Spiele wie DS oder BoL wären vor 15-20 Jahren wahrscheinlich nie ihren Auftritt gehabt. Sie wären in privaten Rollenspielmappen und Ordnern geboren und begraben worden.
Aber neben diesen beiden Erfolgsgeschichten gibt es halt auch ein Vielfaches an Wettbewerbsprodukten, die in PDF-Shops oder schlecht verkauften Kleinauflagen einstauben und wahrscheinlich nie von viel mehr als dem Autoren und seinen Freunden gespielt werden.
Also "Erfolgsgeschichten" kann man eigentlich nur in Zusammenhang mit DungeonSlayers erkennen.
BoL wurde als WETTBEWERBS-Beitrag auf 1km1kt kostenlos zur Verfügung gestellt und blieb erst einmal fünf Jahre lang unbeachtet. Dann kam ein wenig Interesse auf, so daß auch der Autor sich für eine Überarbeitung und Erweiterung ausreichend motiviert sah. - Dennoch ist das immer noch KEINE "Erfolgsgeschichte", denn gerade der Verkauf der deutschen BoL-Ausgabe lief sehr schlecht, BoL war (ist) ein reiner Ladenhüter, weshalb Ulisses ja auch die neuerliche Preisabsenkung auf den aktuellen Schleuderpreis vornahm. Einfach damit der Block Druckwerke überhaupt noch irgendwie aus dem Lager verschwindet.
Erfolgsgeschichten sehen anders aus.
Wie bei DungeonSlayers z.B.
Da BESTAND nämlich schon lange VOR der ersten Druckwerks-Veröffentlichung eine sehr rege Fan-Gemeinde, die auch ausgesprochen produktiv war. - Solch ein Aufbau, eine Pflege und eine Versions-Weiterentwicklung vor der ersten Druckausgabe war erst mit Verfügbarkeit des Internets möglich. Vor 20 oder mehr Jahren wäre einfach KEINERLEI Dynamik aufgekommen, wenn man händisch, billig gedruckte Exemplare per Briefpost hätte versenden müssen, auf Feedback in Form von Briefen warten müssen, usw. - Allein die heutige, enorm leicht zugängliche, mächtige, allzeit-verfügbare Infrastruktur ist schon der Grund und Boden, auf dem solche Vorhaben wie DungeonSlayers, Space Pirates, Destiny, u.v.a. Rollenspiele, die in den letzten Jahren so prominent herauskamen, erst entstehen konnten.
In den Schubladen gab es sicher früher auch reichlich Rollenspiele. Ich habe sogar meine eigenen Entwicklungen (noch mit mechanischer Schreibmaschine getippt) daheim rumliegen. Nur fanden solche "Hausmannskost"-Rollenspiele eben nur in den eigenen Freundeskreisen jemals spielerische Anwendung (wenn überhaupt!). Diese Freundeskreise mögen heute oft alters- und reallebensbedingt minderaktiv im Hobby sein, dafür ist aber - ebenfalls via Internet - das EINZUGSGEBIET für das Finden von Spielfreunden deutlich größer geworden! Und das erlaubt dann eben auch den wüstesten Nicht-einmal-Heartbreakern mit allseits verfügbaren Mitteln einen Kickstarter zum Druck ihres Machwerks anzuleiern.
Früher dienten ja die Verlage (auch im Roman-, Comic- usw. Sektor) dazu, viel Spreu vom wenigen Weizen, der überhaupt das Geld der Kundschaft wert ist, zu trennen. Diese Funktion haben sie heutzutage komplett ohnmächtig, ja geradezu paralysiert aufgegeben. Heute kann und WIRD jeder, der nur ausreichend Willen zur Öffentlichkeit hat, sein Rollenspielprodukt produzieren und veröffentlichen können. Ob als Nur-PDF-Produkt bei One-Book-Shelf oder als im Eigenverlag erstelltes Druckwerk ist dabei egal. Wenn man ein paar hundert Euro für Konsolenspiele oder eine Ski-Ausrüstung springen lassen kann, dann kann man auch mal seinen eigenen Heartbreaker in überschaubarer Auflage drucken und ihn auf Cons, Messen und in Vereinen verkaufen. Das gibt sofortige und direkte Befriedigung und ist sein Geld durchaus wert. (Und ist risikoloser für Leib und Leben als die Ski-Ausrüstung.)
