Daß es sich um ein Problem der Projektleitung und des Entwicklungsprozesses gehandelt haben MUSS, steht für mich außer Zweifel.
Das Lektorat war geplant, budgetiert und wurde durchgeführt. Somit ist eine Lektoratsphase auch in der Gesamtplanung eben vorgesehen gewesen. - Wenn aber die ERGEBNISSE der Lektoratsphase nicht oder nicht vollständig in das Produkt eingearbeitet wurden, dann ist etwas im Bereich des Entwicklungsprozesses mächtig schief gelaufen, da ja effektiv Aufwände (Zeit und auch - so vermute ich mal - Geld) ins Lektorat gesteckt wurden, das dann größtenteils "in die Tonne" gewandert ist.
Man kann noch so viel qualitätssichernde Maßnahmen durchführen. Solange deren Ergebnisse NICHT ins Endprodukt einfließen, sind sie sinnlos!
Natürlich gibt es auch die altbekannten Schluderprodukte, bei denen der jeweilige Verlag überhaupt nicht erst ein Lektorat hat durchführen lassen. Solche mit der "heißen Nadel gestrickte" Produkte, die "blind" für jegliche Qualitätsansprüche einfach in Druck gegeben werden und dann beim Kunden "nachreifen" dürfen und unschöne, teils SEHR lange Errata-Listen benötigen, um überhaupt spielbar zu werden, gibt es auch. - Rippers ist sicher KEINES davon!
Ich frage mich - wirklich unabhängig von Rippers und PG als Verlag - was denn eigentlich einen Verlag bzw. nicht den Verlag, sondern die ENTSCHEIDUNGSTRÄGER, die VERANTWORTLICHEN im Verlag dazu bringt sich hinzusetzen und zu entscheiden "Heute schmeißen wir mal ein unlektoriertes, vor Fehlern strotzendes Manuskript auf den Drucker."? - Ist das VERACHTUNG den Kunden gegenüber? - Muß wohl so sein, denn das GUTE Geld der Kunden nehmen diese Verlage auch immer noch gerne, aber sie scheinen nicht einmal einen Hauch von Willen zu besitzen, dem Kunden einen qualitativ akzeptablen GEGENWERT zu liefern. (Hier kommt bei mir immer noch der Ärger über die Savage Earthdawn Ausgabe von RedBrick wie bitterste Galle hoch.)
Welches Projektteam arbeitet denn unter der Projektmaxime "Wir produzieren schlampigen, hingeschluderten Schrott"?
Gerade im Rollenspielumfeld kommen ja die meisten Schaffenden direkt aus dem Rollenspielhobby und dürften doch auch schon selbst in ihrer Hobby-Geschichte an schlechte Produkte geraten sein. - So etwas, so meine ich, schärft doch das Qualitätsbewußtsein und die ENTSCHLOSSENHEIT, die EIGENEN Produkte gefälligst NIE, NIE, NIE so qualitativ schlecht zu produzieren, wie das Zeug, für welches man (oft in jungen, wenig finanzkräftigen Jahren) sein gutes Geld als Kunde gelassen hat.
Ich glaube daher auch nicht, daß Verlagsverantwortliche, Redakteure, Übersetzer, Layouter, etc. sich BEWUSST entscheiden ein schlechtes, schludriges Produkt zu erstellen.
Ich glaube eher, daß hier einfach das WISSEN um sinnvolle qualitätssichernde, ja qualitätssteigernde Prozesse fehlt. Und ich glaube, daß es an grundlegendem Projektmanagement-Wissen und an dessen praktischen Methoden mangelt.
Das ist an sich ja auch erst einmal nicht das Problem. - Das Problem ist, wenn man ERKANNT hat, daß es an Projektmanagement mangelt, eben NICHTS zu tun, daß es BESSER wird!
Hier - und, wie ich oben schon schrieb, das gilt wirklich international - haben sich Rollenspielverlage im Hinblick auf ihre Lernfähigkeit und den Willen ihre Prozesse zu verbessern bislang im Großen und Ganzen als ungenügend erwiesen.
So sympathisch es sein mag, wenn ein echt netter Rollenspieler-Kumpel sein erstes selbstentwickeltes Rollenspiel im Selbstverlag herausbringt und er alles daran selbst gemacht hat - auch alle Fehler darin! - so wenig verständlich ist es, wenn ein Verlag als Unternehmung vom regelmäßigen Erstellen von Produkten, deren kommerzieller Verwertung seine EXISTENZ begründet und dann eben auch noch dieselbe "Ahnungslosigkeit" in Bezug auf Projektmanagement, Qualitätssicherung, Kundenbeziehungspflege etc. praktiziert, wie der Alles-selbst-gemacht-Hobby-Entwickler.
Professionell heißt für mich nicht nur "ich verlange Geld dafür", sondern auch "ich weiß, WIE ich etwas erstellen, prüfen, verbessern, pflegen, produzieren kann, so daß es das Geld, das ich dafür verlange, WERT ist".
Übrigens: Nicht alle "Selbstentwickler" sind so schludrig wie so manche kommerziellen Verlage. Oft gibt es hier auch solche "Indie-Produkte", die spürbar höhere Qualität abliefern als die Produkte von Verlagen, die eigentlich aufgrund ihrer langen Erfahrung und ihrer zahlreichen bisher schon erschienenen Produkte wissen müßten, wie man gute Qualität zu fairem Preis für die Kunden erstellt. - Das hat übrigens NICHTS mit "Deadline-Hektik" zu tun! Ein Selbstentwickler kann natürlich jederzeit die Entscheidung treffen, sein nächstes Produkt noch ein paar Monate zu schieben, es reifen zu lassen. - Aber genau das "Schieben" ist doch auch bei den kommerziellen Verlagen ÜBLICH! ALLES wird geschoben! IMMER verzögert sich irgendwas!
