AW: Persönlicher Horror
@ Sorfidae: Da bin ich genau Deiner Meinung! Wer einen coolen Killertypen oder den Superhelden von nebenan spielen möchte, ist bei Vampire meiner Meinung nach total falsch.
Ich finde den Persönlichen-Horror-Aspekt total wichtig, bin aber der Ansicht, dass er nicht zu sehr in den Vordergrund treten sollte. Eher sollte diese verzweifelte Stimmung immer im Hintergrund mitschwingen.
Als Spielleiter versuche ich deshalb auch, den Spielercharakteren ihre Verdammnis klarzumachen (und den Spielern die ihrer Charaktere . . .
).
Ich bemühe mich gerade, ihnen neben der Haupthandlung ihre letzten Freuden und echten Freunde abspenstig zu machen (durch Exitus, Aufnahme in den Ghulkader eines Gegners, die schlichte Angst, die sie so langsam vor dem entsprechenden Charakter entwickelt, durch die Entdeckung, dass die Zuneigung eines Herdenmitgliedes nur durch die Extase des Kusses zustande kommt . . .) und ihnen zu zeigen, dass die beste Disziplin nichts dagegen auszurichten vermag.
(@ Hesha: Werte und Kräfte sind für das Gefühl der Machtlosigkeit eigentlich belanglos. Was hilft es dir, alle Werte in astronomischen Höhen zu haben, wenn Du den Tod eines Freundes nicht verhindern, das Herz einer geliebten Person nicht erobern oder Deinen Sohn oder Neffen oder Enkel nicht davor bewahren kannst, zum Ghul Deines Feindes zu werden?)
Ich habe meine Spieler auch gebeten, mir ein paar Episoden aus dem Vorleben der Charaktere auszuformulieren, damit ich Rückblenden darauf einbauen kann, so dass sie sich ihrer Veränderung und dem Verlust ihrer Menschlichkeit (nicht als Punktwert sondern als Eigenschaft) deutlich und schmerzlich bewusst werden. Gehenna steht bei uns grad vor der Tür und gerade am Ende der Welt sollten diese Themen nochmal stärker betont werden, denn Fragen nach Erlösung und Verdammnis drängen sich ja geradezu auf.
Als Spieler versuche ich auch, den persönlichen Horror auszuspielen und "mitzuempfinden". Ich spielen in der Alten Welt einen Ex-Mönch-Nosferatu auf dem Weg der Buße, wodurch eine Leidensmiene sowieso zu ihm gehört. Aber er versucht, gerade weil er sich für verdammt hält, möglichst viel Gutes zu tun und so Vergebung zu erlangen. Er läuft dabei gerade gegen die Mächtigen der Domäne an und wird sich der eigenen Machtlosigkeit bewusst. Natürlich erlebt er auch mit seinem Klüngel ein paar "Abenteuer", muss gerade gegen Werwölfe und einen Kindesentführer bestehen und hat die ganz normalen, allnächtlichen Probleme, die wohl jeder Vampir hat, aber diese Grundstimmung hängt für mich immer in der Luft.
Mein Tzimisce zuvor hatte das Problem auf einer ganz anderen Ebene: Es hielt sich für Gott oder noch ein wenig großartiger und musste irgendwie die Tatsache verdrängen, dass es in der Domäne am untersten Rand der Hackordnung stand. Leider konnte ich es nicht lange spielen, aber die ständige Enttäuschung und die allzu menschliche Feststellung, ganz allein auf der Welt zu sein, wären sicher gute Motive und "Hintergrundstimmungen" gewesen.