Rund um Bücher "Sprachzensur" und Rassismus in Literatur und der Umgang damit.

Woran erkennt man, dass das Wort "nur" als "Gebrauchswort" gemeint ist und nicht als fieses Schimpfwort?

An der Intention des Sprechers.

Beispiel: der alte Opa, der sich letztens mit der Dame am Kiosk unterhalten hat. Der hat von seiner (offensichtlich schwarzen) Schwiegertochter erzählt, die jetzt zwei Kinder bekommen hat. Er sei ja jetzt Großvater und weil sie eine Negerin ist, hätte er jetzt oft zwei kleine Negerkinder in seinem Haus. Und die seien so fröhlich und glücklich und verspielt und er wolle den ganzen Tag mit ihnen verbringen. Bald würde man gemeinsam in den Urlaub fahren und er wollte seine neue Familie ja auf keinen Preis hergeben, weil die ihm neue Lebensfreude schenken.

Zuerst hatte ich bei dem Wort auch aufgehorcht, es wurde aber relativ schnell aus dem Gesagten klar, dass der Mann nichts Negatives mit seiner Schwiegertochter oder mit seinen Enkelkindern verband. Das Böseste, was man ihm wohl unterstellen konnte, ist, dass er in der Befremdung wider Erwarten nichts Böses gefunden hatte. Aber so klang es nicht.

Es klang eher nach der Verwendung eines Ausdrucks im Kontext einer kulturellen Prägung. Gewohnheit und "nicht anders gelernt". Vielleicht benutzt er das Wort auch in ihrer Anwesenheit, vielleicht ist er sich aber auch bewusst, dass sie das als Beleidigung sehen könnten und hält sich da zurück. Weiß ich ja nicht. Ist aber nicht das erste Mal, dass ich das auf diese Weise mitbekomme.

Jetzt kann man natürlich argumentieren, dass die Bezeichnung per se aus einer negativ konnotierten, kulturellen Haltung resultiert und deswegen nicht mehr benutzt werden sollte. Dem halte ich entgegen, dass die Generation dieser älteren Menschen, die es auf diese "harmlose" Art und Weise benutzen ohnehin irgendwann nicht mehr da ist. Wer in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten geboren ist, sollte es in meinen Augen besser wissen. Ist aber nur meine Meinung.
 
Dann haben wir eine Meinungs-Verschiedenheit. Und im Rahmen derer kann man sich ja näher kommen.^^

Soviel Zeit haben aber nicht alle, Skar. Manche hauen dir dann einfach in die Fresse, weil sie meinen, du hättest sie beleidigen wollen.
An der Intention des Sprechers.

Und wenn man die nicht kennt? Vielleicht ist die Situation ja gerade so, dass man sich nicht großartig darüber austauschen kann, ob man es nun mit einem Arschloch zu tun hat, oder jemandem, der das Wort durchaus reflektiert benutzt.
 
Und wenn man die nicht kennt?

Schließt man sie aus dem Kontext. Ich geh zum Beispiel nicht auf den Opa los, der liebevoll über seine Enkel spricht, weil er ein böses Wort benutzt. Und ich belehr' nicht einen Mann, der dreimal so viel Lebenserfahrung wie ich besitzt, weil ich mit seinem Sprachgebrauch nicht zufrieden bin.

Alles andere ist diskutabel. Vor allem wenn es offensichtlich als Beleidigung gemeint ist.

Das hat was mit der eigenen Erfahrung zu tun. Aus meiner weiß ich, dass es eine ältere Generation von Menschen (vor allem in einem spezifischen Kulturraum) gibt, die das Wort (weil die Uhren dort anders ticken) immer noch in ihrem normalen Sprachgebrauch integrieren. Im Kontext der Situation kann ich dann daraus schließen, ob das Gesagte beleidigend oder einfach unreflektiert ist. Letzteres ist verzeihbar, Ersteres weniger. Für mich ist die Sache damit erledigt.
 
Ich denke nicht, dass die Welt so einfach funktioniert. Ich gehe jede Wette ein, die meisten Meinungsverschiedenheiten entstehen deswegen, weil jemand die Intention seines Gegenübers falsch gedeutet hat. Weil der Gegenüber nicht fies, sondern einfach bloß unbedacht gewesen ist. Oder aus ganz ähnlichen Gründen.
 