Heute ist viel, viel mehr SCHROTT "auf dem Markt". Aber dieser Markt geht einerseits in Richtung sauteure (aber immer noch angesichts des Aufwands zu billige) "High-End-Produkte" und andererseits in Richtung "Verschenken" kostenloser elektronischer Ausgaben. Letztere können bei Produktreihen, die einen "langen Atem" haben, bei denen also OFT und REGELMÄSSIG neue Produkte, die dann eben doch wieder was kosten, produziert werden, als eine Art "Werbemittel" mit Gegenfinanzierung des oft enormen Aufwands einer Grundregelwerksentwicklung durch die Folgeprodukte dienen. Erstere müssen sich mit "Beiprodukten" wie Miniaturen, Spezialwürfeln, oder nicht (legal) verfügbaren elektronischen Ausgaben behelfen, um die Kunden auf die Druckprodukte zu lenken.
Kostenloser Schrott kostet immer noch was: LEBENSZEIT zum Lesen! - Und die Frage ist hier doch angesichts all der wirklich sehr zahlreichen kostenlosen Rollenspielvollprodukte, die es aktuell so zum Download gibt, WER LIEST DAS DENN ÜBERHAUPT?
Ich lade mir auch oft aus Neugier was herunter, scrolle im Reader durch und packe das irgendwo in ein Verzeichnis als "Endlagerstätte". Digitale ungespielte Produkte verstopfen mir wenigstens nicht die Regale im Wohnzimmer! Speicherplatz ist billig und geduldig. Da können dann PDFs all der mittelmäßigen und schlechten Produkte individuellen heißen Bemühens einzelner Rollenspielschaffender gerne vor sich hin modern.
Wird es nicht gespielt, ist ein Rollenspielprodukt TOT.
Das kann auch kommerzielle Produkte treffen, aber so etwas rächt sich dann finanziell. So hatte Ulisses die deutsche BoL-Version vom beteiligten Team KOSTENLOS übersetzt, lektoriert und redaktionell überarbeitet bekommen. Die Illustrationen waren für einen Appel und ein Ei als reine Nettigkeit des Illustrators beigesteuert worden. Produktionskosten waren somit nur unwesentlich höher als die reinen Druckkosten. - Und was machte Ulisses mit diesem GESCHENK? - Ulisses VERSCHWIEG es! Kein Wort auf Homepage, Ulisses-Con-Auftritten, von Ulisses-Supportern, usw. - BoL fand einfach in der verlagsseitigen Kommunikation NICHT STATT! - Und so kann man auch ein praktisch zum Nulltarif erhaltenes, qualitativ exzellentes Produkt verkümmern lassen. Wenn man ein Rollenspielprodukt "wegsperrt", es aus der Sicht der möglichen Kunden hält, dann darf man sich auch als Verlag nicht wundern, wenn es "nicht läuft".
Es zählt wirklich nur, was GESPIELT wird.
Außer in dem Bereich des Hobbys, der die reinen Sammler, die Komplettisten, die Rollenspielbuch-Nur-LESER betrifft. So kaufen sich die Leute ALLES zu DSA, Cthulhu, GURPS, was auch immer, spielen davon aber schon überhaupt nichts mehr, sondern lesen das Zeug nur noch (wenn überhaupt). - Das wirkt sich auch auf die Produktqualität aus! - Die Produkte werden dann nach und nach mehr für die Nur-Leser und nicht mehr für die Spieler geschrieben. Und die Ausstattung der Produkte wird mehr und mehr nach den Wünschen der Sammler, Durchblätterer und weniger nach den rein praktischen Erwägungen der aktiven Spieler vorgenommen - denn sobald die Sammler, die Leser, usw. die dominierende Käuferschicht darstellen, wäre man ja als Verlag bekloppt, würde man deren Wünsche nicht bedienen.
