rick schrieb:
Und um noch einen drauf zu setzen: Krieg gehörte schon immer zum "Alltag" des Menschen, warum ihn auslassen?!?
Dem widerspreche ich. Krieg war und ist nie wirklich "Alltag", nicht einmal für Soldaten.
Zu den Fragen: Ja, ich spiele in Rollenspiel-Szenarien auch durchaus Konflikte aus auf einer Ebene, die man nur noch als Krieg bezeichnen kann.
Aber.
Es sind bei mir NIE unsere historischen oder gar aktuellen Kriege. Selbst bei Deadlands, was ja einen etwas anderen Verlauf des amerikanischen Bürgerkrieges beinhaltet, ist der Verlauf und das, was inhaltlich im Setting mit diesem Krieg gemacht wird, so anders, so weit weg von der Historie, daß ich damit leben kann.
Ich finde Krieg eigentlich zum Kotzen.
Krieg ist abscheulich und macht jeden und alles kaputt. Daran ist nichts Faszinierendes oder Unterhaltsames. - Jedenfalls nicht, wenn man nicht anfängt den Krieg zu verharmlosen, zu beschönigen, zu übertünchen mit Abenteuer, Ritterlichkeit, Heldentum, usw.
Daher WILL ich so etwas nicht in meinen Spielen haben. Und meine Mitspieler auch nicht. Und ich finde schon die bloße Existenz von den diversen 2. Weltkriegs- oder Vietnamkriegs-Settings ein Armutszeugnis für die jeweiligen Autoren.
Trotzdem spiele ich mit ausgewachsenen Kriegen in diversen Settings. Wie geht das zusammen? - Das geht, weil ich eben den Krieg darin verharmlose, beschönige, ihn mit Abenteuer, Spionage, Heldentum, Ritterlichkeit übertünche. Dadurch wird ein Kriegsszenario - und hier immer zu verstehen: in einem komplett erfundenen Kriegsschauplatz (Fantasy-Welten, Science-Fiction-Welten, was auch immer) - erst für mich möglich.
Natürlich mag das bei anderen anders sein. Ich muß schon lange niemandem mehr beweisen, daß ich weiter runter in der nach unten offenen Rollenspiel-Verrohungsskala kommen kann, indem ich Nazi-Soldaten spiele, oder - schlimmer noch als Spielleiter - deren Greueltaten den Spielern vorexerzieren oder gar antun muß. Wer das braucht hat mein Mitleid. Nein, Quatsch. Wer das braucht, der hat ein Problem und mein Mitleid behalte ich für die, die es verdienen.
Ich lasse natürlich die Grausamkeit und die emotionale Verrohung durch Kriege nicht aus. Ich zelebriere sie jedoch nicht. Kriege gehören zu vielen mit politischen Spannungen geladenen Settings einfach logischerweise dazu und es wäre unstimmig, wenn es in bestimmten "Krisengebieten" von z.B. Fantasy-Welten KEINE Kriege aufträten. Daher muß man sich dessen bewußt sein und überlegen, in welcher Form man mit dem Krieg umgeht. Ausblenden wäre da eben keine Option, wobei man seine Kampagnen ja auch an nicht so brisante Orte der Spielwelt verlagern kann. (Aber, wenn die SCs nicht zum Krieg gehen, dann kommt er eventuell zu ihnen - in meiner aktuellen Fantasy-Kampagne ist das gerade der Fall.)
Wenn die Spieler Spaß an politischen Affären, an Verwicklungen, an Spionage und Infiltration haben, dann kann man ihnen mit einem Vorkriegs-Spannungszustand, einem gerade geführten Krieg, oder einem "Kalten Krieg"/Nachkriegszustand eine Plattform für ihre bevorzugte Art von Szenarien verschaffen.
Mal aus dem Ärmel ein paar Rollenspiel-Settings, in denen Kriege - aktuelle, oder erst vor kurzem beendete - eine große Rolle im Setting spielen: Cthulhu in den 1920ern (1.Weltkrieg), Castle Falkenstein (Krieg Preußen gegen Bayern), Deadlands (Union gegen Konföderierte, Die Großen Eisenbahnkriege), Glorantha (Lunares Imperium gegen Orlanthi-Stämme, viele weitere zum Spielzeitraum aktive Kriegsschauplätze), Traveller (diverse Kriege, z.B. 5.Grenzkrieg des Imperiums gegen die Zhodani), Star Wars (Nomen est omen), Babylon 5 (Erde-Minbari-Krieg, Centaur-Narn-Krieg, Minbari-Bürgerkrieg, Erd-Allianz-Bürgerkrieg, Dilgar-Krieg, Krieg gegen die Schatten, Krieg gegen die Vorlonen, Centauri-Non-Aligned-Worlds-Krieg, die Psioniker-Kriege, ... - ziemlich viel Krieg in B5 nicht?), Engel (Krieg gegen die Morlocks, Krieg gegen diverse Schrottbaron-Stadtstaaten - zumeist mit echter Massenvernichtung aller "unbekehrbaren" Einwohner der eroberten Stadtstaaten, Krieg gegen die Traumsaat - ist eigentlich kein Krieg, sondern ein Kampf gegen echten Terror (nicht gegen Islamisten-Terror
), demnächst in diesem Setting: Eroberungskrieg der Kirche gegen Britannien), Midgard (Krieg der Seemeister), Savage Worlds Evernight (die "Rassenkriege" - heißt tatsächlich so, ist aber OK, weil Amerikaner so etwas sagen dürfen und es hier um Rassen wie Orks, Zwerge, Elfen, etc. geht - das ist die Kampagne, die ich oben meinte mit "der Krieg kommt zu den Spielern, wenn sie nicht selbst zum Krieg gehen wollen"), Firefly (Browncoats gegen Allianz - Sci-Fi-Variante des US-Bürgerkrieges in Space).
Das sind jetzt nur die Rollenspiele/Spielsettings, die mir auf die Schnelle einfielen, weil ich im letzten halben Jahr oder so diese alle in unterschiedlicher Intensität und Häufigkeit gespielt habe.
Das sind doch ziemlich viele Kriege, oder? Und das in nur einem kleinen Ausschnitt aus der Fülle an Rollenspiel-Welten, die es auf dem Markt gibt. Kriege werden augenscheinlich gerne von Autoren eingesetzt, um ein Gefühl der Bedrohung, eine spannungsgeladene politische Situation oder einfach einen Action-Grund einzuführen. Krieg ist in Unterhaltungsmedien ein beliebtes Versatzstück geworden. Dieser unterhaltende Krieg ist aber so verschieden von realen Kriegen, daß selbst der Verblödetste einsehen muß, daß er nach einer genossenen Dauerdröhnung von 20 Kriegsfilmen hintereinander garantiert NICHT und NIEMALS selbst in einem Granatentrichter vor Verdun in Deckung hechten möchte, während seine Kameraden "aufgerieben" (welch treffendes Bild dabei hochkommt *würg*) werden.
Phantasievoll-unrealistische Kriege sind Versatzstücke für Rollenspiele eben WEIL sich KEIN Alltag sind, sondern damit immer - vom Autor - etwas Besonderes erzählt werden soll. Ob man dasselbe auch anders erzählen könnte? Wer weiß. Aber Kriege gehören seit den Chainmail- bzw. Armageddon-Anfängen eng zum Rollenspiel-Hobby dazu.
Moderne und historisch-akkurate Kriege sind jedoch nach meinen eigenen Werten nicht akzeptabel. Ich spiele nicht in aktuellen oder historischen Kriegen.