Und wenn sich also schon immer irgendetwas verzögert, dann ist der BESTE Grund für eine Verzögerung eben das Beseitigen von FEHLERN und das Erhöhen der QUALITÄT des Endproduktes! Denn derartige Verzögerungen sind direkt zum Nutzen der Kunden!
Hier im Thread schrieb schon einmal jemand, daß gerade die Savages lieber ein paar Monate (manchmal Jahre!) länger auf ein Produkt warten, das dann AUSGEREIFT und qualitativ in Ordnung ist, als irgendetwas schnell hingeklatscht zu bekommen, das dann so unbefriedigend ist, daß man dem dafür ausgegebenen Geld hinterhertrauert (ich sag nur: Savage Earthdawn von Red Brick! ).
Wenn man gute Kundenbeziehungspflege praktiziert, dann kann man übrigens auch solche Verzögerungen aus Gründen der Qualitätssteigerung offen und klar an die Kunden kommunizieren. Wie gesagt: Das kommt letztlich dem Kunden direkt zugute!
Es besteht wirklich KEIN zwingender Grund, aus dem man unbedingt zur RPC oder SPIEL ein Produkt schnell, schnell "fertig" machen muß. - Die Verkäufe auf der Messe selbst können es nicht sein, auch nicht die Bekanntheit, der Werbe-Effekt bei solch einem Termin, weil hier eh neue Produkte mit allen anderen ebenfalls neuen Produkte gleichzeitig antreten. - Ein Produkt von HOHER QUALITÄT, auf das man als Verlag, als Entwicklungs-Team mit Recht STOLZ sein kann, das verkauft sich auch abseits von diesen beiden Terminen!
Tue Gutes und rede darüber (mit Deinen Kunden)!
Klar kostet Kundenbeziehungspflege Zeit (und damit oft auch Geld). - Aber WOZU betreibt man einen Verlag, wenn man sich dann vor den Kunden versteckt (wie gerade zu Engel-Zeiten von Feder&Schwert geradezu als unrühmlichstes "Wie man es NICHT macht"-Beispiel vorexerziert)?
Manchmal wünsche ich mir, daß hier persönliche Eitelkeiten gerade der Verlagsverantwortlichen deutlich zurückgeschraubt würden und mehr wirklich spürbare, mehr GELEBTE Kundenorientierung stattdessen die Rollenspielverlage bestimmt. - Immerhin kommen ja die Verlage aus den Reihen der Hobbypraktizierenden, sie verdanken ihre wirtschaftliche Existenz (größtenteils) den Hobbyaktiven und sie haben nur dann eine ZUKUNFT, wenn sie Dinge produzieren, welche bei den Hobbyaktiven auch ankommen und ihnen das Geld locker machen können.
Das mit den persönlichen Eitelkeiten ist tatsächlich ein internationales Problem. - Wie das meiste, was ich hier schrieb, handelt sich die Problemlage wirklich um eine im GESAMTEN HOBBY verbreitete, mißliche Situation.
Es gibt einige wenige herausstehende Verlage bzw. oft auch nur Einzelpersonen, bei denen man auch diese persönlichen Eitelkeiten nicht findet, bei denen man merkt, mit welchem HERZBLUT sie für das Hobby engagiert sind und wie sie mit ihren Kunden fühlen. - Das sind die Verlage, bei denen ich auch gerne mal ein Spiel kaufe, das ich sicher nicht so bald oder auch überhaupt nicht spielen werde, einfach weil ich weiß, wieviel LIEBE ZUM HOBBY darin steckt und das unterstützen möchte.
Rollenspiele sind ein Nischenhobby. Wir leben in einer Zeit der Discounter-Produkte minderster Qualität. - Ein Nischenhobby hat es NICHT NÖTIG solche Minderqualität in seinen Produkten aufzuweisen! Dazu wird im Rollenspielbereich längst nicht mit den Auflagen gearbeitet, längst nicht die MASSE produziert, als daß hier über viele, aber qualitativ schlechte Produkte eine "gesichtslose Masse" an Kunden von ihrem Geld getrennt werden könnte.
Im Nischenhobby Rollenspiele KENNT MAN SICH. Die Kunden kennen die Leute aus den Verlagen und die Verlagsschaffenden kennen zumindest die kommunikativeren Kunden aus Foren, Blogs und direkt von den Messeständen. - Und eben WEIL man sich kennt, ist, so meine ich, das eine oder andere OFFENE WORT angebracht.
Es geht doch auch keinem Kritiker an den bekanntermaßen unbefriedigenden Entwicklungsprozessen darum irgendwem persönlich an den Karren zu fahren! ALLE, Verlage wie Kunden, wollen doch DASSELBE: Gute Produkte, von denen die Verlage leben können, so daß das Hobby nicht austrocknet, und die die Kunden so schätzen, daß sie weitere Produkte des Verlags kaufen wollen, so daß die Verlage Bestand haben können und sich die Kundenbasis verbreitert.
Daher wünsche ich mir als ersten Schritt mehr PROBLEMBEWUSSTSEIN bei den Verlagen für solche Probleme, die aus mangelhaftem Projektmanagement, Qualitätssicherung, Kundenbeziehungsmanagement entstehen.
Und weiters wünsche ich mir als nächsten Schritt mehr KONSEQUENZ im VERBESSERN der als Problem erkannten Punkte, so daß der Erstellungsprozeß und die weitere Kundenbeziehungspflege einfach besser als in der Vergangenheit läuft.
Diese beiden Wünsche sind NICHT UNREALISTISCH!
Man braucht nur den WILLEN zur Verbesserung.