Im Internet, in Communities wie früher Yahoo-Groups und heute eher Google+-Communities kann man aber seine Spiele AKTIV vorstellen, sich eine Fan-Gemeinde früher Enthusiasten schaffen. So etwas kann dann den Hype generieren, der erfolgreiche Kickstarter möglich macht. Und das kann zu tatsächlich sichtbar erfolgreichen Produkten führen. (Über die Qualität ist damit natürlich nichts ausgesagt.)
Dieses Hobby steht und fällt mit den AKTIVEN.
Und will man Aktive finden, muß man dahin gehen, wo sie sind.
Ich sehe mehr Runden aus Spielermangel einschlafen als Entstehen. Das ist kein Zerbrechen der Community über Nacht sondern ein schleichender Prozess.
Die Aktiven im Hobby sind halt bei einem Anheben des Durchschnittsalters nicht mehr nur in Schule und Uni zu finden (zumal diesen Gruppen mit G8-Streß und ver-bachelorter Bulimie-Lern-Uni auch kaum noch Zeit für solche ZEITAUFWENDIGEN Hobbys wie Pen&Paper-Rollenspiele bleibt).
Wer heutzutage einen Rechner mit Webcam hat, der kann SOFORT eine Spielrunde finden! - Via Skype, Google+ Hangout, Teamspeak (Audio only), usw. laufen rund um die Uhr haufenweise Rollenspielrunden zu allen bekannten und zu einem unüberschaubaren Haufen unbekannter, neuer, alter, in Entwicklung befindlicher oder schon lange nicht mehr im Druck befindlicher Rollenspiele. Weltweit. Zu jeder Zeit. Rund um die Uhr. Nur ein paar Mausklicks entfernt.
Das Rollenspielhobby war noch nie so nah am "always on"-Verfügbarkeits-Ideal wie heute!
Man kann natürlich seinen häuslichen Runden nachtrauen, wenn die sechs dicken Freunde seit der Schulzeit weniger wurden, weil einer geheiratet hat und keine Zeit vor lauter Kindern mehr hat, der nächste des Jobs wegen woanders hinziehen mußte, noch einer andere zeitaufwändige Hobbys vorzieht und man mit nur noch drei Leuten zwar Skat spielen kann, aber kaum übliche Rollenspielrunden abhalten kann.
Das kann man jetzt bejammern und rumsitzen und sich zum Sammler, Komplettisten oder Nur-Leser mutieren lassen. Oder man SPIELT EINFACH!
Und zwar mit NEUEN Leuten!
Dafür gibt es Spieletreffs (wo? findet man im Internet!), Rollenspielvereine (wo? findet man im Internet!), Spielervermittlungen (wo? findet man im Internet!), Cons (wo? findet man im Internet!), Online-Spieleplattformen (wo? findet man im Internet!).
Rechner her, Kamera montiert, losgespielt!
Die Anschaffungskosten sind alles andere als hoch. Eine für Hangout-Runden taugliche Kamera kostet weniger als die meisten Abenteuerbände gängiger Rollenspiele und bietet jahrelangen Spielspaß!
Ich konnte auch feststellen, daß von den ehemals 13 Spielern der alten AD&D-Runde an der Uni die meisten nicht mehr in der Region sind, die meisten dem Hobby aufgrund von Familie, Beruf oder auch Krankheiten (man wird alt!) den Rücken kehren mußten. - Na und? Warum sollte ICH dann deswegen weniger spielen?
Spielevereine, Cons in bequem erreichbarer Entfernung in etwa Monatsabstand, Spielerbörsen - das gab es schon vor all dem sozialen Netzwerk-Kram!
Heute ist es einfach nur viel bequemer und schneller zu einer Spielrunde zu kommen.
