AW: Persönlicher Horror
Artes schrieb:
Und was das Trinken angeht: Naja also ich kenn viele Chars die so Jagen das die Opfer nicht zu Schaden kommen und sich teilweise so auchnoch ne Herde anlegen.
Exakt.
Unnd es wäre der "Job" des SLs (wenn er denn persönliches Horror-Spiel will) das "Unmoralische" daran zu thematisieren.
Z.B. indem aus einer Blutpuppe in der Herde ein MENSCH mit GESICHT wird, mit eigenen Träumen, Wünschen, einer Familie, der immer mehr und mehr der Verzückung des Trinkens verfällt, dem immer weniger anderes wichtig ist, der sich nicht mehr pflegt, verwahrlost, gefeuert wird, dem man seine Kinder wegnimmt, der vielleicht sogar dem Vampir nachstellt ("Stalking"), oder der Serienmorde begeht, weil er einen Blutfetisch entwickelt.
All das spielt nur dann keine Rolle, wenn du nur Punkte auf dem Papier betrachtest. Aber wenn du dir bewusst machst, dass das 5, 10, 15, 50 MENSCHEN sind, die ihre Tage vor sich hin vegetieren, nur darauf wartend, das nächste Mal missbraucht zu werden, dann kann (und sollte) dir gruseln.
Und darum geht es: Um GOTHIC, um "Schauergeschichten", nicht um den geilen Sprungkick mit der Kettensäge in der einen und der Shotgun in der anderen Hand.
Siehe ggf. auch hier:
http://www.mordor.ch/midnightdance/-requiem-/requiem01.html
z.B. Story II, zum Thema "Blutbund":
„Also tun wir es.“
„Das ist der Deal.“
„Okay.“
Er klingt resigniert.
Ich setze den Schnitt und halte ihn hin. Mit einem Seufzer beugt er sich darüber.
„Ich denke, bald werde ich wohl kaum noch darüber sauer sein können.“
Er nimmt seinen zweiten Schluck. Der zweite Schritt in Richtung ewige Versklavung. Und als er fertig ist, weint er.
„Bist du okay?“
„Es ist nur ...“ Ich helfe ihm zur Bettkante und hoffe, dass er keine roten Tränen auf das Laken fallen lässt.
„Ich dachte nicht ...“
„Was ist denn?“
„Ich hätte nie gedacht, dass ich noch jemals so empfinden könnte“, sagt er.
Er blickt mich an und ich hasse mich für das, was ich ihm angetan habe. Aber ich kann nicht zurück. Es liegt zuviel Gefahr darin, gnadenvoll zu sein. Er sieht in meine Augen und ich kann meine Chance nicht verpassen.
„Bruce“, sage ich, „Wann immer ich es dir sage, will ich, dass du mir in die Augen siehst.“
„Okay.“
„Wann immer ich es dir sage, wirst du mir in die Augen sehen.“
„Das werde ich. Du hättest es mir nicht befehlen müssen.“
Gott, das ist wie einen kleinen Hund zu treten.
„Du wirst niemals irgendjemandem sagen, dass du von mir getrunken hast. Du wirst niemandem sagen, dass ich dich hypnotisiert habe.“
„Ich werde es niemals verraten“, sagt er, und es klingt nicht wie dieser weggetretene Zombie-Tonfall, den ich gewohnt bin. Es klingt nicht wie willenloser Gehorsam, sondern wie ein Versprechen. „Du wirst mich nie verletzen, und wenn du merkst, dass dich jemand kontrollieren will, wirst du sofort wegsehen. Verstehst du? Wenn jemand anderes versucht, deinen Willen zu rauben, blickst du weg. Meine Stärke ist jetzt in dir, und du hast meine Stärke, um zu widerstehen.“
„Jedem, außer dir“, sagt er.
