AW: Thema: "Rollenspiele" erschöpft?
Wahrscheinlich habe ich jetzt aber gerade unwissend Everway beschrieben,
Und wie! - Das mit den Karten, die für den Charakter, Hintergrunderschaffung und die Bestimmung von Einflüssen auf den Charakter, sowie für die Szenario-Erschaffung und auch für die Spielwelt-Erschaffung (die Sphären bei Everway) herangezogen werden, ist
Everway. Sehr optisch orientiert. Sehr viel Anregung seine Phantasie beim Betrachten der Bilder schweifen zu lassen.
Und so könnte man es vermarkten:
- Ein nettes Hardcover mit den (ruhig umfangreich/komplexen) Grundregeln zu Charaktererschaffung, -aufstieg und Konfliktregeln
- Diverse kostengünstige Kartensets, die neue Themen/Genres/Erzählfäden präsentieren
Everway wurde als BOX mit Regeln für die Charaktererschaffung, Spielweltbeschreibung (naja, einem winzig kleinen Teil dessen, was die Sphären-Idee hergibt), Abenteuer, Anleitung für das Fortune Deck, Karten für die Auflösung von Unsicherheiten - besagtes Fortune Deck, sowie Karten zur "Inspiration" für eigene Charakter, Szenarien, Welten - die sogenannten Vision Cards, ausgeliefert.
Eine Box bietet sich für so etwas auch an, denn irgendwo will man seinen ersten Grundstock an Karten ja aufbewahren. Am Besten da, wo auch das Regelwerk ist.
Dann gab es "Booster" für die Vision Cards. Zum Sammeln (WotC halt). Die haben neue Themen/Genres/Erzählfäden präsentiert.
Das war vor 13 Jahren.
Und es war ein ÖKONOMISCHES DESASTER.
Everway wurde mit dem Untertitel "Visionary Roleplaying" präsentiert. - Doch die ökonomische Vision war offensichtlich etwas getrübt.
NEUE (potentielle) Rollenspieler wußten mit dem Kartengedöns nichts anzufangen. Vor allem: man halluziniert über irgendwelche Karten, und was hat das nochmal damit zu tun, daß man irgendwie seinen Charakter darstellen soll, der sich sowieso nur in mageren vier den Klassischen Elementen zugeordneten Werten ausdrückt?
Everway für die "Uneingeweihten" bedeutet ein großes
Häh? WTF?
ALTE Rollenspieler, die "richtige" Regelsysteme und GREIFBARE Spielwelten und VERLÄSSLICHE Spielweltbeschreibungen gewohnt waren, bekamen hier die Aufforderung herumzuspekulieren und über Karten zu sinnieren, wo sie sonst die World of Greyhawk oder Krynn oder andere Spielwelten mit "Fleisch dran" kannten. Das New-Age-Karten-Fabulieren zu Duftöl-Lampen, Patchouli, Sitar-Musik, auf einem Naturhanf-Meditationskissen hockend und in seine eigene Göttlichkeit lauschend - das war nicht das, wozu die harten Kämpen, die gewohnt waren sich einen blutigen Tunnel durch das Fleisch der heranbrandenen Gegnerhorden zu schneiden, während auf dem Tisch als Imaginationsbrennpunkt ihre liebevoll bemalte Zinnfigur auf der Battlemat stand, einen Zugang hatten.
MITTELALTE Rollenspieler, mit Faible für New-Age-Gedöns, mit Hang zu schönen Bildern und gemütlichem Duftöl-Ambiente, die waren die eigentliche Zielgruppe für Everway.
Zu dumm, daß es davon schier KEINE gab (und auch immer noch nicht nennenswert viele gibt!).
Dieser Ansatz, so schön er gedacht ist, so phantasievoll und liebevoll und hingebungsvoll er umgesetzt wurde, war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Und zwar, weil es ein Ansatz war, wie er auch von Skar im Thread "Chancen für das Rollenspiel" im Löwenclub vorgestellt wurde: Rollenspiel-Material zu produzieren, daß immer weniger von Rollenspiel hat und somit das Hobby eigentlich schwächt statt stärkt.
