AW: "Pistols at dawn" oder Fallbeispiel für den Wert von hartem Diskurs
"Diskurs" findet in großen Gruppen, bestenfalls in der gesammten Gesellschaft statt. Das Wort bezeichnet den konflikthaften gesellschaftlichen Umgang mit einem Problem und ist deswegen ziemlich weitgefasst. Zeitungsartikel, Dmonstrationen und Bundestagsdebatten können alle Teil des Diskurses sein, ebenso wie das meiden bestimmter Urlaubsländer.
Das ist alles zwar gut gemeint, aber völlig wischi-waschi. Und dann Zeitungsartikel, Debatten und Urlaubslandmeidung in einen Topf geworfen, bedeutet für das, was mit Diskurs in diesem Sinne gemeint ist, daß man nicht sagen kann, was damit eigentlich gemeint ist, weil es alles sein kann, jeweils abhängig von auch nicht näher definierbaren Umständen. Diskurs ist somit wie Kunst. Nur anders. Wobei Kunst bestimmt AUCH Diskurs sein könnte (wenn schon Urlaubslandboykott Diskurs ist).
Foucault war der erste, der "Diskurs" so benutzt hat, weswegen er tatsächlich als "Erfinder" des Diskurses gelten darf.
[klugscheißmode]Nicht jedes aus antiken Sprachen abgeleitete Wort wurde auch schon von den Römern verwendet, siehe hierzu auch Automobil.[/klugscheißmode]
Das war auch mehr eine Vermutung, denn sichere Kenntnis.
Jedoch ist für mich Diskurs folgendes:
Giornata prima
INTERLOCUTORI
Salviati, Sagredo e Simplicio
SALV. Largo campo di filosofare a gl'intelletti specolativi parmi che porga la frequente pratica del famoso arsenale di voi, Signori Veneziani, ed in particolare in quella parte che mecanica si domanda; atteso che quivi ogni sorte di strumento e di machina vien continuamente posta da numero grande d'artefici, tra i quali, e per l'osservazioni fatte dai loro antecessori, e per quelle che di propria avvertenza vanno continuamente per se stessi facendo, è forza che ve ne siano de i peritissimi e di finissimo discorso.
SAGR. V. S. non s'inganna punto: ed io, come per natura curioso, frequento per mio diporto la visita di questo luogo e la pratica di questi che noi, per certa preminenza che tengono sopra 'l resto della maestranza, domandiamo proti; la conferenza de i quali mi ha più volte aiutato nell'investigazione della ragione di effetti non solo maravigliosi, ma reconditi ancora e quasi inopinabili. È vero che tal volta anco mi ha messo in confusione ed in disperazione di poter penetrare come possa seguire quello che, lontano da ogni mio concetto, mi dimostra il senso esser vero. E pur quello che poco fa ci diceva quel buon vecchio è un dettato ed una proposizione ben assai vulgata; ma però io la reputava in tutto vana, come molte altre che sono in bocca de i poco intelligenti, credo da loro introdotte per mostrar di saper dir qualche cosa intorno a quello di che non son capaci.
SALV. V. S. vuol forse dire di quell'ultimo pronunziato ch'ei profferì mentre ricercavamo d'intendere per qual ragione facevano tanto maggior apparecchio di sostegni, armamenti ed altri ripari e fortificazioni, intorno a quella gran galeazza che si doveva varare, che non si fa intorno a vasselli minori; dove egli rispose, ciò farsi per evitare il pericolo di direnarsi, oppressa dal gravissimo peso della sua vasta mole, inconveniente al quale non son soggetti i legni minori?
SAGR. Di cotesto intendo, e sopra tutto dell'ultima conclusione ch'ei soggiunse, la quale io ho sempre stimata concetto vano del vulgo; cioè che in queste ed altre simili machine non bisogna argumentare dalle piccole alle grandi, perché molte invenzioni di machine riescono in piccolo, che in grande poi non sussistono. Ma essendo che tutte le ragioni della mecanica hanno i fondamenti loro nella geometria, nella quale non veggo che la grandezza e la piccolezza faccia i cerchi, i triangoli, i cilindri, i coni e qualunque altre figure solide, soggette ad altre passioni queste e ad altre quelle; quando la machina grande sia fabricata in tutti i suoi membri conforme alle proporzioni della minore, che sia valida e resistente all'esercizio al quale ella è destinata, non so vedere perché essa ancora non sia esente da gl'incontri che sopraggiugner gli possono, sinistri e destruttivi.
