AW: Sky erklärt xErz. Und wir HÖREN ZU, okay?
Was ich oben noch vergessen habe: mir fällt dazu immer das Schreiben als Vergleich auf. Der sicherste Weg niemals ein gutes Buch zu schreiben ist, Germanistik und Literaturwissenschaft zu studieren. Dadurch, dass man das ganze schnöde thematisiert und in Kategorien presst, verliert man die Fähigkeit etwas mit Seele zu schreiben.
Mein Eindruck zu den meisten Forge&Co-Spielen, die ich mir zugelegt habe (und das sind nicht so wenige, wie manche vielleicht vermuten mögen), ist der, daß sie "vom Kopf her" KONSTRUIERTE elaborierte Regelsystemmechaniken haben, denen man dann lieblos ein fadenscheiniges Setting-"Fell" übergezogen hat - und manchmal noch nicht einmal das.
Sie kommen bei MIR als HERZLOS an. Herzloser als so manch ein echter Heartbreaker, der irgendwo ja tatsächlich etwas Liebenswertes hat. - Sie sind VON einer kleinen Clique und NUR FÜR Leute, die sich dieser kleinen Clique zurechnen, entwickelt worden. - Die meisten wirken wie unfertige Prototypen zum prototypischen "Beweis", daß bestimmte Ideen für Regelmechaniken irgendwie funktionieren können. Solche Prototypen verschwinden normalerweise in anderen Bereichen, wo Systeme entwickelt werden, ganz schnell in Schubladen, aus denen sie niemals jemand nach dem aus ihnen zu ziehenden Erkenntnisgewinn, wieder herausholen wird.
Ein (reines) Erzählspiel ist für mich ... ein System, dass den Schwerpunkt auf die Geschichte/Erzählung legt und die Regeln nur als Beiwerk, als reines Hilfsmittel zur unterstützenden Funktion nimmt.
Ich habe D&D bei inzwischen so vielen verschiedenen Spielleitern gespielt, daß ich den Satz, in welchem von "ein System" gesprochen wird, welches den Schwerpunkt auf die Geschichte legt, nicht unkommentiert stehen lassen mag.
Es ist letztlich tatsächlich die Frage, ob es ALLEIN das System (also wirklich nur das "nackte" Regelmechanikgerüst, ohne den Setting-Fluff) ist, welches ein ROLLENSPIEL als Ganzes zu einem Erzählspiel machen kann.
Die alte "System does matter"-Sache möchte ich hier schon anreißen, da es für mich klar ist, daß es je nach Regelsystemausrichtung WEIT SCHWIERIGER ist einen bestimmten Spielstil mit dem unveränderten Regelwerk umzusetzen.
In soweit ist es schon von Interesse, in welcher Richtung an Spielstil sich die Regeln als besonders förderlich und in welcher als wenig förderlich darstellen. Das besonders Geförderte ist als der von diesem Regelsystem am besten unterstützte Spielstil. Andere Spielstile sind regeltechnisch nicht so gut unterstützt.
ABER ES SIND IMMER AUCH ANDERE SPIELSTILE MÖGLICH.
Und oft sogar ohne sich so sehr "verrenken" zu müssen, daß man mittels Hausregeln dreiviertel eines Regelsystems umschreiben muß, bis es endlich zum eigenen Spielstil paßt.
Ein Beispiel für ein Rollenspiel, welches ich in meiner eigenen Erfahrung als Spieler bei einem ganzen Haufen Spielleitern als derart FLEXIBEL erfahren habe, ist D&D.
Ich habe dabei erfahren müssen, daß man auch bei dem ansonsten IDENTISCHEN Regelsystem wirklich in jeder neuen Gruppe, bzw. bei jedem Umbau der eigenen Gruppe (wir haben oft Spielleiter-Rotation betrieben), ein ANDERES SPIELGEFÜHL hatte. - Das lag daran, daß jeder Spielleiter, aber eigentlich jede Gruppe aus Spielern und Spielleiter ZUSAMMEN für eine ganz eigene, gruppenindividuelle Spielpraxis verantwortlich war. Diese Praxis kann man dann als den aktuellen Spielstil der Gruppe als GANZES bezeichnen. Und der mag mit den INDIVIDUELL unterschiedlichen bevorzugten Spielstil-Idealvorstellungen EINZELNER in der Gruppe durchaus in Konflikt stehen. - Da es eine Gruppe ist, genauer eine GRUPPE, haben deren Mitglieder schon von vorneherein eine Konsensfähigkeit, die auch den einzelnen in die Lage versetzt zum Wohle einer Spielfähigkeit in der gesamten Gruppe Kompromisse einzugehen und nicht ständig Maximalforderungen zu stellen und auf individuellen Ansprüchen zu beharren.
