Sonstiges spielt ihr schlachten aus?

AW: Re: spielt ihr schlachten aus?

Zornhau schrieb:
Wenn ich mir vorstelle, dieselbe Sequenz mit D&D, DSA, Midgard, ... durchzuspielen (unter Verwenden des vollständigen Kampfsystems für ALLE beteiligten Truppen), dann wären die 4 Stunden nie ausreichend gewesen.

Deshalb benutzt man als D&D-Schlachten-Spieler für das Spielen von Schlachten mit D&D ja mittlerweile auch Heroes of Battle das Buch über Schlachten bei D&D und wie man sie spielt. :D

mfG
bvh
 
AW: spielt ihr schlachten aus?

Ja, mit zusätzlichen Regeln, ergänzenden Büchern, vereinfachten abstrakteren Massenkampfsystemen können viele Rollenspiele aufwarten, um Massenkampfszenen ausspielen zu lassen. Was mich hier beeindruckt hat, war, daß ich hier das NORMALE, unveränderte Kampfsystem, wie es für Kampfsequenzen auch in kleinerem Umfang eingesetzt wird, out-of-the-box(!) verwenden konnte.

Das ist für mich ein echter Bonus, da ich mit genau einem Regelband auskomme und das Regelsystem (zumindest im Kampfregelbereich) sehr weit skaliert. - Und ja, es ist für RICHTIG große Kämpfe auch ein abstrakteres Schlachtensystem vorhanden. Nur ist dieses erst ab ein paar Hundertschaften an Beteiligten angezeigt - etwas, daß dann auf der normalen Rollenspiel-Battlemat eh etwas eng werden wird (zumindest reicht bei mir dann der Platz am Spieltisch nicht mehr aus).

Auch Midgard hatte schon lange ein eigenes abstrakteres Massenkampfsystem mitgeliefert, welches m.E. recht gut funktionierte (und nicht den Einsatz von Armageddon als reines Tabletop notwendig machte). Das Midgard-Massenkampfsystem skalierte nach meiner Spielerfahrung sehr gut, vor allem, weil man NSCs fast in beliebigen Einheitengrößen gruppieren konnte. Doch rückblickend zu Massenschlachten in Midgard und meinen Erfahrungen vom letzten Wochenende muß ich schon sagen, daß mir bislang jedenfalls kein flüssigeres System bei vollem Detailierungsgrad aller Handlungsoptionen untergekommen ist.

Ich halte es durchaus für ein wichtiges Qualitätskriterium eines Rollenspiels, welches nicht nur persönliche Duelle und Kleinstgruppenkonflikte in den unterstützten Genres vorsieht, daß es ohne Zusatzbände, ohne Erweiterungen, ohne separate, die bisherige innere Regellogik ändernde Massenkampfregeln (und wenn man gerade dabei ist auch ohne Zusätze - also "Patches" für Legendäre bzw. Epische Helden) auskommt. Es gibt solche Rollenspiele, doch deren Geschäftsmodell besteht in der Regel nicht im Auslutschen einer jeden noch so kleinen Facette eines Rollenspiels durch Zusatzbände. Das ist wie beim Programmieren: wenn ich eine gesunde Basisarchitektur und solide Basiskomponenten für alle relevanten Anwendungsfälle eingebaut habe, dann brauche ich nicht alle paar Tage einen Patch und für jede kleine erweiterte Anwendung ein Upgrade. Für mich ist das einfach eine Frage der Qualität des System-Designs (bei IT-Systemen wie bei Rollenspielregelsystemen). Systeme, die lauter Patches und Upgrades brauchen, die unterstützen in ihren Basiskomponenten nämlich nicht die von den Kunden/Spielern geforderten Anwendungsfälle in ausreichendem Maße.

Aber wie auch immer, vielleicht ist es ja bei "Heroes of Battle" auch so flüssig und ohne Abstriche zum "feingranularen" Kampfsystem für D&D möglich Massenkämpfe durchzuziehen. Da muß ich meinen D&D-Spielleiter mal drauf ansetzen.

