesen. - In vielen "einleitenden" Absätzen steht - im Gegensatz zu vielen anderen Rollenspielen - eben nicht leeres Geschwafel, sondern KLARE HINWEISE, was mit diesen Regeln gemeint ist, wofür sie gedacht sind, und was man mit ihnen alles machen kann.
Siehe Background Edges - allein der Name sollte ja klarmachen, daß es sich hierbei um Aspekte des Charakterhintergrundes handelt, die regeltechnisch gefaßt werden.
Savage Worlds ist mMn wirklich ein großer Wurf, aber man sollte sich da nicht drauf ausruhen sondern in dieser Richtung weitergehen.
Wer ist "man"?
Pinnacle ruht sich nicht aus - und die Savage Worlds Lizenznehmer noch weniger!
Mit jedem Setting erhält SW neue Facetten, die zeigen, was man alles noch damit machen kann, und WIE man es machen kann.
Postulierst Du eine komplette Neuentwicklung im Stile des Baukasten-Ansatzes von Savage Worlds? Von welchem Verlag? Auf welcher Basis? In welchem Umfang?
ich hätte mit Savage Worlds Probeleme bei Dingen wie ... Engel.
Stimmt. Meine Engel-Conversion hat mich nicht so überzeugt. Was mich letztlich überzeugt hatte, daß man mit Savage Worlds DOCH "Engel" spielen kann, war Necropolis. - Außer, daß man dort Erwachsene ohne Flügel spielt, ist es wie Engel. Nur mit funktionierenden Regeln. Aber mit aller charakterlichen Tiefe, allem Schmerz, Leid, Heldenmut, Opferbereitschaft und - mit DER LÜGE. (Bei Engel ist der große Rote Faden des Settings DIE LÜGE. Bei Necropolis auch.)
Wann taucht Zornhau eigentlich hier auf?
ICH WAR SCHON IMMER HIER.