In manche Gruppen kam es aufgrund dann letztlich DOCH unvereinbar unterschiedlicher Spielstile der Gruppe zu manchen Individuen zum Ausstieg Einzelner. Wenn die Unterschiede zu groß oder der Wille zuerst zur Gruppe zu gehören und erst in zweiter Linie seine eigenen Ansprüche zulasten der anderen Gruppenmitglieder durchzusetzen zu klein war, dann passierte das eben.
Mir war eben auch in manchen Gruppenkonstellationen das Spiel nicht so angenehm wie in anderen. Und ist es noch. - Con-Runden oder Vereinsspielrunden können derart unterschiedlich zusammengesetzt sein, daß ein und dasselbe Szenario mit ein und demselben Regelsystem in der einen Gruppenzusammensetzung eine tolle Geschichte ergibt, während in der anderen Zusammensetzung die Geschichte hinter einem oder zwei sich in den Vordergrund spielenden Charakterdarstellern zurückbleibt.
Ich kann verstehen, daß man die Einschätzung hat, daß das Regelsystem einen Einfluß auf das Spiel, auf die Zufriedenheit beim und mit dem Spielen hat.
Aber das Regelsystem stellt NICHT DEN EINZIGEN EINFLUSS auf das Spiel dar.
Aber ich beharre auch nicht darauf, dass das der einzige Weg ist, die Übergänge sind fließend und ein echtes universelles System müsste für alle Spielertypen etwas bieten.
Das ist auch der Grund, warum - entgegen der Benennung mancher "universeller" Regelsysteme - es kein WIRKLICH UNIVERSELLES Rollenspiel gibt.
Je konkreter die Regelbasis aussieht, desto weniger flexibel wird das Rollenspiel mit unterschiedlichen Spielvorlieben umgehen können. Wenn man alles überspezifiziert, überdefiniert, dann erstickt die schiere Masse an zu beachtenden Regeln eine wirklich hohe Flexibilität.
Und dann ist es ja auch so, daß auch Generische "Universelle" Rollenspiele von ihren Autoren nur einen gewissen Grad an Flexibilität hineinentworfen bekommen haben. Das sind die Punkte, an denen die Flexibilität VORGESEHEN ist. An anderen Punkten können tragende Regelmechanismen einfach "brechen", während flexible Regelmechanismen an den vorgesehenen Stellen einen breiten Verwendungsspielraum haben.
Leichtgewichtige Regelsysteme sind auch keine Garantie, daß ein Regelsystem flexibel nach unterschiedlichen Spielstilen "bespielt" werden kann. Umgekehrt ist auch ein schwergewichtiges Regelsystem kein Hindernis für eine flexible Spielbarkeit.
Da kommt es sehr auf den Einzelfall an.
D&D habe ich als Beispiel aufgeführt, weil es mir bei unseren Rotations-Runden in D&D als erstes aufgefallen ist, später dann auf Cons so richtig klar wurde, und inzwischen eine Selbstverständlichkeit ist, daß es NIE reicht ALLEIN auf das Regelsystem zu schauen und man ist glücklich.
Die Vereinfachung, die hinter den meisten "System does matter"-Diskussionen steckt, ist meiner Meinung nach die typisch amerikanische "alles über denselben Kamm scheren"-Methode, die hierzulande auch recht unkritisch aufgegriffen wurde (auch von mir - auch wenn das schon ein wenig her ist; damals war es wenigstens noch neu).
Es ist einfach NICHT SO EINFACH. Jedenfalls nicht so eindimensional, wie manche in nichthilfreicher Vereinfachung es darzustellen pflegen.