Ich denke nicht, dass die Welt so einfach funktioniert. Ich gehe jede Wette ein, die meisten Meinungsverschiedenheiten entstehen deswegen, weil jemand die Intention seines Gegenübers falsch gedeutet hat. Weil der Gegenüber nicht fies, sondern einfach bloß unbedacht gewesen ist. Oder aus ganz ähnlichen Gründen.

Ich weiß gerade nicht, worauf du hinaus willst.
 
Das ist einfach, wenn man einen eigenen, kulturellen Erfahrungshorizont in diesem Bereich besitzt. Ich weiß, dass es in Kulturraum X und Alter Y eine Verwendung des Wortes gibt, die nicht per se pejorativ gemeint ist.

Andernfalls, für Leute die das nicht wissen, führt es sicher zu Missverständnissen.
 
Genau. Es ist auch abhängig vom eigenen, kulturellen Erfahrungshorizont des Rezipienten. Und nicht (nur) von der Intention des Sprechers.

Edit: Und es ist auch abgängig von der Intention des Rezipienten, das Gesagte zu interpretieren. Und vom eigenen, kulturellen Erfahrungshorizont des Sprechers. Das macht's noch viel komplizierter.
 
Das hast du wohl Glück gehabt. Wenn du solche Menschen mal kennenlernen willst, sind Stammtische immer günstig. In Bayern wirds auch noch häufiger benutzt, allerdings ist es da offensichtlich auch einfach noch fester im Wortschatz verwurzelt und ich hab schon ältere Menschen getroffen, die das tatsächlich völlig unreflektiert und in Nichtwissen benutzt haben, dass es sich um ein pejoratives Wort handelt.
Ich würde tatsächlich sagen, dass hier in Bayern "Neger" auch ein Stück weit zum Dialekt gehört, d.h. ich kann mir viel eher vorstellen, wie ein dialektsprechender eine Geschichte erzählt:
"Und direkt wia'ra des gsogt hot, kimmt do da Max ums Eck - und d'musst wissn: Da Max is a Nega."
als
"Und direkt wia'ra des gsogt hot, kimmt do da Max ums Eck - und d'musst wissn: Da Max is a Schwarza."

Und deswegen hab ich eben auch oft genug neutrale oder positive Verwendungen des Wortes erlebt und bin der Meinung, dass "Neger" mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht nur selten respektlos wirkt.
Seltsamerweise: Übersetz ich den gleichen Text ins Hochdeutsche, wirkt es auf mich wesentlich unangemessener.
 
Ich denke Morgan Freeman hat es in einem Interview mal sehr schoen auf den Punkt gebracht. Ich paraphrasiere jetzt, bin aber bereit auf Anfrage auch das Originalvideo rauszusuchen. Er sagte, auf irgendeine bloede Rassenfrage hin, dass es ihm am Liebsten waere, wenn man ihn nicht als "black man" bezeichnen wuerde und er dann im Gegenzug den Interviewpartner nicht mehr als "white man" bezeichnet.
Es ist nicht das Wort Neger/Schwarzer/Farbiger/Afroamerikaner, das rassistisch ist, sondern die gefuehlte Notwendigkeit, ueberhaupt ausdruecken zu muessen, DASS derjenige schwarz/Neger/farbig/afroamerikanisch ist. Besonders da es in nahe an 100% aller Faelle ja nun wirklich keine Rolle spielt, ob die Person von oder mit der man spricht nun schwarz ist oder nicht.
 
Sogesehen war "Intention des Sprechers" natürlich unvollständig. Is richtig.

Naja, und das meine ich halt. Mein kultureller Erfahrungshorizont lässt das Wort "Neger" als normal gebräuchliches Wort nicht zu. Ich halte es für anachronistisch. Ich benötige es nicht, um mich auszudrücken zu können. Ich will auch niemandem in meinem Umfeld ein unangenehmes Gefühl geben, wenn ich es doch unnötigerweise gebrauche, der meine Intention vielleicht nicht kennt und nicht weiß, was für ein ausgezeichneter Mensch ich bin.

Wenn man's auf einen einzigen Vorfall runterbricht, will ich nicht derjenige sein, der beim Shoppen lautstark von "Negerküssen" spricht, weil im nächsten Gang ein kleines, dunkelhäutiges Kind stehen könnte, das mit dem Wort nicht auch nur eine positive Erfahrung verknüpfen kann. Ich will einfach nicht automatisch von diesem Kind in einen Topf geworfen werden mit irgend welche Hampel, die das Wort genutzt haben, um es auszugrenzen oder zu verletzen.
 
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