Nicht, daß ich italienisch könnte.
Aber dies ist DAS prägende Werk, welches den Diskurs-Begriff lange vor Foucault und in ganz praktischer Art und Weise unsterblich gemacht hat:
Galileo Galileis
Discorsi (su due nuove scienze) sind etwas, was so ziemlich jedem Naturwissenschaftler unter Diskurs geläufig sein sollte.
Und so ziemlich jeder Fechter im italienischen Rapier-Fechten kennt Saviolos Fechtbuch.
Beiden Büchern gemein ist, daß es um eine Erörterung eines Themas in Form von Dialogen mehrerer Personen geht, die aber allesamt nur nach dem Willen und - mindestens bei einem der Fall - nach der Meinung des Autors sprechen.
Diese Art der Darlegung und Behandlung eines Themas zur Wissensvermittlung ohne, daß ein Lehrmeister da ist, welcher Fragen beantworten könnte, ist älter als diese beiden bekannten Bücher.
Auch in De Re Publica ist ja ein Gesprächsformat die gewählte Form um vom Staatswesen zu berichten und die Fragen, die das Staatswesen betreffen, zu erörtern. Alles aus der einen Hand des Autors, aber in Form eines Gesprächs mehrerer Personen.
Daher wurde ich sehr stutzig, als ich diese doch sehr modernen und ziemlich weit weg vom natürlichen Verständnis des Diskurs-Begriffes befindlichen SONDERBEDEUTUNGEN gelesen habe.
Die Diskurs-Form im Unterschied zur Dialog-Form, welche auch zur Erläuterung von Themen verwandt wurde, ist halt ein wenig aus der Mode gekommen, aber ich bezweifele, daß Foucault der "Erfinder" des Diskurses sein KANN.
Er kann bestenfalls den bekannten Begriff mit einer seiner Fachrichtung spezifischen SONDERBEDEUTUNG belegt haben. - Aber macht ihn das zu einem Erfinder? - Sicher nicht.
Der Diskurs-Begriff, den Agroschim und Shub verwenden, ist ein von einer nur sehr kleinen Gruppe als FACHJARGON verwandter Begriff, der nur entfernt etwas mit der Darlegungsform von Sachbüchern als fiktive Gespräche mehrerer Personen zu tun hat.
In diesem Sinne findet nämlich der oder ein rollenspielerischer Diskurs nicht statt. Heutzutage ist es unüblich für einen Autor mehrere Blickwinkel auf ein Thema durch mehrere Personen und deren Diskurs darüber darzustellen. Erst recht im Rollenspielumfeld (wobei ich auch modernere Texte aus der Kampfkunstecke kenne, in denen eine solche - diesmal von chinesischen Autoren angewandte - Darstellungsform gewählt wurde, was daran liegt, daß eine Sachthemenbehandlung sich geradezu anbietet in Dialog- oder Diskurs-Form behandelt zu werden; und zwei sehr moderne Bücher (nach 2000 herausgekommen) über das Langbogenschießen sind bewußt in solch einer alten Form der Themenbehandlung abgefaßt).
Ob es einen Diskurs im modernen, fachspezifischen Sinne im Rollenspiel oder über das Rollenspiel gibt, das kann ich nicht nachvollziehen und ist mir auch einerlei.
Daß "Diskurs" jedoch in den heutigen Medien synonym für "Diskussion" verwandt wird, das ist durchaus der Fall. - Und umgekehrt. So wird "Diskussion" auch im modernen Sinne des Begriffes "Diskurs" als Synonym eingesetzt. - Und natürlich sind alle Journalisten ungebildete Bastarde, die mit der deutschen Sprache Schindluder betreiben und sie nicht einmal in Grundzügen selbst beherrschen. Und trotzdem wandeln sich Begriffe in einer lebendigen Sprache.
Alt: Diskurs als eine Form der Erläuterung eines Themas in Form eines Gesprächs.
Modern: Diskurs als irgendwie schwammig-beliebige neue Bedeutung des altbekannten Begriffs, welche sich ein Philosoph ausgedacht hat, und die man hier im Forum nicht klar erklärt bekommt.
2007: Diskurs als Synonym für Diskussion.
Im letzteren Sinne war das vermutlich von Skyrock gemeint, und wurde auch so verstanden. Jedenfalls von allen, die nicht fachsprachliche Sonderbedeutungen als die ERSTE oder gar EINZIGE Bedeutung dort hineininterpretieren, wo sie nie beabsichtigt waren.