„Du wirst niemandem meine Geheimnisse preisgeben.“
„Natürlich nicht.“
„Und du wirst mir immer ...“
Ich kann es nicht. Ich kann nicht „immer loyal ergeben sein“ sagen. Ich weiß nicht, warum. Ich blicke weg. Für einen Augenblick sitzen wir nur einfach nebeneinander. Dann, zögerlich, legt er seinen Arm um meine Schulter.
„Bist du okay?“
Ich ertrage es nicht. Ich habe gerade seinen Geist in Ketten gelegt, und er sorgt sich darum, wie ich mich fühle. Ich beginne zu weinen. Für eine Weile, weinen wir einfach gemeinsam.
und VII:
Ich gehe an ihm vorbei und betrete einen nüchternen Raum, in dem Persephone sitzt und durch versteckte Kameras und Mikrophone ihre eigene Trauerfeier verfolgt. Das ist der Grund, warum diese Einrichtung gebucht wurde. Viele unserer Art wählen es für diese spezielle Gelegenheit. Sie schluchzt.
„Persephone?“, spreche ich sie an. Als sie nicht antwortet, versuche ich: „Linda?“
„Linda ist tot“, sagt sie.
Ich setze mich neben sie.
Sie beobachtet ihre Eltern.
„Ich werde sie nie wieder sehen“, sagt sie.
„Ich weiß.“
Ich lege den Arm um sie und sie lehnt sich an mich. Ihr Fleisch ist kalt.
„Ich dachte immer, nun, wie toll es wäre, sein eigenes Begräbnis zu sehen. Zu sehen, wie alle traurig sind, dich zu verlieren, all die netten Dinge zu hören, die sie sagen ...“
„Es ist eine Freude, die man sich lieber vorstellt, als sie tatsächlich zu erleben.“
„Ich wollte, ich könnte ihnen sagen, dass das alles nur ein Scherz ist. Ich wünschte, ich könnte ihnen sagen, dass es ein Irrtum ist, ein Jux ...?“
In ihrer Stimme schwingt die vage, verzweifelte Hoffnung mit, dass ich mich darauf einlassen könnte. Dass ich ihr sagen würde, dass alles okay ist, dass das eine gute Idee wäre, dass wir das tun können. Es ist traurig. Das ist nicht die starke, selbstbewusste Linda, die ich erschaffen habe. Ich löse mich von ihr und sage: „Du weißt, dass das nicht möglich ist.“
Sie seufzt. „Also wird sie das schützen. Wenigstens das. Ja?“
„Persephone, du bist ein Schrecken in einer schrecklichen Welt. Wie beschützt kann irgend jemand sein? Die Kinder der Nacht haben jetzt weniger Grund, ihnen etwas anzutun, aber ihr bester Schutz besteht darin, weit weg von dir und dieser Domäne zu sein.“
„Und ihnen weis zu machen, ich sei tot, wird sie fern halten. Ich weiß. Es ist nur ... hart. Es ist so schrecklich hart, loszulassen.“
Warte, bis deine Familie seit einem Jahrhundert tot ist, mein Schatz. Warte ab, wie besser du dich dann fühlen wirst. Morgen wird ein voller Sarg per Zug in Lindas Geburtsort geschickt werden, wo er in ihrem Namen beigesetzt wird. Ich habe das Mädchen in ihm selbst getötet. Und es dann von Robert mit dem Lkw überfahren lassen. Sie war nicht mein Typ. Irgendein niemand mit schwarzem Haar, von zu Hause weggelaufen, in die große Stadt. In Lindas Grab wird sie mehr Blumen und Tränen bekommen denn als unbekannte Tote.
Ich hoffe, ich schaffe es noch, mit Lindas Eltern zu sprechen, ehe sie gehen. Dann werde ich sicherstellen, dass der Gedanke an diese Stadt sie für immer mit Trauer erfüllen wird, damit sie nie mehr zurückkehren hier her, wo die Rachsucht der Kinder der Nacht und die Schwäche ihrer eigenen Tochter auf sie warten wird.
(Beide Ausschnitte aus dem Requiem-Roman „A Hunger Like Fire“ von Greg Stolze)
AAS