Ich habe jedenfalls vor ein paar Jahren, als ich noch selbst D&D 3.0 geleitet hatte, bei einer ähnlich großen Schlachtszene für die SCs nur collagen-artig Aktionsfetzen in ihrem jeweiligen persönlichen Umfeld in der Schlacht durchgespielt (immer nur kurze Sequenzen von einer bis maximal fünf Kampfrunden). Ich hatte mir vorab überlegt, was ich mit den D&D-Grundregeln (mehr wollte ich mir auch nicht erst anschaffen müssen) an Optionen zur Gestaltung einer Schlacht hatte. Die Optionen waren auf alle Fälle eingeschränkter, als ich es mit Midgard erfahren hatte. Daher bin ich einen anderen erzählerischen Weg gegangen, der aber nicht nur von den Regeleinschränkungen, sondern auch von der Kampagnen-Struktur beeinflußt wurde.

Mit vielen kurzen, sehr beweglichen Sequenzen habe ich das Chaos und den fehlenden Überblick des Einzelnen in einer wüsten Schlacht vermitteln wollen (ein wenig inspiriert von dem Roman "Ash - A Secret History", insbesondere der Szene mit dem Ausfall aus der Belagerung um Dijon, falls das Buch jemand kennen sollte). Dieser Collagen-Ansatz hat gut geklappt. Die Spieler hatten den Eindruck, daß sie nichts von der Gesamtsituation mehr blickten, und waren entsprechend verwirrt, ob ihre Seite denn nun gut da stand oder am Unterliegen war. - Genau das war auch die Absicht bei meinem Vorgehen. Ich wollte eben vermitteln, daß der einzelne Kämpfer mitten im stärksten Auf- und Abwogen des Schlachtgetümmels einfach nicht mehr weiß, wie die gesamttaktische Lage ist und wohin er als nächstes sich besser wenden sollte. Das sind die chaotisch-stressigen Situationen, in denen man am besten stur an der ursprünglich erteilten Mission festhält und in denen jeder nach bestem Vermögen versuchen sollte die ihm zugeteilten taktischen Ziele zu erreichen.

Ich will jetzt garnicht urteilen, welche Art des Durchspielens von Massenkampfszenen besser oder schlechter ist. Das hängt - siehe mein D&D-Beispiel - sehr davon ab, was ich erzählen will.

Im D&D-Beispiel ging es um den persönlichen Verlust des Überblicks. Hier waren die SCs auch nicht in einer Offiziersrolle, sondern zwar als Anführer kleinerer Trupps (weniger als 10 1st Level NSCs), aber doch im Wesentlichen auf sich allein gestellt mit kleinen überschaubaren taktischen Zielen (schaltet die Katapulte im Süden aus, haltet das Haupttor bis die Umgehungstruppen Euch entlasten, ...).

Im Savage Worlds Beispiel wollte ich die SCs in eine Situation bringen, in der sie selbst wesentliche Verantwortung für den Verlauf der Schlacht und die Gesundheit ihrer Truppen übernehmen mußten. Sie sollten hier den Schritt vom rein auf sein eigenes Wohl bezogenen, nur sich selbst verantwortlichen "Abenteuerer" zu einem "Helden", der sich um sein Volk, seinen Kult, seine Truppe kümmert und sich für andere verantwortlich fühlt, tun können. Und sie haben während dieser Schlachtsequenz weit mehr Verantwortung übernommen, als ich je erwartet hätte. Nach dieser Schlacht hat die Kampagne einen anderen Ton bekommen. Jetzt ging es nicht mehr um Kleinliches, sondern um das Big-Picture und darum, wie sich die SCs selbst darin sehen. Das fand ich sehr erbaulich und begeistert mich immer noch, weil es - auch wenn es hier nicht HeroWars/HeroQuest und auch nicht Glorantha ist - genau die Richtung heroischer Fantasy eingeschlagen hat, die ich gerne erspielen möchte.