So wie auch das Einkaufen per Online-Shop einfacher und schneller ist, als einen Laden nach dem anderen mühsam abklappern zu müssen, um Preise zu vergleichen.
Willkooooommen in der Welt von Morgääään!
Man kann angesichts sich wandelnder Zeiten versuchen den Wandel nicht mitzumachen und sich einzuigeln. Damit bringt man sich aber in die reine Nostalgie-Jammer-Ecke und wird vor allem nichts daran ändern können, daß der Wandel trotzdem stattfindet.
Oder man kann den Wandel mitmachen oder gar ihn AKTIV mitgestalten!
Rollenspieler sind - so mein Eindruck - oft ein VERDAMMT KONSERVATIVER Haufen. - Da liest die halbe Welt nur noch eBooks und wedelt mit ihren Smartphones mit einer App für jede Lebenslage rum, und doch bestehen viele Rollenspieler immer noch auf den überlebten Druckwerken für jeden Scheiß, bei dem man mit einer volltextsuchbaren, gut aufgemachten PDF-Ausgabe um klassen nutzerfreundlicher für das AKTIVE Spiel bedient wäre (nochmal ein Lob für die Aufmachung des Splittermond-Grundregelwerk-PDFs).
Der Erfolg von Portalen wie Drachenzwinge.de beruht zum großen Teil auf Spielern, die RL keine Runde mehr zusammen bringen. Spielermangel vor Ort und Unvereinbarkeit mit dem eigenen Lebensentwurf (Familie, Karriere) hab ich da häufig als Grund gehört.
Na und? - Das ist halt tatsächlich Lebensrealität. Was nun? Soll man dann aufhören das Hobby zu betreiben? - NEIN!
Gerade auch die durch Erziehungszeiten und dergleichen nicht mehr so flexiblen Spieler können problemlos in Online-Runden mitspielen. Keine Anfahrt, keine Organisation häuslicher Geselligkeit, man ist immer da, wo die Kinder sind, kein Babysitter notwendig, alles so komfortabel, wie es nur geht - und man bleibt weiterhin AKTIVER Spieler. - Das geht bei anderen Hobbys nicht so leicht! Da hat das eher auf sprachlichen Austausch basierende Pen&Paper-Hobby tatsächlich sogar einen echten VORTEIL, weil es nämlich mit den heute allgegenwärtigen Kommunikationsmitteln so leicht und aufwandsarm zu betreiben ist.
Ich spiele heutzutage schon seit Jahren in Kampagnen mit Leuten, die ich NIE direkt besuchen würde, weil sie für mich einfach viel zu weit weg leben. Das kann im hohen Norden Norddeutschlands sein, wo ich nur alle paar Jahre vielleicht mal auf Durchreise hinkomme, oder in den USA (dort auch noch verteilt auf mehrere Zeitzonen), wo ich sicher nicht einmal freiwillig hinreisen möchte bei dem aktuellen politischen Klima. - Aber alle sind Rollenspieler und man spielt miteinander genau so, als ob sie hier daheim am Eßtisch säßen und ihre Würfel kullerten.
Aus solchen Runden, die teils als One-Shot entstanden, haben sich schon Freundschaften, die deutlich über das reine Rollenspielinteresse hinausgehen, entwickelt. Ganz wie auch bei z.B. Spielevereins-Runden.
Heutzutage wird ALLES medienbezogene einfach mit den schnellen Mitteln des elektronischen Datentransfers und damit auch praktisch ohne Wartezeiten gemacht. - Ich kenne die Zeiten, in denen wirklich NUR Druckwerke verfügbar waren, man Leserbriefe an Magazine schicken mußte, um Regelfragen beantwortet zu bekommen, usw. noch gut. - Das war SCHEISSE! - Heute chatte ich mit dem Spieleentwickler, bekomme meine Fragen geklärt und mache mit ihm eine Hangout-Spielrunde aus. - Das ist TOLL!
Lamentiert nicht (außer ihr seid eine Flammenprinzessin), sondern SPIELT! Nie war es so einfach.