Andere Sichten auf Everways Fehlschlag gibt es hier:
Everway had an unfortunate history. It was first published by Wizards of the Coast back in the 1990s, when WoTC had just become wealthy on the sales of the first big commercial collectable card game, Magic: The Gathering. In those days, TSR was the dominant RPG company, owner of the pre-eminent Advanced Dungeons & Dragons 2nd Edition, and Hasbro made stuffy old family games and toys.
Wizards wanted a way to introduce Magic players to RPGs. Their game needed to be simple to play, easy for novices to create characters and start playing them, and be attractive to players of the Magic card game. Veteran designer Jonathan Tweet obliged, creating a game with simple rules, card-based game mechanics, a way to sell booster packs with a random selection of cards, no odd polyhedral dice, and a means for generating characters that's remarkably simple. Tweet was able to discard or drastically pare down all of the parts of role playing games that require quantification and complexity: character generation, combat, experience, and magic.
Physically beautiful, loaded with eye-appeal, backed by a popular gaming company with good connections and deep pockets, and with a large target audience, Everway should have become a big hit. But it didn't. Everway's failures were economic. It was rather expensive ($35 for the boxed set, at a time when most RPGs released books at half the price), and it was sold through WoTC's collectible card game distributers, who wanted no part of it. In fact, the distributors were forced to carry it if they wanted to sell the Magic card game. The distributors, in turn, dumped it on the stores who were selling Magic, many of which also had no interest in selling RPGs. They lowered prices to try to dump the game, and RPG retailers were forced to follow suit. The price drops and the unusual game mechanics convinced people the game was a turkey, and they avoided it. Jonathan Tweet later called the game the worst failure he'd ever designed, although the failure was due to marketing, not design. Wizards dropped all their RPGs shortly afterwards, and soon bought TSR, gaining ownership of the biggest RPG in the market. There was no need to maintain separate designs of their own any more.
Der gesamte Artikel findet sich
HIER im Museum der Rollenspiele.
Leute, die sich für Rollenspiele interessieren, also vornehmlich für das Spielen von Charakteren, für das Eintauchen in fremde Welten, für das Überwinden von Herausforderungen in der Gemeinschaft, sind von ihrer ART her so ganz anders als die zarten Bildbetrachter und Fabulierer, die Everway vornehmlich anspricht.
Everway ROCKT leider nicht hart genug!
Daher ist Everway auch TOT.
Der häßliche Bruder Everways war Engel, welches sich aber um ein funktionstüchtiges Regelsystem gedrückt hatte (somit OHNE Regeln! ausgeliefert wurde), und welchem nur als "Spielzeug" ohne Anleitung die auf den Everway-Usurpator "Herr der Fliegen" umgemalten Fortune-Deck-Karten beigelegt waren.
Engel hatte den Vorteil, daß es als NDE-Spiel die Deutsche Morbidität bediente. Wenn etwas nur modert, verwittert und alle weinen, dann finden das deutsche Rollenspieler ja bekanntermaßen toll. Die Deutsche Krankheit eben.
Der Szenario-Bau über das Legen von Engel-Arkana-Karten gehört zum verbreiteten Handwerkszeug der meisten Engel-Spielleiter, die ich kenne. - Das ist nichts so umwerfend neues. Es ist aber auch nicht gerade etwas, was man einem NEU-Spielleiter zumuten kann.
All dieses Heruminterpretieren ist natürlich etwas, was JEDER sofort irgendwie kann. - Irgendwie.
Ein Rollenspiel-Charakter, ein Rollenspiel-Szenario wird erst dann daraus, wenn ein ROLLENSPIELER es mit dem Willen zum Rollenspiel beizutragen interpretiert.
Somit ist die Idee das ökonomische Desaster von Everway zu wiederholen keine gute Idee.