AW: SF RPGs - ein paar Gedanken
Um noch einmal die Fantasy ins Spiel zu bringen: Wie ist das denn dann nun im Vergleich mit den dortigen Erklärungen?
Wenn es nicht allzu märchenhaft nebulöse Fantasy-Welten sind, dann MUSS die Magie dort auch ausgesprochen PLAUSIBEL auf den erst einmal bei den Setting-Beschreibungen aufgestellten "Naturgesetzen 2.0 - einschließlich Magie, Multiversen und Methoden diese zu nutzen" fußen.
Stellt man eine Fantasywelt in den "Raum" mit eigener Kosmologie, eigenen Naturgesetzen (wozu hierbei auch die Gesetze, Limitierungen, Zusammehänge, Kausalbeziehungen rund um alles Magische gehören) auf, dann kann man als Fantasy-Rollenspieler erwarten, daß diese auch in sich stimmig verwendet werden. Und man kann selbst aufgrund dieser bekannten Zusammenhänge KONKRETE VORAUSSAGEN treffen, die VERLÄSSLICHE Ergebnisse liefern.
Wenn man hier auf unserer Welt einen Apfel fallen läßt, dann fällt er nach unten.
Wenn die Naturgesetze 2.0 einer Fantasy-Welt sagen, daß Äpfel (oder das, was einem Apfel auf dieser Welt am nähesten kommt) sich dort anders verhalten, dann ist das so.
Auf der Welt Glorantha sind Aluminium und Quecksilber nur zwei Zustandsformen DESSELBEN Metalls. - Chemisch-naturwissenschaftlich ist das Schwachsinn. Aber aufgrund der Kosmologie von Glorantha, der Beziehung ALLER Metalle zu ganz konkreten Ausprägungen bestimmter Gottheiten und der ausgesprochen "High-Magic"-Landschaft, auf der die Völker angesiedelt sind, ist das nicht nur kein Schwachsinn, sondern PLAUSIBEL und - innerhalb der SETTING-LOGIK - absolut glasklar BEGRÜNDET!
Man kann das als echte ERKLÄRUNG heranziehen. Diese Erklärung gilt zwar nur, solange man sich auf der Spielwelt Glorantha befindet, aber dort trifft sie als völlig korrekt in jedem Falle zu.
Klar gibt es auch Fantasy-Welten, bei denen Magie Wischi-Waschi-Hauptsache-Bumm-und-viel-Neoneffekte ohne jegliche und auch OHNE NOTWENDIGE Plausibilität ist. Man BRAUCHT zum Spielen von z.B. D&D-like Fantasy-Settings KEINE haarkleine Darlegung der magischen Gesetzmäßigkeiten. - Beim Spielen von Ars Magica sieht das anders aus. Oder beim Spielen von HeroQuest/HeroWars.
Nicht mehr Fantasy, sondern Steampunk: Was da alles an Dampfapparaturen geboten wird, das KANN NICHT FUNKTIONIEREN, wenn wir heutige Ingenieurskunst und Wissen um Wirkungsgrade etc. zugrunde legen. - Aber in der Spielwelt geht das TROTZDEM. Da fliegen Ornithopter-Staffeln mit Uhrwerksantrieb, da gibt es festungsgroße Dampf-Panzer, die über Europa fahren, da ist Dampftechnik so miniaturisiert und von so hohem Wirkungsgrad, daß man damit Prothesen, Arme, Beine, usw. betreiben kann.
Meist wird ein "wundersamer Stoff" als Erklärung aufgeboten, daß diese Gegenstände besserem (Schulphysik-)Wissen zum Trotz eben DOCH funktionieren. - Grundlage für jeden, der Spaß an Steamtech haben will: Sag JA! dazu, daß daß klappen könnte, daß es das geben könnte, daß das funktionieren könnte!
Wer das akzeptiert, der kann auf dieser Basis innerhalb der Setting-Logik wiederum schlüssig argumentieren, Vorhersagen treffen, Probleme lösen usw. - Somit ist das wie die Magie in Fantasy-Settings: Akzeptanz der von der Realität abweichenden Grundannahmen vorausgesetzt, läßt sich ganz vorzüglich innerhalb solcher Settings logisch handeln ohne irgendwelche Plausibilitätsbrüche zu erleben.
Sich nicht von dem, was der HEUTIGE Stand der Wissenschaft und Technik ist, lösen zu können, macht im Normalfalle einen SCHLECHTEN Sci-Fi-Autoren aus. - Science Fiction ist SPEKULATION PUR.
Statt "was wäre, wenn man mittels der Formeln in einem Buch über Kartenspiele zaubern könnte" zu spekulieren, oder statt "was wäre, wenn man sehr kleine und/oder höchsteffiziente Dampfmaschinen konstruieren könnte und diese mit hochentwickelten mechanischen Rechenmaschinen kombinieren könnte" zu spekulieren, wird eben auf der Basis bekannter (populärwissenschaftlich verbreiteter) Annahmen der aktuellen (meist Natur-)Wissenschaften weiterspekuliert. - Das ist bestenfalls lahmarschig und phantasiearm.
Das geht aber auch mit Geschichtswissenschaften oder Sozialwissenschaften. - Alternativhistorien gehen ja auch von Abweichungen zum bekannten, realen Geschichtsverlauf aus, und versuchen die weitere Entwicklung dann in sich plausibel darzulegen. Sozial-Dystopien wie Harrisons "Make Room! Make Room!" (als "Soylent Green" verfilmt) oder "Rollerball" oder "THX 1138" stellen überhaupt nicht Naturwissenschaft und Technik in den Vordergrund, sind aber ausgesprochene HARD SCIENCE FICTION!
Das spekulative Element darin liegt jedoch eben nicht im gerne mit Hard Sci-Fi verbundenen Zelebrieren des Weiterspinnens aktueller Artikel populärwissenschaftlicher Magazine, sondern im Weiterspinnen von demographischen Entwicklungen und deren spekulativen Folgen auf die Gesellschaft ("Soylent Green"), oder im Weiterspinnen von globalisierungsbedingter Entmachtung der Nationalstaaten und Staatenbünde und Alldominanz weniger "Global Player"-Konzerne und dessen Auswirkungen auf die Rechtssicherheit und die Selbstbestimmung des Einzelnen ("Rollerball").
Wie gesagt: Ausgesprochene HARD-Sci-Fi ohne "Transhuman"-Chic oder Cyber-"Punk".
Was muß man denn als Spieler oder Spielleiter "wissen" (Als ob Faktenwissen der kritische Faktor wäre! Wie naiv!), wenn man einen Polizeidetektiv im gnadenlos übervölkerten, hungernden New York von "Make Room! Make Room!" spielen will, der einen Mord aufklären soll?