Bei beiden Ansätzen - dem persönlichen Chaos des Soldaten, wie der Last der Verantwortung des Kommandanten - wäre ein sehr abstraktes Massenkampfsystem nicht so förderlich gewesen, da man darin den einzelnen, einfachen Kriegern kein Gesicht, keinen Namen geben kann, sondern sich einfach mal 10% Verluste von seinen Einheiten abstreicht. Die Rolle des einzelnen SCs wird in einem abstrakteren System immer zusammengestrichen und der individuelle Fokus des Spielers in der Spielwelt dadurch gefühlsmäßig etwas entrückt. - Mir ist es im Savage Worlds Szenario wichtig gewesen, auf emotionaler Ebene die kommandierenden Charaktere mit ihren Untergebenen zu binden. Sie sollten sich um "ihre Jungs" (und Mädels natürlich) sorgen. Ich wollte eine nähere, individuellere Beziehung zu den einzelnen, im abstrakteren Falle namen- und gesichtslosen Soldaten ermöglichen (man denke an Brannaghs "Henry IV", wie er am Vorabend der Schlacht bei Agincourt incognito durch seine Truppen wandert und mit einzelnen spricht und erfährt, wie sie so denken, was sie so fühlen - und wie er in der Schlacht mit diesen persönlichen Erfahrungen fertigwerden muß und manche Befehle trotzdem geben muß).

So etwas geht natürlich bei an sich sehr abstrakt daherkommenden Konfliktlösungssystemen wie z.B. den Engel-Arkana-Karten vom reinen regelmechanistischen Ansatz her noch einfacher. Das heißt aber nicht, daß bei Engel eine Schlacht wesentlich einfacher vorbereitet und durchgespielt ist, als in regelreicheren Systemen. - Auch hier ist die eigentliche Vorarbeit, daß eine Massenschlacht gegen Ketzer oder Traumsaat anrührend bleibt, sehr wichtig und nicht einfach. Klar kann man einen Trupp Templer nach dem anderen an die Front werfen lassen und die SCs stehen unbeteiligt in der Gegend rum und fühlen nichts dabei, wenn die Templer aufgerieben werden. Man kann auch die SCs in die dicksten Metzeleien entsenden, da die Spieler bei Engel ja in der Regel selbst darüber bestimmen, ob ihr Charakter umkommen soll, oder nicht. Da ist immer die Möglichkeit, daß sie wie Rambo keinem Angriff ausweichen und der SC sich wie ein Ein-Mann-Schlachthaus durch das Fleisch der Feinde fräst (und ein Kanu und eine Ziege hinter sich her zieht - Ich mag W.C.Fields.). - Wenn man aber vorher persönliche Bindungen - oft lange im Vorfeld - zu NSCs, die in der Schlacht mitkämpfen - oder gar Gegner sind(!) - aufgebaut hat, dann fühlt sich das anders an. (Offizier: "Kommandant, die Südmauer fällt gerade. Alle dort werden bald verloren sein. Uns bleibt nur uns sofort zurückzuziehen." Kommandant: "Das sind Wolfharts Leute. Er ist ein guter Mann, ein guter, ein alter Freund. - Wir machen einen Entlastungsangriff, daß sich so viele wie möglich von ihnen mit zurückziehen können!") Eine Inspirationsquelle ist - auch wenn vom Genre her überhaupt keine Fantasy - die Verfilmung "Gods and Generals", sowie der nachfolgende Teil "Gettysburgh", in welchen sehr gut die persönliche Ebene der Kommandeure und der einfachen Soldaten dargestellt wird. Mir hat das viel auch für Fantasy-Schlachten an Ideen gegeben.

Auf alle Fälle kann natürlich mit jedem Massenkampfregelwerk ein unspannend-langweiliges Gemetzel wie auch eine erinnerungswürdige Schlüsselszene gespielt werden. Zum Gelingen einer interessanten Massenkampfsequenz bedarf es neben einem nicht-hinderlichen Regelwerk in noch viel wesentlicherem Maße einer guten, motivierten Vorbereitung. Die Vorgeschichte und die Einbettung - gut deutsch das "staging" - in die Kampagne ist m.E. sehr entscheidend für das Gelingen aus Spieler- wie auch aus Spielleiter-Sicht. Dazu wäre vielleicht mal ein eigener, systemunabhängiger bzw. systemübergreifender Thread nicht schlecht.
 
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